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Entscheidung 10 Ta 1367/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer Entscheidungsdatum 17.07.2012
Aktenzeichen 10 Ta 1367/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 85 Abs 1 S 2 ArbGG

Leitsatz

Die vorläufige Vollstreckbarkeit von vermögensrechtlichen Beschlüssen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren besteht kraft Gesetzes.
Eine entsprechende Tenorierung bedarf es nicht.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den die Erinnerung der Arbeitgeberin gegen die Erteilung einer Vollstreckungsklausel zurückweisenden Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Juni 2012 - 8 BV 2751/12 - wird zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000,-- EUR festgesetzt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Mit Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Mai 2012 - 8 BV 2751/12 - wurde die Arbeitgeberin verpflichtet, zur Gewährung der Teilnahme der Vorsitzenden des in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrates an insgesamt vier verschiedenen Bildungsveranstaltungen in der Zeit vom 23. Juli 2012 bis 14. Dezember 2012 konkret genannte Beträge an den Seminarträger zu zahlen. Mit Beschluss vom 26. Juni 2012 wurde dieser Beschluss im Tenor nach § 319 ZPO dahin ergänzt, dass im Übrigen die Anträge zurückgewiesen würden. Der Beschluss vom 22. Mai 2012 wurde der Arbeitgeberin zu Händen ihres Verfahrensbevollmächtigten am 8. Juni 2012 zugestellt.

Auf einen entsprechenden Antrag ihres Verfahrensbevollmächtigten wurde dem Betriebsrat zu dessen Händen am 14. Juni 2012 unter anderem eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses vom 22. Mai 2012 erteilt. Die Entscheidung wurde am 13. Juni 2012 mit der Vollstreckungsklausel versehen.

Am 18. Juni 2012 legte die Arbeitgeberin unter anderem Erinnerung gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel ein, welche vom Arbeitsgericht mit Beschluss vom 19. Juni 2012 zurückgewiesen wurde. Nach Zustellung dieses Beschlusses am 25. Juni 2012 erhob die Arbeitgeberin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten am 9. Juli 2012 eine sofortige Beschwerde.

Zur Begründung führte die Arbeitgeberin aus, dass der Titel weder rechtskräftig noch vorläufig vollstreckbar sei. Denn die vorläufige Vollstreckbarkeit sei nicht ausdrücklich vom Gericht ausgesprochen worden, was jedoch erforderlich sei. Denn anders als im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren seien nicht alle Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren vorläufig vollstreckbar, sondern nur diejenigen, die eine vermögensrechtliche Angelegenheit betreffen würden. Ob es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handele, könne nicht dem Vollstreckungsorgan überlassen werden. Eine solche Tenorierung sei nicht nur in Zweifelsfällen, sondern generell Voraussetzung eines der Vollstreckung zugänglichen Titels. Ohne Tenorierung der vorläufigen Vollstreckbarkeit entstehe die Vollstreckbarkeit erst mit Rechtskraft der Entscheidung.

Jedenfalls mache der Berichtigungsbeschluss vom 26. Juni 2012 die nur für den Beschluss vom 22. Mai 2012 erteilte Vollstreckungsklausel unwirksam. Da die vollstreckbare Ausfertigung nicht den vollständigen Tenor enthalte, bestehe auch insoweit keine Vollstreckungsreife des Titels.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2012 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, da es sich bei der Ansicht der Arbeitgeberin in einer eindeutig vermögensrechtlichen Angelegenheit lediglich um eine unnötige Förmelei handele.

II.

1.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte, mithin zulässige sofortige Beschwerde (§§ 85 Abs. 1 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 567 ff., 793 ZPO) hat keinen Erfolg.

2.

Die Beschwerden sind nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die erteilte Vollstreckungsklausel für wirksam angesehen.

3.

Nach § 85 Abs. 1 Satz 2 ArbGG sind Beschlüsse in vermögensrechtlichen Angelegenheiten auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren vorläufig vollstreckbar. Dass es sich bei dem Gegenstand des Beschlusses vom 22. Mai 2012 um einen vermögensrechtlichen handelt, ist offensichtlich. Denn die Arbeitgeberin wird verpflichtet, bestimmte Zahlungen an einen Seminarveranstalter zu zahlen.

Dass der Beschluss am 26. Juni 2012 dahin berichtigt worden ist, dass neben den tenorierten Teilen andere Teile vom Gericht zurückgewiesen worden waren, ändert daran nichts. Denn der Berichtigungsbeschluss änderte weder an den tenorierten Teilen der Entscheidung noch an den für die Vollstreckung maßgeblichen Schuldnern und Gläubigern etwas. Deshalb ist die erteilte Vollstreckungsklausel nach wie vor wirksam (in diesem Sinne auch BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - V ZB 84/10).

4.

Einer ausdrücklichen Tenorierung bedarf die vorläufige Vollstreckbarkeit angesichts ihrer gesetzlichen Anordnung nicht, selbst wenn aus dem Tenor nicht immer ersichtlich ist, ob die eine Verpflichtung aussprechende Entscheidung in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit ergangen ist. Damit wird die Entscheidung aber nicht in die Zwangsvollstreckung verlagert, denn die vollstreckbare Ausfertigung nach § 724 ZPO wird gemäß dessen Abs. 2 vom Gericht erster oder zweiter Instanz erteilt. Dessen Urkundsbeamter der Geschäftsstelle hat die - bei noch laufendem Erkenntnisverfahren vorläufige - Vollstreckbarkeit vor Klauselerteilung zu prüfen. Das Vollstreckungsorgan hat lediglich das Vorliegen der Klausel und ihre ordnungsgemäße, das heißt von dem zuständigen Beschäftigten und formgerecht erfolgte Erteilung zu überprüfen, nicht aber, ob sie erteilt werden durfte Henssen in Däubler u.a., Arbeitsrecht, 2. Auflage 2010 - § 85 ArbGG.Rn. 7; so auch ErfK-Koch ArbGG § 84 RN 1; BeckOK ArbGG/Poeche § 85 Rn 6; PG/Kroppenberg ZPO 4. Aufl. § 704 Rn. 13; a.A., allerdings ohne nähere Begründung Germelmann/Matthes ArbGG, 6. Aufl. § 85 ArbGG RN 6; Treber in: Hümmerich/Boecken/Düwell, NomosKommentar Arbeitsrecht 2. Auflage, § 85 ArbGG RN 6).

Zwar verweist § 85 ArbGG auf das 8. Buch der ZPO und damit auf § 704 ZPO. Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat jedoch nur deklaratorische Wirkung, da diese Beschlüsse gem. § 85 Absatz I 2 ArbGG anders als in § 704 ZPO, welcher ausdrücklich eine Vollstreckbarkeitserklärung verlangt, von Gesetzes wegen vorläufig vollstreckbar sind (so auch Rudolf, Vorläufige Vollstreckbarkeit von Beschlüssen des Arbeitsgerichtes, NZA 1988, 420, 421).

5.

Da die Klausel danach von der Urkundsbeamtin des Arbeitsgerichts Berlin zu Recht erteilt worden ist, war die sofortige Beschwerde auf Kosten der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

6.

Die Rechtsbeschwerde war nach §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, da zumindest in der Kommentarliteratur sehr umstritten ist, ob die vorläufige Vollstreckbarkeit von Beschlüssen im arbeitsgerichtlicher Beschlussverfahren für ihre Wirksamkeit zu tenorieren ist oder nicht. Höchstrichterliche Rechtsprechung existiert zu dieser Frage bisher nicht.