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Ausstellung eines Zweitpasses; kein berechtigtes Interesse; Antrag Zulassung der Berufung keine ernstlichen rechtlichen Richtigkeitszweifel; keine besonderen rechtlichen oder tasächlichen Schwierigkeiten


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 03.04.2020
Aktenzeichen OVG 5 N 59.16 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2020:0403.OVG5N59.16.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 2 Abs 1 GG, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 1 Abs 3 PassG

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 1. Juli 2016 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. Juli 2016, mit dem seine Klage auf Verpflichtung der Beklagten, ihm einen Zweitpass auszustellen, abgewiesen worden ist.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO gestützte Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang für das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

1. Gemessen an den Einwendungen des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Sein Vorbringen ist nicht geeignet, einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angegriffenen Urteils mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage zu stellen.

Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass der Begriff des berechtigten Interesses im Sinne des § 1 Abs. 3 PassG wegen des Ausnahmecharakters der Ausstellung von Zweitpässen eng auszulegen sei. Dieser folge schon aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 PassG, der in erster Linie darauf gerichtet sei, Zweitpässe zu verbieten. Sinn und Zweck des grundsätzlichen Zweitpassverbotes sei es, einem Missbrauch durch den unberechtigten Besitz von mehreren Pässen, etwa durch Weitergabe, vorzubeugen.

Dagegen wendet der Kläger ein, das Verwaltungsgericht „vermischt (…) in unzutreffender Weise Sinn und Zweck der Verbotsregelung im Verhältnis zur Ausnahmeregelung“. Liege ein berechtigtes Interesse vor, so könne der Besitz eines Zweitpasses nicht unberechtigt sein. Sinn und Zweck der Ausnahmevorschrift sei es, einen unverhältnismäßigen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf Reisefreiheit zu vermeiden. Daraus ergebe sich, dass es ausschließlich auf das Vorliegen eines berechtigten Interesses ankomme; etwaige Missbrauchserwägungen seien bereits durch das Verbot an sich abgedeckt und im Zweifel vom Beklagten darzulegen.

Mit diesem Einwand zeigt der Kläger keine ernstlichen Richtigkeitszweifel auf. Es liegt auf der Hand, dass die hier in Rede stehende Ausnahmeregelung des berechtigten Interesses nicht losgelöst von dem Sinn und Zweck der damit verbundenen und gleichfalls in § 1 Abs. 3 PassG verankerten Grundregelung des Zweitpassverbotes ausgelegt werden kann. Die dabei von dem Verwaltungsgericht gefundene enge Auslegung des Begriffs des berechtigten Interesses ist methodisch nicht zu beanstanden, zumal dieses Ergebnis dem Grundsatz entspricht, dass eine Ausnahmevorschrift im Allgemeinen eng auszulegen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Februar 1956 - BVerwG V C 169.54 -, juris Rn. 17; KG, Beschluss vom 26. November 2012 - 5 W 120/12 -, juris Rn. 27).

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich ein berechtigtes Interesse an der Ausstellung eines Zweitpasses daraus ergeben könne, dass einer Person sonst die Einreise in einen Staat verweigert würde, weil aus ihrem Pass hervorgehe, dass sie sich in einem bestimmten anderen Staat aufgehalten habe oder noch aufhalten wolle. Ein solches berechtigtes Interesse habe der Kläger nicht nachgewiesen. Zwar habe er geltend gemacht, dass ein Sichtvermerk des Staates Israel ihn an einer Einreise in die Vereinigten Arabischen Emirate hindern könne oder umgekehrt. Er habe aber zugleich angegeben, in der jüngeren Vergangenheit keine Reise nach Reise nach Israel unternommen zu haben und derzeit keine konkreten Pläne für eine solche Reise gefasst zu haben. Insoweit sei er daher nicht in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit betroffen. Sollte er konkrete Pläne für eine Reise nach Israel fassen, stehe es ihm frei, erneut einen Zweitpass zu beantragen.

Der Kläger moniert, ihm könne nicht zugemutet werden, erst konkrete Reispläne nach Israel zu entwickeln, um ein berechtigtes Interesse zu begründen. Er habe sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass er auf Grund seiner geschäftlichen Tätigkeit Reisen nach Israel unternehmen wolle, ihm dies aber wegen seiner ständigen Aufenthalte in arabischen Staaten und des aus seinem Reisepass ersichtlichen Wohnsitzes in den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht ohne Schwierigkeiten und die Besorgnis eines Einreiseverbotes möglich sei. Selbst in den Reise- und Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes werde auf das Risiko einer Einreiseverweigerung durch die israelischen Behörden und die Möglichkeit der Ausstellung eines Zweitpasses verwiesen. Zudem sei nach Nummer 1.3.1 PassVwV ein berechtigtes Interesse immer dann anzunehmen, „wenn die antragstellende Person in einen Staat einreisen will, der Deutschen vermutlich die Einreise verweigert, weil aus dem Pass ersichtlich ist, dass sie sich in bestimmten anderen Staaten aufgehalten haben“. Vor diesem Hintergrund müsse der Kläger weder konkrete Reisepläne fassen, die letztlich nur durch Reisevorbereitungen und die Buchung entsprechender Flüge belegt werden könnten, noch sich dem Risiko einer Einreiseverweigerung aussetzen, um ein berechtigtes Interesse nachzuweisen.

Diese Argumentation überzeugt nicht. Abgesehen davon, dass es sich bei dem Tatbestandsmerkmal des „berechtigten Interesses“ um einen gerichtlich vollständig überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff handelt, dessen Auslegung und Subsumtion nicht durch amtliche Hinweise oder Verwaltungsvorschriften bestimmt wird, hat das Verwaltungsgericht maßgeblich darauf abgestellt, dass der Kläger - wie aus dem Sitzungsprotokoll vom 1. Juli 2016 ersichtlich - selbst angegeben habe, keine konkreten Reisepläne nach Israel zu hegen. Fehlt es aber bereits tatsächlich an einer aktuellen Reiseabsicht des Klägers, ist auch das in den genannten amtlichen Hinweisen und den Passverwaltungsvorschriften beschriebene Risiko einer Einreiseverweigerung nicht zu besorgen. Eine andere Sichtweise wäre mit der engen Zwecksetzung der Ausnahmeregelung unvereinbar, weil sie einem Passantragsteller ohne Darlegung einer konkreten Reiseabsicht die Ausstellung eines Zweitpasses ermöglichen und damit dem Grundsatz des Zweitpassverbotes zuwiderlaufen würde. Daran vermag auch der spekulative Einwand des Klägers, dass er auf Grund seiner geschäftlichen Tätigkeit mehrfach innerhalb kürzester Zeit mehrere Länder bereisen müsse und die Beantragung eines erforderlichen Zweitpasses naturgemäß nicht schnell von statten gehe, nichts zu ändern. Dem Kläger ist es im Übrigen unbenommen, in einem Eilfall die Ausstellung eines Passes im Expressverfahren zu beantragen.

Das Verwaltungsgericht hat weiterhin in den Blick genommen, dass sich ein berechtigtes Interesse an der Ausstellung eines Zweitpasses schließlich daraus ergeben könne, dass eine Person aus beruflichen Gründen so viel reise, dass ein Pass ständig bei einer Auslandsvertretung zur Visumsbeantragung abgegeben werden müsse, zeitgleich aber der Pass für Reisen in andere Länder benötigt werde. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts hat der Kläger aber auch ein solches berechtigtes Interesse nicht nachgewiesen.

Der Kläger bemängelt, dass dieses Ergebnis im Widerspruch zu den eigenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts stehe. Das Verwaltungsgericht habe zum einen selbst ausgeführt, dass er vorgetragen habe, dass ihm während der Passhinterlegung bei der russischen Botschaft eine Ausreise aus Deutschland nicht möglich gewesen sei; zum anderen habe es bereits im Tatbestand des Urteils festgestellt, dass er in den Monaten Januar bis Juni 2016 25 Flüge zwischen den Vereinigten Arabischen Emirate, Äthiopien, Zypern, Deutschland und Russland unternommen habe und für den Juli 2016 bisher sechs weitere Flüge zwischen Zielen in Dubai, Ghana, Zypern, Deutschland plane.

Der Kläger verkennt, dass auch in den Fällen einer erhöhten Reisetätigkeit aus beruflichen Gründen der Ausnahmecharakter einer Zweitpassausstellung nicht unterlaufen werden darf. Ein berechtigtes Interesse ist in diesen Fällen nur anzunehmen, wenn aus den beabsichtigten Reisezielen und -daten ersichtlich ist, dass sich die Beantragung der benötigten Visa und die Durchführung der beabsichtigten Reisen im konkreten Fall ausschließen. Eine derartige konkrete Überschneidung der durchgeführten und geplanten Reisen lässt sich indes weder den Feststellungen des Verwaltungsgerichts noch dem Zulassungsvorbringen entnehmen. Soweit der Kläger meint, dass er „nicht erst,testen’ muss, ob er nicht auch ohne Pass ausreisen könnte“, ist er gleichfalls auf die Möglichkeit einer Passausstellung im Eilfall zu verweisen.

Unbeschadet dessen hat das Verwaltungsgericht klargestellt, dass für die durchgeführten oder geplanten Reisen des Klägers eine Passhinterlegung zur Beantragung etwaiger Visa nicht erforderlich sei. Für Reisen innerhalb der EU genüge ohnehin ein Personalausweis. Für die Einreise in Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate benötige der Kläger keine Visa, weil er dort Wohnsitze unterhalte. Für Russland könne er ein fünf Jahre gültiges Geschäftsvisum beantragen, sodass anschließend eine Hinterlegung des Passes bei der russischen Botschaft für diesen Zeitraum nicht mehr nötig sei. Schließlich könne er für Ghana, wie sich schon aus den von dem Kläger vorgelegten Unterlagen ergebe, ein Visum sowohl online für sechs oder zwölf Monate ohne Hinterlegung eines Passes als auch jeweils bei der Einreise am Flughafen beantragen.

Der Vorhalt des Klägers, dass ein Geschäftsvisum für Reisen nach Russland wegen der dafür geltenden strengen Voraussetzungen sowie seiner äußerst kurzfristigen und unregelmäßigen Geschäftstermine nicht zu beschaffen sein dürfte, verfängt nicht. Nach der von ihm eingereichten Anlage K 24 gelten für die Staatsangehörigen der EU-Länder erleichterte Voraussetzungen für die Ausstellung von russischen Geschäftsvisa. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger diese nicht zu erfüllen vermag und die dafür erforderliche vorübergehende Hinterlegung des Reisepasses bei der russischen Botschaft eine beabsichtigte Reise des Klägers konkret ausschließt. Der weitere Einwand des Klägers, es sei ihm nicht möglich, ein Visum für Ghana online zu beantragen, weil Äthiopien als Wohnsitzland nicht in der Auswahlliste vorhanden sei, trifft ausweislich der von ihm vorgelegten Anlage K 18 nicht zu. Danach reicht die deutsche Staatsangehörigkeit aus, um online ein ghanaisches Visum zu beantragen.

Schließlich verhilft auch die Überlegung des Klägers, dass über die genannten Fälle hinaus ein berechtigtes Interesse „in Form eines tatsächlichen Interesses“ ausreichend sei und seine dargelegte Reisetätigkeit diesem genüge, dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Ein solches Ansinnen ist mit der beschriebenen engen Zwecksetzung der Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 3 PassG unvereinbar.

2. Den geltend gemachten Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Für die Darlegung besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten genügt die allgemeine Behauptung einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit oder der Hinweis auf den Begründungsumfang des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht. Vielmehr bedarf es einer konkreten Bezeichnung der Rechts- oder Tatsachenfragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, und des Aufzeigens, worin die besonderen Schwierigkeiten bestehen, wobei es sich um Gesichtspunkte handeln muss, die für den konkreten Fall entscheidungserheblich sind. Solche Schwierigkeiten lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine Rechtssache jedenfalls dann keine besonderen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers gegen die rechtliche Würdigung, die die erstinstanzliche Entscheidung trägt, keinen begründeten Anlass zu Zweifeln an ihrer Richtigkeit geben und daher keiner Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen. Das ist vorliegend - wie unter 1. dargestellt - der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).