Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 04.08.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 S 11.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 4 Abs 4 S 1 StrReinG BE |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 28. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen des Beschwerdeführers entscheidet, ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss hält einer auf das Vorbringen der Antragstellerin bezogenen Überprüfung stand.
Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, dass sich aus der Veröffentlichung im Amtsblatt vom 15. Oktober 2010 (S. 1691) nicht mit der notwendigen Klarheit ergebe, welche Gehwege neben dem Grundstück Am Steinberg Nr. ..., die zur Pistoriusstraße führen, in das Straßenreinigungsverzeichnis A aufgenommen werden sollten. Es ist der Antragstellerin zunächst zuzugeben, dass die Entscheidung, eine Straße erstmalig in das Straßenreinigungsverzeichnis aufzunehmen, dem aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleiteten Bestimmtheitsgebot genügen muss.Maßgebend ist insoweit, ob bei Betrachtung vor Ort Klarheit besteht, welche Straßen/Gehwege Aufnahme in das Straßenreinigungsverzeichnis gefunden haben. Der Senat geht mit der Antragstellerin davon aus, dass die örtliche Situation durch den von ihr der Antragsschrift vom 14. Dezember 2010 beigefügten Ausdruck aus Google Earth zutreffend wiedergegeben wird. Nach dem Lichtbild ist hinreichend klar, dass es sich bei den neben dem Grundstück Am Steinberg Nr. ... zur Pistoriusstraße führenden Gehwegen um die auf den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Skizzen (Bl. 4 und 5) gelb markierten Fußwege handelt. Nur diese befinden sich neben dem Grundstück Am Steinberg Nr. ... und führen zur Pistoriusstraße.
Eine Änderung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigt auch nicht der Einwand, die Antragstellerin sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 Satz 1 StReinG nicht zum Winterdienst auf den streitgegenständlichen Gehwegen verpflichtet. Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass die Antragstellerin nach dem Inhalt des angegriffenen Heranziehungsbescheides keineswegs Winterdienst auf allen Gehwegen leisten soll, die nach dem Vorstehenden neu in das Straßenreinigungsverzeichnis A aufgenommenen worden sind. Vielmehr hat die Heranziehungsverfügung wegen der beigefügten Planskizze nur diejenigen Gehwege zum Gegenstand, die unmittelbar an das Grundstück der Antragstellerin angrenzen. Für diese liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 Satz 1 StreinG indessen vor. Die in diesem Zusammenhang von der Antragstellerin thematisierte Gesetzesformulierung „vor ihren Grundstücken“ schränkt den Winterdienst entgegen der Beschwerde nicht auf den Bereich eines Gehwegs ein, „den man betritt, wenn man das Haus durch die Vordertür verlässt“. Auch der Bereich vor dem Grundstück A... ist insoweit nicht maßgebend. Letzteres folgt schon daraus, dass die Antragstellerin als Eigentümerin des Flurstücks 9... in Anspruch genommen worden ist, welches einen anderen Grenzverlauf hat als die A... gelegene Grundfläche. Gegen das mit der Beschwerde geltend gemachte Gesetzesverständnis spricht im Übrigen zunächst, dass es eine innerhalb der regelmäßig gebotenen kurzen Zeit sichere Feststellung, ob der Anlieger oder die Berliner Straßenreinigungsbetriebe den Winterdienst durchzuführen haben (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 5 StrReinG), insbesondere bei Grundstücken mit mehreren Straßenfronten kaum zulassen würde.
Der Gesetzgeber hat mit der Formulierung „vor ihren Grundstücken“ die Verpflichtung zum Winterdienst unabhängig davon nicht im Sinn der Beschwerde eingeschränkt. Er hat im Straßenreinigungsgesetz vom 19. Dezember 1978 (GVBl. S. 2501) ursprünglich in § 4 Abs. 4 Satz 1 formuliert „…vor den Straßenfronten ihrer Grundstücke …“. Er hatte damit an die damalige Praxis und ein gewisses Herkommen angeknüpft, dass die Eigentümer der an die zu reinigenden Gehwege angrenzenden Grundstücke diese von Schnee und Eis beseitigen (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 7/1236, S. 4 sowie Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 5. August 1965 - BVerwG I C 78.62 -, E 22, 26, 28). Anhaltspunkte dafür, dass er die so verstandene Reinigungspflicht der Anlieger dadurch im Sinne der Beschwerde begrenzen wollte, dass er die Worte „…vor den Straßenfronten ihrer Grundstücke…“ durch „…vor ihren Grundstücken…“ ersetzt hat (vgl. Viertes Gesetz zur Änderung des Straßenreinigungsgesetzes vom 30. Juni 1988, GVBl. S. 977), bestehen nicht (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks. 10/1742, S. 3). Vielmehr unterstreicht die geänderte Gesetzesformulierung die Anknüpfung an die bereits früher bestehende Praxis (s. o.), da der Winterdienst der Anlieger dem Wortlaut nach nicht mehr von dem eventuell missverständlichen Bestehen einer Straßenfont abhängt, sondern umfassender die an ihr Grundstück angrenzenden und in diesem Sinn vor ihrem Grundstück liegenden Gehwege betrifft (zu den verfassungsrechtlichen Grenzen dieser Sicherungspflicht vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. März 1988 - BVerwG 4 C 78.84 -, Juris Rn. 9 ff.) .
Die Beschwerde reklamiert schließlich zu Unrecht, dass es sich bei den streitgegenständlichen Fußwegen jedenfalls nicht um die „in gleicher oder ähnlicher Richtung verlaufenden nächstgelegenen“ Gehwege im Sinne des Gesetzes handeln würde, weil sie nicht in gleicher oder ähnlicher Richtung wie die Straße Am Steinberg verlaufen würden. Da der Gesetzgeber die Straßenfront als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Umfangs des Winterdienstes nicht mehr aufführt (s. o.) ist bereits zweifelhaft, ob die zitierte Richtungsbeschreibung noch an den Verlauf der jeweiligen Straßen anbindet, denen das Grundstück zugekehrt ist und nicht an den Verlauf der Grundstücksgrenze. Da die Gehwege, für die die Antragstellerin in Anspruch genommen wird, dem Verlauf der Grenze ihres Grundstücks (Flurstücks 9062) entsprechen, würde sich aus Letzterem ihre Verpflichtung zum Winterdienst ohne Weiteres ergeben. Selbst wenn man jedoch davon ausgehen wollte, es käme insoweit auf den Verlauf der Straßenfronten an, bestünde der Winterdienst der Antragstellerin. Denn das Flurstück ... der Antragstellerin ist u. a. der Berliner Straße und der Pistoriusstraße zugewandt und die Richtung dieser Straßen entspricht bzw. ähnelt der der streitgegenständlichen Fußwege. Auch soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang reklamiert, es handele sich bei den streitgegenständlichen Fußwegen nicht um die Straße Am Steinberg begleitende Wege, sondern eigenständig verlaufende Wege, ist dies danach für die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 StrReinG nicht erheblich.
Die Antragstellerin rügt schließlich ohne Erfolg, der Antragsgegner habe das gesamte Frühjahr und den Sommer 2010 Zeit gehabt habe, die Frage der Straßenreinigungspflicht zu klären und sich deshalb im Oktober nicht auf die Gefahr eines frühen Wintereinbruchs zur Begründung der sofortigen Vollziehung seines Heranziehungsbescheides berufen können. Maßgebend für die Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung ist, dass diese im Zeitpunkt der Anordnung aus Gründen des öffentlichen Interesses oder des überwiegenden Interesses eines Beteiligten geboten ist. Zwar kann diese Voraussetzung unter Umständen nicht erfüllt sein, wenn eine Behörde etwa einen rechtswidrigen Zustand über lange Zeit bewusst hingenommen hat (vgl. Bader u. a., VwGO, 4. Aufl., § 80 Rn. 43.1 m. w. Nachw.). Es gibt jedoch für die entsprechende Annahme, der Antragsgegner habe über einen langen Zeitraum bewusst die Frage der Straßenreinigungspflicht der Antragstellerin nicht geregelt, keine Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).