Gericht | OLG Brandenburg 5. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 16.06.2011 | |
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Aktenzeichen | 5 U 33/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22. April 2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus – 4 O 70/07 – abgeändert.
1. Der Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Zahlung von 89.625,38 € die in Abteilung I des Grundbuchs von T… des Amtsgerichts Guben Blatt 255 unter den lfd. Nrn. 2 bis 42 eingetragenen Grundstücke sowie das in Abteilung I des Grundbuchs von K… des Amtsgerichts Fürstenwalde Blatt 20 unter der lfd. Nr. 1 eingetragene Grundstück an die Klägerin herauszugeben, an sie aufzulassen und die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch zu bewilligen.
2. Der Beklagte befindet sich mit der Annahme der unter Ziff. 1 genannten Zahlung im Verzug der Annahme.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 170.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Die Klägerin ist als Tochtergesellschaft der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben mit der Privatisierung der ehemals volkseigenen land- und forstwirtschaftlichen Flächen in den neuen Bundesländern beauftragt. Der Klägerin obliegt als Privatisierungsstelle insbesondere die Veräußerung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen nach Maßgabe des Ausgleichsleistungsgesetzes (AusglLeistG) und der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV). Die Familie des Beklagten – Ehefrau und derzeit noch eine schulpflichtige Tochter – wohnt und lebt in R… (Hessen). Der Beklagte und seine Ehefrau leben nicht in Trennung. Der Beklagte ist von Beruf Zahnarzt und betreibt im in der Nähe von R… gelegenen S… eine werktäglich geöffnete Zahnarztpraxis mit angeschlossenem Zahnlabor. Bei dem Betrieb der Praxis wird der Beklagte von einer Zahnärztin – der Zeugin K… – mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von durchschnittlich 20 Wochenstunden unterstützt. Der Beklagte verfügt über Immobilienbesitz in Hessen und ist Geschäftsführer der P… GmbH mit Sitz in Hessen. Die Immobilienwirtschaft betreibt der Beklagte nicht „lediglich nebenberuflich“, sondern hat sich zu einer „zweiten selbständigen Tätigkeit entwickelt“ (Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 11. März 2008, Anlage B 27).
Im Jahre 1993 erwarb der Beklagte ein Grundstück in L…, auf dem er ein Haus in Holzbauweise errichtete. Dort ist er seit dem 1. August 2008 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Die Fahrtstrecke zwischen R… und L… beträgt bei Benutzung von Bundesautobahnen etwa 540 Kilometer.
Der Beklagte stellte am 26. März 2003 den Antrag auf einen begünstigten Erwerb von Waldflächen zur Neueinrichtung eines Forstbetriebs. Zu diesem Zweck gab der Beklagte am 13. Mai 2003 eine Verpflichtungserklärung ab, wonach er seinen Hauptwohnsitz (Lebensmittelpunkt), soweit noch nicht geschehen, binnen zwei Jahren nach Abschluss des Kaufvertrags in die Nähe der Betriebsstätte verlegen werde.
Mit notariell beurkundeten Kauf- und Übereignungsverträgen vom 5. September und 28. November 2003 (UR-Nr. 1891/2003 und 2498/2003 des Notars … in C…) veräußerte die Klägerin an den Beklagten die aus dem Tenor ersichtlichen, überwiegend in der Gemarkung T… gelegenen forstwirtschaftlichen Flächen mit einer Gesamtgröße von rund 180 ha zu einem Kaufpreis von 80.602,15 € und 18.168,65 €.
Unter § 9 der Verträge – Sicherung der Zweckbindung – ist u. a. vereinbart:
„2. Die Verkäuferin ist jeweils berechtigt, ganz oder teilweise von diesem Vertrage zurückzutreten, wenn …
c) der Käufer seinen Hauptwohnsitz nicht innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss dieses Vertrages in die Nähe der Betriebsstätte verlegt und dort nicht für die Dauer von 20 Jahren nach Abschluss dieses Vertrages beibehält
oder …
g) wenn feststeht, dass die von dem Käufer für den Abschluss dieses Vertrages gegenüber der Verkäuferin erbrachten Nachweise und Angaben falsch waren.“
In einem den Kaufverträgen in der Anlage beigegebenen Betriebskonzept vom 20. Mai 2003 führte der Beklagte u. a. aus: „… meine Motivation ist begründet in dem Streben nach forstlichem Grundvermögen zum Aufbau eines nachhaltigen Forstbetriebes … ich selbst bin Zahnarzt mit einer gut gehenden Praxis in Hessen, strebe aber nach dem Erwerb von Forst T… in mein dortiges Haus vollständig umzuziehen; meine Einkünfte aus der Verwaltung von eigenen Immobilien ermöglichen mir diesen Schritt …“.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2005 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass dieser seine Verpflichtung, in der Nähe der Betriebsstätte ortsansässig zu werden, nicht erfüllt habe. Mit anwaltlichem Antwortschreiben vom 14. Oktober 2005 ließ der Beklagte u. a. folgendes mitteilen: „Nachdem mir Herr Dr. R… berichtet hat, er und seine Ehefrau unterhielten daneben wie vor ihren Wohnsitz in R… …, woselbst auch die beiden Töchter der Eheleute R… zur Schule gehen, habe ich ihn darüber aufgeklärt, dass damit die Voraussetzungen der Begründung eines Hauptwohnsitzes – nach Maßgabe des Urteils des OLG Naumburg vom 26.10.2004 – 11 U 24/04 – nicht erfüllt sind und dass die B… voraussichtlich berechtigt sei, vom Kaufvertrag zurückzutreten und dessen Rückabwicklung zu verlangen. Herr Dr. R…, der bis dato guten Glaubens war, ‚fiel aus allen Wolken’ und bedauert, sich über die maßgeblichen Voraussetzungen der Begründung eines Hauptwohnsitzes nicht rechtzeitig vollständig informiert zu haben.“ Im Weiteren schlug der Beklagte in diesem Schreiben die Beibehaltung der Kaufverträge gegen Nachzahlung des Unterschiedsbetrages zum Verkehrswert der Grundstücke vor, was er insbesondere damit begründete, dass es sich bei ihnen um nicht zusammenhängende Waldflächen handele, weshalb er Arrondierungskäufe bei örtlichen Eigentümern im Umfang von 70 ha vorgenommen und die örtliche Gemeinschaftsjagd zur Größe von rund 1.000 ha gepachtet habe.
Mit Schreiben vom 27. Februar 2006 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten den Rücktritt von den Kaufverträgen mit der Begründung, der Beklagte habe nicht innerhalb der Zwei-Jahres-Frist seinen Lebensmittelpunkt in die Nähe der Betriebsstätte verlegt. Bei der Ausübung des Rücktrittsrechts handele es sich zwar um eine Ermessensentscheidung, doch erscheine der Rücktritt „hier als einzig angemessene Reaktion, da Sie (d. i. der Beklagte) Ihren Hauptwohnsitz nur pro forma nach L… ummeldeten, offensichtlich jedoch nie die Absicht hatten, den Hauptwohnsitz mit allen Konsequenzen für sich und ihre Familie in die Nähe der Betriebsstätte zu verlegen“.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2009 teilte das Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg mit, dass die Rückabwicklung der Kaufverträge aus forststruktureller Sicht nicht zu befürworten sei.
Die Klägerin hat ihre Entscheidung, die Kaufverträge rückabzuwickeln, im folgenden auf wiederholte Vergleichsangebote (u. a. mit Schriftsatz vom 28. Januar 2008) des Beklagten, ihr den Unterschiedsbetrag zum Verkehrswert der Grundstücke nachzuzahlen, mit der Begründung bekräftigt, dass bei der Ermessensausübung im Streitfall etwaige fiskalische Interessen zurücktreten müssten (u. a. Schriftsatz vom 8. Mai 2008).
Die Klägerin bringt von dem zurückzugewährenden Kaufpreis von insgesamt 98.770,80 € gemäß § 9 Nr. 5 der Kaufverträge eine Entschädigung von 9.145,42 € des Beklagten für die Bewilligung von Dienstbarkeiten (Abstandsflächen für Windenergieanlagen) in Abzug. Die Klägerin hegt dabei die Vermutung, dass der Beklagte – unter dem Mantel eines zwischen der P… GmbH und der Windenergieanlagenbetreiberin geschlossenen Beratungsvertrages vom 22. Oktober 2004 – für die Bewilligung der Dienstbarkeiten weitere 270.000,00 € vereinnahmt hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage nach Einvernahme der Zeugen W…, R…, K…, Kü… und Ku... abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagte habe „einen Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen in der Nähe der Betriebsstätte in L… ausreichend dargelegt und nachgewiesen“. Dabei hat es insbesondere zugunsten des Beklagten gewertet, dass dieser seinen Praxisbetrieb so eingerichtet habe, dass es ihm jederzeit, auch kurzfristig, möglich sei, seinen forstwirtschaftlichen Betrieb aufzusuchen. Auch sei zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass sich dessen Forstbetrieb noch im Aufbau befinde und deshalb in den ersten Jahren u. U. Investitionen erfordere; die dazu benötigten Gelder müsse der Beklagte aus seiner anderweitigen Berufstätigkeit erwirtschaften. Schließlich sei wegen des grundgesetzlichen Schutzes von Ehe und Familie unerheblich, wo die Familie des Beklagten wohnhaft sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Gegen dieses ihr am 30. April 2010 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 20. Mai 2010 eingelegten und am 23. Juni 2006 begründeten Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte nach dem im Kern unstreitigen Sachverhalt seinen Lebensmittelpunkt in Hessen habe (R… und S…). Denn dort halte er sich die überwiegende Zeit des Jahres auf, wohne mit seiner Familie, betreibe eine Zahnarztpraxis, die er normalerweise täglich aufsuche, und verwalte seinen umfangreichen Immobilienbesitz. Diese Umstände seien von den Zeuginnen R… und K… bestätigt worden, die in ihrem Kern ebenfalls von keiner der Parteien angegriffen worden seien. Dem entspreche es, wenn sich der Beklagte noch mit anwaltlichem Schreiben vom 14. Oktober 2005 auf einen Rechtsirrtum über die Voraussetzungen der Ortsansässigkeit berufen habe, statt die für die Begründung seines Hauptwohnsitzes in L… sprechenden Umstände darzutun. Demgegenüber bleibe der Vortrag des Beklagten zu einem Umzug nach L… und zu einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Tr… durchweg und bis zuletzt im Ungefähren.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte behauptet, dass sich das Schreiben vom 14. Oktober 2005 als Erwiderung auf die seitens der Klägerin erhobenen Täuschungsvorwürfe verstehe. Der Beklagte ist der Auffassung, dass sich aus einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände einschließlich der von den Zeugen bekundeten Tatsachen ergebe, dass er seinen Lebensmittelpunkt nach T… verlegt habe. Die Verlegung des Lebensmittelpunkts seiner Familie von R… nach L… sei dazu nicht erforderlich. Bei seinem nahe T… in L… errichteten Holzhaus handele es sich um ein Einfamilienhaus im Gegenwert von rund 200.000,00 €. Der Verlegung seines Hauptwohnsitzes dorthin stünde der Betrieb der Zahnarztpraxis in S… nicht entgegen. Denn er wohne – wie der Beklagte behauptet – in seiner Freizeit „hauptsächlich“ in L… und nutze den Wohnsitz in R… lediglich noch zur Ausübung seines Zahnarztberufs. Er sei auf die daraus erzielten Einkünfte angewiesen, weil die Erträge aus den begünstigt erworbenen forstwirtschaftlichen Flächen nicht ausreichten, um den Lebensunterhalt seiner Familie zu bestreiten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte zudem zu bedenken gegeben, ob nicht die Begründung mehrerer Lebensmittelpunkte im Rechtssinne in Betracht komme. Ferner müsse im Rahmen der wertenden Gesamtbetrachtung berücksichtigt werden, dass er durch Hinzuerwerb von 130 ha forstwirtschaftlichen Flächen die von der Klägerin erworbenen, nicht zusammenhängenden Flächen mit einer Gesamtgröße von 180 ha zu einer sinnvollen Einheit von 310 ha zusammengeführt habe. Schon der Zuerwerb dieser – überwiegend kleineren Flächen – habe seine häufige Anwesenheit vor Ort erforderlich gemacht. Diesen Wald bewirtschafte er „persönlich unter Inanspruchnahme von Lohnunternehmen und nicht etwa mit Hilfe eines örtlichen Betriebsleiters“. Daneben beteilige er sich am dörflichen Gemeinschaftsleben insbesondere auch durch finanzielle Zuwendungen an Organisationen wie die örtliche Jugendfeuerwehr. Außerdem rügt der Beklagte, dass die Klägerin das ihr durch die FlErwV eingeräumte Ermessen fehlerhaft nicht ausgeübt habe. Dies sowie die wiederholte Ablehnung seines fortwährend erneuerten Vergleichsangebots vom 28. Januar 2008 lasse das Rückforderungsbegehren – wie der Beklagte meint – als treuwidrig und schikanös erscheinen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Berufung, deren Zulässigkeit keinen Bedenken unterliegt, hat in der Sache Erfolg, weil die Klage begründet ist.
1. Die Klägerin kann gemäß § 346 BGB von dem Beklagten die Rückabwicklung der am 5. September 2003 (UR-Nr. 1891/2003) und 28. November 2003 (UR-Nr. 2498/2003) durch den Notar … beurkundeten notariellen Kaufverträge verlangen. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 27. Februar 2006 wirksam den Rücktritt von diesen Kaufverträgen erklärt, weil der Beklagte nicht innerhalb der vertraglich vereinbarten Frist seinen Lebensmittelpunkt in die Nähe der Betriebsstätte verlegt hat (§ 9 Nr. 2 lit. c) der notariellen Kaufverträge). Ob daneben der Rücktrittsgrund gemäß § 9 Abs. 2 lit e) (falsche Nachweise und Angaben) der Kaufverträge erfüllt ist, bedarf deshalb unter diesem Gesichtspunkt keiner Entscheidung mehr. Desgleichen kann auf sich beruhen, ob die Klägerin wegen einer unerlaubten Handlung des Beklagten (falsche Angaben zur Subventionserschleichung) zur Rückabwicklung der Verträge berechtigt ist.
2. Aufgrund des unstreitigen Sachvortrags der Parteien, des Vorbringens des Beklagten und der von den Zeugen, deren Vernehmung es angesichts der Darlegungslage freilich nicht bedurft hätte, bekundeten Tatsachen, die in ihrem entscheidungserheblichen Kern ebenfalls unstreitig sind und die sich Klägerin ausdrücklich zu eigen gemacht hat, kann der Senat feststellen, dass der Beklagte nicht innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss der Kaufverträge seinen Hauptwohnsitz in die Nähe der Betriebsstätte verlegt hat und die Klägerin deshalb gemäß § 9 Nr. 2 lit. c) wirksam den Rücktritt von den Verträgen erklären konnte.
a)
aa) Die den gesetzlichen Vorschriften (§§ 3 Abs. 8 Satz 1 lit. b), 4 Abs. 3 AusglLeistG, §§ 4 Abs. 2, 1 Abs. 3, 12 Abs. 1 lit. a) dd) FlErwV in ihrer jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung sowie Ziffer 2 und 10 der Anlage 5 zu § 7 FlErwV) entsprechende vertragliche Pflicht, den Hauptwohnsitz fristgemäß in die Nähe der Betriebsstätte zu verlegen, korrespondiert mit dem Erfordernis der Ortsansässigkeit, an das der hier in Rede stehende begünstigte Waldflächenerwerb durch einen Neueinrichter geknüpft ist (§§ 3 Abs. 8 Satz 1 lit. b), 4 Abs. 3 AusglLeistG, §§ 4 Abs. 2, 1 Abs. 3, 12 Abs. 1 FlErwV in ihrer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung). Das Erfordernis der Ortsansässigkeit in der Nähe der Betriebsstätte dient dem Zweck, einen „Flächenerwerbstourismus“ und Bodenspekulationen zu verhindern und soll im Interesse der Strukturförderung die örtliche Nähe zwischen der Betriebsstätte, dem Betrieb und dem Betreiber gewährleisten. Die Vereinbarung des Rücktrittsgrundes in § 9 Nr. 2 lit. c) des Kaufvertrages steht so im Einklang mit den Vorgaben des AusglLeistG und der FlErwV, also dem Subventions- bzw. Förderungszweck des begünstigten Waldflächenerwerbes nach § 3 Abs. 8 Satz 1 lit. b) AusglLeistG und begegnet insgesamt keinen rechtlichen Bedenken (Senat Urteil v. 18 Februar 2010 – 5 U 106/08 m. w. N.).
bb) „Hauptwohnsitz“ des Erwerbers ist gemäß § 1 Abs. 3 FlErwV sein „Lebensmittelpunkt“; diese Begriffsbestimmung hat zunächst rein klarstellende Bedeutung und verweist auf die allgemein anerkannten Grundsätze zur Bestimmung des Wohnsitzes gemäß § 7 BGB. Der Hauptwohnsitz im Sinne von § 7 BGB ist der räumliche Schwerpunkt (Mittelpunkt) der gesamten Lebensverhältnisse einer Person. Wie der Bundesgerichtshof nunmehr in seiner Entscheidung vom 25. September 2009 (NJW-RR 2010, 374, 375 Tz. 11) in diesem Zusammenhang ausdrücklich entschieden hat, ist der Lebensmittelpunkt des Erwerbers nach § 3 AusglLeistG ebenso wie der eines Nutzers im Rahmen von § 5 Abs. 3 SachenRBerG (BGH NJW-RR 2005, 1256, 1257) nicht allein anhand formaler Gesichtspunkte wie der polizeilichen Meldung, sondern in wertender Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu bestimmen. Diese wertende Betrachtung darf aber nicht den Zweck aus dem Blick verlieren, zu dem die jeweilige Vorschrift eine Feststellung des Lebensmittelpunktes verlangt. So geht es etwa im Rahmen von § 5 Abs. 3 SachenRBerG nicht darum, abstrakt den Lebensmittelpunkt des Nutzers zu ermitteln. Die wertende Betrachtung ist vielmehr nur ein Hilfsmittel, um die eigentlich entscheidende Frage zu beantworten, ob dem Nutzer das von ihm auf einem fremden Grundstück errichtete Wohnhaus am 3. Oktober 1990 als Wohnung gedient hat. Auch § 3 Abs. 8 AusglLeistG a. F. und § 4 Abs. 2 Satz 2 FlErwV a. F. knüpfen nicht abstrakt an den Hauptwohnsitz des Erwerbers an. Der verbilligte Walderwerb nach § 3 Abs. 8 Satz 1 lit. b) AusglLeistG a. F. soll vielmehr nicht jedem offen stehen, sondern nur dem Erwerber, der in der Nähe der Betriebsstätte auch ortsansässig werden will. Das Erfordernis der Ortsansässigkeit soll ausschließen, dass Personen ohne regionalen Bezug Flächen erwerben und mit einem Betriebsleiter vor Ort bewirtschaften. In Konkurrenz zu den örtlichen Interessenten sollen andere Personen Flächen nur dann verbilligt pachten und erwerben können, wenn sie sich selbst vor Ort engagieren (BGH ZOV 2007, 30, 33 Tz. 30). Ein solches Engagement setzt zwar nicht voraus, dass sich sämtliche Lebensbeziehungen des Erwerbers auf einen Ort konzentrieren (vgl. BGH ZOV 2007, 30, 33 Tz. 32), sie müssen sich aber an einem Ort in der Nähe der Betriebsstätte so verdichten, dass das erforderliche Engagement vor Ort erkennbar wird. Ein solches Engagement lässt sich nicht an Äußerlichkeiten wie Größe und Komfort der dort eingerichteten Wohnung festmachen. Erforderlich, aber ausreichend ist vielmehr, dass der Erwerber seine Betriebsstätte nicht nur sporadisch und nur bei Bedarf aufsucht. Er muss Bindungen an den Ort in der Nähe der Betriebsstätte aufbauen und unterhalten, die über das rein Geschäftliche hinausgehen (BGH NJW-RR 2010, 374, 375 Tz. 14).
cc) Darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass der Beklagte nicht seinen Lebensmittelpunkt in diesem Sinne in die Nähe der Betriebsstätte verlegt hat bzw. nicht in der Nähe derselben ortsansässig geworden ist und damit die Voraussetzungen des Rücktrittsgrundes nach § 9 Nr. 2 lit. c) des notariellen Kaufvertrages gegeben sind, ist allein die Klägerin (so nunmehr ausdrücklich BGH NJW-RR 2010, 374, 375 Tz. 16). Es ist also allein Sache der Klägerin, wovon auch schon das Landgericht bei seiner Entscheidung ausgegangen ist, darzulegen und zu beweisen, dass der Grund für den erklärten Rücktritt eingetreten ist und der Beklagte seinen Wohnsitz nicht innerhalb der in der Rücktrittsklausel vorgesehenen Zwei-Jahres-Frist nach L… verlegt hat. Dabei ist allerdings, wie ebenfalls der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung ausgeführt hat, zu berücksichtigen, dass die Klägerin außerhalb dieses für ihr Rücktrittsrecht ausschlaggebenden Geschehens steht und die für die Beurteilung der Frage, wo der Beklagte seinen Lebensmittelpunkt hat, relevante Umstände nicht kennen kann. Bei einem derartigen Informationsdefizit des Gläubigers kann die nicht beweisbelastete Partei nach den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der sekundären Darlegungslast (BGHZ 120, 320, 327 f; 145, 170, 184; WM 2005, 571, 573; WM 2009, 1145, 1146) gehalten sein, aufgrund eines erwiderungsfähigen Primärvortrages der beweisbelasteten Partei ihrerseits zu dem Geschehen vorzutragen. Ein solcher Vortrag ist dem Beklagten zumutbar, denn er allein kennt die Umstände, anhand derer sein Lebensmittelpunkt zu bestimmen ist. Nur er kann Auskunft darüber geben, ob und wann er vor Ort war und was er dort getan und unternommen hat. Die Klägerin durfte dem Beklagten die Waldflächen nur verbilligt verkaufen, wenn er in ihrer Nähe ortsansässig wurde. Die Klägerin hat dem Beklagten die Forstflächen nach § 9 Nr. 2 lit. c) der Kaufverträge auch nur in der Erwartung verkauft, der Beklagte werde die gesetzlichen Voraussetzungen seiner Erwerbsberechtigung herstellen. Sie kann deshalb von ihm erwarten, dass er sich hierzu im Streitfall substanziiert äußert (vgl. BGH NJW-RR 2010, 374, 376 Tz. 17).
b)
aa) Die Klägerin ist ihrer Obliegenheit eines erwiderungsfähigen Primärvortrages nachgekommen. Sie hat vorgetragen, dass die Meldebescheinigung vom 6. August 2005, wonach der Beklagte seit August 2005 unter der Anschrift „T… …straße 14“ in L… mit seiner Hauptwohnung gemeldet ist, und die für sämtliche weiteren, vom Beklagten beigebrachten öffentlichen Urkunden wie Steuer- und Gebührenbescheide Tatbestandswirkung entfaltet, u. a. deshalb falsch sei, weil der Beklagte mit seiner Familie in R… wohne und eine Zahnarztpraxis in S… betreibe. Damit knüpft die Klägerin den Rücktrittsgrund – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht etwa unzulässigerweise an einen (ausgebliebenen) Familienumzug, sondern macht lediglich geltend, dass der Beklagte, wie sich aus dem anwaltlichen Schreiben vom 10. Oktober 2005 ergibt, nicht von seiner Familie getrennt lebe, was sich erfahrungsgemäß auf seine Anwesenheitszeiten in L… auswirkt.
bb) Der Beklagte hat daraufhin seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt.
Konkretes zu Anwesenheiten in L… hat der Beklagte nicht dargetan. Dass der Beklagte in L… ein weiteres Haus besitzt, genügt für die Annahme der Ortsansässigkeit dort schon deshalb nicht, weil er dieses Haus bereits seit Anfang der 90iger Jahre besitzt und er ausweislich des anwaltlichen Schreibens vom 14. Oktober 2005 selbst davon ausging, erst mit der Ummeldung seinen Hauptwohnsitz dort begründet zu haben. Jedenfalls hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt vor Abschluss der Kaufverträge behauptet, seinen Hauptwohnsitz bereits in L… begründet zu haben (vgl. Senatsurteil v. 18. Februar 2010 – 5 U 106/08, dort S. 25). Zu einem Umzug nach Vertragsschluss hat der Beklagte ebenfalls nichts mit Tatsachengehalt vorgetragen. Der Beklagte betreibt in S… eine Zahnarztpraxis. Die Berufsausübung des Beklagten ist an den Praxissitz gebunden (§ 8 Abs. 1 BO hess. ZÄ). Es mag sein, dass der Beklagte seine Zahnarztpraxis in einer Weise organisiert hat, die es ihm jederzeit und auch kurzfristig ermöglicht, nach L… zu reisen. Indes besagt diese Möglichkeit nichts darüber, wie oft der Beklagte von ihr in den zwei Jahren nach Vertragsschluss Gebrauch gemacht hat. Wie der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wäre es dem Beklagten als Zahnarzt ein Leichtes gewesen, anhand seiner Terminskalender die Anwesenheitszeiten in L… oder zumindest die Abwesenheitszeiten in R… konkret darzulegen. Dennoch hat sich der Beklagte auf den Vortrag beschränkt, dass er in seiner Freizeit „hauptsächlich“ in L… wohne und den Wohnsitz in R… lediglich noch zur Ausübung seines Zahnarztberufs nutze. Nach der Lebenserfahrung liegt zudem nahe, dass sich die Zeiträume, die dem Beklagten für Aufenthalte in L… zur Verfügung stand, durch seine weitere selbständige Tätigkeit als Geschäftsführer der P… GmbH mit Sitz in Hessen und/oder die Verwaltung seines Immobilienbesitzes in Hessen weiter verkürzte. Dies umso mehr, wenn man den Umfang dieser gewerblichen Tätigkeit des Beklagten betrachtet, der nach eigenem Bekunden „in den vergangenen Jahren … über 200 Wohnungen und Gewerbeobjekte errichtet und verkauft“ hat (Schreiben vom 11. März 2008, Anlage B 27).
Auch zu seinen Aktivitäten in L… trägt der Beklagte nichts vor, was für die Begründung seiner Ortsansässigkeit dort sprechen könnte. Dass hierfür wiederholte finanzielle Zuwendungen an die örtliche Feuerwehr nicht genügen, versteht sich von selbst. Durch Spenden an örtliche gemeinnützige Institutionen wird der Sitz der Zuwendungsempfänger nicht zum Lebensmittelpunkt des Zuwendenden. Nicht anders verhält es sich mit dem Erwerb weiterer Grundstücke im Ort. Der Zuerwerb besagt nichts darüber, ob er dem örtlichen Engagement oder der ortsfremden Kapitalanlage dient. Desgleichen bleibt im Ungefähren und mangels hinreichenden Tatsachengehalts nicht einlassungsfähig, was der Beklagte mit einer Fortbewirtschaftung „persönlich unter Inanspruchnahme von Lohnunternehmen und nicht etwa mit Hilfe eines örtlichen Betriebsleiters“ meint. Eine Konkretisierung seiner „persönlichen“ Tätigkeiten bleibt der Beklagte schuldig. Es kann ferner zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass die in den zwei Jahren nach Vertragsschluss getätigten Arrondierungskäufe seine persönliche Anwesenheit vor Ort erforderten. Damit sind nämlich noch keine Bindungen dargelegt sind, die über das rein Geschäftliche hinausgehen.
Der Beklagte hat darüber hinaus seiner sekundären Darlegungslast insbesondere auch hinsichtlich des anwaltlichen Schreibens vom 14. Oktober 2005 nicht genügt. Darin hat der Beklagte ausführen lassen, der irrtümlichen Auffassung gewesen sein, allein mit der Ummeldung seinen Hauptwohnsitz in L… begründet zu haben. Die spätere Behauptung des Beklagten, dies sei ausschließlich auf die seitens der Klägerin erhobenen Täuschungsvorwürfe bezogen, ist nicht glaubhaft. Denn wenn er seinen Lebensmittelpunkt tatsächlich nach L… verlegt hätte, hätte nichts näher gelegen, als sich damit gegen den Vorwurf der Subventionserschleichung zu verteidigen. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich der – anwaltlich beratene – Beklagte lediglich auf „guten Glauben“ beruft, wenn er sich bereits objektiv keine Vertragsverletzung anlasten lassen muss.
Schließlich konnte der Beklagte den Mangel der ihm obliegenden Darlegungen nicht durch (stillschweigende) Bezugnahme auf die Bekundungen der im ersten Rechtszug gehörten Zeugen ausgleichen. Denn die Zeugen haben im Kern nicht seinen, sondern den Vortrag der Klägerin bestätigt: so die Zeugin R…, seine Ehefrau, bezüglich des Familienwohnsitzes („Wir wohnen in R…“), die Zeuginnen R… und K… bezüglich des Praxisbetriebs (der Beklagte ist „grundsätzlich“ täglich in der Praxis, die auch einen Notdienst des Nachts und am Wochenende sicherstellen muss [vgl. auch § 13 Abs. 1 BO hess. ZÄ]; die Zeugin K… arbeitet in der Praxis durchschnittlich 20 Wochenstunden, hat drei Kinder und 25 Tage jährlich Urlaub und arbeitet mit dem Beklagten jährlich „mindestens ein halbes Jahr“ zusammen in der Praxis) und endlich wiederum die Zeugin R… bezüglich den Aufenthaltszeiten des Beklagten in der Nähe der Betriebsstätte („Es kommt durchaus vor, dass er alle 14 Tage dorthin [L…] fährt. Es kann aber auch sein, dass es im Abstand von drei Wochen sein kann. Meistens hält er sich dann auch für mehrere Tage dort auf, manchmal auch für eine Woche … Er fährt nicht an einem Tag nach L… und dann am nächsten Tag wieder zurück.“).
Für die Begründung der Ortsansässigkeit in L… spricht dagegen im Ansatz nur die von dem Zeugen Kü… bekundete Tatsache, dass der Beklagte im Abstand von zwei Jahren – im fraglichen Zeitpunkt also möglicherweise keinmal – eine Treibjagd in seinem Forst veranstaltet, an die sich ein von diesem finanziertes Dorffest anschließt. Dieser Gesichtspunkt rechtfertigt in Anbetracht der zahlreichen – schon für sich und erst recht in der Summe – bedeutsameren Umstände, die für einen Lebensmittelpunkt in R… sprechen, auch zusammen mit der gelegentlichen finanziellen Unterstützung der Dorffeuerwehr nicht, einen Lebensmittelpunkt in L… anzunehmen.
Entgegen der Ansicht des Beklagten war der Senat nicht zu einer Wiederholung der Beweisaufnahme verpflichtet. Es war nämlich vom selben objektiven Erklärungswert der Zeugenaussagen wie in I. Instanz auszugehen, wobei weder die Glaubwürdigkeit der Zeugen noch die Glaubhaftigkeit deren Aussagen in Zweifel zu ziehen waren. Aus dem Inhalt der Beweisaufnahme waren lediglich andere rechtliche Schlüsse zu ziehen. Die Aussagen der Zeugen rechtfertigten nicht den Schluss auf die geforderte „Ortsansässigkeit“, wie das Landgericht verkannt hatte.
Da die Beziehungen des Beklagten zu L… und T… sowohl quantitativ als auch qualitativ deutlich hinter denen zu R… und S… zurückbleiben, von einer hier erforderlichen Ortsansässigkeit in der Nähe der Betriebsstätte nicht die Rede sein kann, kommt es nicht mehr darauf an, ob rechtlich möglich sein kann, dass eine Person im selben Zeitraum zwei „Lebensmittelpunkte“ hat.
3. Das Rückgewährverlangen der Klägerin ist auch weder treuwidrig noch schikanös.
a) Allerdings unterliegt die Klägerin insoweit strengeren Anforderungen als ein beliebiger Privater.
aa) Die durch das Treuhand- und das Ausgleichsleistungsgesetz geregelte Privatisierung ehemals volkseigener land- und forstwirtschaftlicher Flächen ist eine öffentliche Aufgabe (vgl. BGHZ 158, 253, 259). Nimmt der Staat eine solche Aufgabe - wie hier - in den Formen des Privatrechts wahr (sog. Verwaltungsprivatrecht), stehen ihm nur die privatrechtlichen Rechtsformen, nicht aber die Freiheiten und Möglichkeiten der Privatautonomie zu. Demgemäß kann sich die zuständige Verwaltungsbehörde den für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe bestehenden gesetzlichen Vorgaben nicht durch den Hinweis auf die Grundsätze der Privatautonomie entziehen (vgl. BGHZ 91, 84, 96; BGH, WM 2006, 2101, 2103). Insbesondere kann sie die Bedingungen für die Gewährung von Subventionen und ähnlichen Vergünstigungen nicht privatautonom, also abweichend von den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen bestimmen (BGH ZOV 2007, 30, 33 Tz. 9; WM 2006, 2101, 2103). Diese Bindung hat Auswirkungen auf die Auslegung eines zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe von einer Behörde oder einer von ihr beauftragten Person geschlossenen privatrechtlichen Vertrages. Da davon ausgegangen werden kann, dass sich die Behörde an die öffentlich-rechtlichen Vorgaben für ihren Verwaltungsauftrag halten will und daher beabsichtigt, diese in der Form des Privatrechts zur Geltung zu bringen, und da weiter unterstellt werden darf, dass sie Dritte, die sie mit ihren Aufgaben betraut, zu einem entsprechenden Vorgehen verpflichtet hat, sind vertragliche Regelungen in einem dem Verwaltungsprivatrecht zuzuordnenden Vertrag im Zweifel so auszulegen, dass sie mit den Anforderungen der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlagen in Übereinstimmung stehen (BGHZ ZOV 2007, 30, 33 Tz. 10; vgl. BGHZ 155, 166, 170; BGH WM 1972, 339, 340 f.).
bb) Dieselben Gesichtspunkte, die zu einer dem öffentlichen Recht entsprechenden Auslegung privater Verträge nötigen, zwingen zu einer Ausübung der vertraglich begründeten Rechte, die mit der öffentlich-rechtlichen Zielsetzung in Einklang steht.
b) Diesen Anforderungen wird der Rücktritt der Klägerin gerecht.
aa) Über die Zweckmäßigkeit des Rücktritts hat der Senat dabei allerdings nicht zu befinden. Die gerichtliche Nachprüfung beschränkt sich auf Ermessensfehler. Ein solcher Fehler ist nicht ersichtlich.
Die Klägerin hat ausweislich ihrer Rücktrittserklärung erkannt, dass die Erklärung des Rücktritts in ihrem Ermessen stand (§ 12 Abs. 7 FlErwV a. F.; keine Ermessensunterschreitung). Die Bezeichnung des Rücktritts „als einzig angemessene Reaktion“ ist erkennbar Folge des Ermessensgebrauchs.
Anhaltspunkte für einen Ermessensmissbrauch bestehen ebenfalls nicht. Die Rücktrittserklärung der Klägerin orientiert sich ersichtlich an dem Subventionszweck. Zu Recht verweist die Klägerin darauf, dass sie auch Grundsätze der Verteilungsgerechtigkeit im Verhältnis zu ortsansässigen Erwerbsinteressenten berücksichtigen muss. Dieser Zweckbindung – vergünstigter Erwerb durch Ortsansässige – kann nicht allein mit der Zahlung der Differenz zum Verkehrswert durch einen Ortsfremden (Beklagten) genügt werden. Durch ein Absehen von der Rückabwicklung gemäß § 12 Abs. 7 FlErwV a. F. wird lediglich dem Fiskalinteresse Rechnung getragen. Dieses Interesse hinderte die Klägerin deshalb nicht, bei ihrer Ermessensausübung dem übergeordneten Subventionszweck den Vorrang einzuräumen.
Daneben durfte die Klägerin bei ihrer Rücktrittsentscheidung berücksichtigen, dass der Beklagte mit seinem Betriebskonzept vom 20. Mai 2003 den falschen Eindruck hervorgerufen hat, unmittelbar nach Erwerb der Forstflächen nach L… umzuziehen. Denn darin führte der Beklagte u. a. aus: „… meine Motivation ist begründet in dem Streben nach forstlichem Grundvermögen zum Aufbau eines nachhaltigen Forstbetriebes … ich selbst bin Zahnarzt mit einer gut gehenden Praxis in Hessen, strebe aber nach dem Erwerb von Forst T… in mein dortiges Haus vollständig umzuziehen; meine Einkünfte aus der Verwaltung von eigenen Immobilien ermöglichen mir diesen Schritt …“. Dies entsprach insoweit nicht der Wahrheit, als der Beklagte selbst vorträgt, dass er nach wie vor auf die Einkünfte aus der Zahnarztpraxis angewiesen sei, um den Lebensunterhalt seiner Familie zu bestreiten.
Die Klägerin war auch nicht gehalten, von einem Rücktritt aus agrarstrukturellen Gründen abzusehen (§ 12 Abs. 8 S. 1 FlErwV a. F.). Diese dem Subventionszweck zuwider laufende Ausnahme ist erkennbar im übergeordneten Allgemeininteresse, nicht im Interesse des nicht subventionsberechtigten Erwerbers vorgesehen. Davon abgesehen ist es nicht ermessensmissbräuchlich, wenn die Klägerin bei ihrer Ermessensausübung auch insoweit dem primären Gesetzeszweck den Vorrang gibt (arg. ex „auch“). Jedenfalls kann es keinen Automatismus im Sinne einer Ermessensreduzierung zugunsten des nicht subventionsberechtigten Erwerbers geben, wenn dieser die agrarstrukturellen Gründe durch eigene Zukaufsaktivitäten selbst schafft.
Für einen Härtefall i. S. v. § 12 Abs. 8 S. 1 FlErwV a. F. ist nichts ersichtlich. Insoweit lag es bereits nicht im Ermessen der Klägerin, von einem Rücktritt abzusehen.
Bei dieser Sachlage kann auf sich beruhen, ob die Klägerin auch aufgrund des nicht plausibel erklärten Beratungsvertrags vom 22. Oktober 2004 von der Beibehaltung der Verträge absehen durfte. Als potentielles Umgehungsgeschäft ginge dieses Rechtsgeschäft wegen der Ausgleichszahlungsverpflichtung des Beklagten in § 9 Nr. 5 der Kaufverträge zu ihren Lasten (potentieller Schaden: 202.500,00 €) und würde die Vertrauensgrundlage zwischen den bei Nichtrücktritt noch lange Jahre verbundenen Parteien zerstören.
bb) Die die Ermessensausübung der Klägerin tragenden Gründe bestehen fort. Schon deshalb war die Klägerin nicht nach Treu und Glauben gehalten, in einer im Ergebnis dem Neuabschluss der Kaufverträge gleichkommenden Weise auf ihre Rechte aus dem Rücktritt zu verzichten und die Vergleichsangebote des Beklagten anzunehmen. Im Übrigen wird die Annahme einer Schädigungsabsicht der Klägerin schon dadurch widerlegt, dass sie dem Beklagten unter dem 15. Mai 2009 ihrerseits den Abkauf der Arrondierungsflächen angeboten hat, was dieser ablehnte.
4. Soweit der Beklagte unter Bezugnahme auf ein Rechtsgutachten (Prof. Dr. P…) einen Verstoß gegen Unionsrecht, nämlich Art. 39 (Arbeitnehmerfreizügigkeit) und Art. 43 (Niederlassungsfreiheit) EGV besorgt, fehlt es bereits an einem supranationalen Bezug. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof (ZOV 2007, 30, 33 Tz. 33 f.) in einem vergleichbaren Fall mit supranationalem Bezug ausgeführt, dass eine Vorlagepflicht durch das letztinstanzliche Gericht gemäß Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag nicht besteht, wenn eben dieses Gericht in dem bei ihm schwebenden Verfahren feststellt, dass die betreffende entscheidungserhebliche gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof war oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts offenkundig und damit für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum ist (vgl. EuGH, Urt. v. 6. Oktober 1982, Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415, 3430 Rdn. 16 = NJW 1983, 1257, 1258; BVerfG NJW 1988, 1456; BGHZ 109, 29, 35). Letzteres ist im Hinblick auf das Erfordernis der Ortsansässigkeit der Fall (BGH ZOV 2007, 30, 33 Tz. 35 ff.).
5. Die Klägerin hat schließlich mit der Rücktrittserklärung Zug um Zug gegen die Rückübertragung der Grundstücke die Rückzahlung der Kaufpreise angeboten, so dass sich der Beklagte gemäß §§ 294, 295, 298 BGB mit der Entgegennahme der Kaufpreise im Verzug der Annahme befindet. Hat nämlich der Zug um Zug leistungspflichtige Gläubiger (§ 298 BGB) erklärt, er werde die Gegenleistung nicht erbringen, genügt ein wörtliches Angebot (BGH NJW 1997, 581). Der Beklagte hat spätestens mit der Klageerwiderung die Rückabwicklung der Kaufverträge abgelehnt.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 S. 1, § 708 Nr. 10, § 711 S. 1 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nicht vorliegen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).