Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 04.02.2014 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | OVG 5 S 4.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 131 Abs 1 S 1 BauGB, § 8 Abs 6 S 6 KAG BB |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 23. September 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.727,22 € festgesetzt.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Straßenausbau- und Erschließungsbeitragsbescheide vom 26. Juni 2013 und 4. Juli 2013 anzuordnen, abgelehnt. Die Kammer hat es für unbedenklich gehalten, das Grundstück des Antragstellers mit seiner gesamten Fläche als durch die Erschließungsanlage erschlossen anzusehen und bei der Verteilung des Erschließungsaufwandes entsprechend zu berücksichtigen. Immer dann, wenn - wie hier - für einen Bereich ein Bebauungsplan vorliege, sei regelmäßig die gesamte vom Bebauungsplan erfasste Fläche als erschlossen im Sinne des Beitragsrechts anzusehen, d.h. auch diejenigen Teilflächen, die ggf. aufgrund eingeschränkter Planfestsetzungen nicht überbaut werden dürften. Dies werde damit gerechtfertigt, dass das Baurecht fast nie die volle Überbaubarkeit eines Grundstücks zulasse, sondern meist die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraussetze. Es gebe für Grundstücke in beplanten Gebieten nur eine Ausnahme vom Grundsatz der Berücksichtigung der Gesamtfläche, nämlich das Institut der „begrenzten Erschließungswirkung“. Dieses könne allerdings nur bei mehrfach erschlossenen Grundstücken zur Anwendung kommen. Um einen solchen Ausnahmefall eines mehrfach erschlossenen Grundstücks handele es sich vorliegend jedoch nicht. Der Antragsgegner sei auch nicht gehalten gewesen, eine Tiefenbegrenzung in seine Satzung aufzunehmen, weil diese Regelung wegen eines Verstoßes gegen die Notwendigkeit der Berücksichtigung der gesamten Fläche unwirksam wäre. Die Bezeichnung im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs sei kein geeignetes Mittel zur Feststellung der Bebaubarkeit. Für eine unbillige Härte sei nichts ersichtlich.
Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfende Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung des Beschlusses. Der Einwand des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe den Einzelfall unberücksichtigt gelassen, der sich dadurch auszeichne, dass das fragliche Grundstück nahezu doppelt so groß sei wie alle anderen umliegenden Grundstücke beiderseits der Erschließungsanlage - mit Ausnahme des benachbarten Eckgrundstücks - und dass die Bauaufsichtsbehörde die Bebauung des hinteren Grundstückteils ausgeschlossen habe, geht an den Gründen des angefochtenen Beschlusses vorbei.
Allein die Größe eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes liegt (hier Bebauungsplan F... - reines Wohngebiet mit eingeschossiger Bauweise) und für das mangels Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen eine Bebaubarkeit über die gesamte Fläche vorgesehen ist, ist für die Frage, ob es durch die Anlage erschlossen wird im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB, grundsätzlich ohne Belang. Bei solcherart überplanten Grundstücksflächen ist die gesamte im Plangebiet gelegene Fläche als erschlossen anzusehen, weil das Maß der baulichen Nutzung mit der Grundstücksgröße korreliert (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. September 2004 - BVerwG 9 C 15.03 -, juris Rn. 25 f.). Diesem Grundsatz ist das Verwaltungsgericht beanstandungsfrei gefolgt. Dass die Angaben im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs zu Wirtschaftsart und Lage demgegenüber bedeutungslos ist, hat es ebenfalls zutreffend ausgeführt. Damit „verharrt“ der Beschluss nicht im Allgemeinen, vielmehr hat das Verwaltungsgericht die Grundsätze der Rechtsprechung zu § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf den Einzelfall angewendet.
Es kann offen bleiben, ob und ggf. unter welchen Umständen es dem Beitragssatzungsgeber erlaubt gewesen wäre, eine Tiefenbegrenzung, wie sie dem Antragsteller vorschwebt, in die Beitragssatzungen aufzunehmen (für das Erschließungsbeitragsrecht im Grundsatz verneinend Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 1982 - BVerwG 8 C 27.81 -, juris Rn. 21, zu denkbaren Ausnahmen Urteil vom 21. Juli 2009 - BVerwG 9 B 71.08 -, juris Rn. 10 ff.). Von einer solchen Ermächtigung hat der Satzungsgeber keinen Gebrauch gemacht (vgl. § 5 Abs. 2 der beiden Satzungen). Eine dahingehende Verpflichtung lässt sich § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB oder § 8 Abs. 6 Satz 6 KAG jedenfalls nicht entnehmen.
Der dem Antragsteller im Jahre 1995 erteilte Vorbescheid, wonach eine Baugenehmigung für eine bauliche Nutzung von mehr als 130 qm überbauter Grundstücksfläche und eine Bebauung in zweiter Baureihe nicht erteilt werden könne, ist für die Entscheidung ohne Belang. Denn die Bauaufsichtsbehörde hat maßgeblich darauf abgestellt, dass das Grundstück damals noch im unbeplanten Innenbereich lag und sich die geplante Bebauung nicht in die Umgebungsbebauung eingefügt hätte. Dies ist durch die Festsetzungen des Bebauungsplanes F... überholt.
Eine besondere Härte vermag der Senat in der Berücksichtigung der gesamten Grundstücksfläche auch ansonsten nicht zu erkennen. Wie der Antragsteller selbst ausführt, ist sein - mit 1.756 qm übrigens nicht übergroßes - Grundstück nicht das einzige dieser Größe im Abrechnungsgebiet. Ob der Antragsteller die Teilfläche Forsten und Holzungen von 1.066 qm aus dem Flurstück 90 ohne weiteres hätte „herausmessen lassen und das Grundstück entsprechend teilen können“, erscheint im Hinblick auf den vorhandenen, nahezu in der Mitte des Grundstücks angeordneten Baukörper und die bei solcherart Teilung dann eingeschränkte Erschließung des Grundstücks zweifelhaft (§ 4 Abs. 3 BbgBO), kann aber offen bleiben. Entscheidend ist, dass das Grundstück im maßgeblichen Zeitpunkt ungeteilt war.
Der Hinweis auf § 5 Abs. 4 lit. g der Straßenausbau-Beitragssatzung schließlich, der für Grundstücke, die als Forstflächen (Wald) genutzt werden, das Maß der baulichen Nutzung durch den Faktor 0,0167 statt wie bei eingeschossig bebaubaren Baugrundstücken mit 1,0 berücksichtigt, hilft nicht weiter, weil der Bebau-ungsplan für das Grundstück des Antragstellers - wie ausgeführt - eine bauliche und keine forstwirtschaftliche Nutzung festsetzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).