Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 13.06.2014 | |
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Aktenzeichen | L 1 KR 187/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 45 SGB 1, § 195 BGB |
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2013 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Im Streit sind Vergütungsansprüche der Klägerin aus dem Jahre 2005 nebst Zinsen.
Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses in Thüringen. Im Rahmen der Anschubfinanzierung nach § 140d SGB V a. F. kürzte die Beklagte die ihr von der Klägerin im Jahr 2005 in Rechnung gestellten Krankenhausvergütungen um insgesamt 770,02 €. Die Kürzungen erfolgten für folgende von der Beklagten zur Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH gemeldeten Verträge:
Nr. | Bezeichnung des Vertrages | Kurzbezeichnung | Kürzungs- |
1. | Vertrag zur integrierten Versorgung nach § 140a SGB V über neurochirurgische Leistungen | Marienstift | 01.10.2005 |
2. | Vertrag zur integrativen ambulanten und stationsersetzenden Verordnung und deren Qualitätssicherung von chirurgisch zu behandelnden Kindern vom 25. Februar 2005 | Kinderchirurgie N Klinik | 01.04.2005 |
Am 29. Dezember 2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass die Beklagte zu Unrecht die Vergütungen gekürzt habe. Bei den vorgelegten Verträgen habe es sich nicht um Verträge zur integrierten Versorgung nach §§ 140a ff. SGB V und der hierzu ergangenen Rechtsprechung gehandelt.
Mit Urteil vom 10. Mai 2013 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 770,02 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Dezember 2009 zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die vorgenannten Verträge keine integrierte Versorgung im Sinne der §§ 104a ff. SGB V zum Gegenstand gehabt hätten. Die Beklagte habe deshalb keine Vergütungsanteile nach § 140d SGB V a. F. einbehalten dürfen.
Gegen das hier am 14. Juni 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 27. Juni 2013. Sie trägt vor:
Die Klägerin mache Vergütungsbestandteile für erfolgte Krankenhausbehandlungen im Jahre 2005 geltend. Die Vergütungsansprüche seien verjährt. Vergütungsansprüche der Krankenhäuser verjährten grundsätzlich nach § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in den sie entstanden seien. Diese Regelung sei abbedungen worden. Nach § 13 Abs. 5 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen e. V. und den Thüringischen Landesverbänden der Krankenkassen in der Fassung der Schiedsstellenentscheidung vom 3. November 2003 (KBV) verjährten die Forderungen der Krankenhäuser sowie die Rückforderungsansprüche der Krankenkassen nach § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in drei Jahren. Die streitbefangenen Vergütungsforderungen seien ihr im Jahr 2005 in Rechnung gestellt worden. Sie seien deshalb im Zeitpunkt der Klageerhebung verjährt gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Forderungen seien nicht verjährt. Es gelte die vierjährige Verjährungsfrist. Eine Abbedingung der vierjährigen Verjährungsfrist sei nicht zulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht Berlin hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist unbegründet. Die von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsansprüche sind verjährt.
Rechtsgrundlage der Vergütungsansprüche der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. §§ 7 ff. Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz sowie dem KBV.
Ob die stationären Behandlungen medizinisch notwendig waren und ob die Klägerin die Behandlungsfälle jeweils korrekt abgerechnet behandelt hat, kann vorliegend dahinstehen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Den geltend gemachten Vergütungsforderungen steht jeweils die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.
Vergütungsansprüche der Krankenhäuser gegen die Krankenkassen für die Behandlung von Versicherten unterliegen auch nach der Neuregelung der Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern zum 1. Januar 2000 (§ 69 SGB V) grundsätzlich nach § 45 SGB I einer vierjährigen Verjährungsfrist (Urteil des BSG vom 12. Mai 2005 - B 3 KR 32/04 R -, zitiert nach juris, a. A. mit einer ausführlichen Begründung: Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25. März 2014 – S 3 KR 588/11 -). Im vorliegenden Fall gilt für die Vergütungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nach § 13 Abs. 5 KBV die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Entgegen der Auffassung der Klägerin waren die Vertragspartner des KBV zu einer von der gesetzlichen Regelung in § 45 SGB I abweichenden Vereinbarung der Verjährungsfrist befugt (vgl. Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 30. Juli 2013 - L 6 KR 284/10 - ).
Die Verjährungsfrist nach § 45 SGB I ist, ebenso wie die Regelung über die Zahlung von Verzugs- und Prozesszinsen (Urteil des BSG vom 8. September 2009 – B 1 KR 8/09 R und Urteil vom 23. März 2006 – B 3 KR 6/05 R -, zitiert jeweils nach juris) grundsätzlich dispositiv (vgl. Seewald in Kasseler, Kommentar, SGB I, 80. EL 2013, § 45 RdNr. 38). Einschränkungen der Dispositionsfreiheit ergeben sich insofern aus den Regelungen der Sozialgesetzbüchern nur insoweit, als Abweichungen zum Nachteil von Sozialleistungsberechtigen unzulässig sind (§ 32 SGB I In Verbindung mit § 2 Abs. 2 SGB I; vgl. Seewald, a. a. O). Im Übrigen gilt nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V der § 202 Abs. 1 BGB. Danach kann lediglich die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden (vgl. Seewald, a. a. O.). Ein derartiger Sachverhalt ist hier offensichtlich nicht gegeben.
Den Vertragspartnern des KBV bzw. der Schiedsstelle (§ 13 KHEntgG) ist durch die Regelung des § 112 SGB V eine Vereinbarung hinsichtlich der Verjährung nicht verwehrt. Nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b SGB V regeln die Sicherstellungsverträge insbesondere die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung einschließlich Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte, Berichte und Bescheinigungen. Aus dem Wort „insbesondere“ lässt sich entnehmen, dass die Aufzählung nicht abschließend ist, so dass sich auch § 112 Abs. 2 SGB V eine Einschränkung der Befugnis zur Vereinbarung einer von § 45 SGB I abweichenden Verjährungsfrist, die im Zusammenhang mit der Abrechnung der Entgelte steht, nicht entnehmen lässt.
Nach den danach maßgeblichen Verjährungsregelungen des BGB ist der geltend gemachte Vergütungsanspruch damit verjährt. Unabhängig davon, ob für Beginn und Verjährung ebenfalls die Vorschriften des BGB (§ 199 Abs. 1 BGB) oder § 45 Abs. 1 SGB I maßgeblich ist, begann die dreijährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2006 und sie endete am 31. Dezember 2008.
Tatbestände, die eine Hemmung oder einen Neubeginn begründen könnten lagen nicht vor, so dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 29. Dezember 2009 die geltend gemachten Vergütungsansprüche verjährt waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.