Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 07.12.2020 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 114/16 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2020:1207.13UF114.16.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Zehdenick vom 10.05.2016, Az, 31 F 30 /15 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 3.897 €.
Gründe:
I.
Der beschwerdeführende Antragsteller wendet sich gegen die teilweise Zurückweisung seines Antrags auf Zahlung nach Unterhaltsvorschussgesetz auf ihn übergegangener Kindesunterhaltsansprüche für den am ...2006 geborenen B… R…, für den der Antragsteller im Zeitraum März bis einschließlich August 2011 Unterhaltsvorschuss in Höhe von insgesamt 798 €, von Februar 2012 bis einschließlich Oktober 2013 in Höhe von insgesamt 3.498 € und ab November 2013 laufend in Höhe von 180 € monatlich zahlte.
Der Streitverkündete erkannte im August 2006 die Vaterschaft für das Kind an (Bl. 8), focht diese aber mit am 29.11.2011 rechtskräftig gewordenem Beschluss des Amtsgerichts Zehdenick vom 27.09.2013 (Az. 31 F 265/12, dort Bl. 51) erfolgreich an. Der Antragsgegner, der bereits am 28.10.2013 von der Mutter des Kindes von diesem Beschluss in Kenntnis gesetzt und zur Anerkennung der Vaterschaft aufgefordert worden war, kam dem erst am 16.09.2014 im Zusammenhang mit einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren gegen ihn vor dem Amtsgericht Zehdenick (Az. 31 F 236 /13, dort Bl. 45) nach.
In den Monaten Juni, Juli und August der Jahre 2012 und 2013 trieb der Antragsteller beim Streitverkündeten im Wege der Zwangsvollstreckung insgesamt 1.426,34 € bei (Bl. 119), die er auf Antrag des Streitverkündeten Ende 2014 an diesen zurückzahlte (Bl. 117).
Der Antragsteller hat erstinstanzlich neben laufendem Unterhalt zunächst aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche des Kindes in Höhe der sich per 28.02.2015 auf 7.176 € belaufenden Gesamtsumme aller Unterhaltsvorschussleistungen begehrt, den Antrag dann aber in Höhe von 399 € für die Monate Februar bis April 2012 zurückgenommen (Bl. 105).
Der Antragsteller hat zuletzt beantragt (Bl. 2, 105),
den Antragsgegner zu verpflichten, an ihn Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind B… R…, geb. ...2006
a) für die Zeiträume vom 01.03.2011 bis 31.08.2011 und vom 01.05.2012 bis 28.02.2015 in Höhe von 6.777 € zu zahlen, sowie
b) ab 01.03.2015 längstens bis zum 13.08.2018 Unterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der 2. Altersstufe gem. § 1612 a BGB unter Abzug des jeweiligen staatlichen Kindergeldes gem. § 1612 b BGG zu zahlen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er hat behauptet, die Kindesmutter und der Streitverkündete hätten bereits 2006 vor Anerkennung der Vaterschaft durch diesen gewusst, dass der Antragsgegner der Vater des Kindes sei. Im Vaterschaftsanfechtungsverfahren hätten dann Kindesmutter und der Streitverkündete in kollusivem Zusammenwirken die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft erschlichen, indem sie das Gericht über den Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Streitverkündeten von seiner mangelnden Vaterschaft getäuscht hätten. Ansprüche aus 2011 seien verjährt.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht dem Antrag auf laufenden Kindesunterhalt ab März 2015 entsprochen, sowie den Antragsgegner verpflichtet, für den Zeitraum November bis einschließlich September 2014 1.980 € zu zahlen, dies aber in Ansehung von §1613 Abs. 3 BGB nur in monatlichen Raten à 100 €. Schließlich hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung von 900 € für den Zeitraum Oktober 2014 bis einschließlich Februar 2015 verpflichtet.
Weitergehende Ansprüche hat das Amtsgericht verneint. Für den Zeitraum von März 2011 bis einschließlich August 2011 seien Unterhaltsansprüche durch erfolgreiche Vollstreckung beim Streitverkündeten durch Erfüllung erloschen. Die - zudem nicht nachgewiesene - Rückzahlung der vollstreckten Beträge an den Streitverkündeten sei mangels Verpflichtung hierzu irrelevant und in Kenntnis einer Nichtschuld erfolgt. Für den Zeitraum von Mai 2012 bis einschließlich Oktober 2013 sei die Heranziehung des Antragsgegners unbillig, da er bis zur Kenntnis von der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung des Streitverkündeten und der Aufforderung der Mutter an ihn, den Antragsgegner, die Vaterschaft anzuerkennen, nicht mit seiner Inanspruchnahme habe rechnen müssen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen weiter.
Er beantragt sinngemäß,
unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Zehdenick vom 10.05.2016, den Antragsgegner zu verpflichten, an ihn weitere 3.897 € für den Zeitraum März 2011 bis August 2011 und Mai 2012 bis Oktober 2013 zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und wendet unter Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Beschlussgründe ein, seine Heranziehung sei unbillig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt, ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG), von der ein weiterer Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten war. Dem Senat lagen die im ersten Rechtszug herangezogenen Akten zu den Verfahren des Amtsgerichts Zehdenick Az. 31 F 265/12, 31 F 236/13 vor.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Amtsgericht die Anträge des Antragstellers gegen den Antragsgegner auf Zahlung von Kindesunterhalt aus übergegangenem Recht gemäß § 7 UVG für das Kind B… R… für den Zeitraum März 2011 bis August 2011 und Mai 2012 bis Oktober 2013 zurückgewiesen.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nicht. Es erschöpft sich in der Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags, den das Amtsgericht bereits umfassend und in der Sache weitgehend zutreffend gewürdigt hat.
Zugunsten des Antragsgegners greift die Vorschrift des § 1613 Abs. 3 BGB ein.
Zwar hat das Amtsgericht verkannt, dass die Anspruchsbeschränkung gemäß § 1613 Abs. 3 BGB nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, sondern es sich um eine Einrede handelt, die vom Unterhaltsverpflichteten erhoben werden muss (vgl. BeckOGK/Winter, Stand 01.11.2020, § 1613 BGB Rn. 296; Erman/Hammermann, 16. Aufl. 2020, § 1613 BGB Rn. 39; BT-Drs. 13/7338, 32), was erstinstanzlich nicht erfolgt ist. Allerdings hat der Antragsgegner sich in der Beschwerdeerwiderung die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung ausdrücklich zu eigen gemacht und sich in diesem Rahmen auf die Unbilligkeit seiner Inanspruchnahme nach § 1613 BGB berufen. Eine damit wie hier nur konkludente Erhebung der Einrede genügt, weil es sich bei der Erhebung einer Einrede um eine geschäftsähnliche Handlung handelt (BGH BeckRS 2012, 20502, Rn. 14), auf die §§ 133, 157 BGB entsprechende Anwendung finden (vgl. zur Einrede der Verjährung: MüKoBGB/Grothe, 8. Aufl. 2018, § 214 BGB Rn. 4) und die deshalb nicht ausdrücklich zu erfolgen hat, (vgl. zur Einrede der Verjährung: BeckOGK/Bach, Stand: 01.11.2020, § 241 BGB Rn. 38), wenn nur - wie hier - der hierauf gerichtete Erklärungsinhalt eindeutig zum Ausdruck kommt. Mangels Verweisung in § 117 FamFG auf die Bestimmung in § 531 ZPO ist der Antragsgegner damit im zweiten Rechtszug erhobenen Einrede auch nicht ausgeschlossen.
§ 1613 BGB will die Interessen des Gläubigers und des Schuldners eines Anspruchs auf rückständigen Unterhalt gerecht ausgleichen (Staudinger/Klinkhammer (2018) BGB § 1613, Rn. 104). Danach kommen Stundung, Bewilligung von Ratenzahlungen und teilweiser oder vollständiger Erlass der Forderung in Betracht, wenn die Erfüllung für den Unterhaltsverpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde. Für die Bejahung einer Härte ist dabei wesentlich, von wann an der Unterhaltsschuldner mit seiner Inanspruchnahme rechnen musste (Staudinger/Klinkhammer (2018) BGB § 1613, Rn. 106; Palandt-Diederichsen, § 1613, Rn. 15). Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 3 BGB trägt dabei der Unterhaltspflichtige (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19. März 2007 – 13 UF 157/05 –, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12. September 2005 – 16 UF 153/05 –, Rn. 37 - 38, juris).
Die Voraussetzungen für einen grundsätzlich nur ausnahmsweise in Betracht kommenden Erlass des gesamten rückständigen Betrags oder eines Teils davon können insbesondere dann vorliegen, wenn und soweit der Pflichtige während des Zeitraums, für den er Unterhalt schuldet, subjektiv redlich war, also nicht mit der Unterhaltspflicht rechnen musste (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19. März 2007 – 13 UF 157/05 –, juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12. September 2005 – 16 UF 153/05 –, Rn. 37 - 38, juris; Staudinger/Klinkhammer (2018) BGB § 1613, Rn. 106).
So liegt der Fall hier. Der Antragsgegner hat vorgetragen (Bl. 43), dass der Streitverkündete bei Anerkennung der Vaterschaft Kenntnis davon hatte, dass er möglicherweise nicht der Vater des Kindes sei. Er habe davon am 18.03.2006, bei einer auf der Einweihungsparty des Antragsgegners und der Kindesmutter zwischen diesen stattfindenden Auseinandersetzung erfahren. Dieser Vortrag ist vom Antragsteller nicht bestritten worden, sodass er als zugestanden gilt (§§ 113 FamFG, 138 Abs. 4 ZPO) und deckt sich auch mit den Angaben der Kindesmutter in ihrem Schreiben vom 09.12.2012 im Verfahren über die Anfechtung der Vaterschaft zum Az. 31 F 265/12 (dort Bl. 7). Danach bekannte die Kindesmutter auf Nachfragen des hiesigen Streitverkündeten in einem Gespräch ein paar Tage nach der Anerkennung seiner Vaterschaft, dass sie sich nicht sicher sei, dass er tatsächlich der Vater sei. Der Streitverkündete habe dann ausdrücklich erklärt, es sei ihm egal, wer der Vater sei, keiner, auch nicht der Antragsgegner, hätten das Kind anzufassen.
Weil der Streitverkündete hier nach bereits vor Anerkennung der Vaterschaft 2006 Zweifel an seiner Vaterschaft haben musste, hätte er die Vaterschaft nur innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Anerkennung der Vaterschaft also bis 2008 anfechten können (§§ 1600 b Abs. 1, Abs. 2 BGB), was nicht erfolgt ist. Nach Ablauf dieser Frist durfte der Antragsgegner, den dies benannt war, auch wenn er davon überzeugt war, der biologische Vater des Kindes zu sein, davon ausgehen, als Vater nicht mehr festgestellt und als Unterhaltspflichtiger nicht mehr herangezogen zu werden. Damit, dass der Streitverkündete gleichwohl gegenüber dem Gericht Jahre später erfolgreich die Vaterschaft anfechten konnte, musste der Antragsgegner nicht rechnen.
Vom Erlass betroffen ist der gesamte Zeitraum vor Inkenntnissetzung von der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung des Streitverkündeten durch die Kindesmutter mit Schreiben vom 20.10.2013 und der damit einhergehenden Aufforderung zur Anerkennung der Vaterschaft. Erst ab diesem Zeitpunkt musste der Antragsgegner mit seiner Inanspruchnahme als Unterhaltsschuldner rechnen.
Da von dem Erlass mithin auch der Zeitraum März 2011 bis August 2011 erfasst ist, kommt es nicht darauf an, ob, wie das Amtsgericht gemeint hat, Unterhaltsforderungen in diesem Zeitraum aus anderen Gründen, etwa infolge Erfüllung, nicht bestehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 FamFG, 97 ZPO.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 55 Abs.2, 51 Abs. 1, Abs. 2 FamGKG.
Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§70 Abs. 2 FamFG).