Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 13.12.2013 | |
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Aktenzeichen | L 1 KR 261/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 7 SGB 4 |
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2008 und des Bescheides vom 4. Februar 2011 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) von dem Kläger nicht seit dem 1. September 2007 beschäftigt wird und nicht wegen geringfügiger Beschäftigung versicherungsfrei ist.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen, die diese jeweils selbst zu tragen haben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 5.000 € festgesetzt.
Streitig ist, ob die Beigeladene zu 1) bei der Klägerin abhängig beschäftigt ist.
Die Klägerin gründete im Oktober 1999 mit fünf anderen freien Trägern den Berliner Krisendienst als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, dessen Aufgabe es ist, ratsuchenden Menschen in Krisen und Ängsten insbesondere in den Abend- und Nachstunden als Ansprech- und Anlaufstelle zur Verfügung zu stehen.
Die Beigeladene zu 1) ist ausgebildete Sozialpädagogin sowie Kinder- und Jugendpsychotherapeutin in eigener Praxis. Sie wird auch für zwei Bezirksämter selbständig als Kinder- und Jugendpsychotherapeutin tätig.
Am 24. August 2007 schloss die Klägerin mit der Beigeladenen zu 1) einen „Honorar-Rahmenvertrag“, nach dem sich die Beigeladene zu 1) grundsätzlich bereit erklärte, pro Monat zwei Dienste für den Berliner Krisendienst jeweils in der Zeit von 16.00 bis 24.00 Uhr zu übernehmen. Die Beigeladene zu 1) beantragte dazu am 14. September 2007 bei der Beklagten die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Nach Anhörung vom 10. Dezember 2007 stellte die Beklagte durch Bescheid vom 21. Januar 2008 fest, dass die von der Beigeladenen zu 1) ausgeübte Tätigkeit im Bereich der psychologische Krisenberatung seit dem Beginn der Tätigkeit am 1. September 2007 als abhängige Beschäftigung anzusehen sei. Die Tätigkeit werde zu fremdbestimmten Zeiten an einem fremdbestimmten Ort ausgeführt. Die Beigeladene zu 1) werde von Dritten als Mitarbeiterin der Klägerin wahrgenommen. Der Rahmenvertrag sei kein individueller Vertrag, sondern ein Mustervertrag des Arbeitgebers gewesen. Die Beigeladene zu 1) trage kein unternehmerisches Risiko.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24. April 2008 zurück. Die Beigeladene zu 1) setzte ausschließlich ihre eigene Arbeitskraft im Wege einer funktionsgerechten dienenden Teilhabe an einer fremden Arbeitsorganisation ein. Eigenes Kapital setze sie nicht ein und sie trage auch kein unternehmerisches Risiko. Zwar könne sie frei über die Übernahme eines Dienstes entscheiden, sie sei nach der Übernahme aber in eine fremde Organisation eingegliedert. Trotz eines gewissen Freiraums bei der Ausgestaltung sei ihre Tätigkeit im Wesentlichen fremdbestimmt.
Dagegen hat die Klägerin am 22. Mai 2008 bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte durch Bescheid vom 4. Februar 2011 festgestellt, dass die Beigeladene zu 1) in ihrer Beschäftigung bei der Klägerin versicherungsfrei wegen Geringfügigkeit sei. Die Beschäftigung sei geringfügig entlohnt, da das Arbeitsentgelt regelmäßig 400,00 € im Monat nicht übersteige.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 15. Juni 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klägerin sei hinsichtlich der erhobenen Anfechtungsklage nicht klagebefugt. Sie sei durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht (mehr) beschwert, weil die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 4. Februar 2011 das Nichtbestehen von Versicherungspflicht festgestellt habe. Der auf Feststellung des Nichtvorliegens einer abhängigen Beschäftigung gerichtete Feststellungsantrag hingegen sei unbegründet. Das Bundessozialgericht habe entschieden, dass das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht als isoliertes Tatbestandsmerkmal festgestellt werden könne. Dieser Rechtsprechung schließe sich die Kammer vollumfänglich an.
Gegen das ihr am 8. August 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. September 2011 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Das Urteil des Sozialgerichts greife zu kurz. Es müsse zunächst das Vorliegen von Versicherungspflicht und erst dann das mögliche Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit geprüft werden. Ansonsten sei ein effektiver Rechtsschutz nicht möglich. In der Sache sei die Beigeladene zu 1) nicht in eine fremde arbeitgeberseitige Organisation integriert, sie unterliege auch keinerlei Weisungen. Ob sie eigene Produktionsmittel benutze oder ein unternehmerisches Risiko trage, sei im Dienstleistungsbereich kein taugliches Abgrenzungskriterium. Die Beigeladene zu 1) werde ebenso selbständig tätig wie ein Vertragsarzt im Rahmen des Notfalldienstes der kassenärztlichen Vereinigung oder ein Lehrbeauftragter an einer Hochschule. Im Übrigen habe die Beklagte in der Vergangenheit regelmäßig bei den freien Mitarbeitern des Berliner Krisendienstes die Beschäftigteneigenschaft verneint. Die festen Mitarbeiter der Klägerin würden im Gegensatz zu den freien Mitarbeitern auch vielfältige Verwaltungstätigkeiten verrichten. Die mögliche Vereinbarung einer Weiterbetreuung der Anrufer liege im Ermessen des jeweiligen Beraters. Da der Berliner Krisendienst sich aus Zuwendungen finanziere, sei er rechenschaftspflichtig. Die Organisation der erforderlichen Dokumentation der Einsätze erfolge entsprechend dem Handbuch zur Basisdokumentation. Für Einsätze außerhalb des Telefonstandortes werde auch eine Einsatztasche mit nützlichen Unterlagen und Hilfsmitteln vorgehalten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Juni 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2008 und des Bescheides vom 4. Februar 2011 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) nicht in einem wegen Geringfügigkeit versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis mit ihr steht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie habe Versicherungsfreiheit allein wegen Geringfügigkeit festgestellt. Die Klägerin würde auch festangestellte Mitarbeiter beschäftigen, welche die gleiche Tätigkeit wie die Beigeladene zu 1) verrichten würden. Die zeitliche und örtliche Bindung der Beigeladenen zu 1) sowie deren Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Klägerin sprächen für eine abhängige Beschäftigung. Bei Übernahme einer jeweils von 16:00 bis 24:00 Uhr dauernden Schicht habe die Beigeladene zu 1) die Tätigkeit nach den Regeln der Klägerin auszuführen. Sie habe dabei die Betriebsstätte und die Betriebsmittel der Klägerin genutzt und kein unternehmerisches Risiko getragen. Die über die Anrufe der Ratsuchenden zu erstellenden Protokolle dienten nicht nur der Statistik, sondern ausweislich der Angaben des Berliner Krisendienstes auch der qualitativen Entwicklung. Die Klägerin wolle offenbar den auf der Internetseite zu findenden Informationen des Berliner Krisendienstes den Wahrheitsgehalt absprechen. Nach der Lektüre des vom Berliner Krisendienst herausgegebenen Handbuchs zur Basisdokumentation relativiere sich der Vortrag der Beigeladenen zu 1) zur Selbstbestimmtheit ihrer Tätigkeit, weil dort detaillierte Vorgaben enthalten seien. Dass die Beigeladene zu 1) jeweils situativ agieren müsse, sei den von ihr ausgeübten höheren Tätigkeiten immanent und stehe einer Eingliederung nicht entgegen. Es könne auch nicht darauf ankommen, dass die Klägerin nicht verpflichtet gewesen sei, der Beigeladenen monatlich einen Einsatz anzubieten. Vielmehr sei maßgebend, wie sich die Situation darstellte, nachdem die Schicht übernommen worden war. Bei der Ausgestaltung des Telefondienstes sei der Beigeladenen zu 1) kein nennenswerter Raum für eine im Wesentlichen freie Gestaltung der Tätigkeit verblieben, wenn man von der Gesprächsführung absehe. Die Telefonate seien zu dokumentieren gewesen. Bei Vorliegen einer Gefahrensituation bestehe eine Verpflichtung zum Tätigwerden zusammen mit einem zweiten Kollegen, bei dem die Einsatztasche genutzt werden musste. Als Betrieb sei die Organisation des Berliner Krisendienstes durch die beteiligten Träger anzusehen, der nicht nur die ständige telefonische Erreichbarkeit, sondern auch die Kooperation mit Polizei, Feuerwehr und Arzt sicherstelle. Der Vortrag, dass die Einhaltung von Vorgaben der freien Entscheidung des jeweiligen Mitarbeiters vorbehalten sei, sei nicht glaubhaft. Dagegen spreche das Vernetzungsmodell des Berliner Krisendienstes. Auf das Fehlen von Abreden über Lohnfortzahlung oder Urlaubsgewährung komme es nicht an, weil sich diese Ansprüche für Arbeitnehmer unmittelbar aus dem Gesetz ergäben. Die Beigeladene zu 1) habe kein eigenes unternehmerisches Risiko getragen.
Die Beigeladene zu 1) erklärt, dass sie durchschnittlich zwei Dienste im Monat in den Räumlichkeiten der Klägerin leiste, wo es zwei Gesprächsräume und zwei Büros gebe. Im Regelfall beantworte sie eingehende Anrufe. Gelegentlich würde sie aber auch zu Einsätzen fahren, dann aber stets gemeinsam mit der weiteren anwesenden Honorarkraft. Es komme vor, dass sie zu einem solchen Einsatz von der Polizei gerufen oder dass sie selbst die Polizei hinzuziehen würden. Über die Notwendigkeit eines solchen besonderen Einsatzes entschieden die beiden anwesenden Honorarkräfte allein.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Nach §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 21. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2008 sowie des Bescheides vom 4. Februar 2011 ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beigeladene zu 1) stand seit dem 1. September 2007 nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu der Klägerin. Deswegen besteht schon dem Grunde nach keine Versicherungspflicht, so dass die Beigeladene zu 1) nicht erst wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei ist.
Der Eintritt von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung wegen Aufnahme einer abhängigen Arbeit bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI. Die für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung sowie der Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung danach erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV näher definiert. Beschäftigung ist danach die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Abzugrenzen ist eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder Selbständigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (vgl. zum Ganzen BSG Urt. v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris Rn 16). Manche Dienstleistungen, insbesondere solche, deren Gegenstand die persönlich geprägte Betreuung ist, können sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden (BSG, a.a.O.; BSG Urt. v. 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R – juris Rn 17).
Bei der Abwägung müssen alle nach Lage des Einzelfalles relevanten Indizien berücksichtigt und innerhalb einer Gesamtschau gewichtet und gegeneinander abgewogen werden. Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Rahmen der Berliner Krisenintervention um eine Dienstleistung aus dem Bereich der persönlich geprägten Betreuungsleistungen handelt, die demnach grundsätzlich sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden kann. Entscheidend ist deswegen, wie die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) von der Klägerin organisiert und ausgestaltet worden ist. Maßgebend sind dabei die Verhältnisse während der einzelnen Einsätze, welche die Beigeladenen zu 1) mit der Klägerin verabredet hatte (vgl. BSG v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris Rn 22; Urt. v. 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R – juris Rn 17). Auf die Möglichkeit der Beigeladenen zu 1), die ihr angetragenen Aufträge abzulehnen, kommt es dagegen nicht an. Denn auch ein Arbeitnehmer ist frei in seiner Entscheidung darüber, ob er ein Arbeitsverhältnis eingeht oder nicht.
Auszugehen ist zunächst von den zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Abreden. Der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) geschlossene Honorar-Rahmenvertrag vom 24. August 2007 spricht eindeutig dafür, dass die Beteiligten eine selbständige Tätigkeit vereinbaren wollten. Das ergibt sich aus der in dem Vertrag vorgenommenen Einordnung der Tätigkeit als freie Mitarbeit und der Feststellung, die Beteiligten gingen davon aus, dass eine selbständige Tätigkeit ohne Sozialversicherungspflicht vorliege. Auch inhaltlich enthält der Vertrag keine Abreden, die für eine abhängige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) sprechen würden. So begründet er insbesondere kein Weisungsrecht der Klägerin. Vielmehr wird in ihm nur geregelt, dass die Dienste „nach jeweiliger Absprache“ erbracht werden sollen. Er begründet zudem ausdrücklich das Recht der Beigeladenen zu 1), für vereinbarte Dienste auch einen Vertreter zu entsenden. Diese Ersetzungsbefugnis wäre für ein Arbeitsverhältnis untypisch und spricht daher eher für eine Selbständigkeit. Im Übrigen finden sich auch keinerlei für Arbeitsverträge typische Regelungen über eine Gewährung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder von bezahltem Urlaub.
Indessen ergibt sich das Entstehen von Versicherungspflicht aus dem Gesetz und ist nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen (auch) die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welchen gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (BSG Urt. v. 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris Rn 17; Urt. v. 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris Rn 17). Der Senat kann in diesem Zusammenhang zunächst nicht feststellen, dass die Klägerin andere Kräfte als die Beigeladene zu 1) auch formal als Arbeitnehmer führt, obwohl sich deren Tätigkeit von der der Beigeladenen zu 1) nicht wesentlich unterscheidet. Die Klägerin beschäftigt zwar auch sog „feste Mitarbeiter“, für welche sie die Versicherungspflicht selbst nicht in Frage stellt. Diese „festen Mitarbeiter“ haben aber nach dem Vortrag der Klägerin, an dessen Wahrheitsgehalt zu zweifeln der Senat keine Veranlassung hat, noch vielfältige andere Aufgaben insbesondere organisatorisch-administrativer Art. Dass die sog. „festen Mitarbeiter“ daneben auch noch Beratungstätigkeiten verrichten, die mit den von der Beigeladenen zu 1) übernommenen Tätigkeiten vergleichbar sind, ist dann nicht entscheidend. Denn die eigentlichen Beratungstätigkeiten können – worauf oben schon hingewiesen worden ist - ihrer Art nach sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit ausgeführt werden. Bei der Betrachtung des sich jeweils ergebenden Gesamtbildes ist dann von erheblicher Bedeutung, ob von den Mitarbeitern daneben auch noch andere Arbeiten verrichtet werden, die eindeutig dem Bereich einer abhängigen Beschäftigung zuzuordnen sind. Insoweit musste sich der mit der Beigeladenen zu 1) geschlossene Rahmenvertrag nicht qualitativ von den Arbeitsverträgen unterscheiden, welche die Klägerin mit ihren „festen Mitarbeitern“ vereinbart hatte (vgl zur Bedeutung dieses Merkmals BSG, Urt v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris Rn 30).
Der Senat ist nicht zu der Überzeugung gekommen, dass die Beigeladene zu 1) jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht einem Weisungsrecht der Klägerin unterlegen hat, das geeignet wäre, eine abhängige Beschäftigung zu begründen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV entscheidet über das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung insbesondere das Ausüben einer Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Insoweit weist die Beklagte zwar zu Recht darauf hin, dass die Beigeladene zu 1) ihrer hier streitigen Tätigkeit in den Räumlichkeiten der Klägerin nachgeht und für sie ein Einsatzkoffer zur Benutzung bereit gestellt wird – was beides für ihre Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation spricht -, und dass sie Dokumentationspflichten unterliegt – was für eine Weisungsgebundenheit spricht. Die Beklagte beachtet aber nicht genügend, dass diese Vorgaben sich zwar auf die Art und Weise der Tätigkeit beziehen, aber nur Randbereiche insbesondere organisatorischer Art betreffen und den Kernbereich der von der Beigeladenen zu 1) zu übernehmenden Aufgaben weisungsfrei lassen.
In der Rechtsprechung des BSG ist etwa für die rechtliche Beurteilung von Lehrtätigkeiten anerkannt, dass eine abhängige Beschäftigung nicht bereits deswegen anzunehmen ist, weil dem Dozenten der äußere Ablauf seiner Lehrtätigkeit vorgegeben wird (vgl. BSG Urt v. 12. Februar 2004 – B 12 KR 26/02 R – juris Rn 29 ). Auch der Zwang, sich inhaltlich an gewissen Vorgaben auszurichten, führt nicht zu Annahme von Weisungsgebundenheit. Tätigkeiten sind nämlich auch dann weisungsfrei, wenn zwar ihre Ziele vorgegeben werden, die Art und Weise der Ausführung aber dem Dienstleister überlassen bleibt. Entsprechend hat der Senat etwa für die Selbständigkeit vom Bundesrat beauftragter Führer des Besucherdienstes entscheidend darauf abgestellt, dass diese als Honorarkräfte im Kernbereich ihrer Tätigkeit frei waren (Urt. v. 15. Juli 2011 – L 1 KR 206/09 – juris Rn 171).
Unter Beachtung dieser Maßstäbe kommt es darauf an, ob die Beigeladene zu 1) im Wesentlichen frei in der Ausgestaltung ihrer Tätigkeit war oder inhaltliche Vorgaben der Klägerin befolgen musste. Entgegen der Auffassung der Beklagten reichen die der Beigeladenen zu 1) von der Klägerin vorgegebenen äußeren Rahmenbedingungen jedenfalls nicht aus, um die Annahme einer abhängigen Beschäftigung zu tragen.
Weitergehende inhaltliche Einflüsse auf die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bestanden aber nicht. Dafür reicht insbesondere die Verpflichtung zur Dokumentation der einzelnen Gespräche und der eingeleiteten Maßnahmen entsprechend dem Handbuch zur Basisdokumentation des Berliner Krisendienstes nicht aus. Das Handbuch ist schon nach der ihm zugedachten Aufgabe kein Mittel, mit dem die Klägerin ihre „freien Mitarbeiter“ auf eine bestimmte Art und Weise der Ausübung ihrer Tätigkeit lenken könnte. Es hat die Funktion, dem Berliner Senat die Tätigkeit des Berliner Krisendienstes und die Notwendigkeit des von dem Berliner Krisendienst zur Verfügung gestellten Angebots zu dokumentieren. Es betrifft daher eher das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Berliner Senat statt das zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1). Eine Weisungsbefugnis bedarf nämlich einer gesonderten rechtlichen Grundlage. Dafür reicht nicht aus, dass bei der Ausübung einer Dienstleistung bestimmte öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten sind (BSG Urt v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R - juris Rn 19). Auch in der Sache ergeben sich aus dem Handbuch keine Weisungen. Es soll zwar sicherstellen, dass die Kontakte von Ratsuchenden mit der Klägerin bzw. deren „freien“ Mitarbeiter und die vorgenommenen Interventionen einschließlich der Kontaktaufnahme mit Ärzten und der Polizei dokumentiert werden. Es enthält aber keine inhaltlichen Vorgaben für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) in dem Sinne, dass ihr vorgegeben wird, wie sie auf ein bestimmtes Verhalten der Ratsuchenden oder eine von ihnen vorgetragene Konfliktsituation oder ein Beschwerdebild reagieren soll. Diese Fragen bleiben vielmehr dem Fachwissen der Beigeladenen zu 1) überlassen, die insoweit tatsächlich mit einem Notarzt zu vergleichen ist (vgl zu letzteren SG Detmold, Urteil v. 17. November 2009 – S 8 (2) R 219/06 – juris Rn 47). Das Handbuch sagt der Beigeladenen zu 1) zwar, wie ein Notfall zu dokumentieren ist und die Klägerin stellt der Beigeladenen zu 1) mit der Einsatztasche auch gewisse Hilfsmittel zur Bewältigung eines Notfalles zur Verfügung. Es gibt aber keine Vorgaben zu dem eigentlichen Kern der Aufgabe der Beigeladenen zu 1), zu erkennen, wann ein interventionsbedürftiges Problem vorliegt, welche Art von Intervention angemessen ist und wie die Intervention im Einzelfall vorzunehmen ist. Die Pflicht zur Dokumentation der einzelnen Handlungsschritte ändert nichts daran, dass die Beigeladene zu 1) über die Einleitung und den Inhalt der einzelnen Handlungsschritte selbständig zu entscheiden hat. Insoweit sind gerade die Vorbildung und das Fachwissen der „freien“ Mitarbeiter entscheidend, fachlich-inhaltliche Vorgaben von Seiten der Klägerin werden dazu nicht gemacht.
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass in dem Internetauftritt des Berliner Krisendienstes eine Broschüre hinterlegt ist, die den folgenden Satz enthält: „Die Mitarbeiterinnen des Berliner Krisendienstes haben im Ernstfall an allen Standorten Zugriff auf detailliert festgelegte Handlungsanweisungen, welche die Einsatzabläufe unmissverständlich regeln“, übersieht sie, dass dieser Satz einem Abschnitt entnommen ist, der sich mit der Bewältigung von Naturkatastrophen, Großschäden im Verkehrswesen, terroristischen Anschlägen und anderen Notfallsituationen besonderen Ausmaßes beschäftigt. Betroffen ist nicht die tägliche Arbeit der „freien“ Mitarbeiter, sondern die Zusammenarbeit des Berliner Krisendienstes mit der Berliner Feuerwehr und anderen Hilfsorganisationen in einem eventuellen Katastrophenfall. Das kann von vornherein nicht der Maßstab für die Bewertung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) sein.
Es ist schließlich auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beigeladene zu 1) im Wege der Supervision nähere von der Klägerin verantwortete Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung ihrer Tätigkeit erhalten würde. Die Beigeladene zu 1) hat - von dem Sozialgericht persönlich gehört – lediglich über institutionalisierte Fallbesprechungen innerhalb der Mitarbeiter im Abstand von ca 8 Wochen berichtet. Auch für das Bestehen weiterer mündlicher Abreden über die konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Danach steht für den Senat fest, dass die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) nicht im Widerspruch zu der im Rahmenvertrag deklarierten Weisungsfreiheit gestanden hat. Demnach sprechen der Inhalt der vertraglichen Vereinbarung und ihre Umsetzung hier für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit.
Demgegenüber fällt nicht entscheidend ins Gewicht, dass die Beigeladene zu 1) kein Unternehmerrisiko trug, weil sie angesichts des im Rahmenvertrages vereinbarten Honorars von 102,40 € je abendlichen Einsatz nicht das Risiko trug, dass sie ihre Arbeitskraft einsetzen würde ohne davon einen Ertrag zu haben.
Die Klägerin ist durch die angefochtene Entscheidung auch in ihren eigenen Rechten verletzt. Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts wird sie durch den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2011, wonach die Beigeladene zu 1) wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei ist, nicht klaglos gestellt. Denn nach §§ 249b Satz 1 SGB V, 172 Abs. 3 SGB VI ändert eine Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung nichts an der Beitragspflicht des Arbeitgebers. Entsprechend war auf den Antrag der Klägerin ausdrücklich festzustellen, dass die Beigeladene zu 1) nicht wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei war.
Nach alledem war der Berufung der Klägerin stattzugeben.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht erkennbar.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.