Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 15.06.2016 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 S 21.16 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 Abs 3 VwGO, § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 41 Abs 1 S 1 SOG BE, § 41 Abs 1 S 2 SOG BE, § 1006 Abs 1 BGB |
Unmöglichkeit im Sinne von § 41 Absatz 1 Satz 2 ASOG liegt vor, wenn die Herausgabe der sichergestellten Sache tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist. Die rechtliche Unmöglichkeit erfordert einen eindeutigen Nachweis des Eigentums der anderen Person, so dass die Behörde anderenfalls die Sache "sehenden Auges" eigentumswidrig an den Gewahrsamsinhaber (diejenige Person, bei der die Sache sichergestellt wurde) herausgäbe.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. März 2016 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird für beide Rechtsstufen jeweils auf 10.450,00 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde mit den Anträgen,
dem Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. März 2016 im Wege einstweiliger Anordnung aufzugeben, den PKW Mercedes Benz GLK 200 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer
1. bis zur rechtskräftigen Klärung der Eigentumsfrage in dem beim Landgericht Berlin anhängigen Verfahren in amtlicher Verwahrung zu behalten und danach an die Antragstellerin herauszugeben,
2. hilfsweise sofort an die Antragstellerin herauszugeben,
hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Das aufgrund des Wegfalls der Sicherstellungsvoraussetzungen herauszugebende Fahrzeug könne nach § 41 Abs. 1 Satz 2 ASOG nur dann an eine andere Person als diejenige, bei der es sichergestellt worden sei, herausgegeben werden, wenn die andere Person ihre Berechtigung glaubhaft mache. Dies sei der Antragstellerin nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit gelungen, vielmehr seien die Eigentumsverhältnisse als ungeklärt anzusehen. Für die Berechtigung des seinerzeitigen Gewahrsamsinhabers, Herrn E..., spräche nämlich die Eigentumsvermutung aus § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB, seine Eintragung in die Zulassungsbescheinigung Teil II sowie seine Behauptung, das Fahrzeug von der Antragstellerin geschenkt bekommen zu haben. Dass die Antragstellerin das Fahrzeug zuvor mit Vertrag vom 25. Juli 2015 gekauft und durch Bankdarlehen finanziert habe, schließe eine anschließende Schenkung nicht aus.
Das für die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO maßgebliche Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Änderung des angegriffenen Beschlusses nicht. Im Ergebnis hat das Verwaltungsgericht zu Recht die Fortdauer der Verwahrung wie auch die Herausgabe an die Antragstellerin abgelehnt. Im Einzelnen:
1. Zwar spricht bei Würdigung aller mit der Beschwerde nochmals vertieft vorgetragenen Umstände des Einzelfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin Eigentümerin des Fahrzeugs ist. Hierfür streitet nicht nur der auf sie lautende Kaufvertrag vom 25. Juli 2015 und die vorgelegten Unterlagen über das am 23. Juli 2015 genommene Bankdarlehen. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass die Antragstellerin am 30. September 2015 eine strafbewehrte eidesstattliche Versicherung entsprechenden Inhalts abgegeben hat, dass sie gegenüber der Haftpflichtversicherung als Versicherungsnehmerin für das Fahrzeug aufgetreten ist und neben einem entsprechenden Schreiben der AXA-Versicherung zur Ausgabe einer elektronischen Versicherungsbestätigungsnummer (eVB) zusätzlich den Versicherungsvertreter namentlich als Zeugen dafür benannt hat, dass sie das Fahrzeug im eigenen Namen für sich gekauft habe und auf sich habe zulassen wollen. Gegen die von Herrn... behauptete Schenkung spricht zudem die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin, dass Herr E... ihr eine gefälschte Zulassungsbescheinigung (Teil I und II) übergeben habe, die sich im Verwaltungsvorgang (Bl. 33 - 35) befindet, und doppelte Zulassungsurkunden mit unterschiedlichen Inhalten existierten; in diesem Zusammenhang ermittelt die Polizei auch gegen Herr E... wegen Urkundenfälschung.
Demgegenüber hat Herr E... den von ihm behaupteten Schenkungsvorgang noch nicht einmal durch eine - angesichts der Umstände - offensichtlich gebotene Darlegung der konkreten Einzelheiten und Motive dieses nicht alltäglichen Schenkungsumfangs substantiiert, geschweige denn seinerseits eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Sein einfaches Bestreiten der vorgenannten Angaben der Antragstellerin weckt insofern Zweifel. Dies gilt umso mehr als es nach allgemeiner Lebenserfahrung kaum den sozialen Lebensumständen der zwar als leitende Angestellte tätigen, aber alleinerziehenden und unterhaltsverpflichteten Antragstellerin entsprechen dürfte, einem Partner nach nur viermonatiger Beziehung ein Geschenk solchen Wertes zu machen. Zudem liefern der Besitz der echten Zulassungsbescheinigung und die Eintragung des Herrn E... in diese in Teil I (vormals Fahrzeugschein) und in den Teil II (vormals Fahrzeugbrief) gerade keinen Beweis für das Eigentum am Fahrzeug. Sie sind lediglich ein Nachweis dafür, auf wen das betreffende Fahrzeug zugelassen ist (OVG Saarlouis, Beschluss vom 28. August 2015 - 1 A 155/15 - juris Rn. 14 ff.).
2. Trotz dieser für das Eigentum der Antragstellerin streitenden Umstände ist die Verwahrung jedoch weder fortzusetzen noch das Fahrzeug an sie herauszugeben.
a) Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 ASOG sind sichergestellte Gegenstände an diejenige Person herauszugeben, bei der sie sichergestellt worden sind, sobald die Voraussetzungen der Sicherstellung – wie unstreitig hier – weggefallen sind. Einer weiteren Verwahrung ist damit auf jeden Fall die Rechtsgrundlage entzogen.
b) Die hilfsweise begehrte sofortige Herausgabe an die Antragstellerin richtet sich nach § 41 Abs. 1 Satz 2 ASOG. Danach setzt die Herausgabe an eine andere Person nicht nur voraus, dass diese ihre - hier hinreichend dargelegte - Berechtigung glaubhaft macht, sondern auch, dass die Herausgabe an diejenige Person, bei der die Sache sichergestellt wurde, nicht möglich ist. Daran fehlt es hier jedoch.
Unmöglich ist die Herausgabe in diesem Sinne, wenn sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist (OVG Saarlouis, Beschluss vom 28. August 2015 - 1 A 155/15 - juris Rn. 7). § 41 Abs. 1 Satz 1 ASOG dient dem Zweck, die Polizei und die Ordnungsbehörden davon zu entbinden, in jedem Fall einer erfolgten Sicherstellung vor der späteren Herausgabe prüfen zu müssen, ob die Person, bei der die Sache sichergestellt wurde, auch Eigentümer oder berechtigter Besitzer der Sache war (vgl. VG Berlin, Urteil 25. November 2011 - 1 K 6.10 - juris Rn. 16; Knape/Kiworr, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht für Berlin, 10. Auflage 2009, § 41 Erl. A I. lit. b)).
§ 41 Abs. 1 Satz 1 ASOG soll demnach die Behörden in die Lage versetzen, regelmäßig einfach an den Status quo des Gewahrsams bei Sicherstellung anzuknüpfen, ungeachtet etwaiger zivilrechtlicher Berechtigungen an der Sache. Diese Vereinfachung soll der Behörde nach § 41 Abs. 1 Satz 2 ASOG nur im Ausnahmefall der Unmöglichkeit versagt bleiben. Das Tatbestandsmerkmal der (rechtlichen) Unmöglichkeit ist in diesem eng auszulegenden Sinn daher nicht schon gegeben, wenn eine andere Person eine - wie auch immer geartete - Berechtigung an der Sache bei der Behörde glaubhaft macht. Vielmehr liegt die rechtliche Unmöglichkeit erst dann vor, wenn die Behörde die Sache „sehenden Auges“ an einen Unberechtigten, also gleichsam wissentlich unter Verletzung des Eigentums der anderen Person an die ursprüngliche Gewahrsamsperson herausgäbe. Für die eigentumswidrige Herausgabe „sehenden Auges“ genügen jedoch noch nicht - die hier bestehenden - erheblichen Zweifel an der Berechtigung des vormaligen Gewahrsamsinhabers (so wohl allerdings VG Berlin, Urteil 25. November 2011 - 1 K 6.10 - juris Rn. 16). Vielmehr muss ein eindeutiger Nachweis des Eigentums der anderen Person vorliegen, um das Tatbestandsmerkmal der rechtlichen Unmöglichkeit zu erfüllen. In allen anderen, letztlich undeutlichen Fällen, soll die Behörde hingegen vereinfacht handeln können und an den Status quo ante anknüpfen dürfen.
Da die Antragstellerin keinen eindeutigen Eigentumsnachweis führen konnte, sondern nur eine hierfür sprechende hohe Wahrscheinlichkeit belegt hat, steht ihr der hilfsweise geltend gemachte Anordnungsanspruch auf sofortige Herausgabe nicht zu. Die Antragstellerin bleibt jedoch nicht rechtsschutzlos, denn sie kann ihr Recht ggf. durch einen zivilrechtlichen Eilantrag sichern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Da die Antragstellerin das Fahrzeug für 20.900,00 EUR erworben hat, war der aufgrund der Vorläufigkeit des Verfahrens zu halbierende Streitwert auf 10.450,00 EUR festzusetzen. Insoweit war auch die erstinstanzliche Wertfestsetzung von Amts wegen zu ändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).