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Gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15 a Abs. 4 EStG


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 15. Senat Entscheidungsdatum 11.12.2014
Aktenzeichen 15 K 15155/14 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Bescheid für 2008 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2008 und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a EStG zum 31.12.2008 für die B… GmbH & Co KG i.L. vom 5. August 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2009, geändert durch den Bescheid vom 7. Oktober 2013, der den zur Insolvenztabelle angemeldeten und seitens des Klägers bestrittenen Steuerforderungen für 2008 zugrundeliegt, rechtwidrig ist.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des verstorbenen Herrn C…, der als Kommanditist mit einer Kapitaleinlage in Höhe von € 664.679,45 an der B… GmbH & Co. KG i.L., der Beigeladenen, beteiligt war.

Die B… GmbH & Co. KG i.L. wurde im Jahr 1980 gegründet (Eintragung im Handelsregister beim Amtsgericht Berlin-G... unter Register-Nr. HR …); sie war ein mit öffentlichen Mitteln geförderter Immobilienfonds. Gegenstand des Unternehmens der B… GmbH & Co. KG i.L. war der Erwerb der Grundstücke E…-Str. in Berlin und F…-str. in Berlin, die Errichtung von Mehrfamilienhäusern auf diesen Grundstücken sowie deren Verwaltung. An der B… GmbH & Co. KG i.L. war eine Vielzahl von Kommanditisten als Kapitalanleger beteiligt.

In den folgenden Jahren erwirtschaftete die B… GmbH & Co. KG i.L. Verluste, die den Anlegern zugerechnet wurden. Die Verluste waren teilweise nur verrechenbar gem. § 15a Einkommensteuergesetz (EStG); überwiegend waren sie aber ausgleichsfähig, da die B… GmbH & Co. KG i.L. auf die Gebäude erhöhte Abschreibungen nach dem Berlinförderungsgesetz (BerlinFG) vorgenommen hatte.

Mit Beschluss vom 6. September 2006 wurde über das Vermögen der B… GmbH & Co. KG i.L. das Insolvenzverfahren eröffnet. Eine Sanierung der B… GmbH & Co. KG i.L. war nicht vorgesehen; die Grundstücke wurden von der Insolvenzverwalterin wie folgt bewertet (Beträge in €):

E…-Str.

1.250.000

F…-str.

735.352

insgesamt

1.985.352

Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurden die Grundstücke veräußert:

Grundstück

Datum Kaufvertrag

Lastenwechsel

Kaufpreis

E…-Str.

25. Juli 2008

11. Oktober 2008

1.750.000

F…-str.

17. Juni 2009

01. September 2009

651.000

Da weder die Insolvenzverwalterin noch die Kommanditisten Feststellungserklärungen für die Jahre ab 2006 eingereicht hatten, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen; die laufenden Gewinnanteile der Kommanditisten wurden dabei mit € 0 festgestellt, so dass die Beträge hinsichtlich der Kapitalkonten und des verrechenbaren Verlustes zum 31. Dezember 2008 im Vergleich zum 31. Dezember 2005 unverändert blieben. Mit dem Feststellungsbescheid für 2008 vom 5. August 2009 (abschließende Zeichnung am 28. Juli 2009) wurden die negativen Kapitalkonten der Kommanditisten gewinnerhöhend aufgelöst. Für den Kommanditisten C… wurde ein steuerpflichtiger Aufgabegewinn in Höhe von € 1.459.836,25 festgestellt. In der Begründung des Bescheides führte der Beklagte aus, die Grundstücke seien in den Jahren 2008 bzw. 2009 unter Buchwert veräußert worden. Die negativen Kapitalkonten der Kommanditisten seien daher als begünstigter Veräußerungsgewinn aufzulösen. Der Feststellungsbescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO)) und wurde allen Kommanditisten einzeln bekanntgegeben.

Der hiergegen erhobene Einspruch des Kommanditisten C… hatte keinen Erfolg.

Herr C… hat fristgerecht Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 6 K 6015/10 geführt worden ist und aufgrund eines Zuständigkeitswechsels innerhalb des Finanzgerichts unter dem Aktenzeichen 15 K 6015/10 weitergeführt wurde. Herr C… ist im April 2010 verstorben. Die Ehefrau und die drei Kinder haben als Erben den Rechtsstreit zunächst aufgenommen und in der Folge die Nachlassinsolvenz erklärt. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter bestellt worden und hat das Verfahren, das nunmehr unter dem Aktenzeichen 15 K 15155 /14 geführt wird, aufgenommen. Das Insolvenzverfahren ist noch nicht beendet.

Mit Beschluss vom 20. Januar 2014 hat der Senat die im August 2013 beantragte Aussetzung der Vollziehung im Verfahren 15 V 15036/13 gewährt.

Der Kläger trägt vor, der Beklagte habe den Veräußerungsgewinn zu Unrecht im Jahr 2008 besteuert. Die Veräußerung des Grundstücks sei als wertbegründender Umstand zu werten. Zumindest aber habe erst mit dem Lastenübergang des letzten verbliebenen Grundstücks im September 2009 endgültig festgestanden, dass der Kaufvertrag erfüllt worden sei und künftige Gewinne zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos nicht länger zu erwarten gewesen seien. Auf irgendwelche Umstände vor diesem Zeitpunkt könne es daher nicht ankommen. Weder der Abschluss des Kaufvertrages noch der Lastenübergang seien werterhellende Umstände, die dazu führen könnten, dass ein Aufgabegewinn bereits im Streitjahr entstanden sei. Werterhellende Umstände in diesem Sinne seien bis zum Tag der Aufstellung der Bilanz gewonnene Erkenntnisse und Informationen, die sich auf Vorgänge vor bzw. bis zum Bilanzstichtag erstreckten. Maßgeblicher Bilanzstichtag sei vorliegend der 31. Dezember 2008. Zu diesem Zeitpunkt sei das Grundstück F…-str. noch nicht verkauft gewesen. Verkauf und Lastenübergang könnten mithin als wertbegründende Tatsachen, nicht aber als werterhellende Tatsachen anzusehen sein.

Der Beklagte hat einen Änderungsbescheid vom 7. Oktober 2013 erlassen und den Aufgabegewinn um € 39.646,59 gemindert.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid für 2008 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 2008 und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a EStG zum 31.12.2008 für die B… GmbH & Co KG i.L. vom 5. August 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Dezember 2009, geändert durch den Bescheid vom 7. Oktober 2013, der den zur Insolvenztabelle angemeldeten seitens des Klägers bestrittenen Steuerforderungen für 2008 zugrundeliegt, rechtwidrig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, er habe den Veräußerungsgewinn zu Recht für das Streitjahr 2008 festgestellt. Die negativen Kapitalkonten der Kommanditisten seien zum 31. Dezember 2008 aufzulösen gewesen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die anzustellende Prognose, ob ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnen nicht mehr möglich gewesen sei, sei vorliegend der Bilanzstichtag 31. Dezember 2008. Das letzte Grundstück der B… GmbH & Co. KG i.L. sei im Juni 2009 veräußert worden. Die Veräußerung des letzten Grundstücks führe zu der Erkenntnis, dass die infolge Insolvenzeröffnung betriebene Verwertung der Grundstücke nur zu einer geringen Aufdeckung stiller Reserven geführt habe. Im Zeitpunkt der Schätzung durch den Beklagten - im August 2009 - habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestanden, in welcher Höher noch ein Gewinn aus der Aufdeckung der stillen Reserven habe erzielt werden können. Der aus der Veräußerung des letzten Grundstücks erzielte Verkaufspreis sei als werterhellende Tatsache zu beurteilen, da aus ihr entscheidende Erkenntnisse über die künftige Entwicklung der Ertragslage der B… GmbH & Co. KG i.L. habe gewonnen werden können. Die künftige Ertragslage wiederum sei Grundlage für die Prognoseentscheidung, ob künftig noch Gewinne zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos zu erwarten seien. Durch den vor Aufstellung einer fiktiven Bilanz unterzeichneten Kaufvertrag über das Grundstück F…-str. sei klar gewesen, dass es nur noch in geringem Umfang zur Aufdeckung stiller Reserven kommen werde. Da auch eine Sanierung der B… GmbH & Co. KG i.L. im Insolvenzgutachten nicht vorgesehen gewesen sei, habe nunmehr festgestanden, dass keine künftigen Gewinne zum vollständigen Ausgleich des negativen Kapitalkontos hätten erwirtschaftet werden können. Diese Tatsache sei noch für die Besteuerung des Streitjahres zu berücksichtigen.

Werterhellende Tatsache sei damit nicht der Umstand, dass das Grundstück im Juni 2009 veräußert worden sei, sondern der sich durch Abschluss des Kaufvertrags erhellende Grundstückswert zum 31. Dezember 2008. Der im Kaufvertrag vereinbarte Kaufpreis sei daher als Aufhellung der Wertverhältnisse des Grundstücks am Bilanzstichtag anzusehen. Umstände, die darauf hindeuten würden, dass sich der Grundstückswert in der Zeit vom 31. Dezember 2008 bis zur Veräußerung im Juni 2009 noch wesentlich geändert hätte, seien nicht zu erkennen.

Die Beteiligten haben mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung Einverständnis erklärt, § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Der Kläger hat zu Recht einen Feststellungsantrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des den Forderungen des Beklagten zugrundeliegenden Feststellungsbescheids gestellt. Nach Aufnahme des Rechtsstreits nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der ursprüngliche Antrag auf Aufhebung des angefochten Feststellungsbescheides umzustellen in einen Antrag Feststellung der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides. Sind Gegenstand eines aufgenommenen Rechtsstreits nämlich Grundlagenbescheide, ist zu berücksichtigen, dass nicht die bestrittene Steuerforderung zur Insolvenztabelle festgestellt werden kann, sondern ausschließlich die Rechtmäßigkeit der den bestrittenen Steuerforderungen zu Grunde liegenden Grundlagenbescheide (vgl. BFH Beschluss vom 5. November 2013 IV B 108/13, BFH/NV 2014, 379).

Das für die Zulässigkeit der Feststellungsklage erforderliche (insolvenzspezifische) Feststellungsinteresse des Insolvenzverwalters liegt vor, nachdem dieser der zur Insolvenztabelle angemeldeten und eingetragenen (titulierten) Einkommensteuerforderung im Prüfungstermin widersprochen hatte und das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen ist (vgl. BFH Beschluss vom 5. November 2013 IV B 108/13, BFH/NV 2014, 379).

II. Der Feststellungsantrag des Klägers ist begründet, § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO.

1. Der Beklagte ist zu Unrecht von dem Ansatz eines Veräußerungsgewinns bereits im Jahr 2008 ausgegangen.

a. Beim Wegfall des negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten, das durch einkommensteuerrechtliche Verlustzurechnungen entstanden ist, ergibt sich für den Kommanditisten in Höhe des negativen Kapitalkontos ein Gewinn; in gleicher Höhe ist dem persönlich haftenden Gesellschafter ein Verlustanteil zuzurechnen.

Das negative Kapitalkonto eines Kommanditisten fällt weg, soweit bei Aufstellung der Bilanz nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag feststeht, dass ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen nicht mehr in Betracht kommt (BFH-Beschluss vom 10. November 1980 GrS 1/79, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 132, 244, BStBl. II 1981, 164; ständige Rechtsprechung). Ob eine spätere Gewinnverrechnung noch zu erwarten ist, bestimmt sich nach den Verhältnissen des jeweiligen Bilanzstichtages und unabhängig davon, ob und wann der Steuerpflichtige eine Bilanz aufgestellt hat (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12. Oktober 1993 VIII R 86/90, BFHE 172, 388, BStBl. II 1994, 174, mwN., vom 10. Dezember 1985 VIII R 41/85, BFH/NV 1986, 404). Maßgeblicher Zeitpunkt für die anzustellende Prognose ist der Bilanzstichtag, werterhellende Umstände bis zur Aufstellung der Bilanz sind dabei zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 26. Januar 1995 IV R 54/93, BFHE 177, 18, BStBl. II 1995, 473).

b. Nach der sog Wertaufhellungstheorie ist der Kaufmann verpflichtet, bei der Bilanzaufstellung alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Verhältnisse am Bilanzstichtag von Bedeutung sind. Die zwischen dem Bilanzstichtag und dem Tag der Bilanzaufstellung erlangten besseren Erkenntnisse über die Verhältnisse am Bilanzstichtag sind zu berücksichtigen. Umstände, die die am vorangegangenen Bilanzstichtag bestehenden tatsächlichen Verhältnisse aber nicht aufhellen, sondern erst nach dem Bilanzstichtag verändern, also beeinflussen, können auf den vorangegangenen Bilanzstichtag nicht berücksichtigt werden. Es muss demzufolge zwischen wertaufhellenden Erkenntnissen und wertbeeinflussenden (wertbegründenden) Tatsachen unterschieden werden. Wertaufhellende Erkenntnisse sind dabei auch dann zu berücksichtigen, wenn sie am Bilanzstichtag noch nicht eingetreten oder noch nicht bekannt waren, aber dazu geeignet sind, die Verhältnisse am Bilanzstichtag zu objektivieren. Es müssen also Erkenntnisse über die Verhältnisse bzw. über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Risikos am Bilanzstichtag gezogen werden können (Falterbaum, Bolk, Reiß, Kirchner, Buchführung und Bilanz, 21. Auflage 2010, S. 497). Das Stichtagsprinzip gibt mithin vor, dass nur solche Ereignisse und Umstände zu berücksichtigen sind, die im abgelaufenen Wirtschaftsjahr ihre Ursache haben.

2. Nach diesen Grundsätzen haben zum 31. Dezember 2008 die Voraussetzungen für die Auflösung eines negativen Kapitalkontos noch nicht vorgelegen. Denn bei Aufstellung der Bilanz - im Fall der Schätzung ist das Datum der Schätzung mit der Bilanzaufstellung gleichzustellen - stand nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag noch nicht endgültig fest, dass ein Ausgleich mit künftigen Gewinnanteilen nicht mehr in Betracht kam.

Der Verkauf des verbliebenen Grundstücks im Mai 2009 erfolgte zwar vor der sog. Bilanzaufstellung, aber nach dem Bilanzstichtag (31. Dezember 2008). Es handelt sich bei der Veräußerung eines Grundstücks um eine sog wertbegründende Feststellung. Denn erst mit dem Abschluss des Kaufvertrags und dessen Erfüllung - Zahlung des vereinbarten Kaufpreises und Übergabe der Nutzen und Lasten - hat sich der tatsächliche Wert des Grundstücks realisiert (vgl hierzu auch BFH-Urteile vom 17. November 1987 VIII R 348/82, BFHE 152, 226, BStBl. II 1988, 430 und vom 25. Juli 1995 VIII R 38/93, BStBl. II 1996, 153). Dies kann nach Auffassung des Senats nicht auf die Bilanzverhältnisse des abgelaufenen Wirtschaftsjahres zurückstrahlen.

III. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).