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Entscheidung VK 19/10


Metadaten

Gericht Vergabekammer Potsdam Entscheidungsdatum 13.08.2010
Aktenzeichen VK 19/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin.

3. Die Gebühr für das Verfahren wird auf X.XXX,XX EUR festgesetzt und mit dem eingezahlten Kostenvorschuss i.H.v. 2.500,00 EUR verrechnet.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin wird für notwendig erklärt.

Gründe

I.

Die Auftraggeberin schrieb im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom … 2010 den Abschluss von Verträgen gemäß § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V zur Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten im Offenen Verfahren europaweit aus. Die Auftraggeberin ist durch Fusion der Allgemeinen Ortskrankenkassen des Landes … und des Landes … mit Sitz in … entstanden. In Ziffer VI.4.1) der Bekanntmachung wird die Vergabekammer des Landes Brandenburg als zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren benannt.

Die Auftraggeberin hatte den …-Bundesverband mit der Durchführung der Ausschreibung beauftragt, Ziffern I.2), VI.3) der Bekanntmachung. Der streitige Auftrag betrifft die Versorgung auf dem Gebiet des Landes … und ist in 13 Gebietslose, aufgeteilt nach Postleitzahlen, unterteilt. Die Gebietslose weichen im räumlichen Zuschnitt von der Aufteilung der Verwaltungsbezirke in … ab.

Nach zahlreichen Bieteranfragen, die die Auftraggeberin mit Bieterrundschreiben beantwortete, und einer Vielzahl an Rügen potenzieller Bieter sowie dem nach § 115 Abs. 3 GWB in einem Parallelverfahren ergangenen Beschluss der Vergabekammer vom 23. Februar 2010 änderte die Auftraggeberin wiederholt die Verdingungsunterlagen, deren Bestandteil der Entwurf des Vertrages gemäß § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V über die Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten als Anlage 1 ist – Rahmenvereinbarung. Korrigierende Bekanntmachungen veröffentlichte die Auftraggeberin im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am ... und ... März 2010; mit der weiteren Bekanntmachung vom … 2010 wurde Ziffer VI.4.2) – Einlegung von Rechtsbehelfen – um den Hinweis auf die 15-Tages-Frist des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB ergänzt.

Ziffer II.1.8) der ursprünglichen Bekanntmachung bestimmte, dass Angebote „nur für ein Los“ eingereicht werden sollen. Dies wurde mit Bekanntmachung vom … dahin korrigiert, dass Angebote für ein Los oder mehrere Lose eingereicht werden sollen. Mit Blick auf den Ablauf des Vergabeverfahrens wurden zugleich Ziffern II.2.2), II.3) der ursprünglichen Bekanntmachung geändert, dass die Rahmenvereinbarungen nunmehr für den (zeitlich späteren) Jahreszeitraum vom ... 2010 bis ... 2011 geschlossen werden; die Option auf Vertragsverlängerung wurde auf den ... 2011 begrenzt.

Zuschlagskriterium ist nach Ziffer IV.2.1) der niedrigste Preis. Varianten/Alternativangebote sind nicht zugelassen, Ziffer II.1.9) der Bekanntmachung. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war nach Ziffer IV.3.4) der ursprünglichen Bekanntmachung der ... 2010, 12.00 Uhr; nunmehr der … 2010, 12.00 Uhr.

Die ursprünglich bekannt gemachte Absicht (Ziffer II.1.4), je Gebietslos mit einem Wirtschaftsteilnehmer eine Rahmenvereinbarung zu schließen, wurde – nach zwischenzeitlicher Änderung mit Bekanntmachung vom ... auf zwei Wirtschaftsteilnehmer je Gebietslos – mit Bekanntmachung vom ... 2010 wieder hergestellt.

Eine geänderte Fassung der Verdingungsunterlagen versandte die Auftraggeberin nach Vorankündigung mit Schreiben vom ... 2010 per E-Mail am ... 2010, eine weitere geänderte Fassung erhielten die Bieter, nach vorheriger Ankündigung mit Telefax vom ... 2010, mit Schreiben der Auftraggeberin vom ... 2010.

Mit Schreiben vom ... 2010 rügte der Antragsteller nach Erhalt der Verdingungsunterlagen, dass die Ausschreibung gegen § 69 Abs. 2 S. 3 SGB V verstoße, indem der Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenkassen nicht in dem sozialrechtlich gebotenen Maße beachtet worden sei. Das Recht der Versicherten auf freie Apothekenwahl in § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V durch eine exklusive Auftragsvergabe sei verletzt. Des Weiteren gefährde die Rahmenvereinbarung die nachhaltige, flächendeckende Sicherstellung der Versorgung der versicherten Patienten. Die Auftraggeberin vertraue allein auf die Eigenerklärung des Bieters hinsichtlich der Gewährleistung der Lieferfähigkeit während der Vertragslaufzeit, ohne die tatsächliche Leistungsfähigkeit zum Schutz der Versicherten zu überprüfen. Überdies seien durch die Auftraggeberin keine geeigneten Mittel vorgesehen, um im Falle der Nichteinhaltung der Lieferfähigkeit durch den Ausschreibungsgewinner, die Versorgung der Versicherten anderweitig zu sichern und korrigierend eingreifen zu können. Die in § 3 Abs. 6 des Rahmenvertrages vorgesehene Lieferfrist von 45 Minuten gefährde die Versorgungsqualität der Versicherten, da die Ausschreibungsgewinner sowohl in zeitlicher als auch finanzieller Hinsicht unangemessen unter Druck gesetzt werden. Darüber hinaus rügte der Antragsteller, dass § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V keine hinreichende gesetzliche Grundlage zur Durchführung der Ausschreibung darstelle. Die Ausschreibung lasse die aktuell bestehenden Arzneimittellieferverträge gemäß § 129 Abs. 2 SGB V bzw. Abs. 5 S. 1 leerlaufen. Die Ausschreibung verstoße auch gegen das Verbot des § 11 Abs. 1 ApoG und gegen § 17 Abs. 4 ApoBetrO. Aufgrund des Umstandes, dass dem Ausschreibungsgegenstand rechtliche Hindernisse entgegenstehen würden, sei die Ausschreibungsreife nach § 16 Nr. 1 VOL/A nicht gegeben. Beanstandet werde eine Benachteiligung der Losgewinner im Vergleich zu nicht teilnehmenden Apotheken, denn Losgewinner würden durch § 3 Abs. 1 des Rahmenvertrages verpflichtet, Zubereitungen lediglich innerhalb ihrer Losgebiete abzugeben. Gerügt werde eine Ungleichbehandlung von Apotheken und sonstigen Herstellerbetrieben im Rahmen der Unterauftragnehmerstellung sowie eine fehlende Aufteilung in Fachlose. Beim Einsatz von Apotheken als Unterauftragnehmer werde keine Herstellererlaubnis nach § 13 Abs. 1 AMG gefordert, sondern auf die Ausnahmeregelung des § 13 Abs. 2 AMG verwiesen. Die im Rahmen der technischen Leistungsfähigkeit abgeforderten Angaben über die zur Verfügung stehenden Produktionsstätten und -kapazitäten würden gegen die Pflicht der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung verstoßen. Die Verdingungsunterlagen ermöglichten keine einwandfreie Preisermittlung i.S.v. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A, da zahlreiche kalkulationserhebliche Angaben seitens der Auftraggeberin unterlassen worden seien. Angaben über Aut-idem-Ausschlüsse, Applikationsformen, Trägerlösungen und primäre Packmittel würden fehlen. Darüber hinaus würden folgende Regelungen des Rahmenvertrages ein ungewöhnliches Wagnis i.S.v. § 8 Nr. 1 Abs. 2 bzw. Abs. 3 VOL/A darstellen: § 1 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 3 – fehlende Konkretisierung der Dienst- und Serviceleistungen; § 3 Abs. 6, 7 – Umfang der Zubereitung, Zeitraum zwischen Vorinformation und Abruf; § 3 Abs. 8 – Zeitpunkt für die Einhaltung der Stornierungsfrist -; § 3 Abs. 12 – Schutzmaßnahmen in Arzt-praxen; § 4 Abs. 3 – Ausschluss des Zahlungsanspruchs durch die Auftraggeberin -; § 5 Abs. 1 – Verhandlungen mit pharmazeutischen Herstellern -; § 5 Abs. 3, 4 – Abrechnung anderer Primärpackmittel -; § 5 Abs. 5 – Herstellerrabatt gemäß § 130 a Abs. 1 SGB V -; § 5 Abs. 6 - Neuverhandlungspflicht bezüglich der Erweiterung der Produktliste -; § 5 Abs. 7, 8 - Preis- und Mengenänderungen von mehr als 20 %; § 6 – Abrechnung und Datenübermittlung -; § 7 – Rechnungsbegleichung -; § 8 Abs. 1 – Einsprüche des Losgewinners gegen Beanstandungen der Auftraggeberin -; § 9 – In-formationspflicht über laufende Ermittlungsverfahren wegen eines Vergehens -; § 10 - Verwürfe über das notwendige Maß -; § 13 - Verlängerung der Vertragslaufzeit -.

Darüber hinaus rügte der Antragsteller, dass in den Verdingungsunterlagen nicht festgelegt sei, dass der Auftragnehmer bei der Übertragung von Teilen der Leistung nach wettbewerblichen Grundsätzen zu verfahren habe (§ 10 Nr. 1 VOL/A). Auch sei die Losbildung unwirtschaftlich und die Ausführungsfrist von 45 Minuten in § 3 Abs. 6 des Rahmenvertrages unzureichend. Schließlich liege ein Verstoß gegen § 25 Nr. 3 VOL/A vor, da der Preis Zuschlagskriterium zu 100 % sei.

Mit Schreiben vom ... 2010 beanstandete der Antragsteller die abgeänderten Verdingungsunterlagen wie folgt: Die Zuschlagslimitierung auf zwei Bieter stelle eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen dar. Die Regelungen in § 3 Abs. 1 S. 5, Abs. 12 und Abs. 13 des Rahmenvertrages seien unklar; § 5 Abs. 5 sei hinsichtlich seiner Tragweite und konkreten Anwendung unklar; die Erweiterung der in § 5 Abs. 7 auf nicht in der Anlage 1 aufgeführte Wirkstoffe stelle eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen dar. Gleiches gelte für die in § 5 Abs. 8 enthaltene Regelung zur ergänzenden Vertragsverhandlung bei während der Vertragslaufzeit in Verkehr gebrachten Generika. § 6 Abs. 3 S. 1 entspreche nicht den Antworten der Auftraggeberin auf die Bieterfragen 146 und 177. Die in § 9 Abs. 3 enthaltenen weitergehenden Informationspflichten würden gerügt. Die in § 10 Abs. 4 vorgesehene mehrfache Verwirkung der Vertragsstrafe benachteilige die Bieter unangemessen. Das gelte auch für die nach § 11 Abs. 2 f durchzuführende Beurteilung über die nötige Zuverlässigkeit des Apothekers.

Mit weiterem Schreiben vom ... 2010 beanstandete der Antragsteller die mit Bieterrundschreiben der Auftraggeberin vom ... 2010 geänderten Verdingungsunterlagen hinsichtlich der Regelung im Rahmen der technischen Leistungsfähigkeit, dass seitens der Bieter nunmehr nachzuweisen sei, dass im Auftragsfall das Doppelte der in der Anlage 1 benannten Mengen geliefert werden könne. Dies stelle eine wesentliche Abänderung und nachträgliche Verschärfung der Verdingungsunterlagen dar.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom ... April 2010 hat der Antragsteller bei der Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag gestellt und diesen im Wesentlichen mit den Ausführungen in seinen Rügeschreiben begründet.

Der Antragsteller beantragt,

1. der Auftraggeberin zu untersagen, in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren einen Zuschlag zu erteilen;

2. hilfsweise die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen;

3. dem Antragsteller Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;

4. der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Antragstellers aufzuerlegen.

Die Auftraggeberin beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2. dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin aufzuerlegen,

3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Auftraggeberin notwendig war,

4. Schriftsatznachlass auf den Schriftsatz des Antragstellers vom ... 2010.

Mit Schriftsatz vom ... 2010 erwiderte die Auftraggeberin auf den Nachprüfungsantrag. Soweit der Antragsteller Verstöße gegen das Sozialversicherungs- und das Apothekenrecht geltend mache, fehle ihm die Antragsbefugnis. Auch sei er nicht antragsbefugt, soweit er vermeintlich unzulässige Nachverhandlungen aufgrund von § 5 Abs. 6 des Rahmenvertrages beanstande. Dem Antragsteller fehle auch die Antragsbefugnis hinsichtlich seiner Rüge, die Einteilung der Gebietslose verstoße gegen § 5 Nr. 1 VOL/A.

Die Auftraggeberin meint, der Antragsteller sei seiner Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB nicht nachgekommen, soweit er in seinem Nachprüfungsantrag die Verdingungsunterlagen hinsichtlich der Vorlage von Eigenerklärungen zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit beanstande und eine Bevorzugung von Apothekern als Unterauftragnehmer rüge, da nur diese nach den Verdingungsunterlagen zur Anwendung der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellerverordnung (AMWHV) verpflichtet würden.

Soweit der Antragsteller eine unzulässige Benachteiligung der Zuschlagsgewinner aufgrund einer nicht durchsetzbaren Exklusivität geltend mache, fehle ihm das Rechtsschutzbedürfnis.

Darüber hinaus sei der Nachprüfungsantrag unbegründet.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers stelle § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V eine taugliche Rechtsgrundlage für den Abschluss der ausgeschriebenen Selektivverträge dar. Die vertraglich vorgesehene Exklusivität der Zuschlagsempfänger verletze nicht das Recht der Versicherten auf freie Apothekenwahl (§ 31 Abs. 1 S. 5 SGB V).

Die Ausgestaltung der Ausschreibung führe auch nicht zu einer Gefährdung der Versorgung der Versicherten (§ 69 Abs. 2 S. 3 SGB V).

Die Forderung des Antragstellers nach umsatzbezogenen Eignungsnachweisen sei vergaberechtswidrig. Hinsichtlich des Nachweises der Produktionskapazitäten beruhe die Beanstandung des Antragstellers offensichtlich auf einem falschen Verständnis der Verdingungsunterlagen. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin eine Vielzahl von Eignungsnachweisen betreffend die technische Leistungsfähigkeit der Bieter in Form von Eigenerklärungen verlangt habe. Aus der Vertragsstrafenregelung des § 10 Abs. 1 des Rahmenvertrages folge keine Gefährdung der Versorgung der Versicherten. Entgegen der Ansicht des Antragstellers verpflichte die in § 13 Abs. 1 S. 2 bis 5 des Rahmenvertrages enthaltene Verlängerungsoption die Auftraggeberin nicht dazu, von den Bietern auch für den möglichen Verlängerungszeitraum Produktionskapazitäten nachzuweisen. Auch die Bestimmung in § 3 Abs. 6 des Rahmenvertrages zur Lieferung auf Abruf gefährde die Versorgung der Versicherten nicht.

Die angegriffene Ausschreibung stehe entgegen der Ansicht des Antragstellers im Einklang mit § 11 Abs. 1 ApoG und § 17 Abs. 4 ApBetrO. Auch liege kein Verstoß gegen § 16 VOL/A vor. Eine Schlechterstellung der Ausschreibungsgewinner zu den Nichtausschreibungsgewinnern liege nicht vor. Eine Ungleichbehandlung von Apotheken als Unterauftragnehmer zu den Herstellerbetrieben sei nicht erkennbar. Eine Verpflichtung zur Fachlosbildung bestehe dann nicht, wenn der Auftrag in fachlicher Hinsicht nicht teilbar sei. Widersprüchlichkeiten in den Vorgaben zum Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit seien nicht gegeben.

Die Auftraggeberin verstoße auch nicht gegen das aus § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A folgende Gebot, alle die Preisermittlungen beeinflussenden Umstände in den Verdingungsunterlagen anzugeben. Die Auftraggeberin sei nicht verpflichtet gewesen, Verordnungszahlen für den Zeitraum eines Jahres auszuwerten. Eine Verpflichtung, Auswertungen zum Ausmaß des Ausschlusses der Autidem-Substitution vorzunehmen, habe nicht bestanden. Gleiches gelte für die Auswertung von Abrechnungsdaten hinsichtlich des Verwurfes. Es sei nicht ersichtlich, dass die Preisermittlung auch davon beeinflusst werde, ob ein Wirkstoff patentgeschützt sei oder nicht. Der Antragsteller verkenne, dass Angaben über Applikationsformen, Trägerlösungen und Primärpackmittel für die Kalkulation unerheblich seien. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei die ausgeschriebene Leistung nicht deshalb unkalkulierbar, weil der Anteil der Versorgung durch Krankenhausapotheken ungewiss sei. Die darauf gerichtete Beanstandung des Antragstellers beruhe auf einem Missverständnis der Ausschreibung.

Aus den Bestimmungen des Rahmenvertrages folge kein Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 2 und Abs. 3 VOL/A. Aus § 1 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 3 des Rahmenvertrages ergebe sich nicht die Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses, sondern lediglich die Bezeichnung des Vertragsgegenstandes. Im Zusammenhang mit § 3 Abs. 6, 7 des Rahmenvertrages sei es der Auftraggeberin bereits aus medizinischen Gründen nicht möglich, auf eine Verpflichtung zur Lieferung auf Abruf zu verzichten. Entgegen dem Verständnis des Antragstellers sei nicht ungeklärt, in welchem Verhältnis die drei Zeitpunkte, die nach § 3 Abs. 8 des Rahmenvertrages für die Rechtzeitigkeit der Stornierung maßgeblich seien, zueinander stehen würden. Die Argumentation des Antragstellers zur Verpflichtung nach § 3 Abs. 12 S. 3 des Rahmenvertrages sei nicht verständlich. Die Abrede in § 3 Abs. 13 des Rahmenvertrages begründe kein ungewöhnliches Wagnis, weil die allgemeinen Regeln des Vertragsrechtes gelten würden. Die in § 4 Abs. 3 des Rahmenvertrages vorgesehene Exklusivitätsregelung sei zulässig; Abs. 4 enthalte keinen Verstoß gegen die Kollektivverträge nach § 129 Abs. 2 und Abs. 5 S. 1 SGB V. § 5 Abs. 1 des Rahmenvertrages lege dem Apotheker keine Erfolgspflichten auf. § 5 Abs. 3 des Rahmenvertrages betreffe Applikationshilfen, die vom Arzt ausdrücklich verordnet werden; Abs. 4 sehe dementsprechend komplementär dazu vor, dass diese Hilfsmittel von den Vergütungsbestimmungen des Rahmenvertrages ausgenommen seien; Abs. 5 sei eindeutig; die in Abs. 6 eingeräumte Möglichkeit von (Nach-)Verhandlungen sei vergaberechtlich nicht zu beanstanden; nach Abs. 7 sei in keiner Weise unklar, welche Rezepturen von der Bestimmung erfasst seien; die Regelung in Abs. 8 sei sinnvoll und berechtigt, da derzeit nicht alle der in den nach Gebietslosen unterschiedlichen Anlagen 1 genannten Wirkstoffe generikafähig seien.

§§ 6 bis 8 des Rahmenvertrages würden inhaltlich den Bestimmungen des für … geltenden Arzneimittelversorgungsvertrages entsprechen. Das Verständnis des Antragstellers zu § 10 Abs. 4 des Rahmenvertrages sei abwegig. Die Vertragsbestimmungen in § 11 des Rahmenvertrages betreffend das Recht zur fristlosen Kündigung seien vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

Ein Verstoß gegen § 10 Nr. 1 lit. a) VOL/A liege nicht vor. Für eine unwirtschaftliche Zersplitterung i.S.v. § 5 Nr. 1 VOL/A sei nichts ersichtlich. Die Ausschreibung verstoße auch nicht gegen § 25 Nr. 3 VOL/A; der Angebotspreis sei Grundlage der Vergabeentscheidung. In den vom Antragsteller beanstandeten Änderungen der Verdingungsunterlagen im Zeitraum nach Bekanntmachung der Ausschreibung liege kein Verstoß gegen das Vergaberecht.

Mit weiterem Schriftsatz vom … 2010 - bei der Vergabekammer per Telefax am … 2010 eingegangen - hat der Antragsteller auf den Erwiderungsschriftsatz der Auftraggeberin seinen bisherigen Vortrag vertieft.

Mit Schreiben der Vergabekammer vom ... 2010 wurde dem Antragsteller Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren.

Mit Verfügungen des Vorsitzenden vom … 2010 wurde die Entscheidungsfrist zuletzt bis zum … 2010 verlängert.

In der mündlichen Verhandlung am 12. August 2010 hatten die Beteiligten Gelegenheit, ihre Standpunkte darzulegen.

Auf die Vergabeakten sowie die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist im Wesentlichen zulässig.

Die angerufene Vergabekammer ist für die Entscheidung über den Antrag zuständig, weil sich der Zuständigkeitsbereich der Auftraggeberin auch auf das Land … erstreckt. Darüber hinaus ist der streitige Vertragsschluss dem Land … zuzurechnen (§ 104 Abs. 1 GWB), da es sich bei der Auftraggeberin um einen landesunmittelbaren Versicherungsträger handelt, der der Landesaufsicht unterliegt. Die gesetzlichen Krankenkassen sind grundsätzlich als staatlich kontrollierte Einrichtungen zu betrachten (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. Oktober 2008, L 11 KR 4810/08 ER-B).

Der Nachprüfungsantrag des Antragstellers ist fristgerecht bei der Vergabekammer eingereicht worden. Gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB ist der Antrag unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung der Auftraggeberin, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Die Auftraggeberin entgegnete auf die Rügen des Antragstellers mit Schreiben vom … 2010. Dieses Schreiben ging dem Antragsteller am ... 2010 zu. Der am ... 2010 bei der Vergabekammer eingegangene Nachprüfungsantrag des Antragstellers wurde somit unter Einhaltung der gesetzlichen Frist gestellt.

Die Auftraggeberin ist öffentlicher Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB. Gesetzliche Krankenkassen werden – jedenfalls mittelbar – durch Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber zur GKV durch den Bund finanziert (vgl. §§ 3, 2, 71 SGB V) und unterliegen einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht (EuGH, Urteil vom 11. Juni 2009, Rs. C-300/07).

Es handelt sich vorliegend um eine Rahmenvereinbarung gemäß § 3 a Nr. 4 VOL/A, die als öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsauftrag den maßgeblichen Schwellenwert nach §§ 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB i.V.m. Artikel 2 EG-VO Nr. 1177/2009 vom 30. November 2009 überschreitet.

Der Antragsteller ist nicht gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, soweit er in der Einteilung der Gebietslose eine unwirtschaftliche Zersplitterung erblickt. Denn unwirtschaftlich kann die Zersplitterung eines Auftrages nur für den Auftraggeber sein (Weyand, ibr-online-Kommentar Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 269). Folglich kann der Antragsteller keine Verletzung subjektiver Rechte aus § 5 Nr. 1 VOL/A herleiten.

Im Übrigen ist der Antragsteller antragsbefugt. Er hat sich mit einem Angebot an dem ausgeschriebenen Wettbewerb beteiligt. Der Antragsteller hat hinreichend deutlich im Vergabeverfahren geltend gemacht, in seinem Anspruch auf Einhaltung der Vergabevorschriften (§ 97 Abs. 7 GWB) verletzt zu sein. Er trägt auch die Möglichkeit eines ihm deshalb drohenden Schadens vor.

Der Antragsteller hat die vermeintlichen Vergaberechtsverstöße unverzüglich bei der Auftraggeberin gerügt und ist damit seiner Obliegenheit gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB nachgekommen, mit Ausnahme der im Nachprüfungsantrag verspätet erhobenen erweiterten Beanstandungen zur Zulässigkeit des Abforderns von 17 Verpflichtungserklärungen im Rahmen der technischen Leistungsfähigkeit und zur Bevorzugung von Apothekern als Unterauftragnehmer, da nur diese aufgrund der Vorgaben in den Verdingungsunterlagen zur Anwendung der AMWHV verpflichtet würden.

Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet.

Die streitgegenständliche Ausschreibung verstößt nicht gegen § 69 Abs. 2 SGB V. § 69 Abs. 2 S. 1 SGB V erklärt u.a. für Vertragsschlüsse nach den §§ 129 bis 130 SGB V die §§ 97 bis 115 GWB – mithin das dort geregelte „Vergaberecht“ – für anwendbar, soweit die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. März 2009 – L 9 KR 72/09 ER).

Die Ausschreibung berücksichtigt auch die Maßgabe des § 69 Abs. 2 S. 3 SGB V. Die Begründung des BT-Ausschusses für Gesundheit führt hierzu u.a. aus, die Vergabekammern hätten im Vergabenachprüfungsverfahren darauf zu achten, dass die Verpflichtung zur Sicherung medizinisch notwendiger, aber auch wirtschaftlicher Versorgung aller Versicherten nicht gefährdet werde. Darüber hinaus seien bei der Anwendung der vergaberechtlichen Vorschriften auch sonstige Versorgungsaspekte zu berücksichtigen, im Zusammenhang mit dem Erfordernis flächendeckender Versorgungsstrukturen etwa auch die Praktikabilität einer Vielzahl von Einzelverträgen (BT-Drs. 16/10609, zu Art. 1, zu Nr. 1 e - § 69 SGB V -, S. 67).

Die Auftraggeberin hat den vorgenannten Gesichtspunkten insbesondere durch die Aufteilung des Stadtgebietes … in 13 Gebietslose und durch die Zuschlagslimitierung auf einen Bieter pro Gebietslos Rechnung getragen. Die medizinisch notwendige und wirtschaftliche Versorgung wird auf diese Weise sichergestellt. Die Versorgung ist auch praktikabel, da der Abschluss von Einzelverträgen eine überschaubare Anzahl von Leistungserbringern betrifft.

Die Ausführungen des Antragstellers zur Gefährdung der Versorgungssicherheit der Versicherten im Falle der Nichteinhaltung der Lieferfähigkeit durch den Ausschreibungsgewinner entbehren jeder Grundlage. Die Auftraggeberin überprüft im Rahmen der Teilnahmebedingungen die wirtschaftliche und finanzielle sowie die technische Leistungsfähigkeit der Bewerber. Diese Überprüfung entspricht den einschlägigen Vorgaben in den §§ 7 und 7 a VOL/A.

Auch die in § 3 Abs. 6 des Rahmenvertrages vorgesehene Lieferfrist von 45 Minuten gefährdet nicht die Versorgung – insbesondere die Versorgungsqualität – der Versicherten. Die Lieferung „auf Abruf“ ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Die Bestimmung verfolgt den Zweck, dem Interesse der Versicherten der Auftraggeberin an einer raschen Versorgung mit parenteralen Zubereitungen im Ernstfall Rechnung zu tragen. Der Antragsteller übersieht bei seiner Argumentation, dass der Abruf nur auf Fälle beschränkt ist, in denen die Entscheidung über die Durchführung der Arzneimitteltherapie aus medizinischen Gründen am Tag der Behandlung getroffen werden muss. Die Vorschrift begrenzt darüber hinaus den Zeitraum von 45 Minuten auf den Regelfall. Triftige Gründe aufseiten des Antragstellers dürften einer Verlängerung der Frist nicht entgegenstehen.

Die Auftraggeberin war entgegen der Auffassung des Antragstellers auch befugt, die streitigen Leistungen unter Bezugnahme auf die Vorschrift des § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V auszuschreiben. Dem stehen weder der seit … 2003 bestehende Arzneimittelversorgungsvertrag … noch der Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (§§ 4, 5 der Arzneimittelpreisverordnung) in der Fassung des Ergänzungsvertrages vom … 2009 entgegen. Das folgt sowohl aus der Gesetzessystematik als auch aus der Gesetzesbegründung.

Nach § 129 Abs. 2 SGB V sind die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Spitzenorganisationen der Apotheker verpflichtet, die Arzneimittelversorgung der Versicherten durch Rahmenverträge zu regeln. Ein Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V wurde am ... 2009 zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und dem Deutschen Apothekerverband e.V. (DAV) geschlossen. Nach § 129 Abs. 5 S. 1 SGB V besteht auf Landesebene die Möglichkeit, Verträge zur Ergänzung des Rahmenvertrages zu schließen. Vertragspartner sind aufseiten der Krankenkassen die Landesverbände der Krankenkassen (§ 207 SGB V) und die Verbände der Ersatzkassen (§ 212 Abs. 5 SGB V), aufseiten der Apotheker die auf Landesebene gebildeten Apothekervereine. Ein Arzneimittelversorgungsvertrag … wurde bereits im … 2003 durch die …, den …-Landesverband … und den …-Verein … unterzeichnet. Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde die Landesebene in der Weise aufgewertet, dass nach § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V nunmehr Sonderregelungen über die Versorgung mit Zytostatika vereinbart werden können; dabei können Abschläge auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmens und die Preise und Preisspannen der Apotheken vereinbart werden. Ziel des Gesetzgebers war es, dass sowohl die Einkaufspreise bzw. die Abgabepreise für Zytostatika gegenüber den pharmazeutischen Unternehmen als auch die Vergütung der Apotheker für die Zytostatika-Zubereitung vereinbart werden können. Rechtsgrundlagen für die Preisvereinbarung mit pharmazeutischen Unternehmen ist § 130 a Abs. 8 SGB V. Apotheken können demnach von Krankenkassen beauftragt werden, mit dem pharmazeutischen Unternehmen Abschläge auf dessen Abgabepreis zugunsten der Krankenkassen zu vereinbaren. Eine entsprechende Beauftragung von Apotheken ist im Rahmen des Vertrages mit den Krankenkassen für Zytostatika-Rezepturen möglich und wirtschaftlich sinnvoll, da die Rabatte nach § 130 a Abs. 8 SGB V den Krankenkassen zufließen (vgl. dazu: BT-Drs. 16/4247 S. 66).

Mit dem Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990) – 15. AMG Novelle – wurde im § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V das Wort „Zytostatika“ durch die Wörter „parenterale Zubereitungen in der Onkologie“ ersetzt.

Durch diese Ergänzung soll erreicht werden, dass Krankenkassen Versorgungsverträge mit einzelnen Apotheken nicht nur für Zytostatika-Zubereitungen schließen können, sondern auch für andere parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln, die für onkologische Behandlungen erforderlich sind. Der Gesetzgeber zielt damit insbesondere auf Verträge für biotechnologische Fertigarzneimittel, deren Anteil jährlich enorme Zuwächse verzeichnet und im Vergleich zu generischen Zytostatika noch sehr hochpreisig sind.

Auf dieser Grundlage soll der streitbefangene Vertragsentwurf die Sicherstellung der Versorgung von Versicherten mit parenteralen Zubereitungen regeln. Dem Vertragsentwurf steht auch nicht der Vertrag vom … 2009 über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen auf der Grundlage der §§ 4 und 5 der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem DAV entgegen. Das gilt auch für die Neufassung der Anlage 3 der Hilfstaxenvereinbarung zum 1. Januar 2010 über die Honorierung parenteraler Rezepturen.

Auf der Grundlage der Ermächtigung des § 5 Abs. 4 S. 1 AMPreisV gilt seit dem 1. Januar 2010 der zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. als für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeter maßgeblicher Spitzenorganisation der Apotheker vereinbarte Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (so genannter „Vertrag zur Hilfstaxe“). Gemäß Anlage 3 des Vertrages zur Hilfstaxe gelten die darin enthaltenen Preisbildungsregelungen auch für parenterale Zubereitungen. § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V sieht die Möglichkeit des Abschlusses von Einzelverträgen über parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zwischen einzelnen Krankenkassen und einzelnen Apothekern vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V als gesetzliche Ermächtigungsnorm durch die im Verhältnis zu ihm rangniedrigere Rechtsanwendungsregelung des § 5 AMPreisV (Rechtsverordnung) nicht verdrängt werden kann. Darüber hinaus kommt dem Einzelvertrag eine Lenkungswirkung dahingehend zu, dass die vertragsschließende Apotheke eine Sonderstellung im Wettbewerb, also eine Art „Absatzgarantie“ für ihre Dienstleistung erhält. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V die Apothekenwahlfreiheit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nur den Versicherten, nicht jedoch den Vertragsärzten gesetzlich garantiert und umgekehrt § 11 Abs. 2 ApoG ärztliche Rezeptzuweisungen im Zusammenhang mit anwendungsfertigen Zytostatikazubereitungen zulässt, sodass einer lenkenden Einflussnahme durch die gesetzlichen Krankenkassen keine gesetzlichen Bestimmungen entgegenstehen. Auch aus diesen Gründen ist von einem Vorrang der Einzelvereinbarung vor einer partiellen Verbändevereinbarung und damit von einem dispositiven Charakter von Verbändevereinbarungen auszugehen.

Als Ergebnis ist festzustellen, dass der Gesetzgeber § 129 Abs. 5 Satz 3 SGB V als lex specialis ausgestaltet hat. Die auf der Grundlage dieser Vorschrift abzuschließenden Verträge haben somit Vorrang vor den bestehenden Verträgen über Arzneimittelpreise (Schneider in: jurisPK-SGB V, § 129 SGB V, Rn. 16). Die zwischen den genannten Spitzenverbänden geschlossene Hilfstaxenvereinbarung ist nicht geeignet, die gemäß § 129 Abs 5 S. 3 SGB V bundesgesetzlich vorgesehene Möglichkeit zu suspendieren, Selektivverträge, wie den hier beabsichtigten Abschluss von Rahmenvereinbarungen mit einzelnen Apotheken, zu schließen. Die Ausschreibung betrifft mithin gesetzlich vorgesehene, rechtlich zulässige Vertragsschlüsse.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt ein Verstoß gegen das Apothekenrecht nicht vor. Nach § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG dürfen Apotheker mit Ärzten keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten oder die Zuweisung von Verschreibungen zum Gegenstand haben. Durch diesen Verbotstatbestand soll einerseits die Unabhängigkeit des Apothekers gegenüber den anderen Heilberufen sichergestellt werden und ferner soll die Freiheit des Patienten gewährleistet werden, eine Apotheke seiner Wahl aufzusuchen. Eine Zuweisung von Verschreibungen i.S.d. § 11 ApoG liegt nur vor, wenn der Arzt das Rezept dem Patienten nicht aushändigt, sondern es unmittelbar der begünstigten Apotheke zugehen lässt. Das Verbot der Zuweisung von Verschreibungen hat vor allem für Zytostatika-Zubereitungen Bedeutung. Hierzu enthält § 11 Abs. 2 ApoG eine Sonderregelung, die ausdrücklich Handlungen „in Abweichung von Abs. 1“ erlaubt, also solche, die ansonsten unter das Zuweisungsverbot des § 11 Abs. 1 ApoG fallen würden. Die Direktauslieferung der (nicht zugewiesenen) Zytostatika-Zubereitungsverschreibung verletzt indes nicht den § 11 Abs. 1 ApoG, da weder ein Patient zugeführt noch eine Verschreibung zugewiesen wird. Demzufolge kann § 11 Abs. 2 ApoG nur bedeuten, dass nicht nur die Direktbelieferung gestattet wird, sondern darüber hinaus auch eine Ausnahme von dem Zuführungs- und Zuweisungsverbot besteht.

Auch der allgemeine Kontrahierungszwang der Apotheken nach § 17 Abs. 4 ApBetrO steht dem streitgegenständlichen Rahmenvertrag nicht entgegen. Die ApBetrO wird als Rechtsverordnung durch die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage des § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V verdrängt.

Der Auffassung des Antragstellers, der Rahmenvertrag verletze § 31 Abs. 1 S. 5 SGB V, weil hiernach den Versicherten der Auftraggeberin ein freies Wahlrecht der Apotheke zustehe und sie nicht gezwungen werden könnten, ihre Medikation aus der Zuschlagsapotheke eines Gebietsloses zu beziehen, vermag die Vergabekammer nicht zu folgen. Die Auftraggeberin hat den Bietern – vgl. Bieterrundschreiben vom ... 2010, Antwort auf Bieterfrage 51 – die Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vom ... 2009 zur Kenntnis gegeben. Die Vergabekammer schließt sich der rechtlichen Bewertung durch das BMG an, weil die der Ausschreibung unterfallenden parenteralen Zubereitungen in der Regel nicht an den Versicherten unter Vorlage eines Rezeptes, sondern direkt an den diesen behandelnden Vertragsarzt abgegeben werden und Grundlage dieser Handhabung die abzuschließenden Rahmenvereinbarungen nach § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V sind, liegen die Anwendungsvoraussetzungen der das Wahlrecht grundsätzlich gewährenden, oben genannten Norm nicht vor.

Da die §§ 31 ff. SGB V keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche gewähren, sondern lediglich ausfüllungsbedürftige Rahmenrechte darstellen, kann der Versicherte ein bestimmtes Arzneimittel erst dann beanspruchen, wenn es ihm als ärztliche Behandlungsmaßnahme in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechtes vom Vertragsarzt verschrieben wird. Es ist also der Vertragsarzt, der darüber entscheidet, welche Zubereitungen angewendet und von welcher Apotheke sie bezogen werden. Anders als etwa bei Krankenhausleistungen, wo der Arzt zwar eine Empfehlung abgeben kann, in welchem Krankenhaus die stationäre Behandlung durchgeführt werden soll, der Patient aber letztlich selbst entscheidet und auch eine selbstständige Entscheidung treffen kann, erscheint die Annahme, der Vertragsarzt bitte den Patienten durch Aushändigung eines Kassenrezeptes, die parenterale Zubereitung von einer von ihm selbst ausgewählten Apotheke zu besorgen, unrealistisch. Der Vertragsarzt übernimmt die Funktion eines Nachfragedisponenten im Verhältnis zum Patienten. Der Patient trifft mit seiner Entscheidung über den Vertragsarzt gleichzeitig auch die Entscheidung über die von diesem zu verordnenden Zubereitungen und dessen Apothekenauswahl.

Der Antragsteller kann nicht rügen, dass die Ausschreibungsreife i.S.d. § 16 Nr. 1 VOL/A nicht gegeben sei, weil die Klärung rechtlicher Voraussetzungen unterblieben sei. Wegen der Anwendung des § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V trotz bestehender vertraglicher Regelungen hatte sich die Auftraggeberin an das Bundesministerium für Gesundheit gewandt, das die Sichtweise der Auftraggeberin durch sein Schreiben vom ... 2009 bestätigt hat. Es ist auch unter Zugrundelegung des Vortrages des Antragstellers nicht erkennbar, dass der Abschluss des Rahmenvertrages gegen § 11 Abs. 1 und Abs. 2 ApoG verstößt.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt die Ausschreibung auch nicht zu einer Benachteiligung des Losgewinners im Vergleich zu den am Wettbewerb nicht teilnehmenden Apotheken. Der Losgewinner wird zwar vertraglich bezüglich der Abgabe von parenteralen Zubereitungen an sein Gebietslos und an die Versicherten der Auftraggeberin gebunden. Er erlangt aber insoweit eine „Absatzgarantie“ für seine Dienstleistungen, die sich gegenüber Apotheken, die von der Teilnahme an der Ausschreibung abgesehen haben, umsatzmäßig vorteilhaft auswirken kann. Eine Ungleichbehandlung von Apotheken und sonstigen Herstellbetrieben im Rahmen der Voraussetzungen für eine Unterauftragnehmerstellung (A.III.11.1 der Verdingungsunterlagen) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Auftraggeberin von der Ausnahmeregelung des § 13 Abs. 2 AMG Gebrauch machen kann.

Einer Aufteilung in Fachlose bedurfte es nicht. § 5 VOL/A enthält insoweit keine verpflichtende Regelung für die Auftraggeberin. Nach den Feststellungen der Auftraggeberin wäre eine Aufteilung in Fachlose schon aus praktischen Gründen nicht durchführbar. Im Übrigen sei dies mit den pharmakologischen Erfordernissen sowie mit den Grundsätzen der aseptischen Herstellung nicht in Einklang zu bringen (Bl. 0001 a der Vergabeakten).

Die Forderung der Auftraggeberin unter B.I.1. der Verdingungsunterlagen nach Abgabe einer Eigenerklärung zu Produktionskapazitäten und Produktionsstätten für die Herstellung der angebotenen Arzneimittel (Anlage 7) verstößt nicht gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung (§ 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A). Sie gewährleistet eine Anpassung der im Produktblatt (Anhang 1 zum Rahmenvertrag) für den Zeitraum von einem halben Jahr ausgewiesenen Wirkstoffmengen an die Herstellung und Belieferung für den vertraglich vorgesehenen Zeitraum von einem Jahr. Entgegen der Annahme des Antragstellers wird bei den Bietern nicht der Eindruck erweckt, dass die Art oder Ausstattung der Produktionsstätten Einfluss auf die Eignung haben. Vielmehr dienen die Angaben der Substantiierung der Produktionskapazitäten des Bieters und der Information der Auftraggeberin darüber, in welchem Umfang der Einsatz von Unterauftragnehmern beabsichtigt ist.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Auftragsvolumen in der vorliegenden Ausschreibung durch Angabe der Abgabevolumina je Gebietslos – jeweils in mg pro Wirkstoff – (Anhang 1 zum Rahmenvertrag – Produktblatt) bezogen auf das erste Halbjahr 2009 in ausreichendem Maße mitgeteilt worden. Im Falle einer Rahmenvereinbarung ist gemäß § 3 a Nr. 4 Abs. 1 Satz 2 VOL/A das in Aussicht genommene Auftragsvolumen so genau wie möglich zu ermitteln und zu beschreiben, braucht aber nicht abschließend festgelegt werden. In der Regelung spiegelt sich die Besonderheit des Rahmenvertrages wider, die gerade darauf beruht, dass das konkrete Beschaffungsvolumen nur prognostiziert werden kann. Dies gilt vorliegend aufgrund der Besonderheiten des Arzneimittelmarktes im besonderen Maße, da die Auftraggeberin keinen unmittelbaren Einfluss auf das Verordnungsverhalten der Ärzte hat, ebenso wenig wie auf den krankheitsabhängigen Bedarf der Versicherten. Darauf hat die Auftraggeberin in den Verdingungsunterlagen unter Ziffer 10 ausdrücklich hingewiesen. Die Auftraggeberin hat hier die Verordnungszahlen aller Wirkstoffe innerhalb des Referenzzeitraumes, die Anzahl der zu beliefernden Praxen und die je Gebietslos verordneten Wirkstoffe den Bietern mit den Verdingungsunterlagen zur Verfügung gestellt. Aus diesem Zahlenwerk konnten die Bieter entnehmen, wie sich das Verschreibungsverhalten in diesem Halbjahreszeitraum entwickelt hat und daraus Schlüsse für die zu erwartenden Volumina des nächsten Jahreszeitraumes ziehen. Da weder die Auftraggeberin noch der Antragsteller einen Einfluss auf das Verhalten von Ärzten und Patienten haben, stellt die Mitteilung der Verordnungszahlen der Vergangenheit die einzige statistisch belastbare Basis zur Prognostizierung des zu erwartenden Auftragsvolumens dar. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine exaktere Prognose in die Zukunft nicht möglich ist. Die Auftraggeberin hat alles getan, um eine optimale Kalkulationsgrundlage zur Verfügung zu stellen. Ein Referenzzeitraum von sechs Monaten steht vor diesem Hintergrund auch in einem angemessenen Verhältnis zu einer Vertragslaufzeit von 12 Monaten und ist vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Künftige Entwicklungen können nur mehr oder weniger vage abgeschätzt und können im Wege eines nach Erfahrungswerten vorzunehmenden Zuschlages auf die Kalkulation berücksichtigt werden.

Die Leistungsbeschreibung hätte auch dann, wenn die Auftraggeberin die von dem Antragsteller zu Trägerlösungen, Primärverpackungen, Au-tidem-Verhalten verlangten, tatsächlich aber nicht gemachten Angaben, keine andere, insbesondere bessere Kalkulation und Preisermittlung erlaubt. Die nach den Vorgaben der Kammer durch die Auftraggeberin stichprobenartig erfolgte Auswertung von 50 Verordnungen pro Gebietslos hat ergeben, dass vorliegend ausschließlich die Applikation als Infusion in Betracht kommt. Als Trägerlösungen wurden ausschließlich NaCl-(Kochsalz-) Lösungen und Glucoselösungen verordnet, die als niedrigpreisige Stoffe einzustufen sind. Primärpackmittel sind in XX,XX % der Fälle nicht verordnet worden; in den übrigen XX,XX % wurden verschiedene Pumpen verschrieben. Die Aut-idem-Quote lag bei den ausgewerteten Verordnungen bei X,XX %. Die Bandbreite des Verordnungsverhaltens der Ärzte steht im Voraus nicht fest, sondern kann nur mehr oder weniger vage abgeschätzt und muss im Wege eines nach Erfahrungswerten vorzunehmenden Zuschlages auf die Kalkulation berücksichtigt werden.

Die mit der Kalkulation verbundenen Risiken liegen nicht in der Verantwortungssphäre der Auftraggeberin begründet, sondern werden durch das Verordnungsverhalten der Ärzte und die im Voraus nicht bekannten Erkrankungen der Versicherten der Auftraggeberin hervorgebracht. Wenn das so ist, genügt die Auftraggeberin ihrer Verpflichtung zu einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung, wenn sie die am Auftrag interessierten Unternehmen in den Verdingungsunterlagen oder auf andere dokumentierbare Art darauf hinweist. Danach ist die Auftraggeberin verfahren.

Nach den Ausführungen der Auftraggeberin in ihrem Schriftsatz vom … 2010 soll der Vorsitzende des 21. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom … 2010 wie folgt ausgeführt haben:

„Die von der Auftraggeberin zur Verfügung gestellten Kalkulationsgrundlagen seien in jeder Hinsicht ausreichend, um den Bietern eine seriöse Angebotskalkulation zu gewährleisten. Ein ungewöhnliches Wagnis bestehe nicht. Dies gelte insbesondere für das zur Verfügung gestellte Datengerüst. Insoweit sei nicht entscheidend, ob und gegebenenfalls welche weiteren Daten die Auftraggeberin den Bietern zusätzlich hätte zur Verfügung stellen können. Es komme jedenfalls aus vergaberechtlicher Sicht alleine darauf an, ob die zur Verfügung gestellten Daten hinreichende Kalkulationssicherheit gewährleistet hätten. Dies sei zu bejahen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die in dem Bereich der Zytostatikaversorgung tätigen Apotheker über einschlägiges Erfahrungswissen verfügten oder sich entsprechende Informationen jedenfalls ohne weiteres beschaffen könnten, um auf Basis der zur Verfügung gestellten umfangreichen Daten (Wirkstoffmengen; Zahl der Zubereitungen, Zahl der Anlieferstellen) kalkulieren zu können. Kalkulatorische Wagnisseseien zwar anzunehmen, diese seien aber nicht ungewöhnlich, da sie durch Mischkalkulationen und entsprechende Risikozuschläge in den Griff zu bekommen seien.

Die rein spekulative Annahme des Antragstellers, es bestehe die Gefahr des nachträglichen Abschlusses von Versorgungsverträgen mit Trägern von Krankenhausapotheken nach § 129 a SGB V, entbehrt jeder Grundlage. Die Auftraggeberin hat unter Gliederungspunkt A.I.1. der Verdingungsunterlagen ausdrücklich erläutert, dass die Versorgung von Krankenhäusern, für die ein Vertrag nach § 129 a SGB V besteht, nicht zum Gegenstand der Ausschreibung gehört. Sie hat in ihrem Schriftsatz vom … 2010 bekräftigt, dass nicht beabsichtigt sei, den durch den ausgeschriebenen Rahmenvertrag definierten Beschaffungsbedarf anderweitig – etwa durch weitere Verträge nach § 129 a SGB V – zu decken.

Der Rahmenvertrag verstößt auch nicht gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A. Nach dieser Vorschrift soll dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus einschätzen kann.

Dem Auftragnehmer dürfen also nicht nur gewöhnliche, sondern im Einzelfall durchaus auch ungewöhnliche Wagnisse aufgebürdet werden, wenn die drei vorgenannten Tatbestandsmerkmale kumulativ nicht vorliegen. Ein Wagnis ist als ungewöhnlich anzusehen, wenn es nicht zur leistungstypischen Risikosphäre des Auftragnehmers gehört und schwerwiegende Auswirkungen auf das Äquivalent zwischen Leistung und Gegenleistung hat (Willenbruch/Bischoff a.a.O., § 8 VOL/A Rn. 29, 30).

Daran gemessen sind die Regelungen in § 1 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 3 des Rahmenvertrages, die den Vertragsgegenstand bezeichnen und auch die üblicherweise anfallenden Dienst- und Serviceleistungen umfassen, nicht zu beanstanden.

Die Lieferung auf Abruf (§ 3 Abs. 6 und Abs. 7 des Rahmenvertrages), die medizinisch unumgänglich ist, bürdet dem Antragsteller – wie bereits ausgeführt, kein ungewöhnliches Wagnis auf. Die in Abs. 8 vorgesehene Möglichkeit der Stornierung der Rezeptur beinhaltet kein Risiko für den Antragsteller. Weder Abs. 12, der u.a. auf die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften zum Schutz der Mitarbeiter in den vom Apotheker versorgten Arztpraxen hinwirkt, noch Abs. 13, der bei Vertragsverstößen eine schriftliche Stellungnahme des Apothekers auf Anforderung der Auftraggeberin vorsieht, belasten den Antragsteller außergewöhnlich.

Die in § 4 des Rahmenvertrages enthaltene so genannte Exklusivitätsregelung bürdet dem Antragsteller kein ungewöhnliches Wagnis auf. Eher ist sie aus vergaberechtlicher Sicht ein stabilisierender Faktor bei der Angebotskalkulation. Die Auswahl der Ärzte im Rahmen der Versorgung der Versicherten der Auftraggeberin betrifft in erster Linie diejenigen Leistungserbringer, die die Auftraggeberin – ohne Diskriminierung, wofür gerade ein korrekt durchgeführtes Vergabeverfahren garantieren soll – unter Vertrag nehmen will. Insoweit darf die Auftraggeberin ihre der Wirtschaftlichkeit dienenden Interessen, auch mit Blick auf bestehende Verträge, mit ins Spiel bringen. Sie ist schließlich die Auftraggeberin. Ihr hat das Gesetz die Kompetenz zum Abschluss von Verträgen mit den Apothekern zugewiesen.

Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom ... 2010 vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Az.: L 21 SF 152/10 Verg), auf die die Auftraggeberin in ihrem Schriftsatz vom ... 2010 Bezug genommen hat, soll der Vorsitzende des 21. Senats Folgendes ausgeführt haben:

„Die vertraglich vorgesehene Exklusivität der Rahmenverträge sei nicht zu beanstanden. Nach den Festlegungen des Senats und den Äußerungen der in der mündlichen Verhandlung anwesenden bzw. vertretenen Apotheker sei von einer „faktischen Exklusivität“ der Verträge in dem Sinne auszugehen, dass zwar grundsätzlich ein Versichertenwahlrecht bestehe, dieses jedoch in dem Bereich der Versorgung mit parenteralen Zubereitungen in der Onkologie tatsächlich (aus empirischer Sicht) praktisch nicht in Anspruch genommen werde und daher die Fälle, in denen die Versicherten selbst das Rezept vom Arzt ausgehändigt bekommen und sich eine Apotheke aussuchen, vernachlässigbar seien. Diese faktische Exklusivität führe dazu, dass ein Vergaberechtsverstoß (etwa unter dem Gesichtspunkt des Gebotes der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung oder des Verbotes der Auferlegung ungewöhnlicher Wagnisse) ausscheidet.“

Die in § 4 Abs. 4 des Rahmenvertrages geregelte Selbstverpflichtung der Auftraggeberin, andere Apotheken von der Erstattung in vollem Umfang auszuschließen, findet ihre Grundlage in § 129 Abs. 5 S. 3 SGB V.

Die vom Antragsteller beanstandeten Regelungen des § 5 des Rahmenvertrages bezüglich der Vereinbarung der Einkaufspreise mit pharmazeutischen Herstellern (Abs. 1), der Abrechnung von Primärpackmitteln und Hilfsmitteln (Abs. 3, 4) der Anwendung des § 130 a Abs. 1 SGB V (Abs. 5), der Verhandlungen über Fertigarzneimittel mit neuen Wirkstoffen bzw. der nicht in der Anlage 1 aufgeführten Wirkstoffe sowie über Generika (Abs. 6, 7, 8) begründen kein ungewöhnliches Wagnis. Sie sind auf den ersten Blick Neuland für den Apotheker, jedoch für ihn beherrschbar.

Die Regelungen der Auftraggeberin hinsichtlich der Abrechnung und Datenübermittlung (§ 6 Rahmenvertrag) über die Rechnungsbegleichung (§ 7 Rahmenvertrag) sowie der Rechnungs und Faxbeanstandungen (§ 8 Rahmenvertrag) sind nicht als ungewöhnlich anzusehen, sondern gehören zur leistungstypischen Risikosphäre des Auftragnehmers. Dass die in §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 1 und 2 des Rahmenvertrages geregelten Anforderungen nicht ungewöhnlich i.S.v. § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOL/A sind, ergibt sich bereits aus den nahezu gleichlautenden Regelungen der §§ 16 bis 18 des Arzneimittelversorgungsvertrages … vom … 2003.

Die weitere Beanstandung des Antragstellers, die Regelung der mehrfachen Verwirkung der Vertragsstrafe für denselben Wirkstoff des § 10 Abs. 4 des Rahmenvertrages sei unverhältnismäßig, ist nicht begründet. Der Antragsteller übersieht dabei, dass mehrere Verletzungshandlungen zu einer Handlung im Rechtssinne zusammengefasst werden können, soweit sie miteinander im Fortsetzungszusammenhang stehen.

Die in § 11 Abs. 2 f) des Rahmenvertrages geregelte Kündigungsmöglichkeit ist nicht unzulässig und stellt auch kein ungewöhnliches Wagnis dar. Abgesehen davon, dass die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Apotheker oder einen seiner Mitarbeiter in deren direkten Einflussbereichen liegt, soll die Kündigung erst dann erfolgen, wenn dem Apotheker deswegen die für die vertragsgegenständlichen Zubereitungen nötige Zuverlässigkeit fehlt. Dass unter diesen Umständen der Auftraggeberin ein Festhalten um Vertrag nicht zugemutet werden kann, bedarf keiner weiteren Begründung.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird in den Verdingungsunterlagen – Unterauftragnehmer – unter A.III.11.3 auf § 10 VOL/A verwiesen.

Die Auswahl des Preises als ausschließliches Zuschlagskriterium ist in der Sache nicht zu beanstanden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Februar 2009 – Verg 66/08). Sie widerspricht entgegen der Auffassung des Antragstellers weder § 97 Abs. 5 GWB noch § 25 Nr. 3 S. 1 VOL/A (EuGH, Urteil vom 7. Oktober 2004 – C-247/02). Sie steht insbesondere im Einklang mit der übrigen Gestaltung der Verdingungsunterlagen durch die Auftraggeberin. Die Leistungsbeschreibung ist hinsichtlich der Zielvorgaben detailliert und lässt den Eingang homogener Angebote erwarten. Es ist auch weder ersichtlich noch vom Antragsteller vorgetragen, dass die Entscheidung der Auftraggeberin für eine Ausschreibung ausschließlich nach dem Kriterium des niedrigsten Preises für ihn etwa diskriminierend oder willkürlich gewesen sei.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen durch die Auftraggeberin nicht vor. Vom Verbot der Änderung oder Ergänzung der Verdingungsunterlagen während des laufenden Vergabeverfahrens sind in bestimmten Fällen Ausnahmen zugelassen. Bis zum Eröffnungstermin hat der Auftraggeber die Möglichkeit, etwaige Fehler in den Vergabeunterlagen zu korrigieren, d.h., er kann Teile der Leistungsbeschreibung zurückziehen oder Änderungen daran vornehmen, sofern diese die Grundlage des Wettbewerbes und der Preisbildung nicht grundlegend verändern und den Entschluss der Unternehmen zur Beteiligung am Wettbewerb nicht berühren. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Antragsteller hat auch nach eigenem Vortrag die geänderten Verdingungsunterlagen erhalten.

III.

Die Vergabekammer hat mit der Ladung vom … 2010 unter Hinweis auf § 113 Abs. 2 S. 2 GWB dem Antragsteller eine Frist zur Stellungnahme bis zum ... 2010 … gesetzt.

Der auf den … 2010 datierte Schriftsatz des Antragstellers ist per Fax bei der Vergabekammer am … 2010 eingegangen und wurde am selben Tag gegen … der Auftraggeberin zur Kenntnis übersandt.

Der insoweit verspätet eingegangene schriftliche Vortrag des Antragstellers, der keine neuen Tatsachenfeststellungen und rechtliche Bewertungen enthält, war nicht mehr zu berücksichtigen, weil er der Auftraggeberin nicht so rechtzeitig zugestellt werden konnte, dass sie sich damit auseinandersetzen und in der mündlichen Verhandlung am 12. August 2010 dazu äußern konnte.

Demzufolge war dem Begehren der Auftraggeberin auf Gewährung einer Frist zur Erwiderung auf den Schriftsatz des Antragstellers vom … 2010 nicht zu entsprechen, da dieser Schriftsatz unberücksichtigt blieb.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB.

Nach § 128 Abs. 3 S. 1 GWB hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterlegen ist.

Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen und personellen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens. Für die wirtschaftliche Bedeutung ist regelmäßig die geprüfte Summe (brutto) im Angebot des Bieters der maßgebliche Gesichtspunkt.

Der Bruttoangebotspreis des Antragstellers für die Gebietslose … und … liegt bei rund X,XX Mio. EUR.

Entsprechend der Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes vom Dezember 2009, die zur Gewährleistung einer einheitlichen Handhabung und zur Sicherstellung von Transparenz anzuwenden ist und bei Abwägung des Aufwandes einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung des dem Vergabeverfahren zugrunde liegenden Auftrages andererseits hält die Vergabekammer die Festsetzung einer Gebühr von X.XXX,XX EUR für angemessen.

Die Gebühr wird mit dem eingezahlten Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,00 EUR verrechnet. Die Restgebühr in Höhe von X.XXX,XX EUR wird mit Bestandskraft des Beschlusses fällig und ist binnen eines Monats nach Zustellung unter Angabe des Aktenzeichens (VK 19/10) und des Verwendungszwecks … auf das Konto … zu überweisen.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeberin war notwendig. In dem Nachprüfungsverfahren stellten sich im Zusammenhang mit den von dem Antragsteller erhobenen Beanstandungen Rechtsfragen, deren Komplexität und Schwierigkeiten anwaltliche Vertretung erforderlich gemacht haben, § 128 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, 3 Satz 2 VwVfG.

V.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Försterweg 2 – 6, 14482 Potsdam, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern (§ 118 Abs. 1 GWB).

Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Brandenburg vom 26. Mai 2009, Amtsblatt für Brandenburg S. 1225, ist die Unterzeichnung des Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.

Schumann Rollert