Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat | Entscheidungsdatum | 18.12.2012 | |
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Aktenzeichen | OVG 3 B 18.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK, § 25 Abs. 3, Abs. 5, § 30, § 33 Satz 1, § 60 Abs. 2, § 82 Abs. 1, § 104a AufenthG, § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG, Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBG, § 242, § 1306, § 1310, § 1314 Abs. 1 BGB, § 293 ZPO |
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. März 2011 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Kläger erstreben die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Der 2008 geborene Kläger zu 2. ist der Sohn der 1982 geborenen Klägerin zu 1.
Die Klägerin zu 1. ist libanesische Staatsangehörige. Sie reiste im Oktober 1997 in das Bundesgebiet ein. Durch Bescheid vom 21. Mai 1999 wurde ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt, sie wurde zur Ausreise aufgefordert. Seit April 1999 wird sie geduldet. Die ihr zwischen Juni 2001 und Juni 2006 ereilten Duldungen - letztere mit Gültigkeit bis Dezember 2007 - wiesen darauf hin, dass die Klägerin zu 1. sich ein gültiges Reisedokument zu beschaffen hat. Im September 2007 schloss sie vor der Islamischen Gemeinschaft Berlin, A..., einen Ehevertrag mit Herrn Z... der im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist. Sie verfügte zuletzt über einen am 22. April 2009 ausgestellten, bis zum 21. April 2010 gültigen libanesischen Reisepass.
Im Juni 2009 beantragten die Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 27 ff., hilfsweise § 104a, weiter hilfsweise § 25 AufenthG. Sie legten Gehaltsabrechnungen für Herrn A... über einen monatlichen Verdienst um 430 Euro netto vor, ferner eine Bescheinigung der syrischen Botschaft in Berlin über die Voraussetzungen für die Registrierung der Kinder eines Ehepaares. Des Weiteren reichten sie ein Formblatt der libanesischen Botschaft in Berlin ein, wonach ein Antrag auf Registrierung einer Geburt durch die libanesischen Behörden die Vorlage der deutschen Geburtsurkunde im Original mit Angabe des Geburtsnamens der Mutter, Kopien des Nationalpasses der Ehefrau, sofern sie nicht Libanesin sei, sowie einen aktuellen, die Eintragung der Ehefrau ausweisenden Familienauszug aus dem libanesischen Standesregister der Eheleute erfordere. Im Oktober 2009 teilte der Kläger zu 2. dem Beklagten mit, er stütze sein Begehren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch auf § 33 AufenthG.
Durch Bescheid vom 28. Oktober 2009 lehnte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten die Anträge der Kläger auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab. Zur Begründung führte es an, die Klägerin zu 1. könne keine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AufenthG beanspruchen, weil sie mit Herrn A... lediglich nach islamischem Recht verheiratet sei. Auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sei nicht zu erteilen, da kein Hindernis für die freiwillige Ausreise bestehe. Die Klägerin zu 1. besitze einen libanesischen Nationalpass. Auch im Lichte ihres langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet sei ihr die Ausreise zumutbar. Soweit dem Beklagten bei der Entscheidung über eine Aufenthaltserlaubnis für den Kläger zu 2. nach § 33 AufenthG Ermessen zustehe, werde dieses zu dessen Nachteil ausgeübt. Kinder, die keinen eigenen, über das Zusammenleben mit ihren Eltern hinausgehenden schutzwürdigen Aufenthaltszweck geltend machen könnten, teilten grundsätzlich deren aufenthaltsrechtliches Schicksal. In diesem Zusammenhang falle ins Gewicht, dass die Klägerin zu 1. vollziehbar ausreisepflichtig sei und keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4, Abs. 5 AufenthG habe. Herr A... als Kindesvater sei zwar im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Selbst eine schützenswerte familiäre Gemeinschaft vorausgesetzt, sei aber eine gemeinsame Ausreise möglich und zumutbar.
Gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2009 hat sich die vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhobene Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a, hilfsweise § 25 Abs. 5 AufenthG für die Klägerin zu 1. beziehungsweise nach § 33, hilfsweise § 25 Abs. 5 AufenthG für den Kläger zu 2. gerichtet.
Durch Bescheid vom 25. November 2009 hat das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten den Kläger zu 2. auf seine Ausreisepflicht hingewiesen und ihm die Abschiebung in den Libanon angedroht. Auf diesen Bescheid hat der Kläger zu 2. seine Klage erweitert.
Seit Januar 2010 wird der Kläger zu 2. von dem Beklagten geduldet. Am 11. Januar 2011 ist das Kind Z... geboren worden. Der Beklagte hat ihm bislang eine Fiktionsbescheinigung erteilt. Die Eltern sind laut Geburtsurkunde die Klägerin zu 1. und Herr A....
Ausweislich der Ausländerakten des Herrn A... reiste dieser im Januar 1997 unter den falschen Personalien M..., geboren am 1... in M..., als vermeintlich irakischer Staatsangehöriger in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung gab er sich als Beduine aus Rumadi aus. Sein Bruder, ein Leutnant, sei wegen oppositioneller Bestrebungen hingerichtet und die Leiche zur Familie nach Hause geschickt worden. Herrn A... habe man danach mit Elektroschocks und Schlägen gefoltert. Der Asylantrag wurde 1998 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Ausweislich der Begründung des Bescheides hatte Herr A... einen gefälschten irakischen Personalausweis eingereicht. Im Dezember 1999 stellte er einen Asylfolgeantrag unter Vorlage einer Fälschungsmerkmale aufweisenden irakischen Staatsangehörigkeitsurkunde. Der Asylfolgeantrag wurde abgelehnt. Nach Stellung eines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis offenbarte Herr A..., er heiße A..., sei am 2... in A... geboren und syrischer Staatsangehöriger.
Im März 2004 heiratete Herr A... in Aleppo die deutsche Staatsangehörige E.... Aus einem mit „Syrische Arabische Republik, Justizministerium, Scharia-Gericht“ überschriebenen Urteil des Scharia-Gerichts in Aleppo ergibt sich, dass auf Antrag der Ehepartner die amtliche Anerkennung und Bekräftigung der Eheschließung erfolgte. Im April 2004 verließ Herr A... das Bundesgebiet. Im September 2004 wurde seine Ehe in das syrische Eheregister eingetragen. Nach Visumerteilung zur Familienzusammenführung reiste er erneut in das Bundesgebiet ein und erhielt im Februar 2005 eine Aufenthaltserlaubnis. Seit Januar 2008 besitzt er eine Niederlassungserlaubnis. Sein syrischer Nationalpass ist laut Melderegister bis 2016 gültig. Dort ist sein Name mit Z... angegeben.
Hinsichtlich der Möglichkeit, die familiäre Gemeinschaft im Ausland fortzusetzen, haben die Kläger erstinstanzlich darauf hingewiesen, Herr A... habe als syrischer Staatsangehöriger keinen Anspruch darauf, im Libanon zu leben. Umgekehrt vermöge die Klägerin zu 1. nicht in Syrien zu leben. Ferner könne die Geburt des Klägers zu 2. im Libanon nicht registriert werden, weil Voraussetzung hierfür die Vorlage eines Familienauszugs aus dem libanesischen Standesregister der Eheleute sei, was wiederum die Registrierung der Ehe der Klägerin zu 1. mit Herrn A... erfordere. Diese Registrierung lasse sich nicht vornehmen, da die Ehe lediglich in einer Berliner Moschee geschlossen worden und daher weder nach syrischem noch nach libanesischem Recht wirksam sei.
Durch Urteil vom 9. März 2011 hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Klägern jeweils eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger zu 2. habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 Satz 1 AufenthG, da Herr A... eine Niederlassungserlaubnis besitze und sich das dem Beklagten eingeräumte Erteilungsermessen „auf Null“ reduziere. Der Kläger zu 2. könne nicht nach Syrien ausreisen. Die dortige Registrierung setze die Registrierung der Ehe seiner Eltern voraus, die sie jedoch entgegen Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB, § 1310 BGB nicht standesamtlich geschlossen hätten, zumal es sich aus Sicht des Herrn A... um eine gegen § 1306 BGB verstoßende Mehrehe gehandelt habe. Eine Mitwirkungspflicht nach § 82 AufenthG, die nach deutschem Recht unwirksame Ehe bei ausländischen Behörden registrieren zu lassen, bestehe nicht. Insbesondere seien die Kläger nicht verpflichtet, gegenüber ihren Botschaften falsche Angaben über den Ehestatus zu machen. Der Beklagte könne im Lichte des § 242 BGB nicht einerseits der Klägerin zu 1. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG verwehren, da ihre Ehe mit Herrn A... nach deutschem Recht unwirksam sei, andererseits verlangen, dass jene Ehe in Syrien registriert werde. Der Kläger zu 2. könne auch nicht in den Libanon ausreisen, da nicht ersichtlich sei, auf welcher Grundlage Herr A... im Libanon ein Aufenthaltsrecht erhalten könne. Nach alledem sei auch der Bescheid vom 25. November 2009 rechtswidrig. Die Klägerin zu 1. habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Ihr sei nicht zuzumuten, den Kläger zu 2. zu verlassen.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Beklagte die von dem Senat zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, die Rechtslage in Syrien und im Libanon erlaube grundsätzlich die Mehrehe, so dass gegenüber den dortigen Behörden keine falschen Angaben erforderlich seien. § 1306 BGB entfalte Wirkung nur für das Bundesgebiet. Die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft sei im Libanon möglich. Herr A... könne ein Einreisevisum beantragen. Ehepartner einer libanesischen Staatsangehörigen erhielten nach Registrierung der Ehe üblicherweise einen dreijährigen Aufenthaltstitel. Kinder einer libanesischen Staatsangehörigen erhielten gegen Nachweis des Verwandtschaftsverhältnisses ebenfalls in der Regel einen langfristigen Aufenthaltstitel. Nach Erkenntnissen der deutschen Botschaft im Libanon werde die Befähigung zur Sicherung des Lebensunterhalts durch die libanesischen Behörden nicht geprüft.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. März 2011 zu ändern
und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie machen im Wesentlichen geltend, der Kläger zu 2. und sein Bruder Z... seien libanesische Staatsangehörige. Herr A... habe im Libanon kein Aufenthaltsrecht. Er habe sich bewusst für eine nur religiöse Ehe entschieden, um den Geboten seines Glaubens Rechnung zu tragen. Durch die Registrierung der Ehe werde diese aber rechtlich verbindlich. Die Klägerin zu 1. respektiere seine Entscheidung. Im Übrigen seien weder die Klägerin zu 1. noch Herr A... in der Lage, ihren Lebensunterhalt im Libanon zu sichern.
Ausweislich des Melderegisters sind die Kläger sowie Herr A... und der nachgeborene Sohn Z... seit Ende 2010 gemeinsam für 1..., gemeldet. Im März 2011 ist die Ehe des Herrn A... mit Frau H... geschieden worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakten sowie die Ausländerakten der Kläger (je ein Hefter), des Herrn Z... (drei Halbhefter) sowie des Kindes Z... (ein Hefter) verwiesen.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Unrecht zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Kläger verpflichtet. Diese haben keinen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis und auch keinen noch nicht erfüllten Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber § 113 Abs. 5 VwGO.
I. Die Klägerin zu 1. hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen nach §§ 27, 30 AufenthG. Sie ist mit Herrn A... lediglich nach islamischem Recht verheiratet, nicht jedoch ist, wie nach § 1310 BGB erforderlich, eine standesamtliche Trauung erfolgt.
II. Die Klägerin zu 1. hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 AufenthG.
Ein Anspruch gemäß § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG besteht nicht. Die Klägerin zu 1. ist weder unanfechtbar als Asylberechtigte anerkannt (§ 25 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) noch hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (bzw. das ehemalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG) festgestellt (§ 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG).
Auch ein Abschiebungsverbot i.S.v. § 25 Abs. 3 AufenthG hinsichtlich des Libanon, dessen Staatsangehörigkeit die Klägerin zu 1. ausweislich ihres abgelaufenen libanesischen Nationalpasses besitzt, besteht nicht.
Da die Klägerin zu 1. der Sache nach einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet anstrebt, kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage von § 25 Abs. 4 AufenthG ebenfalls nicht in Betracht.
Auch nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG kann die Klägerin zu 1. eine Aufenthaltserlaubnis nicht beanspruchen. Nach dieser Vorschrift soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Die Vorschrift stellt keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, die einem Ausländer bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzung - Aussetzung der Abschiebung für den genannten Zeitraum - einen „Soll“-Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vermitteln würde. Vielmehr ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang des § 25 Abs. 5 AufenthG, dass die Erteilung des entsprechenden Aufenthaltstitels stets auch an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG gebunden ist (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006 1 C 14.05 -, BVerwGE 126, 192 = juris Rn. 22). Hiernach muss die Ausreise eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sein.
Die Klägerin zu 1. ist zwar, wie von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG vorausgesetzt, aufgrund der Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung durch Bescheid vom 21. Mai 1999 vollziehbar ausreisepflichtig (vgl. § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Ihre Abschiebung ist seit mehr als 18 Monaten ausgesetzt, der Beklagte erteilt ihr seit April 1999 fortlaufend Duldungen. Ihrer Ausreise - worunter sowohl die Abschiebung als auch die freiwillige Ausreise zu verstehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2006, a.a.O., Rn. 15) - mag auch der tatsächliche Umstand entgegenstehen, dass sie derzeit - gegenteilige Anhaltspunkte liegen nicht vor - nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses, Passersatzpapiers oder Heimreisedokuments ist.
Die Klägerin zu 1. ist hierdurch aber an der Ausreise in den Libanon nicht unverschuldet gehindert.
Gemäß § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG darf eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt gemäß § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG unter anderem vor, wenn er zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt. Über die Zumutbarkeit der einem Ausländer insoweit obliegenden Handlungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzelfalles zu entscheiden. Besteht - wie hier - das Ausreisehindernis im Fehlen des erforderlichen Heimreisedokuments, kann von dem Betreffenden in aller Regel gefordert werden, dass er diejenigen Handlungen vornimmt, die zur Beschaffung des Dokuments notwendig sind und nur von ihm persönlich vorgenommen werden können. Hierzu zählen vor allem die Herstellung und Vorlage von Passfotos, das Ausfüllen von Antragsformularen und die persönliche Vorsprache bei der Auslandsvertretung des Heimatstaates, sofern diese es verlangt. Von dem Ausländer sind insoweit gesteigerte Anstrengungen zu erwarten, denn das Gesetz weist ihm den Besitz eines gültigen Passes als Obliegenheit zu (§ 3 Abs. 1 AufenthG) und verpflichtet ihn, falls er einen gültigen Pass oder Passersatz nicht besitzt, unter anderem an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken (§ 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dabei trifft ihn die Darlegungs- und Nachweislast dafür, dass er die erforderlichen und zumutbaren Anstrengungen, ein Heimreisedokument zu erhalten, unternommen hat. Der Begriff der Zumutbarkeit in § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG schließt es lediglich aus, einem Ausländer von vornherein erkennbar aussichtslose Handlungen abzuverlangen (BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2006 - 1 B 54.06 -, Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 4 = juris Rn. 4; Senatsurteil vom 14. September 2010 - OVG 3 B 2.08 -, OVGE 31, 135 = juris Rn. 34).
Die Klägerin zu 1. hat durch den Besitz des vom 22. April 2009 bis 21. April 2010 gültigen libanesischen Nationalpasses belegt, dass sie in der Lage ist, ein zur Rückreise in den Libanon dienliches Personaldokument zu erhalten. Dass sie seit Ablauf des Passes Anstrengungen unternommen hätte, einen weiteren Pass zu erhalten, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Herr A... hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht, die Klägerin zu 1. habe ihren Pass nicht verlängern lassen, da er sich im Gewahrsam des Beklagten befinde. Etwaige vergebliche Versuche, den Beklagten zur Herausgabe des Passes zu bewegen, sind nicht einmal dargetan.
Kein rechtliches Hindernis für die Ausreise der Klägerin zu 1. in den Libanon besteht in Gestalt eines inlandsbezogenen Abschiebungsverbots aus Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK, das seinen Grund in ihrer eigenen Verwurzelung oder der Verwurzelung des Klägers zu 2., seines Bruders oder des Herrn A... im Bundesgebiet hätte.
Das von Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK unter anderem geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst, auch soweit es keinen familiären Bezug hat, die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen - angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen - bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt. Ein Privatleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK, das den Schutzbereich der Vorschrift eröffnet und eine Verwurzelung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte begründet, kommt grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2010 - 1 C 18.09 -, Buchholz 402.242 § 104a AufenthG Nr. 5 = juris Rn. 14 f. m.w.N.).
Der Klägerin zu 1. selbst ist die Ausreise in den Libanon zumutbar. Da ihr seit April 1999 ausschließlich Duldungen erteilt worden sind, wurde ihr zu keiner Zeit ein Aufenthaltsrecht eingeräumt, das ein berechtigtes Vertrauen auf Fortbestand hätte begründen können. Der Beklagte hat ihr nie eine Verfestigung ihres Aufenthalts in Aussicht gestellt. Selbst wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass die Beendigung des Aufenthalts in ihre Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK eingriffe, wäre der Eingriff gerechtfertigt (Art. 8 Abs. 2 EMRK). Die Aufenthaltsbeendigung steht in Einklang mit geltendem Recht und dient einem legitimen Ziel, nämlich der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Sie erweist sich mit Blick darauf als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" und verhältnismäßig. Die Klägerin zu 1. ist erst im Alter von 15 Jahren in das Bundesgebiet gelangt. Sie hat mithin die prägenden Jahre ihrer Kindheit im Libanon verbracht. Mittlerweile lebt sie zwar 15 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland. Es überwiegt aber bei wertender Betrachtung unter besonderer Berücksichtigung der Kindheit der im Libanon verbrachte Lebensabschnitt. Wirtschaftlich ist sie im Bundesgebiet nicht verwurzelt. Soziale Bindungen im Bundesgebiet jenseits der Bindung an Herrn A... hat sie nicht vorgetragen. Ihre Kenntnisse der deutschen Schriftsprache waren noch im Dezember 2008, mithin über elf Jahre nach der Einreise in das Bundesgebiet, äußerst gering ausgeprägt, wie der Wortlaut ihres Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (Bl. 74 Ausländerakte), auf den der Senat Bezug nimmt, erkennen lässt. Dass sie für die mündliche Verhandlung vor dem Senat die Hinzuziehung eines Arabischdolmetschers begehrt hat, führt zu dem Schluss, dass ihre Arabischkenntnisse weiterhin besser als ihre Deutschkenntnisse sind, was eine Wiedereingliederung in die libanesischen Lebensverhältnisse erleichtert.
Der Ausreise der Klägerin zu 1. in den Libanon steht auch nicht im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK ihre familiäre Bindung an den Kläger zu 2. und dessen Bruder entgegen, mit denen sie zur Überzeugung des Senats in familiärer Gemeinschaft lebt.
Die von Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Beziehung zwischen Eltern und Kindern führt dazu, dass Kinder in der familiären Gemeinschaft grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Erziehungsberechtigten teilen. In aller Regel erscheint es einem in Deutschland geborenen ausländischen Kind zumutbar, nach mehrjährigem Aufenthalt das Land zusammen mit seinen Eltern bzw. einem Elternteil wieder zu verlassen und sich in dem Herkunftsland seiner Eltern bzw. eines Elternteils zu integrieren.
Der Kläger zu 2. ist ebenso wie Z... ein in Deutschland geborenes ausländisches Kind. Beide sind keine deutschen Staatsangehörigen. Dies setzte gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG voraus, dass ein Elternteil zum Zeitpunkt der Geburt seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besaß. Das traf auf Herrn A..., der im Februar 2005 eine Aufenthaltserlaubnis erhielt, weder bei Geburt des Klägers zu 2. am 21. November 2008 noch bei Geburt des Z... am 11. Januar 2011 zu.
Der Kläger zu 2. hat zudem kein eigenes Aufenthaltsrecht, siehe unten. Dies gilt gleichermaßen für seinen Bruder Z..., dem der Beklagte bislang eine Fiktionsbescheinigung erteilt hat.
Die Klägerin zu 1. kann auch nicht aus der Bindung beider Kinder an Herrn A... ein Bleiberecht herleiten. Zwar geht der Senat vom Bestehen einer familiären Gemeinschaft aus. Herrn A... ist aber seinerseits das Verlassen des Bundesgebiets zumutbar.
Er ist erst Anfang 1997 im Alter von 24 Jahren in das Bundesgebiet eingereist und hat damit seine prägende erste Lebensphase in Syrien verbracht. Den mittlerweile fünfzehnjährigen Aufenthalt sicherte er zunächst mithilfe eines zur Überzeugung des Senats frei erfundenen Asylvortrags unter Vorlage mehrerer Dokumente, die gemäß den von dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge veranlassten Untersuchungen gefälscht waren. Im Jahre 2004 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige. Ob er mit ihr, wie es laut Melderegister der Fall gewesen sein soll, bis 2007 in Eilenburg lebte, ist fraglich, da er bis heute der deutschen Sprache kaum mächtig ist. Dies ergibt sich daraus, dass er den Ausführungen des Senats bei seiner informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung durch eine Arabisch-Dolmetscherin gefolgt ist, sich kaum auf Deutsch verständlich machen konnte und im Übrigen angegeben hat, er besuche derzeit einen täglich stattfindenden Deutschkurs. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger hat in Bezug auf seine Sprachkenntnisse hinzugefügt, er habe vieles „vergessen“. Hiernach kann er sich in die Lebensverhältnisse im Libanon mithilfe seiner arabischen Muttersprache eingewöhnen. Von 2005 bis 2008 verfügte er über eine Aufenthaltserlaubnis und seither über eine Niederlassungserlaubnis, die angesichts geringer Sprachkenntnisse und mangelnder wirtschaftlicher Verwurzelung allerdings auf einen höchstens in zeitlicher Hinsicht verfestigten Aufenthalt im Bundesgebiet schließen lässt. Wirtschaftlich ist er nicht integriert. Laut den im Jahre 2009 mit dem Antrag der Kläger auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eingereichten Gehaltsabrechnungen verdiente er seinerzeit lediglich etwa 430 Euro netto. Dies reichte nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern. Gegenwärtig erzielt er keinerlei Einnahmen. Zu seinen sozialen Bindungen ist nichts vorgetragen. Bestraft wurde er offenbar nicht. Zusammenfassend ist ihm auch nach dem längeren Deutschland-Aufenthalt von 15 Jahren, dessen Dauer und Gewicht nicht an die im Libanon verbrachte erste Lebensphase heranreicht, und des Besitzes einer Niederlassungserlaubnis angesichts geringer tatsächlicher Bindungen das Verlassen des Bundesgebietes zumutbar. Er befindet sich im arbeitsfähigen Alter, in seiner Person liegende konkrete Hindernisse für die Aufnahme einer Arbeit sind nicht bekannt.
Dass die gemeinsame Ausreise der Familie in den Libanon aus tatsächlichen Gründen unmöglich wäre, ist ebenfalls nicht erkennbar.
Herr A... verfügt ausweislich des Melderegisters über ein bis 2016 gültiges syrisches Personaldokument.
Die Klägerin zu 1. kann sich erneut einen libanesischen Nationalpass beschaffen, wozu sie nach § 82 Abs. 1 AufenthG verpflichtet ist.
Ohne Erfolg weisen die Kläger darauf hin, der Kläger zu 2. und sein Bruder seien nicht in der Lage, ein zur Einreise in den Libanon dienliches Personaldokument zu erhalten, da die Ehe der Klägerin zu 1. und des Herrn A... nicht registriert werden könne.
Maßgeblich ist insoweit die Möglichkeit der Registrierung durch die libanesischen Behörden, nachdem die Prozessbevollmächtigte der Kläger für die Kinder in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich die libanesische Staatsangehörigkeit in Anspruch genommen hat und daher die Ausstellung eines - auf der Registrierung der Ehe und der nachfolgenden Registrierung der Kinder fußenden - libanesischen Personaldokuments für sie in Rede steht.
Aus dem von den Klägern zu den Gerichtsakten gereichten Formblatt der libanesischen Botschaft ergibt sich, dass die Registrierung im Ausland lebender Kinder grundsätzlich möglich und nicht, wie von § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG vorausgesetzt, von vornherein erkennbar aussichtslos ist. Hiernach sind für einen Antrag auf Registrierung die Vorlage der deutschen Geburtsurkunde im Original mit Angabe des Geburtsnamens der Mutter, Kopien des Nationalpasses der Ehefrau, sofern sie nicht Libanesin ist, sowie ein aktueller, die Eintragung der Ehefrau ausweisender Familienauszug aus dem libanesischen Standesregister der Eheleute erforderlich. In Frage steht allein, ob der Auszug aus dem Standesregister beschafft werden kann. Dies setzt zur Überzeugung des Senats die Registrierung der Ehe zwischen der Klägerin zu 1. und Herrn A... im Libanon voraus. Dahingehende Bemühungen sind ihrerseits nicht von vornherein erkennbar aussichtslos. Zwar war Herr A... zum Zeitpunkt der Eheschließung im September 2007 bereits mit Frau H... verheiratet. Der Umstand der Mehrehe steht jedoch der Registrierung nicht notwendig entgegen. Gemäß Art. 14 des libanesischen Familiengesetzes darf ein Mann bis zu vier Frauen heiraten (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, a.a.O., Abschnitt Libanon, S. 17; Brandhuber/Zeyringer/ Heussler, Standesamt und Ausländer, Abschnitt Libanon, S. 8).
Soweit die Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ohne Nennung von Einzelheiten behauptet haben, Herr A... benötige für die Registrierung seiner Ehe im Libanon eine Geburtsurkunde, über die er nicht verfüge, er könne sie sich auch nicht beschaffen, da er aus Aleppo stamme, dort funktioniere die Verwaltung nicht mehr, bietet dieser Vortrag weder für ein trotz Vorhandenseins eines gültigen syrischen Nationalpasses vermeintlich bestehendes Erfordernis, eine syrische Geburtskurkunde vorzulegen noch für einen - gar längerfristigen - Stillstand des Standesamtswesens in Aleppo greifbare Anhaltspunkte. Unabhängig davon hat der insoweit nicht darlegungspflichtige Beklagte plausibel entgegengesetzt, er wisse aus dem zuständigen Sachgebiet der Ausländerbehörde, das regelmäßigen Kontakt mit der libanesischen Botschaft halte, dass eine Registrierung religiöser Ehen in der Botschaft möglich sei. Der Einwand der Kläger, in ihrem Falle sei die Ehe gemischt-national, was anderen Voraussetzungen unterliegen könne, ist seinerseits nicht hinreichend substanziiert.
Auch durch die auf vermeintlich religiöse Gründe gestützte Weigerung des Herrn A..., die Ehe mit der Klägerin zu 1. registrieren zu lassen, werden die Kläger nicht von ihrer Mitwirkungspflicht nach § 82 AufenthG frei. Umgekehrt belegen sie mit ihrer Weigerung, dass sie noch nicht alles versucht haben, um eine Registrierung zu erwirken. Die Behauptungen der Kläger zu religiösen Motiven des Herrn A... für jene Weigerung sind unglaubhaft. Hiergegen spricht schon, dass er, als er sich davon Vorteile in Gestalt einer Aufenthaltserlaubnis versprach, seine islamische Ehe mit Frau H... im Jahre 2004 von dem Shariatsgericht anerkennen und sodann in das staatliche (syrische) Eheregister eintragen ließ und damit genau diejenige Verfahrensweise wählte, die er nunmehr ablehnt. Im Übrigen zeigen die von Herrn A... im Asylverfahren frei erfundene Verfolgungsgeschichte sowie die von ihm dort präsentierten, nach dem Untersuchungsergebnis gefälschten irakischen Dokumente, dass er bereit ist, Angaben aufs Geratewohl zu machen und Umstände vorzuspiegeln, um hieraus aufenthaltsrechtliche Vorteile abzuleiten. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum islamische Religionsvorstellungen (gerade) die Registrierung der Ehe ausschließen sollten. Hierzu verhalten sich die Kläger nicht.
Den Klägern und Herrn A... wird entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht abverlangt, gegenüber libanesischen Stellen falsche Angaben über den tatsächlichen Ehestatus zu machen. Es steht ihnen frei, den wahren Sachverhalt einschließlich der Tatsache zu offenbaren, dass es sich für Herrn A... bei Eingehung um eine Mehrehe handelte. Der Umstand wiederum, dass die deutsche Rechtsordnung in § 1306 BGB die Einehe vorsieht, führt nicht dazu, dass die Verpflichtung zur Registrierung nach dem Rechtsgedanken des § 242 BGB entfiele. Dabei bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, welche Bedeutung Treu und Glauben in dem Zusammenhang haben sollen. Jedenfalls gibt es keinen Grundsatz, wonach Mehrehen für den deutschen Rechtskreis schlechthin unbeachtlich wären. Zwar schützt Art. 6 Abs. 1 GG die Mehrehe nicht. Das in § 1306 BGB zum Ausdruck kommende Prinzip der Einehe gehört zu den grundlegenden kulturellen Wertvorstellungen in der Bundesrepublik Deutschland und damit auch zu den ausländergesetzlichen Regelungen vorgegebenen verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 21. August 2007 - 11 S 995.07 -, NJW 2007, 3453 = juris Rn. 4). Eine geschlossene Mehrehe ist indes (auch im Bundesgebiet) nach § 1306 BGB wirksam und nach § 1314 Abs. 1 BGB lediglich aufhebbar. Was im Übrigen die Mitwirkungspflichten nach § 82 Abs. 1 AufenthG angeht, so finden diese ihre Grenze erst in der Zumutbarkeit für den betroffenen Ausländer. Hierfür ist auf sein eigenes, verobjektiviertes Verständnis abzustellen, nicht jedoch darauf, ob die deutsche Rechtsordnung jenes Verständnis teilt oder, wie das Verwaltungsgericht geltend gemacht hat, die Ehe gemäß Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBG im Inland nur als Einehe geschlossen werden kann.
Die vorgenannten Feststellungen kann der Senat ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem ausländischen Recht treffen. Dies steht in Einklang mit der Äußerung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Juli 2012 - 10 C 2.12 -, NJW 2012, 3461 = juris Rn. 14 f.), § 173 VwGO i.V.m. § 293 ZPO verpflichteten das Gericht im Verwaltungsprozess, ausländisches Recht unter Ausnutzung aller ihm zugänglichen Erkenntnisquellen von Amts wegen zu ermitteln. Im Falle der Klägerin zu 1. kommt es nicht maßgeblich darauf an, welche Gestalt das ausländische Recht hat, sondern dass die Klägerin zu 1. nach § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG zu jeglicher Mitwirkung verpflichtet ist, die nicht von vornherein erkennbar aussichtslos erscheint. In diesem Zusammenhang deutet schon das von ihr selbst vorgelegte Formblatt der libanesischen Botschaft darauf hin, dass eine Registrierung des Klägers zu 2. und seines Bruders nicht von vornherein erkennbar ausgeschlossen ist. Da die Klägerin zu 1. und Herr A... nach eigenem Eingeständnis nicht einmal versucht haben, ihre Ehe bei den libanesischen Behörden registrieren zu lassen, sich vielmehr weigern, und ihre Hinweise auf vermeintlich bestehende Hindernisse aus den vorgenannten Gründen nicht hinreichend substanziiert sind, bedarf es schon deshalb keiner Beweiserhebung über das libanesische Recht.
Ist nach alledem nicht erkennbar, dass die Registrierung der Ehe der Klägerin zu 1. und des Herrn A... von vornherein erkennbar aussichtslos ist, so gilt dies gleichermaßen für die nach den von Klägerseite überreichten Informationen der libanesischen Botschaft auf jener Registrierung fußende Registrierung der Kinder und die nachfolgende Beschaffung von Personaldokumenten für beide. Soweit die Kläger, auch insoweit erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, behauptet haben, die Registrierung der Kinder könne nicht bei der libanesischen Botschaft, sondern nur aufgrund persönlicher Vorsprache im Libanon selbst erfolgen, ist dies nicht hinreichend substanziiert. Herr A... hat auf Nachfrage nicht einmal gewusst, wann er diese Auskunft von der libanesischen Botschaft erhalten haben will, er hat nur geschätzt, dies sei vor ein bis zwei Jahren der Fall gewesen. Auch das von den Klägern zu den Gerichtsakten gereichte Formblatt der libanesischen Botschaft, das ansonsten ausführliche Erläuterungen zu den Voraussetzungen der Registrierung einer Geburt enthält, bietet keinen Anhaltspunkt für die Richtigkeit der aufgestellten Behauptung.
Es ist des Weiteren nicht nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass die Familie der Kläger sich nach erfolgter Registrierung der Eheschließung und der beiden Kinder nicht nur kurzfristig im Libanon aufhalten kann. Der nicht darlegungspflichtige Beklagte hat insoweit vorgetragen, Herr A... müsse ein Einreisevisum beantragen. Ehepartner von Libanesen erhielten nach Registrierung der Eheschließung in der Regel nach Einreise direkt einen dreijährigen Aufenthaltstitel. Das Gleiche gelte für den Kläger zu 2. als Kind einer libanesischen Mutter gegen Nachweis des Verwandtschaftsverhältnisses. Nach Erkenntnissen der deutschen Botschaft im Libanon werde die Sicherung des Lebensunterhalts durch die libanesischen Behörden nicht geprüft. Gegenteilige Anhaltspunkte bietet das pauschale Vorbringen der darlegungspflichtigen Kläger nicht, es sei nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage Herr A... im Libanon angesichts seiner syrischen Staatsangehörigkeit und der (vermeintlichen) Unwirksamkeit seiner Eheschließung mit der Klägerin zu 1. ein Aufenthaltsrecht erhalten könne.
Auf die Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG kommt es nach alledem nicht mehr an.
III. Ein Anspruch der Klägerin zu 1. auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG besteht ebenfalls nicht.
Das Begehr auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG stellt einen selbständigen prozessualen Anspruch gegenüber den übrigen Aufenthaltstiteln nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des AufenthG dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011 - 1 C 22.09 -, BVerwGE 138, 336 = juris Rn. 20).
Die Klägerin zu 1. hat schon deswegen nicht den geltend gemachten Anspruch, weil eine Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen Altfallregelung des § 104a AufenthG nur mit einer Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2009 erteilt werden konnte. Dies schließt kraft Gesetzes die (erstmalige) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 104a AufenthG für einen nach dem 31. Dezember 2009 liegenden Zeitraum aus. Eine Erklärung, dass sich ihr Begehren auf die Erteilung einer auf den 31. Dezember 2009 befristeten Aufenthaltserlaubnis beziehe (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2010 - 1 C 19.09 -, Buchholz 402.242 § 104a AufenthG Nr. 6 = juris Rn. 12), hat die Klägerin zu 1. nicht abgegeben.
Im Übrigen fehlt es für eine rückwirkende Erteilung an dem erforderlichen Verlängerungsantrag für den Zeitraum nach dem 31. Dezember 2009. Dieser war auch im Falle eines anhängigen Rechtsstreits rechtzeitig zu stellen (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand Oktober 2012, § 104a Rn. 144), mithin bis zum 31. Dezember 2009. Zwar mag dies in konkludenter Form möglich gewesen sein (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O.). Hierfür finden sich im Falle der Klägerin zu 1. jedoch Anhaltspunkte weder in den Ausländerakten noch in der Gerichtsakte.
Hinzu tritt, dass § 104a AufenthG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus materiellen Gründen nicht zulässt. Die Klägerin zu 1. hat im Sinne von § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert. Der Beklagte hat die ihr zwischen Juni 2001 und Juni 2006 - letztere mit Gültigkeit bis Dezember 2007 und damit über den Stichtag des 1. Juli 2007 hinaus - erteilten Duldungen jeweils mit dem Hinweis versehen, die Klägerin zu 1. habe sich ein Personaldokument zu beschaffen. Dahingehende Bemühungen entfaltete die Klägerin zu 1. nicht zum maßgeblichen Stichtag des 1. Juli 2007, sondern erst später durch Beschaffung des vom 22. April 2009 bis 21. April 2010 gültigen libanesischen Nationalpasses.
IV. Der Kläger zu 2. hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 33 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift kann einem Kind, das im Bundesgebiet geboren wurde, abweichend von den §§ 5 und 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Elternteil im Zeitpunkt der Geburt eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt.
Die Tatbestandsvoraussetzungen treffen auf den am 21. November 2008 geborenen Kläger zu 2. zu, da sein Vater, Herr A..., seit Januar 2008 eine Niederlassungserlaubnis innehat.
Der Beklagte hat sein Ermessen in dem Bescheid vom 28. Oktober 2009 dahingehend betätigt, dass er die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt hat. Zur Begründung hat er angeführt, Kinder, die keinen eigenen, über das Zusammenleben mit ihren Eltern hinausgehenden schutzwürdigen Aufenthaltszweck geltend machen könnten, teilten grundsätzlich das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Eltern. Die Klägerin zu 1. sei vollziehbar ausreisepflichtig, sie habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4, Abs. 5 AufenthG. Herr A... als Kindesvater sei zwar im Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Selbst eine schützenswerte familiäre Gemeinschaft vorausgesetzt, sei aber eine gemeinsame Ausreise möglich und zumutbar.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte seine Ermessenserwägungen in zulässiger Weise aktualisiert. Angesichts der Maßgeblichkeit der Sach- und Rechtlage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2009 - 1 C 17.08 -, BVerwGE 133, 329 = juris Rn. 41 f.) hat die Ausländerbehörde ihre Ermessensentscheidung verfahrensbegleitend zu kontrollieren bzw. aufgrund nachträglicher Änderungen von ihrem Ermessen (erstmals) Gebrauch zu machen. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat insoweit geltend gemacht, er gehe weiterhin davon aus, die Lebensgemeinschaft könne auch im Libanon gelebt werden.
Seine Ermessenserwägungen sind insgesamt nicht zu beanstanden. Sie gehen von zutreffenden Tatsachen aus, das Ergebnis der Ermessensausübung ist nicht unverhältnismäßig. Wie oben ausgeführt, haben sich die Kläger bislang ohne Berechtigung geweigert, Maßnahmen zur Ausreise zu ergreifen. Diese sind ihnen im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. EMRK zumutbar und nicht von vornherein erkennbar aussichtslos. Der Beklagte hat sich bei der Ergänzung seiner Ermessensausübungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch kurz fassen dürfen. Zeitlich nach der ursprünglichen Ermessenausübung in dem Bescheid vom 28. Oktober 2009 ist zwar mit Z... ein weiteres Kind geboren worden. Hierdurch ist die Gesamtsituation der Familie indes nicht verändert worden, da auch dem Kind die Ausreise in den Libanon zumutbar ist, sich ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zugunsten der Familie geändert haben und diese auch keine sonstige Integrationsleistung geltend machen kann.
V. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG besteht aus den zu III. genannten Gründen nicht. Dem Kläger zu 2. wird als Minderjährigem das Verhalten seiner Eltern zugerechnet (vgl. Burr in GK-AufenthG, § 25 Rn. 155), namentlich das Unterlassen nicht von vornherein erkennbar aussichtsloser Schritte zur Registrierung ihrer Ehe und nachfolgend der Geburt des Klägers zu 1. und seines Bruders.
VI. Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG in Verbindung mit der Weisung E.Syrien.2. ist nicht gegeben.
Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegt. Solange kein Asylantrag gestellt ist, hat die Ausländerbehörde im Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG eine eigene Prüfungskompetenz und muss inzident über das Vorliegen des Abschiebungsverbots - hier: nach § 60 Abs. 2 AufenthG - entscheiden. Dies geschieht grundsätzlich gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Auf die Beteiligung wird für syrische Staatsangehörige derzeit gemäß der Weisung E.Syrien.2 angesichts der generellen Zuerkennung subsidiären Schutzes (nach § 60 Abs. 2 AufenthG) verzichtet.
Der Kläger zu 2. behauptet jedoch nicht einmal selbst, syrischer Staatsangehöriger zu sein. Vielmehr hat seine Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, wie ausgeführt, für ihn und seinen Bruder die libanesische Staatsangehörigkeit in Anspruch genommen. Zu einer etwaigen - weiteren - syrischen Staatsangehörigkeit hat sie sich nicht substanziiert geäußert, sondern lediglich angedeutet, die Frage einer syrischen Staatsangehörigkeit spiele keine Rolle, es gehe allein um die Unmöglichkeit der Registrierung.
VII. Die gegenüber dem Kläger zu 2. ergangene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung erweist sich aus den in dem Bescheid vom 28. Oktober 2009 genannten Gründen, auf die der Senat Bezug nimmt (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), als rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.