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Entscheidung 25 Sa 950/12, 25 Sa 1010/12


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 25. Kammer Entscheidungsdatum 25.10.2012
Aktenzeichen 25 Sa 950/12, 25 Sa 1010/12 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 6 Abs 5 ArbZG

Leitsatz

Gesetzlicher Ausgleichsanspruch für Nachtarbeit. Stillschweigende tarifliche Ausgleichsregelung (im Fall verneint)

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 26. April 2012 (-42 Ca 19260/11-) teilweise wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, wahlweise an den Kläger weitere Nachtarbeitszuschläge für das Jahr 2010 in Höhe von 1,12 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Dezember 2011 zu zahlen oder dem Kläger weitere 0,01 bezahlte freie Tage zu gewähren.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

III. Die Kosten der ersten Instanz haben die Beklagte zu 31 % und der Kläger zu 69 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 48 % und die Beklagte zu 52 % zu tragen.

IV. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Für den Kläger wird die Revision nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen gesetzlichen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit.

Die Beklagte ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der D. GmbH. Sie erbringt Serviceleistungen für Zugreisende in den von ihrer Muttergesellschaft betriebenen Nachtreisezügen („City Night Line“) und Autozügen. Die Beklagte wurde im Mai 2001 gegründet und übernahm zum 1. Juli 2002 den Teilbetrieb Nachtreiseverkehr des Geschäftsbereichs Service im Zug (SiZ) der M. AG im Wege eines Betriebsübergangs. Derzeit unterhält die Beklagte vier Niederlassungen in Berlin, Dortmund, Hamburg und München. Sie beschäftigt ca. 45 Mitarbeiter im stationären Dienst sowie - saisonabhängig - ca. 500 Arbeitnehmer im Fahrdienst.

Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zuletzt als Steward und Zugschaffner tätig. In seiner Funktion als Steward betreut er Kunden in Schlaf- und Liegewagen und versorgt sie mit gastronomischen Leistungen. Als Zugschaffner kontrolliert und verkauft er Fahrausweise und unterstützt den Zugführer. § 11 Abs. 1 seines Arbeitsvertrags vom 9. September 1993 bestimmt, dass auf das Arbeitsverhältnis „der Rahmenmanteltarifvertrag der M. und der Manteltarifzusatz- und Entgelttarifvertrag des Geschäftsbereiches SiZ und die Betriebsvereinbarungen in der zuletzt gültigen Fassung Anwendung“ finden. Der Kläger ist nicht Mitglied der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).

Die Beklagte und die NGG schlossen am 28. Juni 2002 eine beiderseits unterschriebene und als „Ergebnis der Verhandlungen zur Überleitung der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer/innen der M. AG SiZ Nachtverkehr zur DB ERS GmbH“ bezeichnete Vereinbarung. Diese hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

„• Gültigkeit von Tarifverträgen

Für alle Mitarbeiter der M. AG, die zum 01. Juli 2002 oder später auf die DB ERS übergehen sowie die Mitarbeiter die bei der DB ERS beschäftigt sind, kommen ab dem 1. Juli 2002 die folgenden für den Geschäftsbereich SiZ der M. AG am 30. Juni 2002 geltenden Tarifverträge zur Anwendung.

1. Manteltarifvertrag vom 27. Juni 1997 … (MTV)

2. Entgelttarifvertrag vom 27. Juni 1997 mit Tarifentgelten am 1. Juli 2001 …

3. Ergänzungstarifvertrag über spezifische Regelungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Geschäftsbereiches SiZ West vom 27. Juni 1997 … (ErgTV SiZ/West)

4. Ergänzungstarifvertrag über spezifische Regelungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Geschäftsbereiches SiZ Ost vom 27. Juni 1997 inkl. Protokollnotiz vom 2. November 2001 … (ErgTV SiZ/Ost)

Die Laufzeit der Vereinbarung endet am 30. Juni 2004. Dennoch ist es das Ziel der Vertragsparteien, in Verhandlungen bis zum 31. Dezember 2002 eine einfache Struktur in einem einheitlichen Tarifvertrag zu schaffen, …

Das vorbezeichnete Verhandlungsergebnis gilt ab dem 1. Juli 2002 zwischen den Parteien mit Tarifqualität.“

Der MTV regelt u. a. Folgendes:

„§ 5
Zuschlagspflichtige Tätigkeiten

3. Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit - Zuschläge

Die Entlohnung der Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit richtet sich ausschließlich nach den Bestimmungen dieses Tarifvertrages. Soweit tariflich eine Öffnungsklausel vorhanden ist, kann einzelvertraglich vom Tarifvertrag nach dem Günstigkeitsprinzip abgewichen werden.

5. Nachtarbeit

Die Arbeit in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr gilt als Nachtarbeit.

Im regelmäßigen Schichtdienst beschäftigte Arbeitnehmer/innen erhalten für Nachtarbeit 15 % Zuschlag zum Tarifentgelt je Arbeitsstunde in dieser Zeit.“

Der ErgTV SiZ/Ost lautet auszugsweise:

§ 1
Geltungsbereich

a) Räumlich

Für die neuen Bundesländer, einschließlich Berlin (Ost)

§ 2
Anwendung des Tarifvertrages

Nachfolgende Regelungen ersetzen, ergänzen oder verändern die entsprechenden Regelungsgegenstände in dem jeweils gültigen M. Entgelttarifvertrag und M. Manteltarifvertrag. Die nachfolgenden Vorschriften haben Tarifvorrang.

§ 3
Regelungsgegenstände

4. Zuschlagspflichtige Tätigkeiten

4.3 Nachtarbeit

Die Arbeit in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr gilt als Nachtarbeit. Stationär beschäftigte Arbeitnehmer/innen erhalten für Nachtarbeit 15 % Zuschlag zum Tarifentgelt je Arbeitsstunde in dieser Zeit.“

In ErgTV SiZ/West finden sich u. a. folgende Regelungen:

§ 1
Geltungsbereich

a) Räumlich:

Für die alten Bundesländer, einschließlich Berlin (West)

§ 2
Anwendung des Tarifvertrages

Nachfolgende Regelungen ersetzen, ergänzen oder verändern die entsprechenden Regelungsgegenstände in dem jeweils gültigen M. Entgelttarifvertrag und in dem jeweils gültigen M. Manteltarifvertrag. Die nachfolgenden Vorschriften haben Tarifvorrang.

§ 3
Regelungsgegenstände

3.1 Arbeitszeit

3.1.2 Die Arbeitszeit beginnt und endet an dem Platz, an dem sich der Arbeitnehmer vor Aufnahme und/oder nach Beendigung der Arbeit einzufinden hat.

Die Arbeitszeit des Fahrpersonals umfasst dabei alle Stunden, auch angebrochene und ist mit dem Betriebsrat, unterteilt nach

a) Fahrzeit
b) Vorbereitungszeit
c) Aufräumzeit
d) Arbeitsbereitschaft

zu vereinbaren. …

3.2 Pausanrechnung für das gewerbliche Fahrpersonal

Der Abzug von Pausen von der Arbeitszeit richtet sich nach der Länge der Dienstschicht, und zwar:

Bis zu fünf Stunden 59 Minuten Arbeitszeit

        

kein Abzug,

bis 7 Stunden 59 Minuten Arbeitszeit

        

12 Min.,

bis 9 Stunden 59 Minuten Arbeitszeit

        

30 Min.,

ab 10 Stunden Arbeitszeit

        

60 Min. Pausenabzug.

Während der Pausen darf der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung herangezogen werden.

Bei der Ermittlung der Länge der Dienstschicht sind folgende Zeiten nicht mitzurechnen:

a) Unterbrechung der Tagesschicht
b) Arbeitsbereitschaft
c) Arbeitszeiten zwischen 20.00 Uhr und 06.00 Uhr.

3.9. Nachtarbeit

3.9.1. Die Arbeit in der Zeit zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr gilt als Nachtarbeit. Stationär beschäftigte Arbeitnehmer erhalten für Nachtarbeit 15 % Zuschlag zum Tariflohn/Tarifgehalt je Arbeitsstunde in dieser Zeit.

15.3 Entgeltregelung für Mitarbeiter des Fahrdienstes

Für die Fahrdienstmitarbeiter/innen im Tagservice werden die Tarifgruppen zu einem Gemischtlohnsystem modifiziert.

Der Stundenlohn der entsprechenden Tarifgruppe ist das stündliche Mindesteinkommen. Das Mindesteinkommen setzt sich aus dem Grundlohn und einer Umsatzgarantie zusammen. Die Umsatzgarantie beträgt einheitlich in allen Tarifgruppen 7,45 DM (Stand 01.07.1997).

Zusätzlich zum Grundlohn erhalten Fahrdienstmitarbeiter im Tagservice 11,34 % vom erzielten Brutto-Umsatz aus dem Verkauf von Speisen und Getränken bei einem Mehrwertsteuersatz von 15 %.

Mitarbeiter im Nachtreiseverkehr erhalten den Stundenlohn der entsprechenden Tarifgruppe in die sie eingruppiert sind und zusätzlich 11,34 % vom Brutto-Umsatz aus dem Verkauf von Speisen und Getränken bei einem Mehrwertsteuersatz von 15 % und 1,5 % vom Endpreis der benutzten Bett- und Liegekarten.“

Am 23. Februar 2010 schloss die Beklagte mit der Tarifgemeinschaft Transnet/GDBA eine „Tarifvereinbarung zur Umsetzung der Ost-West-Anpassung für den Bereich der DB E. R. GmbH“. In dieser heißt es unter anderem:

§ 1
Allgemeines

Zur Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen innerhalb der DB ERS GmbH, insbesondere zur Umsetzung der Anpassung Ost/West in Zeit und Geld, vereinbaren die Tarifvertragsparteien nachfolgende Regelungen.

§ 4
Nichtanwendung tariflicher Regelungen

Der ErgTV Ost M. vom 27. Juni 1997 … und die Monatsentgelttabelle Ost (…) finden ab 1. Januar 2010 keine Anwendung mehr. Ab diesem Zeitpunkt gilt der ErgTV West M. vom 27. Juni 1997.

§ 6
Gültigkeit und Dauer

Diese Vereinbarung tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2010 in Kraft und mit Zweckerfüllung außer Kraft.“

Am 29. Februar 2012 vereinbarten der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleiter e. V. (Agv MoVe) - dem die Beklagte angehört - und die NGG „Eckpunkte zu den Tarifverhandlungen zu Nachtzuschlägen für die Arbeitnehmer der DB E. R. GmbH (DB ERS).“ Am 12. März 2012 schlossen beide eine „Tarifvereinbarung 2012 über die Höhe der Nachtzuschläge und zur Entgeltrunde für die Arbeitnehmer der DB E. R. GmbH“ (TV 2012). Nach deren Ziff. 1 wird dem Fahrpersonal mit Wirkung zum 1. März 2012 für Zeiten zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr ein Nachtzuschlag gewährt. Dieser beträgt ab dem 1. März 2012 9 %, ab dem 1. Januar 2013 17 % und ab dem 1. Januar 2014 25 %. Ferner ist geregelt, dass die bisherige tarifliche Pausenregelung für die Zeit von 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr unverändert bestehen bleibt. Teil des TV 2012 sind zudem die diesem als Anlage beigefügten und ab dem 1. Januar 2012 gültigen Entgelttabellen.

Die Beklagte wendet die von ihr geschlossenen Tarifverträge ohne Rücksicht auf die Gewerkschaftszugehörigkeit auf alle bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer an. Der Kläger erhielt bis Dezember 2009 eine der Entgelttabelle Ost entsprechende Stundenvergütung. Diese belief sich in der Zeit von Januar bis August 2008 auf 7,52 € brutto sowie in der Zeit von September 2008 bis Dezember 2009 auf 7,86 € brutto. Ab Januar 2010 bis März 2011 belief sich der Stundenlohn des Klägers auf 8,93 € brutto sowie ab April 2011 auf 9,15 € brutto.

Die Lage der Arbeitszeit der im Fahrdienst beschäftigten Mitarbeiter der Beklagten richtet sich nach den Verkehrszeiten der von der Beklagten betreuten und bewirtschafteten Züge. Die Dienstzeiten beschränken sich nicht auf die Nachtzeit. Die stationär beschäftigten Mitarbeiter sind ausschließlich wechselschichtig in der Nachtzeit tätig. Der Kläger leistet an mindestens 48 Tagen im Jahr Nachtarbeit im Sinne des § 2 ArbZG. Von Januar 2008 bis November 2011 war der Kläger in folgendem Umfang zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr tätig:

2008: 

        

330,50 Stunden

2009: 

        

324,75 Stunden

2010: 

        

392,25 Stunden

2011 (bis 30. November 2011):

        

401,53 Stunden

Mit seiner der Beklagten am 23. Dezember 2011 zugestellten Klage begehrt der Kläger - soweit für die Berufung noch von Interesse - einen Ausgleich für die in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis 30. November 2011 geleisteten Nachtarbeitsstunden. Ferner möchte er für die Zeit ab Dezember 2011 feststellen lassen, dass die Beklagte verpflichtet ist, für Nachtarbeitsstunden einen angemessenen Ausgleich nach § 6 Abs. 5 ArbZG wahlweise durch Zahlung eines Zuschlags in Höhe von 25 % des Tariflohns oder durch einen bezahlten freien Arbeitstag für jeweils 32 geleistete Nachtarbeitsstunden zu gewähren.

Der Kläger hat vorgetragen, weder der ErgTV SiZ/Ost noch der ErgTV SiZ/West enthielten einen stillschweigenden Ausgleich für die vom Fahrpersonal geleisteten Nachtarbeitsstunden. Ein solcher ergebe sich auch nicht aus der Pausenregelung in § 3 Ziff. 3.2 Satz 3 c) ErgTV SiZ/West. Diese begründe keinen Vorteil, da schon zuvor Pausen bezahlt worden seien. § 3 Ziff. 3.2 ErgTV SiZ/West führe lediglich dazu, dass die Arbeitnehmer weniger arbeiten müssten, um die erforderliche Sollarbeitszeit zu erreichen; damit erhielten sie nur ein Mehr an „unbezahlter Freizeit“. Gegen eine stillschweigende Ausgleichsregelung spreche zudem die tarifliche Systematik sowie § 3 Ziff. 3.9.1 ErgTV SiZ/West. Auch deckten sich die Zeiten der tariflichen und gesetzlichen Nachtarbeit nicht mit den Zeiten in § 3 Ziff. 3.2 Satz 3 c) ErgTV SiZ/West. Der Umsatz- und der Bettenprovision komme ebenfalls keine Ausgleichsfunktion für die Nachtarbeit zu. Diese würden unabhängig vom Umfang der Nachtarbeit von der Beklagten gezahlt. Der danach zu gewährende Ausgleich gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG sei mit 25 % des Tariflohns angemessen. Maßgeblich sei, dass die gesundheitliche Belastung bei einem dauerhaften Einsatz in der Nachtarbeit höher sei. Zudem sei der Umfang der Arbeitsbereitschaft auf den einzelnen Zügen sehr unterschiedlich und lediglich dem Betriebsablauf geschuldet. Auch für die Zeit ab dem 1. März 2012 stehe dem Kläger weiter ein Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu. Der TV 2012 finde auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung, da er nicht von der vertraglichen Verweisungsklausel erfasst sei.

Der Kläger hat – nach Rücknahme seiner Klage in Höhe von 989,87 € - beantragt,

1.die Beklagte zu verurteilen, wahlweise an den Kläger Nachtarbeitszuschläge für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. November 2011 in Höhe von 5.238,93 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen oder dem Kläger 79 bezahlte freie Tage zu gewähren,
2.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. Dezember 2011 für die von ihm geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des Tariflohns für jede zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder dem Kläger für jeweils 32 zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunden einen bezahlten freien Tag zu gewähren.

Die Beklagte hat Klageweisung beantragt. Sie hat geltend gemacht, der ErgTV SiZ/West sei ab dem 1. Januar 2010 auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar und enthalte in § 3 Ziff. 3.2 Satz 3 c) eine stillschweigende Ausgleichsregelung für Nachtarbeit. Hierdurch erhielten die Arbeitnehmer eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Für die tariflich geschuldete Sollarbeitszeit von 173,33 Stunden müsse der Mitarbeiter nur noch 156,3 Stunden in der Zeit von 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr arbeiten. Da es sich nicht um einen monetären Anspruch handele, sei die Regelung auch systematisch zutreffend bei den Pausenzeiten eingebettet. Unschädlich sei es, dass Mitarbeiter im Tagesservice ebenfalls teilweise von der Pausenregelung profitierten. Jedenfalls stelle die Bettenprovision - aufgrund derer die Mitarbeiter durchschnittlich 150,- € im Monat erhielten - sowie die Regelung bei der Beteiligung am Umsatz für den Verkauf von Speisen und Getränken für die Mitarbeiter im Nachtreiseverkehr einen stillschweigenden Ausgleich dar. Soweit für die Zeit vor dem 1. Januar 2010 für die Nachtarbeit ein gesetzlicher Ausgleich zu zahlen sei, sei ein Betrag in Höhe von 10 % des Tariflohns angemessen. Bei der Bemessung müsse § 3 Ziff. 4.3 ErgTV SiZ/Ost sowie der Umfang der Arbeitsbereitschaft während der Nachtzeit berücksichtigt werden. Auch könne der mit § 6 Abs. 5 ArbZG verfolgte Zweck, Nachtarbeit zu vermeiden oder zu reduzieren, wegen des Geschäftszwecks der Beklagten nicht erreicht werden.

Mit Urteil vom 26. April 2012 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, wahlweise an den Kläger Nachtarbeitszuschläge für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. November 2011 in Höhe von 3.056,74 € brutto nebst der begehrten Zinsen zu zahlen oder dem Kläger 45,27 freie Tage zu gewähren. Dem Klageantrag zu 2) hat es für die Zeit vom 1. Dezember 2011 bis zum 29. Februar 2012 stattgegeben. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, dass dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 29. Februar 2012 der begehrte Ausgleich nach § 6 Abs. 5 ArbZG zustehe. Der ErgTV SiZ/Ost enthalte - wie das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 18. Mai 2011 (- 10 AZR 369/10 -) festgestellt habe - keinen stillschweigenden Ausgleich für die Nachtarbeit. Gleiches gelte für den ErgTV SiZ/West. Die Entgeltregelung in § 3 Ziff. 15.3 ErgTV SiZ/West lasse keine relevante Differenzierung zwischen Mitarbeitern im Nachtdienst und außerhalb desselben erkennen. Sowohl die Mitarbeiter im Nachtreiseverkehr als auch die im Tagservice erhielten eine Umsatzprovision. Dass mit der Bettenprovision gerade die besonderen Belastungen der Nachtarbeit ausgeglichen werden sollten, sei nicht ersichtlich. Gleiches gelte für die Pausenanrechnung in § 3 Ziff. 3.2 Satz 3 c) ErgTV SiZ/West. Aus § 3 Ziff. 3.9.1 ErgTV SiZ/West ergebe sich, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für Nachtarbeit im Fahrdienst weder eine zusätzliche Vergütung, noch ein bezahlter Freizeitausgleich gewährt werden sollte. Dies folge auch daraus, dass die für die Pausenanrechnung maßgeblichen Zeiten nicht mit der tariflichen Nachtarbeit in § 3 Ziff. 3.9.1 ErgTV SiZ/West identisch sei. Hinsichtlich der Höhe hat das Arbeitsgericht unter Verweis auf die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 19. August 2011 (- 10 Sa 1450/11 -) einen Zuschlag von 25 % des Tariflohns für angemessen gehalten. Der Anspruch sei nicht nach § 16 MTV oder nach § 8 ErgTV SiZ/Ost verfallen. Denn der Anwendungsbereich beider Tarifnormen erfasse nicht den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG. Dem Kläger stehe allerdings der begehrte Anspruch nur bis Ende Februar 2012 zu. Für die Zeit danach gelte für den Kläger die tarifliche Regelung aus dem Eckpunktepapier vom 29. Februar 2012. Diese finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung, da sie tarifvertragliche Entgeltvereinbarungen enthalte und damit Teil des arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Entgelttarifvertrags sei. Wegen der weiteren Begründung wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 66 - 80 d. A.) Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 14. Mai 2012 zugestellte Urteil hat dieser am 23. Mai 2012 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Berufung eingelegt und diese mit einem am 12. Juni 2012 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagten wurde das Urteil des Arbeitsgerichts am 8. Mai 2012 zugestellt. Die Beklagte hat hiergegen am 1. Juni 2012 beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 8. August 2012 mit am 3. August 2012 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die teilweise Abweisung des Feststellungsantrags. Ferner begehrt er für weitere 0,5 Stunden, die die Beklagte im Jahr 2010 – unstreitig – zu Unrecht als Tätigkeitsunterbrechung von der Nachtarbeitszeit des Klägers in Abzug gebracht hat, einen angemessenen Ausgleich. Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend trägt er vor, dass § 3 Ziff. 3.2 Satz 3 c) ErgTV SiZ/West schon deshalb keine Ausgleichsregelung enthalte, weil die Vergütung der Pausen maßgeblich von der Dauer der Dienstzeit und weniger von der Dauer der Nachtarbeit abhänge. Es fehle an der erforderlichen Proportionalität zwischen dem Vorteil für die Nachtarbeitnehmer aus der Pausenregelung und dem Umfang der tatsächlichen Heranziehung zur Nachtarbeit. Ein derartiger Ausgleich verstieße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da der ausgleichspflichtige Vorteil sich je nach Arbeitnehmer auf null bis max. 12,5 % des Entgelts belaufe. Der TV 2012 finde auf sein Arbeitsverhältnis keine Anwendung, da er nicht Teil des Manteltarifzusatz- und Entgelttarifvertrags des Geschäftsbereichs SiZ sei. Die vertragliche Verweisungsklausel sei im Hinblick auf § 305 c Abs. 2 BGB eng auszulegen. Eine Anwendung des TV 2012 kraft betrieblicher Übung scheide wegen der vertraglichen Bezugnahmeklausel aus.

Der Kläger beantragt zuletzt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 26. April 2012 (- 42 Ca 19260/11 -)

1.die Beklagte zu verurteilen, wahlweise an den Kläger weitere Nachtarbeitszuschläge für das Jahr 2010 in Höhe von 1,12 € brutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Dezember 2011 zu zahlen oder dem Kläger weitere 0,01 bezahlte freie Tage zu gewähren,
2.festzustellen, das die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger über den 29. Februar 2012 hinaus für die von ihm geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des Tariflohns für jede zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder dem Kläger für jeweils 32 zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeitsstunden einen bezahlten freien Tag zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

1.die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
2.Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 26. April 2012 (- 42 Ca 19260/11 -) die Klage abzuweisen, soweit

a) die Beklagte verurteilt wurde, wahlweise an den Kläger Nachtarbeitszuschläge für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. November 2011 in Höhe von mehr als 507,76 EUR brutto nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Dezember 2011 zu zahlen oder dem Kläger mehr als 7,52 bezahlte freie Tage zu gewähren,

b) festgestellt wurde, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. Dezember 2011 bis zum 29. Februar 2012 für die von ihm geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des Tariflohns für jede zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder dem Kläger für jeweils 32 zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleistete Arbeitsstunden einen bezahlten freien Tag zu gewähren.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags vor, dass der ErgTV SiZ/West eine stillschweigende Ausgleichsregelung für Nachtarbeit enthalte. Die Pausenregelung in § 3 Ziff. 3.2 Satz 3 c) ErgTV SiZ/West führe zu einem finanziellen Vorteil der Nachtarbeitnehmer von rechnerisch etwa 12,5 % des Tariflohns. Da die Schichtzeit von 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr morgens bei der für die Berechnung des Pausenabzugs maßgeblichen Länge der Dienstzeit unberücksichtigt bleibe, würden Mitarbeiter, deren Arbeitszeit in diesen Zeitraum falle, begünstigt. § 5 Ziff. 3 Satz 3 MTV stehe der Annahme einer stillschweigenden Ausgleichsregelung nicht entgegen, da sowohl der ErgTV SiZ/West als auch der ErgTV SiZ/Ost ausdrückliche Regelungen zu Nachtarbeitszuschlägen enthalten. Zudem beziehe sich die Bestimmung nur auf die Entlohnung, nicht jedoch auf einen sonstigen Ausgleich. Auch aus dem TV 2012 ergäben sich hinreichende Anhaltspunkte für einen Willen der Tarifvertragsparteien die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen durch die Pausenregelung auszugleichen. Die klarstellende Regelung in Ziff. I. Nr. 5 TV 2012 sei nur deshalb notwendig gewesen, weil die Pausenbezahlung einen Ausgleich darstelle. Dass die Vergünstigung für Fahrdienstmitarbeiter im Nachtreiseverkehr durch die Pausenregelung letztlich geringer sei als für stationär beschäftigte Mitarbeiter, sei zulässig. Denn die Nachtarbeit bestehe in erheblichem Umfang nur aus Arbeitsbereitschaft. Diese werde in voller Höhe mit dem tariflichen Stundenentgelt vergütet. Zudem erhielten die Arbeitnehmer auch Vergütung für die Ruhenszeiten und die Tätigkeitsunterbrechungen. Soweit dem Kläger ein gesetzlicher Anspruch auf Ausgleich zustehe, sei dieser lediglich in Höhe von 10 % des Tariflohns angemessen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach dem TV 2012 der tarifliche Ausgleich zunächst nur 9 % des Tariflohns betrage. Bei der DB F. AG und der DB R. AG sei lediglich ein Ausgleich von 1,28 € pro Stunde tariflich vorgesehen. Für die Zeit ab dem 1. März 2012 stehe dem Kläger kein gesetzlicher Anspruch mehr zu. Seine vertragliche Verweisungsklausel erfasse auch die Haustarifverträge. Insbesondere beinhalte der TV 2012 die ab dem 1. Januar 2012 gültige Monatstabelle für die Vergütung. Jedenfalls gelte dieser Tarifvertrag kraft betrieblicher Übung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und die Sitzungsniederschriften beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nur in geringem Umfang - hinsichtlich seines Antrags zu 1) - begründet. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

I. Die Beklagte ist nach § 6 Abs. 5 ArbZG verpflichtet, für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. November 2011 wahlweise an den Kläger Nachtarbeitszuschläge in Höhe von insgesamt 3.057,86 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Dezember 2011 zu zahlen oder dem Kläger 45,28 bezahlte freie Tage zu gewähren. Ferner muss die Beklagte dem Kläger für jede in der Zeit vom 1. Dezember 2011 bis zum 29. Februar 2012 zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 % des Tariflohns zahlen oder ihm für jeweils 32 zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunden einen bezahlten freien Tag gewähren. Für die Zeit ab dem 1. März 2012 besteht diese gesetzliche Verpflichtung der Beklagten nicht mehr. Ab diesem Zeitpunkt gilt für das Arbeitsverhältnis der Parteien der eine tarifliche Ausgleichsregelung enthaltende TV 2012. Da streitgegenständlich nur der Ausgleichanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG ist, ist die hinsichtlich des Feststellungsbegehrens weitergehende Klage daher unbegründet.

1. Nach § 6 Abs. 5 ArbZG hat der Arbeitgeber, soweit eine tarifliche Ausgleichsregelung nicht besteht, dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Der Arbeitgeber kann wählen, ob er den Ausgleichsanspruch des § 6 Abs. 5 ArbZG durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt (BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - NZA-RR 2011, 581; 1. Februar 2006 - 5 AZR 422/04 - NZA 2006, 494). Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen erst dann, wenn der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausübt (BAG 5. September 2002 - 9 AZR 202/01 - BAGE 102, 309).

2. Der Kläger ist Nachtarbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 5 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 3 und Abs. 4 ArbZG. Er leistet an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr umfasst.

3. Eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung für die Zeit bis einschließlich 29. Februar 2012 bestand nicht.

a) § 6 Abs. 5 ArbZG überlässt die Ausgestaltung des Ausgleichs für Nachtarbeit wegen der größeren Sachnähe den Tarifvertragsparteien und schafft nur subsidiär einen gesetzlichen Anspruch (BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - BAGE 114, 272; 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - NZA-RR 2011, 581). Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, wie sie den Ausgleich regeln. Um den gesetzlichen Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu ersetzen, muss die tarifliche Regelung eine Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen vorsehen. Dies folgt aus dem Wortsinn des Begriffs „Ausgleichsregelung“ und entspricht Sinn und Zweck des dem Gesundheitsschutz dienenden § 6 Abs. 5 ArbZG. Der tarifliche Ausgleich kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend geregelt sein. Den allgemeinen tariflichen Arbeitsbedingungen kann eine stillschweigende Ausgleichsregelung aber nur entnommen werden, wenn entweder der Tarifvertrag selbst entsprechende Hinweise enthält oder sich dafür aus der Tarifgeschichte oder aus Besonderheiten des Geltungsbereichs Anhaltspunkte ergeben (BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - NZA-RR 2011, 581; 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - NZA 2005, 884).

b) Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 18. Mai 2011 (- 10 AZR 369/10 - NZA-RR 2011, 581) entschieden, dass weder der MTV noch der ErgTV SiZ/Ost vom 27. Juni 1997 einen Ausgleich für die im Fahrdienst geleistete Nachtarbeit vorsehen. Mangels tariflicher Regelung steht dem Kläger daher für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 der gesetzliche Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG gegen die Beklagte zu.

c) Dies gilt auch für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 29. Februar 2012.

aa) Es ist schon zweifelhaft, ob der ErgTV SiZ/West seit dem 1. Januar 2010 überhaupt auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. Nach der Verweisungsklausel in § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrags gelten für das Arbeitsverhältnis der Parteien „der Rahmenmanteltarifvertrag der M. und der Manteltarifzusatz- und Entgelttarifvertrag des Geschäftsbereichs SiZ“ in der zuletzt gültigen Fassung. Inhaltlich bezog sich die Verweisungsklausel damit auf den zwischen der M. AG und der NGG abgeschlossenen Rahmentarifvertrag vom 18. Dezember 1991 und den Manteltarifzusatz- und Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer des Geschäftsbereichs Service im Zug (SiZ) der M. AG vom 11. Januar 1993. Beide Tarifverträge wurden durch den am 12./13. Juli 1994 zwischen der M. AG und der NGG abgeschlossenen „Ergänzungstarifvertrag über spezifische Regelungen für die Arbeitnehmer und Auszubildenden des Geschäftsbereichs Service im Zug (SiZ)“ außer Kraft gesetzt (§ 9 ErgTV SiZ in der Fassung ab dem 1. Juli 1994). Der Ergänzungstarifvertrag SiZ vom 12./13. Juli 1994 galt – ebenso wie der spätere ErgTV SiZ/Ost vom 27. Juni 1997 - räumlich nur für die neuen Bundesländer einschließlich Berlin-Ost (§ 1 a ErgTV SiZ). Der mit Wirkung zum 1. Juli 1996 zwischen der M. AG und der NGG abgeschlossene Ergänzungstarifvertrag über spezifische Regelungen für die Mitarbeiter/innen der M. AG Bereich Service im Zug vom 6. November 1996 galt demgegenüber räumlich nur für die alten Bundesländer sowie Berlin-West (§ 1 a ErgTV SiZ/West in der Fassung ab dem 1. Juli 1996). Der räumliche Geltungsbereich beider Tarifverträge blieb auch durch die am 28. Juni 2002 zwischen der Beklagten und der NGG abgeschlossene Vereinbarung über die Anwendung beider Tarifverträge unverändert. Die Anwendung des ErgTV SiZ/West auf die Niederlassung der Beklagten in Berlin-Ost beruht vielmehr auf der Tarifvereinbarung der Beklagten mit der Tarifgemeinschaft TransNet/GDBA vom 3. Februar 2010. Nach deren § 4 sollte ab dem 1. Oktober 2010 für alle Arbeitnehmer der Beklagten nur noch der ErgTV SiZ/West vom 27. Juni 1997 zur Anwendung gelangen.

bb) Es kann vorliegend dahinstehen, ob es sich bei § 4 der Tarifvereinbarung vom 3. Februar 2010 um einen - wirksamen – Tarifvertrag handelt, dessen Inhalt auf die bundesweite Anwendung des ErgTV SiZ/West bei der Beklagten gerichtet ist . Auch bedurfte es keiner Entscheidung, ob ein derartiger nicht mit der NGG abgeschlossener Tarifvertrag von der vertraglichen Verweisungsklausel des Klägers erfasst ist oder ob - aufgrund sonstiger Umstände - die Parteien diese Klausel im Hinblick auf die Geltung des ErgTV SiZ/West zumindest stillschweigend erweitert haben (vgl. dazu nur BAG 19. Januar 1999 - 1 AZR 606/98 - NZA 1999, 879). Selbst wenn man von einer Anwendung des ErgTV SiZ/West auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 1. Januar 2010 ausginge, stünde dies dem Anspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG bis zum 29. Februar 2012 nicht entgegen. Denn der ErgTV SiZ/West enthält entgegen der Auffassung der Beklagten keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung für Nachtarbeit (ebenso LAG Hamburg 10. Oktober 2012 - H 6 Sa 35/12 -).

(1) Nach § 5 Ziff. 5 Satz 2 MTV erhalten Beschäftigte im regelmäßigen Schichtdienst und nach § 3 Ziff. 3.9.1 ErgTV SiZ/West die bei der Beklagten stationär Beschäftigten für Nachtarbeit 15 % Zuschlag. Für den Fahrdienst ist ein Nachtzuschlag nicht ausdrücklich geregelt.

(2) Ausreichende Hinweise darauf, dass Belastungen durch Nachtarbeit im Fahrdienst durch die Pausenregelung in § 3 Ziff. 3.2 Satz 3 c) ErgTV SiZ/West ausgeglichen werden sollten, bestehen nicht.

(a) Diese ergeben sich nicht aus dem Inhalt der Regelung.

(aa) § 3 Ziff. 3.2 Satz 3 c) ErgTV SiZ/West sieht vor, dass bei der Ermittlung der Länge der Dienstschicht Arbeitszeiten zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr nicht mitzurechnen sind. Die Länge der Dienstschicht ist maßgeblich für die Länge der von der Arbeitszeit abgezogenen und damit nicht vergüteten Pause (§ 3 Ziff. 3.2 Satz 1 ErgTV SiZ/West). Die tarifliche Regelung hat zur Folge, dass bei Einsätzen zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr tendenziell weniger Pausenzeiten von der bezahlten Arbeitszeit des Fahrpersonals abgezogen werden, obwohl die Pausenzeiten nach § 4 ArbZG tatsächlich gewährt werden und das Fahrpersonal während dieser Zeit keine Arbeitsleitungen – auch keine Arbeitsbereitschaft – erbringt.

(bb) Der Geltungsbereich von § 3 Ziff. 3.2 Satz 3 c) ErgTV SiZ/West umfasst zwar sowohl den tariflichen als auch den gesetzlichen Nachtarbeitszeitraum; er deckt sich jedoch nicht vollständig mit diesem. Nach § 3 Ziff. 3.9.1 ErgTV SiZ/West gilt die Zeit zwischen 22:00 Uhr 06:00 Uhr als Nachtarbeit. Für die gesetzliche Nachtarbeit ist die Zeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr maßgebend (§ 2 Abs. 3 ArbZG). Beide Regelungen beziehen sich damit auf einen späteren Zeitpunkt. Dies hat zur Folge, dass zumindest partiell auch Arbeitnehmer, die noch keine Nachtarbeit im Sinne des Tarifvertrags oder des Gesetzes leisten, von dem verminderten Pausenabzug profitieren. Eine teilweise Begünstigung auch von Arbeitnehmern, die keine Nachtarbeit leisten, ist ein Indiz dafür, dass mit dieser Regelung gerade nicht die besonderen Belastungen der Nachtarbeit ausgeglichen werden sollen.

(cc) Vor allem die Wirkungsweise des § 3 Ziff. 3.2 Satz 3 c) ErgTV SiZ/West bestätigt, dass die Tarifvertragsparteien damit keinen stillschweigenden Ausgleich für die Belastungen der Nachtarbeit vereinbaren wollten. Die für die Arbeitnehmer günstige Wirkung der Norm hängt maßgeblich davon ab, wann ihre Schicht beginnt und wann sie endet. Der Ausgleich, der durch eine „bezahlte Pause“ für jede geleistete tarifliche Nachtarbeitsstunde gewährt werden würde, wäre bei gleichlangen Schichten umso geringer, umso mehr Nachtarbeit anfällt. Besonders hoch wäre der Ausgleich - bezogen auf die einzelne geleistete Nachtarbeitsstunde - wenn der größte Teil der Schicht auf die Zeit vor 22:00 Uhr oder nach 6:00 Uhr fällt. Dies verdeutlichen die von der Beklagten aufgeführten Schichtbeispiele. So erhält der Servicechef auf dem Zug Rom-München (Bl. 221 d. A.) bei einem Dienstschichtbeginn um 18:30 Uhr und einem Schichtende um 07:30 Uhr eine Pause von 45 Minuten (§ 4 Satz 1 ArbZG). Da nach § 3 Ziff. 3.2 Satz 1 und 3 c) ErgTV SiZ/West allerdings kein Pausenabzug von der bezahlten Arbeitszeit vorzunehmen ist, erhielte er für seine insgesamt acht tariflichen Nachtarbeitsstunden jeweils 5,625 bezahlte Minuten als „Ausgleich“. Beginnt die Dienstschicht erst um 24:00 Uhr und endet sie um 10:00 Uhr, erfolgt für die 45minütige Pause nach § 4 ArbZG ebenfalls kein Zeitabzug, da die sechs Stunden tariflicher Nachtarbeit (24:00 Uhr bis 6:00 Uhr) bei der Länge der Dienstschicht nicht zu berücksichtigen sind. In diesem Fall betrüge der „Ausgleich“ trotz geringerer Nachtarbeit für jede geleistete Nachtarbeitsstunde schon 7,5 Minuten. Der Steward auf dem Zug Prag-Amsterdam, dessen Schicht von 17:15 Uhr bis 00:15 Uhr dauert (Bl. 222 d. A.) erhält eine Pause von 30 Minuten nach § 4 Satz 1 ArbZG, für die nach § 3 Ziff. 3.2 Satz 1 und 3 c) ErgTV SiZ/West kein Pausenabzug vorzunehmen ist. Bezogen auf die einzelne tarifliche Nachtarbeitsstunde betrüge sein „Ausgleich“ damit für jede der insgesamt nur 2,25 geleisteten Nachtarbeitstunden sogar 13,33 bezahlte Minuten. Bei der Fahrt Berlin-Bad Schandau beginnt die Schicht des Servicemitarbeiters um 12:45 Uhr und endet um 22:45 Uhr (Bl. 220 d. A.). Da von der zehnstündigen Schichtzeit 2,75 Stunden in die Zeit von 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr fallen, beträgt die für den Pausenabzug zugrunde zulegende „fiktive“ Länge der Dienstschicht nur 7,25 Stunden. Damit sind nach der Regelung in § 3 Ziff. 3.2 Satz 1 und 3 c) ErgTV SiZ/West lediglich 12 Minuten als unbezahlte Pause von der Arbeitszeit abzuziehen. Da der Arbeitnehmer aber tatsächlich eine 45minütige Pause nach § 4 Satz 1 ArbZG erhalten muss, betrüge sein „Ausgleich“ für die geleistete tarifliche Nachtarbeit von nur 0,75 Stunden sogar 33 Minuten. Demgegenüber würde derselbe Arbeitnehmer (Bl. 220 d. A.), der um 05:15 Uhr seine Dienstschicht in Bad Schandau antritt und um 09:45 Uhr in Berlin beendet (Schichtzeit 4,5 Stunden) für seine 0,75 Nachtarbeitsstunden (05:15 Uhr bis 06:00 Uhr) keinerlei Vergünstigung durch die tarifliche Regelung erhalten, da weder ein Pausenabzug vorzunehmen, noch eine Pause nach dem ArbZG zu gewähren ist. Dies zeigt, dass bei gleichlangen Schichten der „Ausgleich“ für jede einzelne Nachtarbeitsstunde umso höher wäre, je geringer der Anteil an der Nachtarbeit in einer Schicht ist. Ein derartiger Effekt lässt nicht die Annahme zu, dass mit § 3 Ziff. 3.2 Satz 3 c) ErgTV SiZ/West eine stillschweigende tarifliche Kompensation für die mit der Nachtarbeit verbundenen zusätzlichen Belastungen vereinbart werden sollte.

(b) Auch die tarifliche Systematik bietet hierfür keine Anhaltspunkte. Inhaltlich weist der Regelungsgegenstand „Pausen“ keinen direkten Bezug zum Regelungsgegenstand „Nachtarbeit“ auf. Dass die Tarifvertragsparteien beide Regelungen als zwei unterschiedliche Themenbereiche angesehen haben, ergibt sich auch daraus, dass § 3 Ziff. 3.9 ErgTV SiZ/West Vorschriften zur „Nachtarbeit“ enthält, diese aber keinen Hinweis auf die Pausenregelung beinhalten (ebenso LAG Hamburg 10. Oktober 2012 - H 6 Sa 35/12 -).

(c) Die Tarifgeschichte liefert ebenfalls keinen Anhaltspunkt für eine stillschweigende Kompensation. Im Gegensatz zum ErgTV SiZ/West, der nur noch einen ausdrücklichen Nachtzuschlag für stationär beschäftigte Arbeitnehmer vorsieht, sahen die Manteltarifzusatz- und Entgelttarifverträge der M. vom 26. Juni 1991 und 11. Januar 1993 in Ziff. 8.7 einen pauschalen (auch Sonntagsarbeit umfassenden) Nachtarbeitszuschlag für die Arbeitnehmer im Fahrdienst vor (Ziff. 8.7.3). Gleichzeitig enthielten die Tarifverträge in Ziff. 8.5.1 auch schon eine Regelung über bezahlte Pausenzeiten bei einer Dienstzeit von länger als acht Stunden. Die Abschaffung eines zuvor ausdrücklich vereinbarten Nachtarbeitszuschlags in einem nachfolgenden Tarifvertrag lässt vielmehr den Schluss darauf zu, dass auch keine stillschweigende Kompensation für die Fahrdienstmitarbeiter mehr erfolgen sollte.

(d) Das vorliegende Verständnis des ErgTV SiZ/West wird durch die Regel bestätigt, dass bei der Auslegung von Tarifnormen im Zweifel anzunehmen ist, die Tarifvertragsparteien wollten Regelungen treffen, die nicht wegen Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht unwirksam oder angreifbar sind (BAG 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - NZA 1994, 191). Zwar sind die Tarifvertragsparteien grundsätzlich befugt, aus Gründen der Praktikabilität tarifliche Leistungen zu pauschalieren (vgl. nur BAG 27. Februar 2007 - 3 AZR 734/05 - BAGE 121, 321). Eine Regelung, die unabhängig von der tatsächlichen Heranziehung zu Nachtarbeit für alle Arbeitnehmer einen - pauschalen - Ausgleich für Nachtarbeit vorsieht, wäre unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG allerdings erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt (vgl. BAG 26. April 2005 - 1 ABR 1/04 - NZA 2005, 884). Die von Art. 3 Abs. 1 GG vorgegebene Grenze, nach der wesentlich Gleiches nicht ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedlich behandelt werden darf, wäre auch überschritten, wenn - wie vorliegend - die Höhe des Ausgleichs nicht in Relation zum Umfang der tatsächlich geleisteten Nachtarbeit stünde.

(e) Aus Ziff I Nr. 5 TV 2012 ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nichts anderes. Die Regelung ist für die Auslegung des ErgTV SiZ/West schon deshalb unbeachtlich, weil sie nicht von denselben Tarifvertragsparteien wie der ErgTV SiZ/West abgeschlossen wurde. Unabhängig hiervon lässt die Bestimmung auch nicht den Schluss zu, dass die tarifliche Pausenregelung einen stillschweigenden Ausgleich für die Nachtarbeit darstellt. Hätte es sich um einen solchen gehandelt, wäre es sinnwidrig gewesen, diesen bei der Vereinbarung ausdrücklicher Nachtzuschläge unverändert aufrecht zu erhalten. Dies gilt jedenfalls ab dem Zeitpunkt, ab dem nach Ziff. II Nr. 2 TV 2012 die stationär beschäftigten Arbeitnehmer ebenfalls die in Ziff. 1 geregelten Nachtzuschläge erhalten. Damit haben die Tarifvertragsparteien ihren Regelungswillen zum Ausdruck gebracht, dass ab dem 1. Januar 2014 die stationär beschäftigten Arbeitnehmer nach den gleichen Maßstäben für die Nachtarbeit vergütet werden sollen wie die Mitarbeiter im Fahrdienst. Eine Beibehaltung der Pausenregelung für Mitarbeiter im Fahrdienst als (weitergehender) stillschweigender Nachtarbeitszuschlag stünde dem entgegen (LAG Hamburg 10. Oktober 2012 - H 6 Sa 35/12 -).

(3) Auch die besonderen Regelungen zur Beteiligung der Mitarbeiter im Nachtreiseverkehr am Bruttoumsatz aus dem Verkauf von Speisen und Getränken sowie am Endpreis der benutzten Bett- und Liegekarten (§ 3 Ziff. 15.3 ErgTV SiZ/West) stellen keine stillschweigende Ausgleichsregelung für die Belastung der Nachtarbeit dar.

(a) Nach den tariflichen Bestimmungen müssen Mitarbeiter im Tagservice zunächst die ihnen gewährte Garantieprovision verdienen, bevor sich erzielte Umsätze vergütungserhöhend auswirken. Demgegenüber erhalten Mitarbeiter im Nachtreiseverkehr alle erzielten Umsatzbeteiligungen zusätzlich. Außerdem haben sie die Möglichkeit, eine Bettenprovision in Höhe von 1,5 % vom Endpreis der benutzten Bett- und Liegekarten zu verdienen.

(b) Die Regelungen knüpfen ausschließlich an den Verkaufserfolg der Mitarbeiter an. Dass die Tarifvertragsparteien hiermit einen Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen schaffen wollten, lässt sich dem Tarifvertrag nicht entnehmen (ebenso LAG Hamburg 10. Oktober 2012 - H 6 Sa 35/12 -). Die Regelungen gehören zu den Bestimmungen, die das tariflich vorgesehene Gemischtlohnsystem aus Grundvergütung und Umsatzbeteiligung betreffen. Die Rahmenbedingungen für die Erwirtschaftung von Umsatzprovisionen im Tagservice und im Nachtreiseverkehr sind unterschiedlich. In der Nacht kaufen Kunden erfahrungsgemäß weniger Speisen und Getränke. Mit der tariflichen Regelung wollten die Tarifvertragsparteien ersichtlich nur diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die Erzielung von Umsätzen ausgleichen. (LAG Hamburg 10. Oktober 2012 - H 6 Sa 35/12 -).

(4) Gegen einen stillschweigenden Ausgleich der Nachtarbeit spricht auch der tarifliche Regelungszusammenhang. § 5 Ziff. 3 Satz 3 MTV gibt zusammen mit der weiteren tariflichen Bestimmung zur Zahlung eines Nachtarbeitszuschlages im stationären Dienst der Beklagten einen Hinweis darauf, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien für Nachtarbeit im Fahrdienst weder eine zusätzliche Vergütung - in welcher Form auch immer - noch ein bezahlter Freizeitausgleich gewährt werden sollte (vgl. BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - NZA-RR 2011, 581).

4. Für die Zeit ab dem 1. März 2012 enthält Ziff. I TV 2012 eine ausdrückliche Ausgleichsregelung für die Nachtarbeit. Entgegen der Ansicht des Klägers findet der TV 2012 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Dies ergibt eine ergänzende Auslegung von § 11 Abs. 1 seines Arbeitsvertrags.

a) § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrags enthält von seinem unmittelbaren Wortlaut her eine zeitdynamische Bezugnahme auf den Rahmenmanteltarifvertrag der M. und den Manteltarifzusatz- und Entgelttarifvertrag des Geschäftsbereiches SiZ. Allerdings beschränkt sich der Inhalt der Verweisungsklausel nicht auf diese beiden Bezugsobjekte. Vielmehr ist die Regelung dahin zu verstehen, dass alle von der M. abgeschlossenen und für den Geschäftsbereich SiZ anwendbaren Tarifverträge in Bezug genommen werden sollten. Dies lässt sich aus dem ebenfalls in der Klausel enthaltenen Verweis auf die Geltung der Betriebsvereinbarungen des Arbeitgebers ableiten. Der Kläger konnte aus dieser - wegen § 77 Abs. 4 BetrVG an sich überflüssigen - Bezugnahme hinreichend deutlich erkennen, dass es seinem Arbeitgeber mit der Klausel darauf ankam, dass die für den Betrieb einschlägigen kollektiv-rechtlichen Rechtsnormen Anwendung finden sollten (vgl. hierzu auch BAG 23. Januar 2008 - 4 AZR 602/06 - AP Nr. 63 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Die namentliche Nennung der beiden Tarifverträge in § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages erklärt sich zwanglos daraus, dass bei Abschluss des Arbeitsvertrags im September 1993 bei der M. für den Geschäftsbereich SiZ lediglich diese beiden Tarifverträge maßgeblich waren. Damit erfasste die Verweisungsklausel auch den - den Rahmenmanteltarifvertrag und den Manteltarifzusatz- und Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer des Geschäftsbereichs SiZ mit Wirkung zum 1. Juli 1994 erstmals ablösenden - ErgTV SiZ/Ost in seiner jeweiligen Fassung.

b) Die Bezugnahme erfasst nach ihrem Wortlaut allerdings nicht die von der Beklagten nach dem Betriebsübergang mit der NGG abgeschlossenen tariflichen Vereinbarungen, mit denen das am 1. Juli 2002 für den Geschäftsbereich SiZ geltende Tarifrecht der M. AG geändert oder ergänzt wurde. Hierzu gehört auch der TV 2012. § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrags ist zwar zeit-, nicht jedoch inhaltsdynamisch ausgestaltet. Die Klausel kann aufgrund ihres Wortlauts nicht unmittelbar dahin ausgelegt werden, dass sie einen Tarifwechsel zu den vom Betriebserwerber mit der NGG abgeschlossenen Haustarifverträgen ermöglicht.

c) Die Anwendbarkeit dieser Tarifverträge - insbesondere des TV 2012 - ergibt sich allerdings aufgrund einer ergänzenden Auslegung des Arbeitsvertrags. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält eine nachträglich eingetretene Regelungslücke, die im Wege einer zulässigen ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist.

aa) Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist, dass eine Vereinbarung eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - NZA 2010, 1183; BAG 21. April 2009 - 3 AZR 640/07 - AP BetrAVG § 2 Nr. 60). Eine Regelungslücke liegt dabei nur vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder zwar nicht übersehen, aber doch bewusst deshalb offen gelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben und diese Annahme sich nachträglich als unzutreffend herausstellt. Von einer Planwidrigkeit kann nur die Rede sein, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrages eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - NZA 2010, 118.; 21. April 2009 - 3 AZR 640/07 - AP BetrAVG § 2 Nr. 60).

bb) Danach ist § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages seit dem Betriebsteilübergang auf die Beklagte planwidrig lückenhaft.

(1) Die Lückenhaftigkeit der Verweisungsklausel ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die in der Verweisungsklausel enthaltene Dynamik auf die Haustarifverträge der M. infolge des Betriebsteilübergangs im Juli 2002 auf die Beklagte endete. Zwar wurde der Arbeitsvertrag des Klägers vor dem 1. Januar 2002 geschlossen, so dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts diese Klausel aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen ist (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 70; 26. August 2009 - 4 AZR 285/08 - AP TVG § 3 Nr. 45; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - BAGE 116, 326). Dies hätte zur Folge, dass bei einem Betriebsübergang auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber die in der Klausel angelegte Dynamik enden würde. Die Beklagte war indes ebenfalls an das arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifwerk der M. AG gebunden. Sie hat anlässlich der Übernahme des Bereichs Nachtverkehr aus dem Geschäftsbereich SiZ am 28. Juni 2002 mit der NGG eine schriftliche Vereinbarung über die weitere Anwendung der bei der M. AG zum Zeitpunkt des Übergangs für den Geschäftsbereich SiZ geltenden Tarifverträge getroffen. Diese Vereinbarung stellt – hinsichtlich ihres ersten Gliederungspunktes - einen Anerkennungstarifvertrag dar. Die Tarifparteien haben ausdrücklich vereinbart, dass das Verhandlungsergebnis ab dem 1. Juli 2002 zwischen ihnen „mit Tarifqualität“ gelten sollte. Jedenfalls im ersten Gliederungspunkt enthielt die Vereinbarung auch Rechtsnormen zur Regelung der Rechte und Pflichten im Verhältnis der Beklagten als Arbeitgeber und der bei ihr beschäftigten tarifunterworfenen Arbeitnehmer. Diese bestanden darin, dass die im Einzelnen aufgeführten Tarifverträge zur Anwendung gelangen sollten. Auch dem Schriftformerfordernis nach § 126 BGB i. V. m. § 1 Abs. 2 TVG war genüge getan. Dass der als Vereinbarung bzw. als „Ergebnis der Verhandlungen“ betitelte Vertrag nicht als Tarifvertrag bezeichnet ist, ist insoweit unerheblich, da er aufgrund der ausdrücklich bezeichneten Tarifqualität der Sache nach als solcher anzusehen war (vgl. BAG 26. Januar 1983 - 4 AZR 224/80 - BAGE 41, 307; 16. Mai 2012 – 4 AZR 366/10 -). Infolge des Anerkenntnistarifvertrags war die Beklagte daher zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs ebenfalls nach § 4 Abs. 1 TVG an die von der Verweisungsklausel erfassten Tarifverträge gebunden.

(2) Die Klausel wurde jedoch lückenhaft, weil die Beklagte in der Folgezeit von den anerkannten Tarifverträgen der M. AG abweichende oder diese ergänzende weitere Tarifverträge – u.a. über die Monatsentgelttabellen, den Einführungstarifvertrag DB ERS vom 1. Juli 2004 (vgl. TV 2012 unter „Geltungsbereich“) sowie den TV 2012 - mit der NGG abgeschlossen hat, während das durch den Anerkenntnistarifvertrag erfasste Tarifwerk der M. AG für den Geschäftsbereich SiZ nicht mehr dynamisch weiter entwickelt wurde. Aufgrund der Übertragung des Nachtgeschäfts auf die Beklagte sowie des Taggeschäftes auf die DB R. & T. AG wurden von der M. AG nach 2002 keine Tarifverträge mehr für den Geschäftsbereich SiZ geschlossen. Damit hatte die Verweisungsklausel zur Folge, dass der Kläger an der dynamischen tariflichen Entwicklung bei der Beklagte nicht teilnahm, obwohl sich aus der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf die bei der M. AG jeweils geltenden Haustarifverträge für den Geschäftsbereich SiZ der Wille der Parteien ergibt, die Arbeitsbedingungen nicht in einer bestimmten Weise festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der Tarifentwicklung des Arbeitgebers auszurichten.

(3) Die Regelungslücke war planwidrig. Die Parteien des Arbeitsvertrags haben bei Abschluss des Arbeitsvertrags weder bedacht, dass die dynamisch in Bezug genommenen Haustarifverträge der M. AG für den Geschäftsbereich SiZ von dieser eines Tages nicht mehr fortgeführt werden könnten, noch dass der Geschäftsbereich SiZ auf einen Dritten – die Beklagte – übertragen wird und von dieser ein eigenes dynamisches Tarifrecht für diesen Bereich entwickelt werden würde.

cc) Die damit entstandene nachträgliche Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Diese ergibt, dass die Parteien auch die von der Beklagten mit der NGG abgeschlossenen Tarifverträge für den Geschäftsbereich SiZ in Bezug genommen hätten.

(1) Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung tritt an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingungen bekannt gewesen wäre (vgl. BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - NZA 2010, 401; 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - BAGE 122, 182). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen typisierten Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da die ergänzende Vertragsauslegung eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend schließt (BGH 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03 - BGHZ 164/297). Dies gilt auch, wenn eine Lücke sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat (BGH 6. Juli 1989 - III ZR 35/88 - NJW-RR 1989, 1490). Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrages „zu Ende gedacht“ werden (BGH 20. September 1993 - II ZR 104/92 - BGHZ 123, 281).

(2) Ausgehend von diesen Maßstäben hätten die Parteien redlicherweise auch das von der Beklagten - als neuer Arbeitgeberin - für den Geschäftsbereich SiZ mit der NGG vereinbarte Tarifrecht in Bezug genommen. Eine statische Regelung der Arbeitsbedingungen hätte, wie die dynamische Bezugnahmeklausel zeigt, ihren Interessen nicht entsprochen. Vielmehr lässt sich sowohl aus dem Hinweis auf den Tarifvertrag für den Geschäftsbereich SiZ als auch aus dem Verweis auf die geltenden Betriebsvereinbarungen ableiten, dass jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem die Beklagte einen Teil des Geschäftsbereichs übernommen und ausschließlich diesen fortgeführt hat, die in diesem Bereich für die Arbeitnehmer geltenden, von der neuen Arbeitgeberin mit der bisherigen Gewerkschaft abgeschlossenen Haustarifverträge dynamisch Anwendung finden sollen. Dem entspricht im Übrigen auch die Vertragspraxis der Parteien. Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie auf alle Arbeitnehmer - mithin auch auf den Kläger - die von ihr mit der NGG abgeschlossenen Tarifverträge zur Anwendung bringt. Dementsprechend wurde auch das Entgelt des Klägers - zumindest bis Dezember 2009 - entsprechend der tariflichen Regelungen gezahlt. Es ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, dass der Kläger gegen diese Vorgehensweise Einwendungen erhoben hätte. Vielmehr begehrt er mit seinem Antrag zu 2) selbst einen sich auf den (jeweiligen) Tariflohn beziehenden Zuschlag.

5. Damit steht dem Kläger nur für die in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 29. Februar 2012 geleistete Nachtarbeit ein angemessener Ausgleich nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu. Dieser besteht darin, dass dem Kläger wahlweise ein Zuschlag in Höhe von 25 % des Tariflohns zu zahlen oder ihm ein bezahlter freier Tag für jeweils 32 zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunden zu gewähren ist (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 19. August 2011 - 10 Sa 145/11 - für eine Stewardess mit Zugschaffnerfunktion).

a) Ein solcher Ausgleich ist vorliegend angemessen.

aa) Die Frage, ob eine Leistung „angemessen“ ist, richtet sich regelmäßig nach der Gegenleistung, für die sie bestimmt ist. Auch wenn der Zweck der Ausgleichsleistung die mit der Nachtarbeit für die Arbeitnehmer verbundenen Nachteile ausgleichen soll, können die Umstände des Einzelfalls nicht außer Acht gelassen werden (BAG 5. September 2002 - 9 AZR 202/01 - NZA 2003, 563). Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig von einem als angemessen anzusehenden Prozentsatz von 25 % auszugehen (BAG 27. Mai 2003 - 9 AZR 180/02 - AP ArbZG § 6 Nr. 5; 1. Februar 2006 - 5 AZR 422/04 - NZA 2006, 494; 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - AuA 2009, 486). Ein geringerer Ausgleich ist erforderlich, wenn in die Nachtarbeit Arbeitsbereitschaft fällt (BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - AuA 2009, 486) oder wenn der mit dem Zuschlag verfolgte Zweck, Nachtarbeit einzuschränken, nicht erreicht werden kann (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - NZA 2006, 324). Umgekehrt kann ein höherer Prozentsatz gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer dauernd in der Nacht eingesetzt wird (BAG 27. Mai 2003 - 9 AZR 180/02- AP ArbZG § 6 Nr. 5). Außerdem soll der Nachtarbeitszuschlag in einem gewissen Umfang den Arbeitnehmer für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen (BAG 5. September 2002 - 9 AZR 202/01 - NZA 2003, 563).

bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall ein Zuschlag von 25 % der tariflichen Vergütung des Klägers für jede zwischen 23:00 Uhr 06:00 Uhr von ihm geleistete Arbeitsstunde angemessen.

(1) Aufgrund des dauerhaften Einsatzes des Klägers in den Nachtstunden wäre grundsätzlich eine Erhöhung des regelmäßig als angemessen anzusehenden Prozentsatzes von 25 sachgerecht. Denn eine dauerhaft während der Nacht zu leistende Arbeit ist gesundheitlich belastender als eine nur an einzelnen Tagen oder einzelnen Wochen in kürzeren Wechseln zur Tagschicht zu leistende Arbeit (vgl. zu diesem Argument nur BAG 27. Mai 2003 - 9 AZR 180/02 - AP Nr. 5 zu § 6 ArbZG). Nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen sollte die Anzahl der aufeinander folgenden Nachtschichten möglichst gering gehalten werden (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit, 9. Aufl. Januar 2005, S. 12). Auch ist die Teilhabe am sozialen Leben für dauernd in der Nacht Beschäftigte deutlich stärker beeinträchtigt, so dass sie deshalb ebenfalls besonders zu entschädigen sind (LAG Berlin-Brandenburg 19. August 2011 - 10 Sa 1450/11 -; LAG Hamburg 10. Oktober 2012 - H 6 Sa 35/12 -).

(2) Andererseits ist zu berücksichtigen, dass in die Nachtarbeit des Klägers ein nicht geringer Anteil von Arbeitsbereitschaft - in der Regel mindestens 30 % - fällt. Dies wäre zum Ausgleich wieder anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Auch der vom Gesetzgeber angeführte Zweck, Nachtarbeit durch Verteuerung unattraktiv zu machen, kommt vorliegend nicht zum Tragen (vgl. hierzu nur BAG 11. Februar 2009 - 5 AZR 148/08 - AP Nr. 9 zu § ArbZG). Denn angesichts des Betriebszwecks ist Nachtarbeit für die Beklagte unvermeidbar. Die Beklagte stellt Servicemitarbeiter für die von ihrer Muttergesellschaft betriebenen Nacht- und Autoreisezüge zur Verfügung. Weder hat sie Einfluss auf die Einsatzzeiten der Züge, noch können diese generell in den Tag verlegt werden.

(3) Der Verweis der Beklagten, auf die tariflichen Ausgleichsleistungen in den Tarifverträgen anderer Konzernunternehmen, geht fehl. Zwar können die im Wirtschaftszweig des Arbeitgebers bestehenden Tarifverträge eine Orientierung hinsichtlich der Angemessenheit bieten (vgl. BAG 27. Mai 2003 - 9 AZR 180/02 - AP ArbZG § 6 Nr. 5). Zwingend ist dies jedoch nicht (BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - NZA-RR 2011, 581). Die von der Beklagten vorgelegten Tarifverträge gelten für andere Unternehmen mit einem anderen Unternehmenszweck. Es ist auch nicht ersichtlich, dass bei den von diesen Bestimmungen erfassten Mitarbeitern dauerhaft und regelmäßig Nachtarbeit anfällt. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte selbst mit der NGG den TV 2012 abgeschlossen hat, der ab dem 1. März 2012 einen in zwei Stufen bis zum 1. Januar 2014 auf 25 % ansteigenden Nachtzuschlag vorsieht. Diese Regelung verdeutlicht, dass die Tarifvertragsparteien letztlich einen Nachtzuschlag von 25 % für angemessen halten. Soweit für die Zeit vor dem 1. Januar 2014 ein geringerer Zuschlag vereinbart wurde, dürfte dies der durch die Zahlung des Zuschlags verursachten wirtschaftlichen Belastung der Beklagten geschuldet sein. Ob dieses Argument im Hinblick auf Sinn und Zweck von § 6 Abs. 5 ArbZG bei der Bemessung des Ausgleichs überhaupt berücksichtigt werden kann, konnte dahinstehen. Jedenfalls hat die Beklagte hierzu keinen Vortrag gehalten.

(4) Ein Rückgriff auf § 3 Ziff. 4.3 ErgTV SiZ/Ost ist vorliegend nicht möglich. Die genannte Bestimmung gilt ausdrücklich nicht für Beschäftigte im Fahrdienst. Zudem sind die stationär tätigen Mitarbeiter regelmäßig in der gesundheitlich weniger belastenden Wechselschicht eingesetzt. Deshalb kann der tariflichen Ausgleichsregelung im vorliegenden Fall keine besondere Bedeutung für die Bestimmung der angemessenen Ausgleichsleistung im Fahrdienst zukommen (LAG Berlin-Brandenburg 19. August 2011 - 10 Sa 1450/11).

b) Grundsätzlich kann der Arbeitgeber wählen, ob er den Ausgleichsanspruch des § 6 Abs. 5 ArbZG durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt (BAG 1. Februar 2006 - 5 AZR 422/04 -). Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen erst dann, wenn der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausübt (BAG 5. September 2002 - 9 AZR 202/01). Vorliegend hat die Beklagte von ihrem Wahlrecht noch keinen Gebrauch gemacht.

6. Die Zahl der im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. November 2011 vom Kläger geleisteten Nachtarbeitsstunden ist zwischen den Parteien unstreitig. Daraus ergibt sich folgende Berechnung:

Januar 2008 - August 2008:

        

213,5 Nachtarbeitsstunden x 7,52 € x 25 % =

        

401,38 €

September 2008 - Dezember 2009:

        

441,75 Nachtarbeitsstunden x 7,86 € x 25 % =

        

868,04 €

Januar 2010 - März 2011:

        

497,1 Nachtarbeitsstunden x 8,94 € x 25 % =

        

1.109,78 €

April 2011 - November 2011:

        

296,68 Nachtarbeitsstunden x 9,15 € x 25 % =

        

678,66 €.

Dies ergibt die Summe von 3.057,86 €. Da die Angemessenheit im Sinne von § 6 Abs. 5 ArbZG grundsätzlich nach einem einheitlichen Maßstab zu beurteilen ist (BAG 1. Februar 2006 - 5 AZR 422/04 - NZA 2006, 494; LAG Berlin-Brandenburg 19. August 2011 - 10 Sa 1450/11 -), kann der Kläger bei einem Acht-Stunden-Tag für je 32 in der Nacht zischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleisteten Stunden einen bezahlten freien Tag beanspruchen. Bei insgesamt 1.449,03 Nachtarbeitsstunden stehen dem Kläger daher insgesamt 45,28 Tage als Ausgleich für die Zeit von Januar 2008 bis November 2011 zu.

7. Der Anspruch des Klägers ist nicht nach § 16 MTV oder nach § 8 ErgTV SiZ/Ost verfallen. Der Anwendungsbereich beider Tarifnormen erfasst den gesetzlichen Anspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG nicht (BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 - NZA-RR 2011, 581).

8. Der Zinsanspruch auf die Geldleistung folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

II. Die Kosten des Rechtsstreits ergeben sich aus dem Umfang des Obsiegens und Unterliegens der Parteien (§ 92 Abs. 1 ZPO). Bei einem Streitwert von - richtigerweise - insgesamt 10.910,40 € in der ersten Instanz hat die Beklagte die Kosten zu 31 % zu tragen. Soweit der Kläger unterlegen ist und in der ersten Instanz die Klage zurückgenommen hat, waren ihm die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen (§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO). Dies führt zu einer Kostenlast von 69 % für den Kläger. Bei einem Streitwert von insgesamt 5.282,65 EUR für die beiden Berufungen ergab sich eine Kostenlast für den Kläger von 48 % und von 52 % für die Beklagte (§ 92 Abs. 1 ZPO).

III. Die Zulassung der Revision für die Beklagte beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Für den Kläger kam die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht in Betracht. Es handelt sich insoweit um eine am Einzelfall orientierte Entscheidung ohne grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar.

[ Hinweis der Dokumentationsstelle: Der Berichtigungsbeschluss vom 5.12.2012 wurde in den Entscheidungstext eingearbeitet und lautet:

Beschluss vom 5.12.2012

I. Der Tenor des am 25. Oktober 2012 verkündeten Urteils wird wie folgt berichtigt:

“III. Die Kosten der ersten Instanz haben die Beklagte zu 31 % und der Kläger zu 69 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 48 % und die Beklagte zu 52 % zu tragen.

Der nachfolgende Tenor zu III. wird IV.“

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berichtigung war nach § 319 Abs. 1 ZPO vorzunehmen. Denn versehentlich wurde die Kostenentscheidung nicht in den Tenor aufgenommen, obwohl sie ausweislich der Entscheidungsgründe von der Kammer getroffen wurde. In einem solchen Fall ist die Urteilsberichtigung und nicht die Ergänzung des Urteils nach § 321 ZPO einschlägig (vgl. nur BGH 30. September 1981 - IVb ZB 805/81 - VersR 1982, 70; OLG Hamm 3. April 1986 - 2 U 165/85 - NJW-RR 1986, 1444; OLG Sachsen-Anhalt 17. Februar 2010 - 5 U 97/09 -; Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 319 Rn. 10, 18).

Die Entscheidung ergeht durch die Vorsitzende allein (§§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen (§§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG iVm. § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). ]