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Unfallbegriff - äußeres Ereignis - haftungsbegründende Kausalität - Gelegenheitsursache - zystische Medianekrose - Aorten-Dissektion


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 24.04.2012
Aktenzeichen L 3 U 255/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 8 SGB 7

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 30. April 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung eines Ereignisses vom 26. Dezember 2002 als Arbeitsunfall.

Der 1967 geborene Kläger war seit Oktober 1998 als Koch im Landgasthof K L in S beschäftigt. Bereits am 25. März 1999 war bei ihm ein Aneurysma dissecans der Aorta ascendens und des proximalen Aortenborgens festgestellt und im D H B (DHZB) mittels einer Aortenklappenrekonstruktion sowie eines suprakoronaren Einsatzes der Aorta ascendens sowie des Teilbogens mir einer Gefäßprothese behandelt worden. Es waren folgende Diagnosen gestellt worden: Aneurysma der Aorta ascendens und des proximalen Bodens, chronische TypA-Dissektion, Aorteninsuffizienz III. Grades, arterieller Hypertonus, β-Blocker-Unverträglichkeit. Im November 2002 hatte er sich bei cerclagenbedingten thorakalen Schmerzen erneut im DHZB vorgestellt, woraufhin eine komplette Drahtcerclagenentfernung sowie eine Tumorexzision in der linken Leiste (Epidermiszyste) durchgeführt worden waren (vgl. die Entlassungsberichte <EB> des DHZB vom 26. Juni 1999, 07. November 2002 und 04. Februar 2003).

Am Ende seiner Arbeitsschicht am 26. Dezember 2002, kurz vor 23 Uhr, befand sich der Kläger in der Dusche, als er einen plötzlichen Schmerz im Rücken bis in die Leiste verspürte. Er konnte nur noch einige Schritte gehen und brach zusammen (so der EB des DHZB vom 04. Februar 2003). Seine Hilferufe alarmierten den Kollegen P Z. Um 23:01 Uhr wurde der Notarztwagen alarmiert, der um 23:10 Uhr eintraf. Im Notarzteinsatzprotokoll wurde als Notfallgeschehen eingetragen: „In der Dusche drehende Körperbewegung gemacht nach rechts, dabei messerstichartigen Schmerz im Bereich der unteren Brustwirbelsäule verspürt, konnte noch einige Schritte gehen, dann zusammengesackt, jetzt Taubheitsgefühl im rechten Bein und Schmerzen“. Der Kläger wurde ins H Klinikum B B transportiert, wo eine Ischämie des rechten Beins ab dem Unterschenkel festgestellt (Erst-Hilfe-Bericht vom 27. Dezember 2002) und als Unfallhergang aufgenommen wurde: „Unter der Dusche stehend, plötzlich stärkste Schmerzen zwischen den Schulterblättern verspürt den Rücken entlang ziehend über die rechte Gesäßhälfte bis ins rechte Bein, Bein selbst taub, ca. ½ Stunde nach schwerer körperlicher Anstrengung“ (vgl. den Anamnesebogen des H Klinikums B B). Anhand eines Computertomogramms (CT) wurde u. a. ein Dissekat der Aorta descendens mit Übergreifen auf die Aorta abdominalis bis zur Bifurkation und auf die rechte Aorta iliaca communis festgestellt. Nach Verlegung in das DHZB am selben Tag wurden dort u. a eine Rest-Dissektion der Aorta, eine akute Verlegung beider Beckenarterien durch Dissektionsmembran mit kompletter Ischämie des rechten Beines und ein postoperatives akutes Nierenversagen diagnostiziert. Es erfolgten eine Aortenrekonstruktion mit endocvaskulärer Fenestration und Einsatz eines Stents in die abdominelle Aorta, eine Fasziotomie am rechten Unter- und Oberschenkel sowie eine Spalthautdeckung der Unterschenkelinzisionen und Sekundärnaht vom Oberschenkel. Er befand sich bis zum 03. Februar 2003 in stationärer Behandlung. Vom 11. Februar bis zum 27. Februar 2003 erfolgte eine weitere stationäre Behandlung im DHZB wegen einer hochgradigen Parese des rechten Beins und Sensibilitätsstörungen.

Am 04. Juni 2003 ging bei der Beklagten die Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 02. Juni 2003 ein mit der Angabe, der Kläger sei vor der Kühlzelle im Kellerbereich ausgerutscht und habe sich das rechte Bein verletzt. Am 12. Juni 2003 stellte sich der Kläger bei Dr. K-B vor, der anhand eines Magnetresonanztomogramms (MRT) vom 26. April 2003 eine Meniskusläsion des rechten Kniegelenks feststellte (Durchgangsarztbericht <DAB> vom 12. Juni 2003). Im DAB hieß es weiterhin, ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Der Sturz sei aus innerer Ursache – nach Platzen des Dissekats – geschehen. Am 11. Juli 2003 erfolgte stationär in der A Klinik B eine diagnostische Arthroskopie, bei der eine Chondromalazie II.-III.° retropatellar festgestellt wurde (EB vom 15. Juli 2003). Auf Nachfrage der Beklagten teilten die behandelnden Internisten B und Dr. H unter dem 18. Juli 2003 mit, der Kläger sei nach dem Heraustreten aus der Duschkabine nach einer Drehbewegung zu Fall gekommen und auf den Boden gestürzt. Ein Kollege habe ihm beim Aufstehen geholfen und ihn auf eine Bank gesetzt. Kurze Zeit danach habe der Kläger einen stechenden Schmerz in die rechte Leiste bemerkt und es sei schnell zum Anschwellen des rechten Beins gekommen. Somit sei die Ruptur der Aorta Folge des Sturzes.

Die Beklagte teilte daraufhin der Krankenkasse des Klägers mit Schreiben vom 28. Juli 2003 mit, es würden keine Leistungen mehr gewährt, denn es liege kein Arbeitsunfall vor. Gegen dieses Schreiben legte der Kläger Widerspruch ein und übersandte den Erste-Hilfe-Bericht vom 27. Dezember 2002 sowie den EB des DHZB vom 04. Februar 2003. Zum Unfallhergang gab er an, als er mit dem Duschen fertig gewesen sei und aus der Dusche habe herausgehen wollen, sei er ausgerutscht und an der Bodenkante hängen geblieben. Danach habe er um Hilfe gerufen. Sein Kollege P Z, der nebenan gewesen sei, habe ihn langsam hochgehoben. Er – der Kläger – habe vor Schmerzen im Rücken und im rechten Bein geschrieen. Kurze Zeit danach habe er kein Gefühl mehr in den Beinen gehabt. Im Notarztwagen sei er nach eiern Spritze bewusstlos geworden und habe von da an 10 Tage im Koma gelegen. In einer schriftlichen Zeugenaussage vom 30. August 2003 bekundete der Kollege Z, er habe durch den dumpfen Knall des Aufschlages des Klägers in der Dusche Kenntnis von dem Ereignis erlangt. Der Kläger sei in der Dusche ausgerutscht über der Kante. Verletzungen habe er keine gesehen.

Die Beklagte beauftragte den Oberarzt der Klinik für Herz-, Thorax-, und Gefäßchirurgie des DHZB, Dr. Z, mit der Erstellung eines Zusammenhangsgutachtens. In seinem am 07. Juli 2004 nach einer Untersuchung des Klägers am 13. Januar 2004 und unter Einbeziehung eines neurologischen und elektromyographischen Zusatz-Gutachtens des Prof. Dr. H vom 02. Februar 2004 sowie eines radiologischen Zusatz-Gutachtens der Prof. Dr. Dr. F/PD Dr. K vom 26. Januar 2004 fertig gestellten Gutachten gelangte dieser zu dem Schluss, es seien im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis folgende Gesundheitsstörungen festzustellen: akute Typ-B-Dissektion der Aorta mit kompletter Ischämie des rechten Beines wegen Verlegung der Beckenarterie durch die Dissektionsmembran, Crush-Niere mit akutem Nierenversagen, keine äußerem Verletzungen, Zustand nach versorgter Typ-A-Dissektion (1999). Der Kläger leide jetzt u. a. unter Schmerzen im rechten Bein, einem Taubheitsgefühl am gesamten rechten Unterschenkel und Fuß, Wetterfühligkeit und Gehbeschwerden. Es bestehe insofern ein Zusammenhang zwischen dem Ereignis und den jetzigen Beschwerden, als die festgestellten Gesundheitsstörungen Folgen der akuten Ischämie des rechten Beines seien. Allerdings sei die vom Kläger angegebene äußere Einwirkung (Sturz in der Dusche) als Gelegenheitsursache für das Auftreten der Gesundheitsschädigung anzusehen. Das Ereignis habe zu einer wesentlichen, vermutlich dauernden Verschlimmerung eines anlagebedingten, bereits als Krankheitsfall manifest gewordenen Leidens, nämlich der histologisch belegten degenerativen Veränderung der Aortenwand, geführt. Obwohl Aortendissektionen durch äußere Einwirkungen ausgelöst werden könnten, z. B. durch einen akuten Blutdruckanstieg jedweder Ursache, plötzliche Körperbewegungen oder Unfälle, sei als Ursache immer eine Vorschädigung der Aortenwand durch angeborene oder degenerative Prozesse vorhanden. Nur durch diese Vorschädigung der Aortenwand sei eine langstreckige Trennung der beim Gesunden fest miteinander verbundenen Aortenwandschichten zu erklären. Die erwähnten degenerativen Veränderungen seien als Systemerkrankung der gesamten Aorta zu betrachten. Die Gefäßwandveränderungen seien im vorliegenden Falle durch die Operationshistologie bei der Versorgung der Typ-A-Dissektion belegt. Der akute Einriss der Dissektion zwischen Intima und Media führe zu einem typischen heftigen Brustschmerz mit reißendem Charakter, der oft zwischen den Schulterblättern lokalisiert sei und im Verlaufe der Aorta binnen Sekunden nach unten ziehe. Dann folgten Symptome der Durchblutungsstörung. Im vorliegenden Fall werde vom Kläger ein typischer Ablauf von Ereignissen und Symptomen geschildert. Aufgrund des typischen akuten Schmerzereignisses am 26. Dezember 2002 sei anzunehmen, dass es durch den Unfall ausgelöst zu einer erneuten Dissektion der Aorta gekommen sei. Traumatische Aortenrupturen oder Transsektionen hätten einen ganz anderen Pathomechanismus als Aortendissektionen und entstünden als Folge schwerer Unfälle mit stumpfen Thoraxtraumen und erheblicher Gewalteinwirkung auf den Thorax z. B. bei Sturz aus großer Höhe oder Verkehrsunfällen mit hoher Geschwindigkeit. Diese Konstellation liege hier nicht vor.

Nachdem der beratende Unfallchirurg Dr. W das Gutachten in Bezug auf die Kausalitätserwägungen in einer Stellungnahme vom 17. August 2004 nicht für schlüssig hielt, veranlasste die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme des Dr. Z vom 10. Mai 2005, in welcher dieser anhand der unfallrechtlichen Literatur zu dem Ergebnis gelangte, bei dem Ereignis handele es sich um eine Gelegenheitsurache, denn Aortendissektionen könnten auch unter den Belastungen des täglichen Lebens und auch ohne äußeren Anlass im Sinne der Unfallversicherung eintreten. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2005 zurück.

Mit seiner hiergegen gerichteten Klage vor dem Sozialgericht Neuruppin (SG) hat der Kläger vorgetragen, wesentliche Ursache der Aortendissektion sei das Ausrutschen bei der Drehbewegung unter der Dusche mit anschließendem Sturz gewesen.

Das SG hat einen Befundbericht der Internisten B und Dr. H vom 07. Januar 2007 u. a. nebst EBs der Klinik a S vom 19. Mai 1999 und 16. April 2003 sowie des P-Krankenhauses vom 26. Juni 1999 eingeholt. Anschließend hat das SG den Internisten Prof. Dr. F mit der Untersuchung des Klägers und Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem am 19. Mai 2008 nach Untersuchungen des Klägers am 17., 18. und 19. Dezember 2007 sowie 12. Februar 2008 fertig gestellten Gutachten hat dieser folgende Gesundheitsstörungen festgestellt:

- Zustand nach Aortenklappenrekonstruktion und suprakoronarer Ersatz der Aorta ascendens bei akuter Typ-A-Dissektion der Aorta 03/99

- Zustand nach Typ-B-Dissektion der Aorta am 26. Dezember 2002 mit

- Verlegung beider Beckenarterien und kompletter Ischämie des rechten Beins, therapeutischer Fenestration der Dissektionsmembran der Aorta abdominalis und Stentimplantation

- Postoperativ akuten Nierenversagen sowie Crush-Niere

- Konsekutiv Kompartment-Syndrom des rechten Beins, Fasziotomie am rechten Unter- und Oberschenkel, nachfolgend anhaltende Teilparese des rechten Beins, Schmerzsyndrom sowie Sensibilitätsstörungen

- Zustand nach Spalthautdeckung der Unterschenkelinzisionen und Sekundärnaht des Oberschenkels

- V. a. Rückenmarks-Ischämie i. R. der Typ-B-Dissektion mit konsekutiver Blasenentleerungsstörung und Harnstau

- Anhaltende Typ-B-Dissektion der Aorta thoracica und abdominalis seit 12/2002; Abgang der rechten Nierenarterie aus dem falschen Lumen

- Prothesenausriss der Aorta ascendens mit akuter Aorteninsuffizienz Grad III-IV 06/2007

- Therapeutische Implantation eines Composite-Grafts mit Re-Implantation der Koronararterien nach Bentall DeBono als Aortenklappenersatz und Re-Ascendens-Ersatz sowie totaler Bogenersatz mit einer Dacron-Prothese mit Re-Implantation der Halsgefäße

- Arterielle Hypertonie, Linksherzhypertrophie mit diastolischer Funktionsstörung

- Koronare Herzerkrankung

- Chondromalazie retropatellar rechts; Shaven der Knorpelzacken retropatellar rechtes Kniegelenk 07/2003

- Zustand nach Hüft-TEP-Implantation rechts aufgrund einer Hüftkopfnekrose 2004

- Betablockerunverträglichkeit

- Chronische Niereninsuffizienz IV° bei Harnstauungsnieren im Rahmen einer neurogenen Blasenentleerungsstörung; chronische Dialysetherapie, metabolische Azidose und sekundärer Hyperparathyreodismus

- Periphere arterielle Verschlusskrankheit IIa beidseits

- Postthrombotisches Syndrom des rechten Beines

- Lungenemphysem/chronisch obstruktive Lungenerkrankung

- Nikotinabusus

- Zustand nach Entfernung einer Epidermis-Zyste der linken Leiste 11/2002

- Hyperfibrinigenämie.

Bei dem Kläger liege eine zystische Medianekrose vor, welche als Ursache für eine Dissektion der Aorta angenommen werden könne. Es erscheine rückschauend nicht mehr möglich zu differenzieren, ob es sich bei den Ereignissen vom 26. Dezember 2002 um einen Unfall mit Folgeverletzungen handele oder ob ein primäres inneres Ereignis zum nachfolgenden Sturz geführt habe. In den vorhandenen Unterlagen träten verschiedene Darstellungen der Geschehensabläufe auf. Der Kläger selbst berichte, es sei sturzbedingt zu den Thorax- und Beinschmerzen gekommen. Eine Rekonstruktion des richtigen Sachverhaltes erscheine jetzt nicht mehr möglich. Letztlich seien beide Entstehungsmechanismen möglich, sowohl ein Bagatelltrauma mit nachfolgender Gefäßruptur als auch eine Gefäßdissektion mit nachfolgendem Sturz und Ischämie. Bei Vorliegen einer zystischen Medianekrose könne ein geringes Trauma für eine Dissektion ausreichen. Unter Berücksichtigung der festgestellten Gefäßabnormalitäten könne auch eine Rotationsbewegung (z. B. eine Drehbewegung beim Austreten aus der Dusche) hinreichend sein, um eine solche Typ-B-Dissektion zu provozieren. Auch in der medizinischen Literatur seien Rotationsbewegungen typisch für das Auslösen einer Aortendissektion. Zum anderen wäre auch ein Bagatelltrauma mit einem Sturz aus der Dusche bei der gegebenen Gefäßnormalität geeignet, um eine derartige Dissektion hervorzurufen. Nach dem Ereignis vom 26. Dezember 2002 seien die Erkrankungen weitaus gravierender als noch zuvor. Beide Ereignisse von 1999 und 2002 seien auf dem Boden einer zystischen Medianekrose zu sehen. Somit hätte auch das Zweitereignis zu jedem anderen Zeitpunkt im weiteren Verlauf eintreten können.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 30. April 2009 abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweiserhebung fehle es am Vollbeweis einer Verletzung durch ein von außen auf den Körper einwirkende Ereignis. Es sei nicht nachgewiesen, dass die geltend gemachte Gesundheitsstörung (Aortendissektion) Folge eines Sturzes über die Duschkante und durch die Kunststofftür sei.

Mit seiner hiergegen vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter. Soweit sich in den Unterlagen ein von dem Geschehensablauf, den er selber in seinem Schreiben vom 14. August 2003 geschildert habe, abweichender Ablauf finde, sei dieser nicht zutreffend. Eine innere Ursache sei hier nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Als er mit dem Duschen fertig gewesen sei, habe er die Schiebetür der Dusche aufgeschoben und sei über die hohe Duschkante direkt mit seiner rechten Seite auf den harten Steinfußboden gerutscht. Dabei habe er für einige Sekunden das Bewusstsein verloren. Als er wieder zu sich gekommen sei, habe er starke Schmerzen in der rechten Seite vom Hüftgelenk abwärts verspürt. Auf seine Hilferufe sei sein Kollege gekommen, um ihm aufzuhelfen, wobei die Schmerzen immer unerträglicher geworden seien. Mit letzter Kraft habe er sich angezogen. Nach kurzer Zeit habe er starke Rückenschmerzen bekommen, die wie Messerstiche gewesen seien. Dabei habe er das Gefühl in den Beinen verloren und sein rechtes Bein sei immer dicker geworden. Aals der Notarzt eingetroffen sei, habe er der Ärztin erzählt was geschehen sei und habe eine Spritze gegen die Schmerzen erhalten. Kurz darauf habe er das Bewusstsein verloren und sei er nach ca. 4 Wochen aus dem künstlichen Koma geholt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 30. April 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2005 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 26. Dezember 2002 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Patientenakte der Praxis B/Dr. H beigezogen und eine Kopie hiervon in den Rechtsstreit eingeführt. Darüber hinaus hat der Senat die Originalunterlagen der konventionell geführten Behandlungsdokumentation (2 Ordner), die Ausdrucke/Kopien der elektronisch geführten Behandlungsdokumentation (2 Ordner) und die Ausdrucke/Kopien der Laborbefunde aus dem DHZB beigezogen. Auszüge aus den Originalunterlagen der konventionell geführten Behandlungsdokumentation sind in den Rechtsstreit eingeführt worden (u. a. OP-Bericht des DHZB vom 26. März 1999, Erste-Hilfe-Bericht des H Klinikum B B vom 27. Dezember 2002, Notarzteinsatzprotokoll vom 26. Dezember 2002, Anamnesebogen des H Klinikum B B, Notarztwagenbericht vom 27. Dezember 2002 betreffend die Verlegung in das DHZB, Anästhesie-Protokoll aus dem H Klinikum B B vom 26. (gemeint wohl 27.) Dezember 2002, CT-Kurzbefund vom 27. Dezember 2002) sind in den Rechtsstreit eingeführt worden.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat den stellvertretenden Geschäftsführenden Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie der Charité, Prof. Dr. E, mit der Untersuchung des Klägers und Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem am 21. November 2011 nach Untersuchungen des Klägers am 12. und 16. September 2011 und unter Berücksichtigung der gesamten Patientenunterlagen des DHZB (4 Ordner) fertig gestellten Gutachten ist dieser zu folgenden Festhellungen gelangt. Als Haupterkrankung bestehe bei dem Kläger eine mikroskopisch unzweifelhaft belegte zystische Medianekrose der Aortenwand. Diese sei chronisch progredient und unheilbar. Den im Krankheitsverlauf zunehmenden Dissektionen und Rupturen an verschiedenen Stellen der Aorta könne stets nur in höchstgradigen Notfalleingriffen „hinterher“-repariert werden. Die weiteren heutigen Schädigungen seien Folgen des Akutverschlusses der rechten Leistenarterie, welcher zu einer Totalischämie des rechten Beines geführt habe. Neue Befunde seien im Vergleich zu den Vorgutachten nicht zu erheben. Nur der akute Durchblutungsstopp der rechten Leistenarterie könne auf das Ereignis vom 26. Dezember 2002 zurückgeführt werden. Der Kläger sei weder beim Notarzt noch bei der klinischen Einlieferung bewusstlos gewesen. Eine Intubation und Narkotisierung wegen der Schmerzen sei erst später erfolgt. Die hierbei verwendeten, nicht näher bekannten Medikamente könnten eine retrograde Amnesie erregen, so dass es sein könne, dass der Kläger einzelne, nicht direkt zusammengehörende Details miteinander verbinde. Eine Gefäßzerreißung sei damals nicht eingetreten. Die Angaben des Notarztes am Unfallort klängen sehr plausibel und passten exakt zum Krankheitsbild. Weshalb ein Notarzt eine so präzise Aussage in einem Protokollbogen schriftlich festhalten solle, wenn es nicht so gesagt worden sei, könne nicht nachvollzogen werden. Auch im Notaufnahmebogen des H Klinikum B B sei der Kläger nochmals anamnestisch zum Ablauf befragt worden mit weitgehend übereinstimmendem Ergebnis. Dass die Ärzte, die den Kläger unmittelbar gesprochen hätten, an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten sich unisono die gleichen Aussagen ausgedacht haben sollten, erscheine unsinnig. Letztlich verbleibe folgender medizinischer Sachverhalt: Der Kläger leide an einer Grundkrankheit, die auf einfachste Anlässe hin oder auch ohne erkennbaren Anlass, wie die erste Dissektion bewiesen habe, zu Wandkomplikationen der Hauptschlagader führe, die in Wandablösungen (Dissektionen) oder bei zunehmender Verdünnung der Wand auch in einer oft tödlichen Ruptur bestünden. So hätten bei der ersten Dissektion 1999 zwar zunehmende Beschwerden, aber kein erkennbares Akutereignis vorgelegen. Bei der zweiten Dissektion 2002 sei gerade geduscht worden. Bei einer dritten Dissektion im Juni 2007 hätten zwar längerfristig Thoraxschmerzen, aber wiederum kein Akutereignis vorgelegen. Ob bei der zweiten Dissektion nun eine starke Drehbewegung nach rechts, wie in der vom Notarzt protokollierten Erstaussage des Patienten festgehalten, oder ein Stolpern über die Duschkante, wie später vom Kläger vorgetragen, sich ereignet hätten, der Anlass habe immer in ungewöhnlichen Zusatzbewegungen, ungewöhnlichen Kraftanstrengungen oder Aufregungen bestanden. Weitere Unfallfolgen seien nicht erkennbar gewesen, es seien weder Wunden noch Hämatome am Leib oder knöcherne Verletzungen im CT nachgewiesen worden. Eine unfallbedingte Dissektion setze extreme äußere Krafteinwirkungen voraus und stelle sich morphologisch anders dar als hier. Auch wenn die Version eines primären Sturzes möglich sei, so werde dabei eher eine überraschende Abstützbewegung als ein direkter Aufprall die Dissektionsverschiebung verursacht haben. Die Vorschädigung (zystische Medianekrose) werde auch zu weiteren Komplikationen in der Zukunft führen. Die Vorschäden überwögen bei allen eingetretenen Gesundheitsschäden. Eine Verschlimmerung sei jederzeit aufgrund geringfügiger Anlässe möglich. Es habe keines Sturzes bedurft, um eine Verlegung der Leistenarterie durch die lose Aorteninnenhaut herbeizuführen. Die Erkrankung der zystischen Medianekrose müsse grundsätzlich sehr weit fortgeschritten sein, um das Desaster einer Dissektion überhaupt auslösen zu können. Der pathologische Befund spreche für einen schon lange laufenden Prozess. Eine Dissektion sei also grundsätzlich das Spätresultat einer fortgeschrittenen Medianekrose. Danach könne jede weitere Dissektion an anderer Stelle auch ohne irgendeine gravierende Ursache unter den Belastungen des täglichen Lebens oder auch ohne jeden äußeren Anlass eintreten.

Der Kläger hat sich zu dem Gutachten nicht geäußert.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 21. Februar und 29. Februar 2012 ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats erklärt (§§ 153 Abs. 1, 155 Abs. 3, 4, 124 Abs. 2 SGG).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 Bände) und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die mit der Berufung verfolgte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage § 54 Abs. 1 Satz 1 und§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG)ist zulässig. Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 155 Abs. 3, 4, 124 Abs. 2 SGG), ist aber unbegründet. Das Urteil des SG vom 30. April 2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2005 sind nicht zu beanstanden. Bei dem Ereignis vom 26. Dezember 2002 handelt es sich, wie das SG zutreffend festgestellt hat, nicht um einen Arbeitsunfall.

Nach § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheits(erst)schaden oder zum Tod führen (Satz 2). Ein Arbeitsunfall eines Versicherten setzt danach voraus, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls einen gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden unmittelbaren oder mittelbaren Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts <BSG> vom 04. September 2007 - B 2 U 24/06 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 24).

Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nrn. 70 und 84). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg; die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht sich nur auf die kausalen Zwischenglieder. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (Urteil des BSG vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R –, in Juris m. w. N.). Zu den voll zu beweisenden Tatsachen gehören damit z. B. die Erfüllung des Versicherungsschutztatbestandes nach §§ 2 ff SGB VII, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, das äußere Ereignis, ein Körperschaden und die Plötzlichkeit als Unfallmerkmale. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, Randnr. 3b zu § 128 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger verrichtete zwar beim Duschen als eine der versicherten Tätigkeit als Koch noch zuzurechnende Nachbereitung eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherte Tätigkeit als Beschäftigter. Während dieser Verrichtung hat sich aber kein Unfall ereignet.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII sind Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Es fehlt hier bereits am Nachweis eines äußeren Ereignisses.

Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Es dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen (vgl. zuletzt Urteil des BSG vom 29. November 2011 – B 2 U 10/11 R -, in Juris). Das BSG (vgl. Urteil vom 27. Oktober 1987 - 2 RU 35/87 -, in SozR 2200 § 589 Nr. 10) hat eine äußere Einwirkung auch angenommen bei einer als außergewöhnliche Anstrengung in einer betriebsbezogenen Stresssituation zu bewertenden Arbeit (Hausschlachtung) durch den Versicherten, wenn dies zu erheblicher Atemnot führt, der Versicherte zusammenbricht und innerhalb einer Stunde verstirbt. Die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, ist dem Begriff des Unfalls immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht (vgl. BSG in SozR 2200 § 1252 Nr. 6). Nicht geschützt sollen Unfälle sein, die auf aus dem Menschen selbst kommenden Ereignissen beruhen (vgl. zuletzt Urteil des BSG vom 29. November 2011 – B 2 U 10/11 R -, a. a. O.). Das ist hier der Fall.

Ausgehend von den Schilderungen der Geschehensabläufe, die der Kläger unmittelbar nach dem Ereignis vom 26. Dezember 2002 gegenüber dem Notarzt (vgl. das Notarzteinsatzprotokoll vom 26. Dezember 2002) bzw. im H Klinikum B B (vgl. den Anamnesebogen des Klinikums) abgegeben hat, hat der Kläger unter der Dusche stehend eine drehende Körperbewegung nach rechts gemacht, dann ist es zu messerstichartigen Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule gekommen und dann ist der Kläger auf dem Boden zusammengesackt bzw. hat er unter der Dusche stehend plötzlich stärkste Schmerzen zwischen den Schulterblättern verspürt, die den Rücken entlang über die rechte Gesäßhälfte ins rechte Bein zogen (und ist dann gestürzt). Weder durch das Stehen unter der Dusche noch durch das willensgesteuerte Drehen des Körpers nach rechts ist von außen auf den Körper eingewirkt worden. Soweit der Kläger später einen anderen Ablauf des Geschehens mit Stolpern und dadurch bedingtem Sturz und danach folgenden messerstichartigen Schmerzen geschildert hat, ist dieser nicht bewiesen und steht auch in völligem Widerspruch zu seinen eigenen ersten Angaben gegenüber den ihn behandelnden Ärzten. Es ist nicht ersichtlich, wieso die zuerst behandelnden Ärzte in weitgehend übereinstimmender und detaillierter Weise einen ganz anderen Hergang der Ereignisse dokumentiert haben sollten. Der Kläger war zu den Zeitpunkten der Befragungen seiner Ärzte entgegen seiner Einlassungen im Rechtsstreit auch nicht bewusstlos, sondern ausweislich der medizinischen Unterlagen wach. Zudem ist nicht erklärlich, weshalb die Ärzte einen detaillierten Ablauf aufnehmen sollten, der – wie später nochmals auszuführen sein wird - dem typischerweise mit dem hier vorliegenden Krankheitsgeschehen verknüpften Symptomablauf entspricht (Aortendissektion bei chronischer Erkrankung der Aortengefäßwände).

Selbst wenn jedoch hier ein Stolpern bzw. ein nachfolgender Sturz als äußeres Ereignis zugrunde gelegt würde, so fehlt es an der haftungsbegründenden Kausaliät. Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Unfall (wesentlich) verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache - die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (ständige Rechtsprechung des BSG vom 09. Dezember 2003 - B 2 U 8/03 R -, in SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).

Die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/07 R -, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Da Verschulden bei der Prüfung eines Versicherungsfalles in der gesetzlichen Unfallversicherung unbeachtlich ist, weil verbotswidriges Handeln einen Versicherungsfall nicht ausschließt (§ 7 Abs. 2 SGB VII), erfolgt im Sozialrecht diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; stRspr vgl. u. a. Urteile des BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 sowie vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, a. a. O.). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, a. a. O.).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (vgl. u. a. BSG in SozR Nr. 69 zu § 542 a. F. RVO; BSG in SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 1.5.2). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSG in SozR Nr. 27 zu § 542 RVO; BSG in SozR Nr. 6 zu § 589 RVO). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden (vgl. BSG in SozR 2200 § 589 Nr. 10; BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 75; Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R – in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG in SozR 2200 § 589 Nr. 10; Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R – a. a. O.).

Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG in SozR 4-2200 § 589 Nr. 1).

Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Es gilt der allgemeine beweisrechtliche Grundsatz, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (vgl. BSG in SozR 3850 § 51 Nr. 9; BSG in SozR 1500 § 128 Nr. 31; BSG in SozR 3-3850 § 52 Nr. 1; Rauschelbach, MedSach 2001, 97; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm. 2.3.4.3).

Ausgangsbasis für die Feststellung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnistandes müssen die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich sein (vgl. u. a. Fritze, Ärztliche Begutachtung, 7. Aufl. 2007, Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 12. Aufl. 2010; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.; Ludolph/Lehmann/Schürmann, Kursbuch der ärztlichen Begutachtung, Loseblattsammlung). Außerdem sind, soweit sie vorliegen und einschlägig sind, die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen sowie andere aktuelle Veröffentlichungen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, a. a. O.). Die verschiedenen Veröffentlichungen sind jeweils kritisch zu würdigen.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die beim Kläger am 26. Dezember 2006 eingetretene Typ-B-Dissektion der Aorta mit Verlegung beider Beckenarterien und kompletter Ischämie des rechten Beins ursächlich wesentlich auf ein Stolpern oder Stürzen in oder vor der Dusche zurückzuführen ist. Vielmehr handelt es sich bei diesen Vorgängen um bloße Gelegenheitsursachen. Übereinstimmend sind die in dem Rechtsstreit tätig gewordenen Gutachter Dr. Z (Gutachten vom 07. Juli 2004 mit ergänzender Stellungnahme vom 10. Mai 2005), Prof. Dr. F (Gutachten vom 19. Mai 2008) und Prof. Dr. E (Gutachten vom 21. November 2011) zu dem Schluss gelangt, dass der Kläger zum Zeitpunkt des streitigen Ereignisses bereits an einer gravierenden, klinisch manifesten und nicht heilbaren Vorerkrankung – nämlich einer zystischen Medianekrose – litt, die jederzeit, sei es unter alltäglichen Belastungen, sei es ohne jegliche Belastung, zu Dissektionen oder auch zu Gefäßrupturen führen kann. Bereits im März 1999 war es ohne vorheriges Belastungsereignis i. S. e. Unfallereignisses im umgangssprachlichen Sinne zu einer Dissektion gekommen, ebenso wie später im Juni 2007. In einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig lässt, hat insbesondere der vom Kläger nach § 109 SGG benannte Sachverständige Prof. Dr. E darauf verwiesen, dass im Falle des Klägers der klassische und auch nicht aufzuhaltende Krankheitsverlauf einer zystischen Medianekrose vorliegt, die – wenn es zu Dissektionen kommt – sich bereits in fortgeschrittenem Stadium befindet. Dissektionen können dabei wegen der starken Schädigung der Aortengefäßwände bereits bei geringfügigen Anlässen oder auch ohne erkennbaren Anlass jederzeit entstehen. Überragende Ursache für die Dissektion war daher hier das anlagebedingte Leiden des Klägers und nicht die Vorgänge am 26. Dezember 2002 in der Dusche am Arbeitsort des Klägers.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.