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Beuth Hochschule (TFH); Studiengang Maschinenbau; Exmatrikulation wegen endgütig nicht bestandenem Leistungsnachweis; Klausur; Pflichtfach Technische Mechanik III; zulässige Hilfsmittel; selbst zusammengestellte Formelsammlung; (keine) Verletzung der Chancengleichheit


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 21.04.2010
Aktenzeichen OVG 10 N 33.09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 3 Abs 1 GG

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. März 2009 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der allein auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Klägers, das den Prüfungsumfang des Oberverwaltungsgerichts bestimmt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO), zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auf, mit dem das Verwaltungsgericht die Klage gegen die Bewertung der Klausur im Fach Technische Mechanik III mit „5,0“ und die auf die endgültige Nichterbringung dieses Leistungsnachweises gestützte Exmatrikulation abgewiesen hat.

Der Kläger wendet sich (nur) gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Chancengleichheit der Prüflinge bei Anfertigung der Klausur wegen der zugelassenen Hilfsmittel nicht beeinträchtigt gewesen sei. Der zuständige Professor hatte den Prüflingen freigestellt, nach eigenem Ermessen Formelsammlungen zusammenzustellen und diese in der Klausur zu nutzen; die Nutzung einer von einem anderen Prüfling mitgebrachten Formelsammlung war dagegen untersagt. Nach dem Vorbringen des Klägers war für die Lösung einer der fünf Aufgaben eine Formel nötig, die er nicht in seine Formelsammlung aufgenommen und trotz Nachfrage in der Klausur auch nicht aus einer anderen Sammlung habe entnehmen dürfen. Er habe daher für diese Aufgabe keine Punkte erhalten, bei Verwendung der Formel und Einsetzen der zutreffenden Zahlen hätte er dagegen die zum Bestehen nötigen Punkte erreichen können. Mit diesem Vorbringen ist jedoch nicht schlüssig dargetan, dass die Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens das Gebot der Chancengleichheit aller Prüflinge verletzt hätte.

Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet die Prüfungsbehörde, für alle Prüflinge möglichst gleichmäßige Voraussetzungen zu schaffen und sie nicht unterschiedlichen Prüfungsbedingungen auszusetzen; dies betrifft auch die Auswahl der Hilfsmittel, deren Gebrauch dem Prüfling zugestanden wird (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1972 - BVerwG VII C 17.71 -, BVerwGE 41, 34, zitiert nach juris, Rn. 12). Je stärker dabei die eingesetzten Hilfsmittel nach Art und Umfang zur Entfaltung des in der Prüfung zu messenden Leistungsvermögens des Prüflings beitragen, je größer also ihre Bedeutung für die Prüfung ist, um so strikter muss auf die gleichmäßige Verteilung gleichartiger oder jedenfalls gleichwertiger Hilfsmittel geachtet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. September 1978 - BVerwG 7 B 19.78 -, BayVBl. 1979, 58, zitiert nach juris, Rn. 7; BFH, Urteil vom 27. August 1980 - VII R 40.08 -, BSTBl II 1980, 760, zitiert nach juris, Rn. 8). Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Prüfung nur dann rechtmäßig ist, wenn alle Kandidaten in der Prüfung mit den gleichen Hilfsmitteln arbeiten können. Die Prüfungsbehörde ist dann, wenn sie selbst den Prüflingen Hilfsmittel zur Verfügung stellt, dazu verpflichtet, dies gleichmäßig zu tun und insoweit gleichartige Prüfungsbedingungen für alle zu schaffen. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass das Mitbringen bestimmter Hilfsmittel den Prüflingen freigestellt wird und diese im Falle eines Unterlassens die Nachteile im Vergleich zu denjenigen Prüflingen tragen müssen, die sich im Rahmen des Zulässigen ausgestattet haben (vgl. zu diesen Fallkonstellationen BVerwG, Beschluss vom 19. September 1978, a.a.O.; BayVGH, Beschluss vom 26. Juli 1979 - Nr. 3.B - 324/79 -, BayVBl. 1980, 86). So liegt der Fall hier.

Der Umstand, dass der Prüfer vorliegend keine bestimmte Sammlung von Formeln vorgeschrieben, sondern die Zusammenstellung den Prüflingen selbst überlassen hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar kann der Grundsatz der Chancengleichheit beispielsweise verletzt sein, wenn zugelassene Hilfsmittel unklar bezeichnet und auf dem üblichen Weg nicht beschaffbar sind (vgl. VGH Bad.-Württ, Urteil vom 23. März 1982 - IV 605/79 -, VBlBW 1983, 215, zitiert nach juris). Zweifel könnten daher bestehen, wenn den Prüflingen zugemutet würde, aus einer kaum überschaubaren Vielzahl von Formeln nach eigenem Ermessen diejenigen zusammenzustellen, die möglicherweise prüfungsrelevant sein könnten. Vorliegend war der Umfang der in Betracht kommenden Formeln jedoch durch den Inhalt der Lehrveranstaltungen des Prüfers hinreichend konkretisiert. Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten hat der Prüfer bereits während seiner Lehrveranstaltung empfohlen, die Formelsammlung im Zusammenhang mit den zu Hause zu lösenden Übungsaufgaben zu erarbeiten, und entsprechende Hinweise in den Vorlesungen gegeben. Auch die hier maßgebliche Formel war nach Angaben des Klägers Gegenstand der Übungen und zumindest für eine dort gestellte Aufgabe relevant. Sein Hinweis auf eine Benachteiligung von Prüflingen, die die Lehrveranstaltung nicht besucht haben, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Der durch die Klausur zu erbringende Leistungsnachweis soll gerade die erfolgreiche Absolvierung eines bestimmten Pflichtfachs dokumentieren, was in aller Regel den Besuch der jeweiligen Lehrveranstaltung voraussetzt. Soweit eine Teilnahme an der Prüfung ohne Besuch der Lehrveranstaltung möglich ist, ist es Sache des Prüflings, sich über den Inhalt der Veranstaltung und die daraus resultierenden Prüfungsbedingungen und -anforderungen zu informieren. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Kläger selbst die Lehrveranstaltung des Prüfers nicht besucht hätte.

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die mitzubringende Formelsammlung sei mehr als ein Hilfsmittel gewesen, weil die Aufgabe ohne sie nicht lösbar gewesen sei. Seine Auffassung, ein Hilfsmittel dürfe die Bearbeitung einer Klausur nur erleichtern, die Bewältigung der fachlichen Aufgabe müsse jedoch auch ohne das Hilfsmittel möglich sein, ist nicht zutreffend. So stellen etwa Taschenrechner oder Gesetzestexte zulässige Hilfsmittel dar, obwohl auch sie für die Bearbeitung bestimmter Aufgaben nahezu unersetzlich sein dürften. Dass ein zulässiges Hilfsmittel zudem austauschbar sein und ggf. in der Prüfung vom Prüfer ersetzt werden müsse, behauptet der Kläger lediglich, ohne dies näher zu begründen. Im Übrigen wäre die Klausur für Prüflinge, die die Formel auswendig gelernt haben oder sie innerhalb der Bearbeitungszeit herleiten können, auch ohne eine Formelsammlung lösbar gewesen.

Soweit der Kläger rügt, vorliegend werde die Grenze zwischen Vorbereitungs- und Prüfungsleistung in unzulässiger Weise verwischt, setzt er sich nicht hinreichend mit der - auch von ihm selbst für zutreffend gehaltenen - Auffassung des Verwaltungsgerichts auseinander, wonach sich in der Regel eine umfassende und sorgfältige Prüfungsvorbereitung auf das Prüfungsergebnis niederschlägt. Eine gute Prüfungsleistung ist in aller Regel auch Ausdruck einer guten Prüfungsvorbereitung, die daher inzident oder „mittelbar“ - wie der Kläger selbst einräumt - als Teil der Eigenleistung des Prüflings mitbewertet wird und mitbewertet werden darf. Wäre es für die Prüflinge im Rahmen der Vorbereitung darum gegangen zu entscheiden, welche Formel für die Klausur auswendig gelernt wird, hätten ebenfalls nur diejenigen Kandidaten Erfolg gehabt, die die fragliche Formel als relevant eingestuft (und erfolgreich gelernt) hätten, ohne dass die auf der unterschiedlichen individuellen Vorbereitung resultierenden Unterschiede im Prüfungsergebnis prüfungsrechtlich zu beanstanden wären. Nichts anderes gilt im Ergebnis für den vorliegenden Fall, in dem den Prüflingen zur Erleichterung der Prüfungsbedingungen gestattet worden ist, die für prüfungserheblich gehaltenen Formeln zusammenzustellen, zur Klausur mitzubringen und dann während der Klausur anzuwenden. Hierbei hatten alle Prüflinge die gleichen Ausgangsbedingungen. Auch der Kläger wusste, dass er sich eine Formelsammlung zusammenstellen und diese bei der Klausur verwenden durfte. Er hatte dieselben Erkenntnisquellen und -möglichkeiten wie seine Kommilitonen, so dass insoweit die Chancengleichheit gewahrt war (vgl. BayVGH, Beschluss vom 4. Februar 2008 - 7 CE 07.3468 -, juris, Rn. 26). Darauf, dass von Prüflingen eine eigenverantwortlich gestaltete Prüfungsvorbereitung einschließlich der Beschaffung etwaiger Hilfsmittel erwartet werden darf, hat bereits das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf weitere Rechtsprechung (BayVGH, Beschluss vom 4. Februar 2008, a.a.O., Rn. 25) hingewiesen. Mit dieser Argumentation setzt sich der Kläger nicht auseinander.

Die Zulassung einer individuellen Formelsammlung führt auch nicht dazu, dass der Schwerpunkt der Bewertung sich von der am Prüfungstag erbrachten Leistung auf die Vorbereitung verlagert hätte. Maßgebend für den Erfolg in der Prüfung war nicht allein, dass die Prüflinge auf die richtigen Formeln zugreifen konnten, sie mussten vielmehr zunächst die jeweilige Aufgabe erfassen, die einschlägige Formel erkennen, diese zutreffend auf den konkreten Fall anwenden und dann zum richtigen Ergebnis kommen. Insoweit lag auch bei den Prüflingen, die die prüfungsrelevanten Formeln in ihre Sammlung aufgenommen hatten, keine reine „Abschreibleistung“ vor, die nicht Gegenstand einer Prüfungsbewertung sein kann (vgl. BayVGH, Beschluss vom 4. Februar 2008, a.a.O., Rn. 20 m.w.N.).

Soweit der Kläger rügt, die Aufsichtsperson habe bei der Ablehnung seines Wunsches, sich die Formelsammlung eines Mitprüflings „auszuborgen“, von dem ihr zustehenden Ermessen keinen Gebrauch gemacht, verkennt er, dass nach den Vorgaben des Prüfers ein Austausch von Hilfsmitteln unter den Prüflingen gerade nicht gestattet war, so dass für eine Ermessensentscheidung von vornherein kein Raum war.

Schließlich vermag auch der Hinweis des Klägers auf eine fehlende Kontrollmöglichkeit keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Auch wenn die Formelsammlungen individuell zusammengestellt werden durften, ist nicht ersichtlich, warum es dem Professor oder einer anderen Aufsichtsperson während der Klausur nicht möglich gewesen sein sollte, bei etwaigen Kontrollen festzustellen, ob es sich bei den Aufzeichnungen um zugelassene Formeln oder um nicht zugelassene Unterlagen wie etwa Beispielsrechnungen handelte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).