Gericht | VG Cottbus 1. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.02.2012 | |
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Aktenzeichen | 1 K 1008/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 11 FeV, § 13 FeV, § 14 FeV, Nr 206 StGebT, § 3 Abs 1 S 1 StVG, § 46 FeV, § 48 VwVfG |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger wendet sich gegen eine Ordnungsverfügung des Beklagten, mit der ihm die Fahrerlaubnis der Klasse B (einschließlich M, L und S) entzogen wurde; zudem begehrt er die (erneute) Erteilung der Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, M, S und L.
Der Kläger ist wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten.
Am 29. April 2003 verurteilte ihn das Amtsgericht ... in dem Verfahren 70 Ls 4418 Js 5955/03 (16/03) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in 2 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und einer Urkundenfälschung, unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts... vom 28. Januar 2003 [70 Ls 4118 Js 39780/02 (1/03)] zu einer Jugendstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Den Urteilen lagen unter anderem eine Trunkenheitsfahrt des Klägers mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,39 ‰ am 03. Oktober 2002 und eine Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,24 ‰ am 13. November 2002 zugrunde.
Am 30. September 2003 verurteilte das Amtsgericht ... den Kläger in dem Verfahren 70 Ls 4118 Js 19108/03 (37/03) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in 5 Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich mit einer vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr, unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts ... vom 29. April 2003 zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Verurteilung lag u. a. eine Trunkenheitsfahrt des Klägers am 16. Februar 2003 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,15 ‰ zugrunde. Den Feststellungen des Amtsgerichts ... nach hat der seit März 2003 arbeitslose Angeklagte massive Probleme mit dem Alkohol und er habe eingeräumt, dass er regelmäßig trinke.
Am 27. Mai 2004 verurteilte ihn das Amtsgericht ... in dem Verfahren 71 Ls 4118 Js 10406/04 (48/04) wegen 17 selbständiger Taten des Betruges in 4 Fällen, der Körperverletzung in einem Fall, des Diebstahls in 5 Fällen, des versuchten Diebstahls, des Fahrens ohne Fahrerlaubnis tateinheitlich begangen mit einem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz in 6 Fällen, davon weiter tateinheitlich begangen in einem Fall mit Kennzeichenmissbrauch und in einem Fall tateinheitlich begangen mit Urkundenfälschung und Verstoßes gegen die Abgabenordnung, unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts ... vom 30. September 2003 zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten.
Am 14. Februar 2004 wurde dem Kläger eine Blutprobe entnommen, nachdem er im Verdacht stand, unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln ein Kraftfahrzeug geführt zu haben. Danach lag zum Zeitpunkt der Blutentnahme eine Alkoholkonzentration von 0,73 ‰ vor; darüber hinaus wies die Blutprobe eine THC-Konzentration von 1, 9 ng/ml, eine THC-COOH-Konzentration von 18,1 ng/ml, eine MDMA-Konzentration von 42,0 ng/ml und eine Metamphetamin-Konzentration von 11,4 ng/ml auf.
Der Kläger hat den theoretischen und praktischen Unterricht zur Erlangung einer Fahrerlaubnis der Klasse B am 05. Januar 2009 und 21. Januar 2009 abgeschlossen. Auf seinen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Klassen B und BE vom 05. Dezember 2008 erteilte der Beklagte am 08. Januar 2009 für die theoretische und praktische Prüfung einen Prüfauftrag zur Erlangung der Fahrerlaubnis der Klassen B und BE. Unter dem 13. Januar 2009 setzte der Beklagte den Kläger demgegenüber in Kenntnis, dass vor Zulassung zu den Fahrprüfungen ein Eignungsnachweis durch Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erforderlich sei. Ob dem Kläger im Anschluss an die erfolgreichen Prüfungen ein vorläufiger Nachweis der Fahrberechtigung nach § 22 Abs. 4 Satz 7 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnisverordnung – FeV) ausgehändigt wurde und ob dieser die Fahrberechtigung der Klasse B oder der Klasse BE (mit den Einschlussklassen) umfasst, lässt der Verwaltungsvorgang nicht erkennen.
Unter dem 16. März 2009 forderte der Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf 8 Trunkenheitsfahrten, mehrfach unangepasstes Verhalten im Straßenverkehr, so u. a. mindestens 20 Fälle des Fahrens ohne Fahrerlaubnis, und die Drogenauffälligkeit auf, zur Klärung von Eignungszweifeln ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Das Gutachten sei bis zum 18. Mai 2009 zur Klärung folgender Fragen vorzulegen:
„Ist zu erwarten, dass der Untersuchte auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen von Kraftfahrzeugen der beantragten Klasse in Frage stellen?“
„Ist trotz der aktenkundigen Verkehrszuwiderhandlung und Straftaten zu erwarten, dass der Untersuchte die körperlichen und geistigen Anforderungen an das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe A 1 im Verkehr erfüllt, dass er nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrs- und strafrechtliche Bestimmungen verstoßen wird?“
„Kann Herr A. trotz des Nachweises auf zurückliegenden Drogenmissbrauch sowie zusätzlicher Zweifel an der Eignung, siehe bei Begründung, Kraftfahrzeuge der Gruppe A 1 sicher führen? Herr A. ist Inhaber der Fahrerlaubnisklassen B, M und L. Ist es insbesondere nicht zu erwarten, dass er ein Kraftfahrzeug unter Einfluss der in der Anlage zu § 24 StVG genannten berauschenden Mittel und Substanzen oder deren Nachwirkungen führen wird?“
Der Kläger erklärte zunächst unter dem 15. April 2009 sein Einverständnis mit einer Begutachtung durch die Dekra, bat jedoch mit anwaltlichem Schreiben vom 30. April 2009 unter Hinweis auf ein Beratungsgespräch mit der Begutachtungsstelle um Prüfung, ob von einer Beibringung des Gutachtens abgesehen werden könne. Es solle eruiert werden, ob und inwieweit eine parallel laufende Bewährung möglich sei und es sollten regelmäßig Drogenscreenings durchgeführt werden. Der Beklagte beschied das Begehren abschlägig und hörte den Kläger zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an.
Mit Ordnungsverfügung vom 27. Juli 2009 – durch Postzustellungsurkunde zugestellt am 29. Juli 2009 – entzog der Beklagte dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S, lehnte den Antrag auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse BE ab und setzte auf der Grundlage von Ziffer 206 des Gebührentarifs für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebTSt) der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 120,00 € und Auslagen in Höhe von 3,39 € gegen den Kläger fest. Der Kläger habe am 26. Januar 2009 der Behörde mitgeteilt, dass ihm bereits am 21. Januar 2009 eine Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S nach den bestandenen Fahrerlaubnisprüfungen erteilt worden sei. Aus der eingegangenen Führerscheinakte und den Anfragen bei der Staatsanwaltschaft ... zum Ausgang weiterer Strafverfahren habe sich ergeben, dass offensichtlich die Fahrerlaubnis ohne die zwingend erforderlichen Eignungsuntersuchungen nach §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 2 b, § 14 Abs. 1 Satz 4 und § 46 Abs. 3 i. V. m. der Anlage 4. Nr. 9.1 FeV erteilt worden sei. Da der Kläger das rechtmäßig geforderte Gutachten nicht vorgelegt habe, dürfe die Behörde nach § 11 Abs. 8 FeV auf dessen mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen. Auf die weitergehende Begründung des Bescheides wird Bezug genommen.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 27. August 2009 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2009 als unbegründet zurückwies, nach dem bis zum 06. Oktober 2009 eine Widerspruchsbegründung nicht vorgelegt wurde; auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen.
Auf den am 29. Oktober 2009 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 26. November 2009 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen ausführt: Ihm sei am 21. Januar 2009 eine Fahrerlaubnis "für die beantragten Klassen" erteilt worden. Sperrfristen seien nach § 69 a StGB zu diesem Zeitpunkt längst abgelaufen gewesen und ihm sei kein Vorwurf zu machen. Er habe seine Lebensführung von Grund auf geändert und lebe in einer Beziehung und in geordneten Familienverhältnissen. Den Alkohol- und Drogenkonsum habe er schon seit Jahren aufgegeben. Gegen "eine Erteilung" bestünden daher keine Bedenken.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 27.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2009 aufzuheben und ihm eine Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, M, L sowie S zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor: Der Kläger sei mit Schreiben vom 15. Januar 2009 informiert worden, dass auf Grund der Verkehrszuwiderhandlungen vor Erteilung der Fahrerlaubnis ein Eignungsnachweis durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten erforderlich und eine Fortsetzung der Fahrschulausbildung derzeit nicht sinnvoll sei. Auf Grund eines Verwaltungsversehens, nämlich der Verwechslung von Schlüsselzahlen, sei der Kläger allerdings zur Fahrerlaubnisprüfung zugelassen worden, ihm sei am 21. Januar 2009 nach erfolgreich abgelegter Fahrerlaubnisprüfung der vorläufige Nachweis der Fahrberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klasse B sowie der eingeschlossenen Klassen ausgehändigt worden. Die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV lägen vor. Insbesondere sei das medizinisch-psychologische Gutachten rechtmäßig angefordert worden. Die Aufforderung gründe auf § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 3 S. 1 Ziffer 4 und 5, § 13 S. 1 Ziffer 2 lit. b) und § 14 Abs. 2 Ziffer 2 FeV. Die Fragestellungen seien nicht zu beanstanden, insbesondere auch nicht diejenige, ob zu erwarten sei, dass der Kläger die körperlichen und geistigen Anforderungen für das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 im Verkehr erfülle und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrs- und strafrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Weder die erfolgreiche Ablegung der Befähigungsprüfung noch die Erteilung der Fahrerlaubnis hätten die bestehenden Eignungszweifel objektiv ausgeräumt. Auf die Taten könne zurückgegriffen werden, weil sie noch verwertbar seien. Auch die Selbsteinschätzung des Klägers, seinen Alkohol- und Drogenkonsum bereits seit Jahren aufgegeben zu haben, sei nicht geeignet, die Eignungszweifel auszuräumen und auf den Ablauf der Sperrfristen nach § 69a StGB komme es nicht an. Das Begehren auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse BE sei bereits deshalb unbegründet, weil die Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 2 Abs. 2 Satz 1 StVG den Nachweis der Befähigung voraussetze, den der Kläger nicht führen könne, weil er eine entsprechende Prüfung bislang nicht abgelegt habe. Darüber hinaus stehe seine Eignung nicht fest.
Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 22. November 2011 der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Die Einzelrichterin hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 30. November 2011 wegen eines fehlenden Nachweises der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen abgelehnt. Die Sache fällt infolge der Beschlüsse des Präsidiums des Verwaltungsgerichts Cottbus und der 1. Kammer, jeweils vom 31. Januar 2012, nunmehr in das Dezernat des entscheidenden Einzelrichters.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und nicht vertreten war. Der vormalige Prozessbevollmächtigte des Klägers ist mit Ladungsverfügung vom 23. Dezember 2011 am 28. Dezember 2011 ordnungsgemäß - erst mit Schreiben vom 24. Januar bzw. 26. Januar 2012 wurde ausgeführt, dass das Mandat gekündigt worden sei - und unter Hinweis auf die Folgen eines etwaigen Ausbleibens nach § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geladen worden.
Die Klage ist dahingehend auszulegen, dass sie sich nicht nur gegen die straßenverkehrsrechtlichen Regelungen in dem Bescheid des Beklagten vom 27. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2009 richtet, sondern dass auch die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in beiden Bescheiden angegriffen wird. Diese Auslegung ergibt sich bereits aus § 22 Abs. 1 des Verwaltungskostengesetzes (VwKostG), das nach § 6a Abs. 3 S. 1 StVG Anwendung findet. Nach Abs. 1 der erstgenannten Bestimmung kann die Kostenentscheidung zusammen mit der Sachentscheidung oder selbstständig angefochten werden; der Rechtsbehelf gegen eine Sachentscheidung erstreckt sich auf die Kostenentscheidung und damit nach § 6a Abs. 1 StVG auf die Festsetzung von Gebühren und Auslagen. Unabhängig hiervon deutet auch der Klageantrag, der umfassend auf eine Aufhebung des Ausgangsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides zielt, darauf, dass auch die Kostenentscheidungen jeweils nach Ziffer 3. zum Gegenstand der Klage gemacht werden sollten. Darüber hinaus macht der zu diesem Zeitpunkt rechtsanwaltlich vertretene Kläger einen Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B bzw. BE (unter Einschluss der anderen Klassen) geltend, was auch der der Antragstellung nachfolgende Satz auf Seite 2 der Klageschrift vom 26. November 2009 verdeutlicht.
Das Verpflichtungsbegehren auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S ist bereits nach § 68 Abs. 2, § 75 VwGO unzulässig, weil der Kläger einen entsprechenden Antrag auf (Neu-)Erteilung der Fahrerlaubnis dieser Klassen nicht gestellt hat (zu dieser Problematik vgl. m. w. N. Kopp/Schenke: VwGO, 17. Aufl. 2011, Vorb. § 40 Rn. 51 und § 42 Rn. 6 m. w. N.). Der Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Klassen B und BE vom 05. Dezember 2008 ist insoweit positiv beschieden worden, als die Klassen B, M, L und S in Rede stehen, und er hat sich hierdurch erledigt. Dem Vortrag des Beklagten in der Klageerwiderung und den überzeugenden Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung nach hat der Beklagte dem Kläger für diese Klassen - nicht jedoch die Klasse BE - die Fahrerlaubnis nach § 22 Abs. 4 S. 7 FeV erteilt.
Im Übrigen ist die Klage sowohl mit dem Anfechtungsantrag als auch dem Verpflichtungsbegehren auf Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse BE unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 27. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, soweit ihm die Fahrerlaubnis der Klassen B, M, L und S entzogen wurde und soweit die Kostenfestsetzung unter Ziffer 3. dieser Bescheide angegriffen wird.
Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers ihre rechtliche Grundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18. August 1998 (BGBl. I S. 2241), zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 05. August 2009 (BGBl. I S. 2631) findet, wonach die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen hat, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Zwar lagen die Umstände, die für die Fahrerlaubnisbehörde Veranlassung waren, den Kläger zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzufordern, bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis vor; die Befugnis zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem vorgenannten Regelung des Straßenverkehrsrechts ist jedoch nicht auf Sachverhalte beschränkt, in denen nach Erteilung der Fahrerlaubnis Umstände eintreten, die den Fahrerlaubnisinhaber als ungeeignet erscheinen lassen (könnten). Der Wortlaut der genannten Bestimmungen erzwingt keinen Rückgriff auf die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts nach § 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) i. V. m. § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) und allein diese Auslegung wird dem auf die Gewährleistung der Verkehrssicherheit ausgerichteten Zweck des § 3 StVG gerecht. Es ist insbesondere kein Grund dafür ersichtlich, die Fahrerlaubnisbehörde zu verpflichten, bei Umständen, die bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis vorlagen, nach Ermessen über die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts zu entscheiden, und lediglich bei Umständen, die erst nach Erteilung der Fahrerlaubnis eingetreten sind, eine Erziehung nach § 3 StVG zuzulassen (BVerwG, Beschlüsse v. 27. Januar 1958 – I B 137.56 -, v. 27. Dezember 1967 - VII B 122.65 -, und v. 12. Oktober 1982 - 7 B 67.82 -, alle juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 03. April 2008 – OVG 1 S 192.07 -, juris, Rn. 6; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 17. Dezember 1991 – 10 S 2855/91 -, juris; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 30. Januar 2002 – 3 Bs 4/02 -, juris, Rn. 21 ff.; Hessischer VGH, Urteil vom 4. Juni 1985 - 2 OE 65/83 -, juris; VG des Saarlandes, Beschl. v. 12. September 2007 – 10 L 1021/07 -, juris; Dauer in Hentschel/König/Dauer: Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. 2009, § 3 StVG Rn. 40). Weil die Umstände, die Veranlassung geben, die Fahreignung des Klägers zu überprüfen, nicht innerhalb der Probezeit des Klägers lagen, § 2a Abs. 2 S. 1 StVG, kommen die gestuften Maßnahmen dieser Vorschrift von vornherein nicht in Betracht.
Voraussetzung der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 S.1 FeV ist zwar, dass die Nichteignung positiv festgestellt wird; wenn allerdings Tatsachen bekannt werden, die Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den im § 11 bis § 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären und dem Ergebnis der Eignungsuntersuchung nach in einem zweiten Schritt eine Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen, § 46 Abs. 3 i. V. m. §§ 11 – 14 FeV. Verweigert der Betroffene die Untersuchung oder bringt er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf seine Nichteignung schließen, § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV. Dieser Schluss rechtfertigt sich aus der Verletzung der einem Verkehrsteilnehmer obliegenden Mitwirkungspflicht, der zur Klärung der Zweifel beizutragen hat, die an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. Juni 2008 – BVerwG 3 B 99.07 -, Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 15); er ist nur zulässig, wenn die Anordnung der ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (vgl. etwa Beschl. der Kammer v. 03. November 2011 – VG 1 L 293/11 -, Beschlussabdruck < BA > Seite 3 m. w. N.).
Vorliegend entsprach die Aufforderung vom 16. März 2009 zwar lediglich teilweise den an sie zu stellenden formellen Anforderungen, sie rechtfertigt jedoch im Ergebnis die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Soweit die Fahrten unter Alkoholeinfluss in Rede stehen, findet die Begutachtungsaufforderung ihre Rechtsgrundlage in § 13 Nr. 2 lit. b) FeV i. V. m. § 3 Abs. 2 FeV. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn der Fahrerlaubnisinhaber wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat.
Die Aufforderung erweist sich insoweit auch als noch formell rechtmäßig. Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur FeV in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die Behörde teilt dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann, § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. In formaler Hinsicht muss die Aufforderung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein und der Betroffene muss erkennen können, welcher konkrete Anlass besteht, ihn zu der Vorlage eines Gutachtens aufzufordern, und ob das in der Aufforderung Verlautbarte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Diese formellen und materiellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung, die nicht zuletzt Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Schutzwürdigkeit des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes sind, in das mit einer Begutachtung eingegriffen wird, können nicht durch Überlegungen des Inhalts relativiert werden, der Betroffene werde schon wissen, worum es geht. Es sind vielmehr insoweit strenge Anforderungen angezeigt, denn nur sie ermöglichen es dem Betroffenen, hinreichend beurteilen zu können, ob er das von der Behörde geforderte Gutachten vorlegt oder das Risiko einer Fahrerlaubnisentziehung durch Nichtvorlage in Kauf nimmt (vgl. Beschluss der Kammer vom 13. Juli 2010 – VG 1 L 139/10 -, BA S. 9 und juris m. w. N.). Insoweit entspricht der Verweis des Beklagten auf acht Fälle, in denen ein Kraftfahrzeug unter alkoholischer Beeinflussung geführt worden sein soll – die sich teilweise aus den Entscheidungen des Strafgerichts ergeben -, noch den vorstehenden Bestimmtheitsanforderungen und auch die Fragestellung in der Anordnung vom 16. März 2009, die auch ansonsten den Voraussetzungen des § 11 Abs. 6 S. 2 FeV entspricht, ist nicht zu beanstanden. Die Verurteilungen des Klägers sind auch noch verwertbar. Grundsätzlich beantwortet sich die Frage, auf welchen Zeitraum die Fahrerlaubnisbehörde bei der Überprüfung der Fahreignung zurückgreifen darf, anhand der Tilgungsregelungen und Verwertungsverbote des Straßenverkehrsgesetzes (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 07. August 2008 – OVG 1 S 100.08 -, juris). Hinsichtlich der mit Urteil vom 19. Februar 2003 abgeurteilten Trunkenheitsfahrt des Klägers vom 03. Oktober 2002 und der mit Urteil vom 29. April 2003 abgeurteilten Trunkenheitsfahrten vom 13. November 2002 und 17. Januar 2003 gilt nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVG eine Tilgungsfrist von zehn Jahren, die nach § 29 Abs. 5 S. 1 StVG fünf Jahre nach den beschwerenden Entscheidungen zu laufen begann.
Soweit sich aus den vom Beklagten bezeichneten Rechtsverstößen des Klägers - Fahren ohne Fahrerlaubnis in mehreren Fällen und weitere Straftaten - Anhaltspunkte für eine fehlende Kraftfahreignung ergeben könnten, ist die Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens allerdings rechtswidrig. Die Aufforderung findet zwar in § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 FeV eine hinreichende Rechtsgrundlage, wonach die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden kann bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen - der Beklagte hat zutreffend auf die wiederholten Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verwiesen - vorliegend ist die Fragestellung, ob trotz der aktenkundigen Verkehrszuwiderhandlungen und Straftaten zu erwarten sei, dass der Untersuchte die "körperlichen und geistigen Anforderungen" an das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs im Verkehr erfülle, jedoch ungeeignet, die bestehenden Eignungszweifel zu klären und die Gutachtenanforderung, die dem Gutachter die zu klärenden Frage nach Nr. 1 lit. a) S. 2 der Anlage 15 zu § 11 Abs. 5 FeV verbindlich vorgibt, erweist sich damit insoweit als unverhältnismäßig. Die geistigen Anforderungen des Klägers scheinen hier – anders als seine charakterliche Eignung – nicht klärungsbedürftig. Geistige Eignungsmängel liegen insbesondere bei Krankheitserscheinungen wie schweren geistigen Störungen (etwa nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV) vor. Weil eine Straftat auf eine geistige Krankheit zurückzuführen sein kann, mag die Fragestellung im Einzelfall durchaus geeignet sein, etwaige eignungsrelevante Erkrankungen aufzudecken. Dafür, dass vorliegend hiervon auszugehen sein könnte, ist jedoch nichts ersichtlich oder von Seiten des Beklagten vorgetragen worden. Die von dem Beklagten formulierte Frage ist zudem jedenfalls insoweit nicht anlassbezogen, als sie zur Klärung des Verdachts charakterlicher Mängel eine – zudem umfassende – Klärung auch der körperlichen Anforderungen an das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges für erforderlich erachtet (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 30. Juli 2011 – 10 S 2785/10 - , juris, Rn. 10 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 19. Januar 2010 – 11 CS 09.2898 -, juris, Rn. 34; VG München, Beschl. v. 21. Mai 2008 – M 1 S 08.1666-, juris Rn. 25 und Beschl. der Kammer v. 13. Juli 2010 - VG 1 L 139/10 -, Beschlussabdruck S. 10 und juris ). Insoweit ist die gesamte, nicht trennbare und im Wesentlichen auf den Vorwürfen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis beruhende Aufforderung zur Vorlage eines Gutachtens zur Klärung der „körperlichen und geistigen Anforderungen an das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs“ rechtswidrig. Darüber hinaus dürfte – ohne dass es insoweit einer abschließenden Klärung bedürfte – die Aufforderung jedenfalls insoweit rechtswidrig sein, als undifferenziert auf eine "Vielzahl von Rechtsverstößen" verwiesen worden ist – so die auf Seite 1 der Begründung beispielhaft genannten Straftaten wie Betrug, Urkundenfälschung und Diebstahl – ohne dass dezidiert ausgeführt wird, inwieweit diese Straftaten einen Bezug zur Kraftfahreignung des Klägers aufweisen (vgl. dazu etwa VG Karlsruhe, Beschl. v. 26. Juli 2007 – 9 K 1913/07 -, juris Rn. 10). Entsprechend kann dahinstehen, ob die Aufforderung insoweit ermessensfehlerfrei ist, § 114 VwGO.
Mit Blick auf die klare Trennung der drei Fragestellungen für die medizinisch-psychologische Untersuchung des Klägers, die jeweils selbständig tragend Gutachtensaufträge konkretisieren und auf jeweils eigenständigen Sachverhalten beruhen, kann von dem Kläger allerdings eine differenzierte Entschließung erwartet werden, ob und ggf. welchen Untersuchungen bzw. Fragestellungen er sich stellen oder im Verweigerungsfall die Sanktionen des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV riskieren will. Mit Blick hierauf beeinflusst die rechtswidrige Fragestellung zu 2.) die nicht zu beanstandende Fragestellung zu 1.) - die Fahrten unter Alkoholeinfluss betreffend - nicht (so auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 30. Juli 2011 – 10 S 2785/10 – juris). Insoweit kann mit Blick auf die nicht zu beanstandende erste Fragestellung, die bereits geeignet ist, die Fahrerlaubnisentziehung zu rechtfertigen, dahinstehen, ob die Fragestellung zu 3.) ebenfalls formell fehlerhaft ist. Es bestehen jedenfalls insoweit Bedenken, als es eine Anlage "zu § 24 StVG" – gemeint ist § 24a StVG – nicht gibt. Die Frage, ob die gesamte „Anlage zu § 24 StVG und die dort genannten berauschenden Mittel und Substanzen oder deren Nachwirkungen“ – Cannabis, Heroin, Morphin, Cocain mit zwei verschiedenen Substanzen, Amfetamin, Designer-Amfetamin mit drei Substanzen und Metamfetamin - in Bezug genommen werde durfte, kann ebenfalls auf sich beruhen.
Die Gebührenentscheidungen des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheids finden ihre Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt sowie Nr. 206 GebTSt, der eine Rahmengebühr von 33,20 bis 256,00 € vorsieht. Die Gebührenhöhe von 120,00 € wird auch von Seiten des Klägers nicht angegriffen.
Einen Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten, eine Fahrerlaubnis der Klasse BE zu erteilen, hat der Kläger bereits deshalb nicht, weil der vorliegende Verwaltungsvorgang – wie der Beklagte zutreffend ausführt – nicht erkennen lässt, dass der Kläger insoweit eine theoretische bzw. praktische Ausbildung und eine entsprechende – zumindest praktische, § 15 S. 2 FeV – Prüfung absolviert hätte und die Befähigung für diese Klasse besitzt. Die Bestätigungen der Fahrschule vom 03. und 21. Januar 2009 beziehen sich ausschließlich auf die Fahrerlaubnisklasse B.
Die Kostenentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in § 154 Abs. 1 VwGO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 S.1 und S. 2 i. V. m. § 709 S. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) .