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Steganlage; Scharmützelsee; Bestandsschutz; Ersatzbau


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat Entscheidungsdatum 13.12.2013
Aktenzeichen OVG 11 N 34.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 17 Abs 6 NatSchG BB, WasG PR

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 3. Januar 2012 zugestellte Urteil wird abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.130,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Kläger ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer eines Grundstücks am S... im gleichnamigen Landschaftsschutzgebiet. Nachdem der Beklagte festgestellt hatte, dass eine dort befindliche Steganlage weitgehend demontiert und 25 neue Holzpfähle in den Seeboden gerammt worden waren, gab er dem Kläger mit Bescheid vom 23. April 2007 unter anderem auf, die neu gerammten Holzpfähle zurückzubauen. Der Kläger hat nach im Wesentlichen erfolglosem Widerspruchsverfahren Anfechtungsklage erhoben, die das Verwaltungsgericht durch das angefochtene Urteil abgewiesen hat.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet, denn das den Prüfungsumfang des Senats bestimmende Antragsvorbringen rechtfertigt es nicht, die von dem Kläger geltend gemachten Berufungszulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 VwGO als erfüllt anzusehen.

1. Der Kläger hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufgezeigt (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Derartige Zweifel bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163 f.) und nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder einzelne Elemente dieser Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4/03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543). Danach begründet das Rechtsmittelvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

a) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die von der Ordnungsverfügung erfassten neuen Holzpfähle hätten der Erhaltung einer von seinem Schwiegervater 1959 mit wasseraufsichtlicher Genehmigung des Rates des KreisesFürstenwalde (Spree) vom 18. Juni 1959 errichteten und damit bestandsgeschützten Steganlage gedient und ihrerseits keiner erneuten Genehmigung bedurft. Dem ist nicht zu folgen. Bestandsschutz setzt voraus, dass die ehemals genehmigte Anlage noch besteht. Nach der zum Baurecht entwickelten und vom beschließenden Senat in ständiger Rechtsprechung auch auf Steganlagen angewendeten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann von lediglich bestandserhaltenden Maßnahmen nur dann ausgegangen werden, wenn die Identität des Bauwerks gewahrt bleibt. Kennzeichen dieser Identität ist es, dass das ursprüngliche Bauwerk nach wie vor als die Hauptsache erscheint. Hieran fehlt es dann, wenn der mit der Instandsetzung verbundene Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Nachberechnung des gesamten Gebäudes erforderlich macht, oder wenn die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder gar übersteigen, oder wenn die Bausubstanz ausgetauscht oder das Bauvolumen wesentlich erweitert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1986 – 4 C 80/82 –; vgl. auch den den Beteiligten bekannten Beschluss des Senats im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vom 10. April 2008 – 11 S 9.08 –). Nach diesen Maßstäben geht es vorliegend nicht um Instandsetzungsmaßnahmen, sondern vielmehr um einen Ersatzbau. Die tragenden und für eine Steganlage geradezu konstitutiven Teile sind deren Stützpfeiler. Können, wie hier, nur elf Stützpfeiler weiterverwendet werden, während 25 Stützpfeiler neu gesetzt werden müssen, fehlt es an dem Fortbestand einer identitätswahrenden Hauptsache.

Ist hiernach nicht lediglich von bestandserhaltenden Maßnahmen, sondern von einer Neuerrichtung auszugehen, kommt es nicht darauf an, inwieweit der neue Steg dem alten gleichen sollte. Soweit der Gesetzgeber bestimmte Ersatzbauten von dem Erfordernis einer erneuten Genehmigung ausnehmen will, hat er dies ausdrücklich geregelt (vgl. § 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauGB). Einen „überwirkenden“ Bestandsschutz aufgrund einer – unterstellt – rechtmäßig erteilten Genehmigung, der zu einem Ersatzbau außerhalb der gesetzlichen Regelungen berechtigt, gibt es nicht (std. Rechtsprechung des BVerwG, vgl. nur Urteil vom 12. März 1998 - 4 C 10/97-, juris, Rn 23 ff.).

Die Einwände des Klägers gegen die Übertragbarkeit der baurechtlichen Rechtsprechung zum Bestandsschutz auf Steganlagen greifen ebenfalls nicht durch. Das vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Merkmal eines Eingriffs, der die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Überprüfung erfordert, erscheint entgegen der Auffassung des Klägers gerade bei Steganlagen, auf deren Tragfähigkeit und Sicherheit es ankommt, nicht verfehlt. Ferner lässt sich gegen die Übertragbarkeit der zum Baurecht entwickelten Rechtsprechung nicht der vom Kläger erhobene Einwand anführen, dass Holzpfeiler einer Steganlage stets eine begrenzte Lebensdauer hätten und deshalb nach einer bestimmten Standzeit ausgetauscht werden müssten. Denn der Bestandsschutzgedanke setzt nicht voraus, dass das Bauwerk eine grundsätzlich unbeschränkte Lebensdauer hat. Vielmehr kann es gerade für die Genehmigung von Anlagen, die in Natur und Landschaft eingreifen, von Belang sein, dass die Anlage per se nur eine begrenzte Lebensdauer aufweist. Folglich kommt es auch darauf an, ob sich die Anlage durch sukzessive Instandsetzungsmaßnahmen unbegrenzt erhalten lässt, oder ob sie wegen der gleichzeitig eintretenden Alterung der tragenden Elemente zu gegebener Zeit durch einen – wiederum genehmigungspflichtigen – Neubau ersetzt werden müsste (vgl. auch OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27. Mai 1998 – 2 M 1/98, bei Juris, Rz. 14).

b) Wie der Kläger selbst einräumt, kommt es hiernach nicht mehr darauf an, ob die von ihm vorgelegte, seinem Schwiegervater nach § 22 des preußischen Wassergesetzes erteilte wasseraufsichtliche Genehmigung des Rates des Kreises Fürstenwalde (Spree) vom 18. Juni 1959 gemäß der ausdrücklichen Bedingung unter B. 1. bereits mit dem Tode seines Schwiegervaters erloschen war, oder ob das Wassergesetz der DDR vom 2. Juli 1982 der ursprünglich personenbezogen erteilten Genehmigung einen anlagenbezogenen Charakter verliehen hat, wie der Kläger dies geltend macht.

c) Das Verwaltungsgericht hat ferner eingehend begründet, dass das vom Kläger ins Werk gesetzte Vorhaben zur Neuerrichtung der Steganlage materiell rechtlich nicht genehmigungsfähig ist. Es hat in diesem Zusammenhang auch die schädigenden Auswirkungen gerade der hier in Rede stehenden Steganlage auf den Röhricht und damit die durch die Landschaftsschutzgebietsverordnung geschützte Ufervegetation dargelegt. Mit diesem, die Ablehnung der Genehmigung auch allein bereits tragenden Ausführungen setzt sich der Kläger nicht in der gebotenen Weise substantiiert auseinander, sondern verweist lediglich allgemein darauf, dass die Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal Schädigung des Naturhaushalts „nicht gering“ seien.

d) Schließlich führen auch die gegen die Ermessensausübung des Beklagten gerichteten Einwände des Klägers nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist mit dem Kläger davon ausgegangen, dass der Beklagte bei dem Erlass von Beseitigungsanordnungen sein Ermessen nicht ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ausüben darf. Dies sei aber auch nach Auswertung der vom Kläger angeführten Vergleichsfälle in der Nachbarschaft nicht anzunehmen. Zwar dürften einzelne Genehmigungen rechtswidrig erteilt worden sein. Jedoch habe der Beklagte diese Fehler zwischenzeitlich erkannt und entsprechende Konsequenzen gezogen, um eine rechtmäßige Genehmigungspraxis herzustellen. Im übrigen habe der Beklagte bereits in ähnlichen vor dem Verwaltungsgericht verhandelten Verfahren und noch einmal ausführlich im vorliegenden Verfahren dargelegt, dass er insgesamt im Bereich des Scharmützelsees konsequent gegen illegal errichtete Steganlagen vorgehe bzw. vorgehen wolle. Er habe darauf verwiesen, dass aufgrund der Vielzahl der Verfahren aber nur ein sukzessives Abarbeiten möglich sei. Dass der Kläger dabei früher als andere Eigentümer seinen Steg zu beseitigen habe, mache das Vorgehen des Beklagten nicht unverhältnismäßig. Es hätten sich insofern bislang keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beklagte bereits bestehende Steganlagen dauerhaft dulde, wenn er selbst davon ausgehe, dass sie nicht genehmigungsfähig seien, und willkürlich isoliert gegen den Kläger vorgehe. Dem entspricht der bei der Gerichtsakte (Bl. 234 ff.) befindliche Sachstandsbericht des Beklagten vom 14. Juli 2011 zur Petition der „Bürgerinitiative Scharmützelsee e.V.“, in dem der Beklagte sein Konzept und den Stand der Abarbeitung der nach seinen Angaben rund 581 vorhandenen Stege am Scharmützelsee dargestellt hat. Es entspricht auch den Erfahrungen des Senats aus vergleichbaren Verfahren, dass gerade der Beklagte gegen von ihm für illegal gehaltene Steganlagen konsequent vorgeht. Selbst wenn sich der Beklagte in Einzelfällen nicht an dieses Konzept gehalten haben sollte, rechtfertigt dies noch nicht, die Inanspruchnahme des Klägers als willkürlich anzusehen.

2. Der Kläger zeigt auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Solche liegen dann vor, wenn eine Rechtssache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Fragestellungen aufwirft, die sich im Zulassungsverfahren nicht abschließend klären lassen, so dass der Ausgang des Rechtsstreits offen ist. Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger nimmt zur Begründung der von ihm geltend gemachten rechtlichen Schwierigkeiten im Wesentlichen auf seine Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils Bezug. Diese Einwände sind aus den oben genannten Gründen aber nicht geeignet, den Ausgang eines Berufungsverfahrens als offen anzusehen. Auch hat der Kläger nicht dargelegt, inwieweit die Beseitigung der streitgegenständlichen Pfähle durch eine zwischenzeitlich erfolgte Vollstreckungsmaßnahme des Beklagten zu besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten führen soll. Dass der Kläger 25 neue Pfähle gesetzt hat und 11 alte Pfähle wieder verwenden wollte, folgt aus seinem eigenen Vortrag.

3. Die Berufung ist ferner nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Zu den hier entscheidungserheblichen Fragen des Bestandsschutzes besteht aus den oben genannten Gründen kein obergerichtlicher Klärungsbedarf. Hiervon abgesehen erscheint es bereits zweifelhaft, ob die vom Kläger als klärungsbedürftig benannte Frage, „ob der Bestandsschutz bestehen bleibt, wenn [eine] bauliche Anlage solcher Art ist, dass eine Instandhaltungsmaßnahme notwendig den vorübergehenden und kurzfristigen Abbau einzelner (nicht schadhafter, sondern genauso wie bisher weiter zu verwendender) Bauteile mit sich bringen muss“, obgleich sie allgemein formuliert ist, nicht allein auf die Klärung des Einzelfalles des Klägers zielt. Jedenfalls ist die Frage einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich, weil es für die Beurteilung der Reichweite des Bestandsschutzes im Hinblick auf den Umfang (den Bestandsschutz wahrender) Reparaturmaßnahmen maßgeblich auf die konkreten Umstände des jeweiligen Falles ankommt. Die weiter aufgeworfene Frage, „ob unbefristet erteilte Genehmigungen, die nach dem preußischen Wasserrecht ausgesprochen worden waren und eine Personenbezogenheit als Nebenbestimmung festlegten, durch überkommenes Recht zu einer anlagenbezogenen Legalisierung baulicher Anlagen führen“ ist aus den oben genannten Gründen nicht entscheidungserheblich.

4. Die Ausführungen des Klägers rechtfertigen schließlich nicht die Zulassung der Berufung wegen eines potenziell erheblichen Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat seine auf Inaugenscheinnahme des Uferbereichs des Scharmützelsees vor der Flur F... in B... Grundstück Frau P... sowie auf Beiziehung der Akten zum Genehmigungsverfahren, die die Rekonstruktion einer Steganlage auf dem genannten Grundstück der Frau P... betreffen, gerichteten Beweisanträge mit der Begründung der mangelnden Entscheidungserheblichkeit abgelehnt. Denn selbst wenn der Beweis erbracht werde, dass auf dem Grundstück P... Schilfröhrricht vorhanden wäre und der Beklagte die Genehmigung in rechtswidriger Weise erteilt hätte, würde dies an der Rechtmäßigkeit der gegenüber dem Kläger ergangenen Beseitigungsverfügung nichts ändern. Diese Begründung ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu beanstanden. Wie dargelegt, durfte das Verwaltungsgericht davon ausgehen, dass dem Vorgehen des Beklagten gegen die von ihm als rechtswidrig erkannten Zustände am Scharmützelsee ein Konzept zugrunde lag, das den Erlass der streitgegenständlichen Verfügung gegenüber dem Kläger nicht als willkürlich erscheinen ließ. Unter Zugrundelegung dieser Prämisse erwiesen sich die gestellten Beweisanträge daher tatsächlich als nicht entscheidungserheblich und durften mit der gewählten Begründung abgelehnt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).