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Kostenfestsetzung; Beschwerde; hier erfolgreich; Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts; Erstattungsfähigkeit von Reisekosten; besondere Fachkenntnisse; hier im Recht der Parteienfinanzierung; entsprechende Fragen von solcher Schwierigkeit; die Hinzuziehung ratsam erscheinen lassen; langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit; "Hausanwalt"


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 08.04.2013
Aktenzeichen OVG 1 K 6.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 162 Abs 1 VwGO, § 162 Abs 2 S 1 VwGO

Tenor

Auf die Beschwerde der Erinnerungsführerinwerden der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Dezember 2011 und der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 22. März 2010 geändert. Die der Erinnerungsführerin von der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten werden auf 7.406,40 Euro festgesetzt.

Die Erinnerungsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Gründe

Die gemäß §§ 146 Abs. 1 und 3, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Erinnerungsführerin hat im Ausgangsverfahren VG 2..., das ein Zahlungsbegehren gegen die Erinnerungsgegnerin aufgrund einer nicht im Rechenschaftsbericht verzeichneten Spende betraf, über die mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. März 2010 bereits festgesetzten 6.830,60 Euro hinaus Anspruch auf Erstattung weiterer 575,80 Euro, insgesamt also auf Erstattung von 7.406,40 Euro (§ 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann die Erinnerungsführerin von der Erinnerungsgegnerin mit Erfolg auch die Erstattung der von ihr geltend gemachten Reisekosten einschließlich Tage- und Abwesenheitsgeld verlangen.

Erstattungsfähig im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind gem. § 162 Abs. 1 VwGO u.a. die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind im Gerichtsverfahren die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts stets erstattungsfähig, also kraft Gesetzes als notwendig anzusehen. Damit soll es den Beteiligten erleichtert werden, sich eines qualifizierten Rechtsvertreters ihrer Wahl zu bedienen (vgl. § 67 Abs. 2 VwGO), um den Verwaltungsrechtsschutz wirksamer zu gestalten. Hiernach sind, wie im Ausgangspunkt auch das Verwaltungsgericht anerkennt, ausnahmsweise - unbeschadet des das gesamte Kostenrecht beherrschenden Grundsatzes, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten - auch die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn dieser über besondere Fachkenntnisse verfügt und der Streitfall Fragen aus dem betreffenden Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass eine verständige Partei zur angemessenen Wahrnehmung ihrer Rechte die Hinzuziehung gerade eines solchen Anwalts für ratsam halten muss, oder wenn zu dem betreffenden Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht und dies seine Beauftragung im Einzelfall rechtfertigt (vgl. bereits OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss des Senats vom 16. Juli 2010 - OVG 1 K 15.10 -, S. 4 f. des Entscheidungsabdrucks; ferner etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Juni 2000 – 6 S 931/99 -, Juris, Rdn. 2 des Ausdrucks; OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 9. Oktober 2001 – 2 E 84/00 -, NVwZ-RR 2002, 317; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2005, § 162 VwGO, Rdn. 69).

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Erinnerungsführerin macht geltend, ihre in Karlsruhe ansässigen Verfahrensbevollmächtigten verträten sie seit dem Jahr 2000 in sämtlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die sich mit dem Recht der Parteienfinanzierung befassten; in diesem Bereich verfügten ihre Verfahrensbevollmächtigten über besondere Kenntnisse, die u.a. erforderlich seien, um nicht nur prozessual, sondern auch materiell den Interessen ihrer Mandantschaft zum Erfolg zu verhelfen. Insoweit verstünden sich ihre Verfahrensbevollmächtigten auch als „Hausanwälte“ der Erinnerungsführerin. Von daher seien in sämtlichen früheren verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Reisekosten ihrer Verfahrensbevollmächtigten auch stets erstattet worden. Dieses Vorbringen erfüllt bereits die erstgenannte Ausnahme für die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts, die greift, wenn der auswärtige Rechtsanwalt über besondere Fachkenntnisse verfügt und der Streitfall Fragen aus dem betreffenden Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass eine verständige Partei zur angemessenen Wahrnehmung ihrer Rechte die Hinzuziehung gerade eines solchen Anwalts für ratsam halten muss. Das Vorliegen besonderer Fachkenntnisse bei den Verfahrensbevollmächtigten der Erinnerungsführerin im Recht der Parteienfinanzierung ist unstreitig. Die genannte Rechtsmaterie ist auch von einer solchen Schwierigkeit, dass es eine verständige Partei für ratsam halten musste, zur angemessenen Wahrnehmung ihrer Rechte gerade solche auswärtigen Rechtsanwälte wie die hier beauftragten hinzuzuziehen. Denn zum einen handelt es sich bei dem Recht der Parteienfinanzierung um eine schwierige und nicht alltägliche Materie des Öffentlichen Rechts, die nur von wenigen besonders spezialisierten Rechtsanwälten bearbeitet wird und deren Handhabung in der Rechtspraxis durch die Öffentlichkeit und im politischen Raum aufmerksam beobachtet wird. Zum anderen hat sich die Erinnerungsführerin, wie sie geltend macht, seit dem Jahr 2000 bereits in zahlreichen anderen Rechtsstreitigkeiten von ihren (auswärtigen) Rechtsanwälten – sozusagen als ihren „Hausanwälten“ - vertreten lassen, so dass diese über auch langjährige praktische Erfahrung im Umgang mit den inmitten stehenden Sach- und Rechtsfragen verfügen und auch mit den Abläufen bei der Erinnerungsführerin vertraut sind. Dies unterstreicht die Sinnhaftigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Erinnerungsführerin auch im vorliegenden Fall. Unabhängig davon stellt dieser Gesichtspunkt auch für sich genommen einen hinreichend gewichtigen Grund dar, auf die Wahl eines anderen Anwalts zu verzichten (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 11. September 2007 – 9 KSt 5/07, 9 KSt 5/07 [9 A 20/05] -, Juris, Rdn. 5).

Soweit das Verwaltungsgericht demgegenüber meint, die vorstehend genannte Voraussetzung für die ausnahmsweise anzuerkennende Erstattungsfähigkeit der Reisekosten auswärtiger Rechtsanwälte sei vorliegend nicht gegeben, weil in der Regel davon ausgegangen werden könne, dass in der Umgebung des Gerichtssitzes oder Wohnort der Partei Rechtsanwälte in ausreichender Zahl und Qualifikation zur Verfügung stünden, was in besonderem Maße für die Bundeshauptstadt Berlin gelte, folgt der Senat dieser Betrachtungsweise nicht. Sie würde dazu führen, dass eine Erstattungsfähigkeit von Reisekosten auswärtiger Anwälte bei einer Wahrnehmung eines Mandats in Berlin praktisch nie gegeben wäre. Denn hier müsste sich die Mandantschaft – in der Logik des Verwaltungsgerichts – in der Erstattungsfrage stets auf eine Vertretung durch eine Anwaltskanzlei in Berlin verweisen lassen, wo ja, wie es in dem angefochtenen Beschluss heißt, „eine Vielzahl von Rechtsanwälten in allen erdenklichen Rechtsmaterien in besonderer Weise qualifiziert ist“ (S. 4 des Beschlussabdrucks). Auch soweit das Verwaltungsgericht meint, dass die Erinnerungsführerin sich in Ansehung ihrer Vertretung durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages „grundsätzlich nicht auf Unkenntnis der parteienrechtlichen Tat- und Rechtsfragen berufen kann und von daher nicht etwa aus diesem Grunde auf eine Prozessvertretung durch ein mit besonderem Fachwissen ausgestattetes Anwaltsbüro angewiesen ist“ (S. 4 des Beschlussabdrucks), kann dem nicht gefolgt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gilt der eingangs genannte Grundsatz, dass es den Beteiligten eines Verwaltungsprozesses erleichtert werden soll, sich eines qualifizierten Rechtsvertreters ihrer Wahl zu bedienen, auch für beklagte juristische Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden, und zwar unabhängig davon, ob das Gesetz Vertretungszwang vorschreibt (vgl. § 67 Abs. 4 VwGO) oder die Behörde/juristische Person des öffentlichen Rechts über eigene juristisch qualifizierte Mitarbeiter oder gar eine eigene Rechtsabteilung verfügt (vgl. Beschluss des Senats vom 1. Februar 2006 - 1 K 72.05 -, NVwZ 2006, 713 f.; ferner etwa Beschlüsse vom 10. September 2008 - 1 K 41.07 - und vom 20. Oktober 2008 – 1 K 95.07 -, jew. in Juris, und zuletzt Beschluss vom 26. Juni 2012 – OVG 1 K 25.09 -, S. 4 des Entscheidungsabdrucks). Hiernach ist auch nicht zu erkennen, dass eine Behörde oder, wie das Verwaltungsgericht indessen meint, eine juristische Person für sich nicht in Anspruch nehmen können soll, mit den hinzugezogenen Rechtsanwälten – als ihren „Hausanwälten“ – bereits seit Jahren vertrauensvoll zusammenzuarbeiten.

Nach alledem hat die Erinnerungsführerin neben den bereits festgesetzten 6.830,60 Euro Anspruch auf Erstattung weiterer 575,80 Euro. Den mit Kostenfestsetzungsantrag vom 21. Januar 2010 geltend gemachten Reisekosten sowie dem Tage- und Abwesenheitsgeld im Einzelnen ist die Erinnerungsgegnerin rechnerisch nicht entgegengetreten. Mithin war, wie tenoriert, ein Erstattungsbetrag von 7.406,40 Euro auszuwerfen, dessen Verzinsung – wie beantragt – entsprechend den Maßgaben aus dem Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 22. März 2010 vorzunehmen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht, weil für das Verfahren – wie Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz deutlich macht - eine Gebühr nicht anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).