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Asylrecht - Eilverfahren


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 3. Kammer Entscheidungsdatum 13.02.2012
Aktenzeichen VG 3 L 209/11.A ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Der Antrag der Antragstellerin auf Abänderung der Beschlüsse vom 24. Mai 2011 und 29. Juni 2011 wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin, ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwältin xxx, xxx, zu bewilligen, hat keinen Erfolg, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs aus den nachstehend ausgeführten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. §§ 114, 121 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,

die Beschlüsse vom 24. Mai 2011 und 29. Juni 2011 zu ändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Abschiebung vorerst zu unterbleiben hat,

hat keinen Erfolg.

Falls der Antrag nicht bereits aus den Gründen des Beschlusses vom 24. Mai 2011 nach § 34a Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) oder deshalb unzulässig ist, weil die Antragstellerin unbekannt verzogen sein soll – so die Erkenntnisse der Zentralen Ausländerbehörde -, ist er jedenfalls deshalb unbegründet, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen, unter denen ein in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangener Beschluss abgeändert werden kann. Nach der unmittelbar oder entsprechend anzuwendenden Bestimmung des § 80 Abs. 7 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines im vorausgegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschlusses wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Gericht hat seinerzeit ausgeführt:

"Gemäß § 34 a Abs. 2 AsylVfG darf die Abschiebung grundsätzlich nicht nach den §§ 80 oder 123 VwGO ausgesetzt werden, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) abgeschoben werden soll. Dies ist hier der Fall. Die Antragstellerin ist am 22. November 2010 aus Italien kommend in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gibt es keinen Anlass, von der zitierten gesetzlichen Regel abzuweichen.

§ 34 a Abs. 2 AsylVfG ist nach der das Gericht insoweit bindenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 2315/93 -, BVerfGE 94, 49, 52 und 113) und nur dann nicht anwendbar, wenn in bestimmten Ausnahmefällen Einwendungen des Ausländers zu einer individuellen Gefährdung im Drittstaat geltend gemacht werden können, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassungs oder Gesetzes wegen berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind. Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer dabei nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der soeben genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen. Nach der am angegebenen Ort zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (zusammenfassend auch Beschluss der 7. Kammer des erkennenden Gerichts vom 20. Juli 2010 - 7 L 227/10.A) kann die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes trotz der gesetzlich normierten Ausschlussregelung in gewissen Sonderfällen gleichwohl statthaft und geboten sein, etwa wenn sich die für die Qualifizierung als „sicher“ maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26 a Abs. 3 AsylVfG hierauf noch aussteht, wenn der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird oder wenn sich der Drittstaat – etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat – von seinen rechtlichen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird.

Darüber hinaus sieht das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlichen Klärungsbedarf mit Blick auf den Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes durch § 34 a Abs. 2 AsylVfG auch in dem hier maßgeblichen Anwendungsbereich des § 27 a AsylVfG. Danach besteht Anlass zur Untersuchung, ob und gegebenenfalls welche Vorgaben das Grundgesetz in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und Art. 16 a Abs. 2 Sätze 1 und 3 GG für die fachgerichtliche Prüfung der Grenzen des Konzepts der normativen Vergewisserung bei der Anwendung von § 34 a Abs. 2 AsylVfG trifft, wenn Gegenstand des Eilrechtsschutzantrags eine beabsichtigte Abschiebung in einen nach der Dublin II-VO zuständigen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften ist."

Diese Maßstäbe - an denen selbst festzuhalten ist - zu Grunde gelegt, sind zureichende Gründe für eine Abänderung der Beschlüsse nicht gegeben. Denn das mit § 34 a AsylVfG bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen aufgestellte Verbot einer Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Wege einer Entscheidung nach den §§ 80 oder 123 VwGO darf nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - abgesehen wohl von in der Person des asylsuchenden Ausländers selbst liegenden Einzelfallumständen - nur aus Gründen durchbrochen werden, die der durch Art. 16 a Grundgesetz verbürgten Gewährleistung des Rechts auf Asyl dienen. Damit ist ein Schutz vor politischer Verfolgung gemeint, auch wenn in der "Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen" (Qualifikationsrichtlinie), auch Regeln über die sozialen Standards aufgestellt werden, unter denen das Asylverfahren durchzuführen ist. Das verkennen nach Auffassung des erkennenden Gerichts jene verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, die Eilrechtschutz in den Fällen des § 34a Abs. 2 AsylVfG schon dann gewähren, wenn infrage steht, ob der betroffene Antragsteller im Falle seiner Abschiebung Zugang zu angemessenen Sozialleistungen und Wohnraum erhalten wird (dies verneinend für Italien etwa: VG Magdeburg, Urteil vom 31. November 2011 - 9 A 100/11 -, juris Rn. 16). Die in der Europäischen Union insoweit völlig zweifelsfrei bestehenden Rechte sind mithin im Falle ihrer Gefährdung nicht dadurch zu gewährleisten, dass das Asylverfahren in Deutschland durchgeführt wird, sondern indem bei den für verwaltungsrechtliche Entscheidungen zuständigen Gerichten im Zielstaat der Abschiebung ein darauf gerichteter Anspruch geltend gemacht wird.

Kommt es nach alledem im vorliegenden Verfahren darauf an, ob im Falle einer Abschiebung der Antragstellerin nach Italien mit einer für die Durchbrechung des gesetzlichen Verbots erforderlichen Wahrscheinlichkeit Gefahren der in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezeichneten Art gerade für die Verwirklichung ihres Asylbegehrens drohen, so sind dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Die von der Antragstellerin eingereichte - nicht mit einer Angabe über die Urheberschaft versehene - Auswertung von Quellen über die Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten in Italien mit dem Stand 7/2011 befasst sich nahezu ausschließlich mit Erkenntnissen über "Unterkunft und soziale Absicherung während des Asylverfahrens", "Unterkunft und soziale Absicherung für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte", die "Situation der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge", den "Zugang zum Gesundheitssystem", den "Zugang zum Arbeitsmarkt" und die "Situation der im Rahmen der Dublin-II-Verordnung nach Italien überstellten Personen". Die erfassten Quellen mögen zwar durchaus berechtigte Zweifel begründen, ob Asylverfahren in Italien stets unter angemessenen sozialen Standards stattfinden; diesbezügliche Ansprüche wären aber nach den oben gemachten Ausführungen vor italienischen Gerichten geltend zu machen, weil sie die Durchbrechung des gesetzlichen Verbots einer stattgebenden gerichtlichen Eilentscheidung weder rechtfertigen noch erfordern und bleiben im vorliegenden Verfahren außer Betracht. Ausweislich des unter dem Gliederungspunkt "Zugang zum Asylverfahren/Hürden beim Zugang zum Asylverfahren im Inland" zitierten Berichts der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) müssten Asylsuchende üblicherweise mehrmals bei der Questura vorsprechen, bevor sie registriert würden. Der Asylantrag gelte in Italien erst dann als gestellt, wenn das Formular "C2" ausgefüllt und unterschrieben worden sei. Die Zeit zwischen der ersten Vorsprache bei der Questura und der förmlichen Asylantragstellung habe zum Zeitpunkt der Recherche der SFH bis zu 2 Monate betragen. Die damit bezeichneten Schwierigkeiten treffen die Antragstellerin aber schon deshalb nicht, weil sie ihren Asylantrag in Deutschland gestellt hat und sie gerade zur Prüfung dieses Asylantrages gemäß der "Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist" (Dublin II-Verordnung), nach Italien überstellt werden soll.

Sonstige nach den oben gemachten Ausführungen im vorliegenden Verfahren beachtliche Anhaltspunkte dafür, dass ein etwa bestehender Anspruch der Antragstellerin auf Flüchtlingsschutz im Falle ihrer Abschiebung nach Italien gefährdet sein könnte, sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. In Anbetracht der gegenwärtigen Verhältnisse in Syrien ist ausgeschlossen, dass sie von Italien aus - gar ohne Durchführung eines Asylverfahrens - nach dorthin weiter abgeschoben werden könnte. Gegenteiliges wird auch von ihr nicht behauptet.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerin minderjährig ist und damit unter dem besonderen Schutz der Qualifikationsrichtlinie steht. Auch nach Auffassung des erkennenden Gerichts kommt allerdings ihre unbegleitete Abschiebung nach Italien nicht in Betracht. Diese droht ihr aber auch nicht. Denn die für die Abschiebung zuständige Zentrale Ausländerbehörde hat mit Schriftsatz vom 26. Januar 2012 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, die Antragstellerin gemeinsam mit ihrem volljährigen Bruder nach Italien auszufliegen. Die Antragsgegnerin hat ferner mit Schriftsatz vom 7. Februar 2012 mitgeteilt, dass die Liaisonbeamtin des Bundesamtes in Rom in jedem Einzelfall, in dem eine minderjährige Person nach Italien abgeschoben wird, eingebunden werde, um das Verfahren vor Ort zu überwachen. Die Verbindungsbeamtin werde informiert, sobald der Abschiebungstermin feststehe und achte darauf, dass Geschwister nicht getrennt würden. Werde eine Person, die in Deutschland als minderjährig registriert sei, nach Italien überstellt, trete das Bundesamt über die Liaisonbeamtin in Rom zudem in jedem Einzelfall in Kontakt mit italienischen Behörden, um sicherzustellen, dass eine angemessene Unterbringung gewährleistet werde. Das Gericht hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln.

Schließlich steht der Abschiebung der Antragstellerin nach Italien auch nicht der Umstand entgegen, dass gemäß Art. 19 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 der Dublin II-Verordnung in den Fällen, in denen der ersuchte andere Mitgliedsstaat (hier: Italien) der Überstellung des jeweiligen Asylsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt worden ist (Deutschland) zustimmt, der Ausländer spätestens innerhalb einer Frist von 6 Monaten seit der Annahme des Antrags auf Aufnahme abzuschieben ist und - wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von 6 Monaten durchgeführt - die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens auf den Mitgliedstaat übergeht, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Denn gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 der Dublin II-Verordnung kann diese Frist bis auf 18 Monate verlängert werden, wenn die Überstellung nicht erfolgen konnte, weil der Asylbewerber flüchtig war. Diese Voraussetzungen lagen vor; die Antragstellerin hatte sich ihrer Abschiebung entzogen, hat sich nach Angaben der Zentralen Ausländerbehörde erst am 25. Januar 2012 wieder in der Aufnahmeeinrichtung eingefunden, und die Antragsgegnerin hat Italien mit 2 Telefax-Notifikationen vom 25. Mai 2011 und 7. Juli 2011 davon unterrichtet. Soweit die Antragstellerin unter Hinweis auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 9. August 2011 (2 B 196/11 -, hier zitiert nach www.asyl.net m.w.N. zum Streitstand) meint, die bloße an Italien gerichtete Mitteilung, der Transfer sei storniert worden, weil die Antragstellerin untergetaucht sei, enthalte die erforderliche Ermessensausübung über die Frage der Fristverlängerung nicht, schließt sich das Gericht dieser Auffassung schon im Ansatz nicht an. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen, die in einem derartigen Fall zu beachten sind, ergeben sich aus der "Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist" (Amtsblatt Nr. L 222 vom 5. September 2003, Seite 3). Nach Art. 9 Abs. 3 dieser Verordnung muss in Fällen, in denen die Überstellung durch einen Mitgliedstaat aus einem der in Artikel 19 Absatz 4 Dublin II-Verordnung genannten Gründe nach der regulären Sechsmonats-Frist erfolgt, der Mitgliedstaat, der die Überstellung veranlassen will, zuvor die notwendigen Absprachen mit dem zuständigen Mitgliedstaat treffen. Beteiligt an diesem, die unionsinterne Verteilung von Asylbewerbern betreffenden Verfahren sind mithin die beiden Mitgliedsstaaten, nicht der Asylsuchende. Daraus folgt, dass die insoweit zu treffende Entscheidung Rechtswirkungen lediglich zwischen den Mitgliedsstaaten herbeiführt, von denen der Asylbewerber dann faktisch betroffen wird. Die genannten Bestimmungen anders zu verstehen, liegt auch deshalb fern, weil sie andernfalls darauf gerichtet sein müssten, die an den zuständigen Mitgliedsstaat gerichtete Erklärung - auch - dem asylsuchenden Ausländer bekannt zu geben, was aber gerade in den von der Regelung gemeinten Fällen nicht in Betracht kommt, weil er flüchtig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).