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Entscheidung 11 KLs 7/12


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 1. Große Strafkammer Entscheidungsdatum 09.01.2014
Aktenzeichen 11 KLs 7/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

In der Strafsache ...

wird die Erinnerung des Verteidigers gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin vom 11.11.2013 als unbegründet verworfen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei.

Gründe

Die Urkundsbeamtin hat mit dem angegriffenen Beschluss dem Erinnerungsführer die Pflichtverteidigervergütung von 2.485,76 € gewährt und ist dabei mit 118,34 € unter dem Antrag des Verteidigers geblieben.

Der Verteidiger hat gemäß Nr. 7001 VV RVG eine Dokumentenpauschale für Ablichtungen der gesamten Verfahrensakte nebst Beistücken in Höhe von 515,20 € netto geltend gemacht. Diesen Betrag hat die Urkundsbeamtin um eine Pauschale von 20 % gekürzt, um damit dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Teil der Verfahrensakte aus bedeutungslosen Schrift-stücken oder aus Schriftstücken besteht, die selbst vom Verteidiger stammen. Dabei hat sich die Urkundsbeamtin auf eine Entscheidung des Kammergerichts vom 27.11.2009 (1 Ws 142/09) berufen.

Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seiner als Erinnerung anzusehenden Beschwerde. Er meint, dass die Kopierkosten für die gesamten Akten und Beistücke erstattungsfähig seien, weil es dem Verteidiger freistehe, welche Aktenbestandteile er für seine Verteidigung benötige und es nicht der Entscheidung des Urkundsbeamten unterliege, welche Bestandteile der Akten für die Rechtsverteidigung relevant seien.

§ 46 Abs. 1 RVG bestimmt für die Fälle beigeordneter oder bestellter Rechtsanwälte, dass deren Auslagen (nur dann) nicht vergütet werden, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Nach herrschender Meinung ist aus dieser negativen gesetzlichen Formulierung zu folgern, dass nicht der Anspruchsteller die Erforderlichkeit seiner Auslagen nachzuweisen hat, sondern die Staatskasse die Beweislast dafür trägt, dass bestimmte Auslagen nicht erforderlich waren (Hartmann Kostengesetze 42. Auflage 2012 § 46 RVG Rdn. 9; Gerold/Schmidt RVG 20. Aufl. 2012 § 46 Rdn. 81).

Die danach postulierte Umkehr der „Beweislast“ hat nichts mit der Frage zu tun, ob die Auslagen überhaupt aufgewandt wurden. Vielmehr wird der Staatskasse aufgegeben, die Überflüssigkeit der vom Verteidiger geltend gemachten Aufwendungen nachzuweisen. Es handelt sich deshalb nicht um das mit bestimmten Beweismitteln übliche Führen eines Gegenbeweises dahin, dass bestimmte behauptete Ereignisse nicht stattgefunden haben, sondern um eine Beurteilung und Bewertung der Frage, ob bestimmte Aufwendungen für eine sachgerechte Verteidigung erforderlich waren. Deshalb ist die Verwendung des Begriffs der Beweislast an dieser Stelle fehl am Platze.

Die Beurteilung, ob bestimmte Auslagen für eine sachgerechte Verteidigung erforderlich waren, kann letztlich nur durch das Gericht verbindlich vorgenommen werden. Der Vertreter der Staatskasse ist hierzu nur bedingt in der Lage. Allenfalls kann von der Staatskasse ein substantiiertes Bestreiten der Erforderlichkeit der Auslagen verlangt werden. Dieses setzt allerdings voraus, dass der Verteidiger die Erforderlichkeit seiner Auslagen hinreichend dargelegt hat, denn ohne Tatsachenvortrag kann die Frage der Erforderlichkeit der Auslagen nicht beurteilt werden. Die Kammer hat bereits in ihrem Beschluss vom 11.11.2013 (11 Qs 18/13) darauf hingewiesen, dass die vermeintliche Umkehr der „Beweislast“ den Verteidiger nicht davon entbindet, die Erforderlichkeit seiner Auslagen darzulegen.

Dem genügt der vorliegende Festsetzungsantrag des Erinnerungsführers nicht. Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung, dass das Kopieren ganzer Akten, ohne eine Auswahl einzelner Seiten zu treffen, nicht erstattungsfähig ist, da viele Aktenbestandteile für die sachgerechte Verteidigung nicht erforderlich sind. Zahlreiche – unter Umständen umfangreiche – Schriftstücke finden sich ohnehin in den Akten der Verteidigung (Zwischenentscheidungen, Anklageschriften, eigene Schriftsätze des Verteidiger) und müssen deshalb nicht aus den Verfahrensakten kopiert werden. Der Verteidiger, der bei dem Antrag auf Festsetzung seiner Kopierkosten einen glaubhaften Rahmen sprengt, ist daher verpflichtet, im Einzelnen darzulegen, welche Kopien er für die sachgerechte Verteidigung für erforderlich gehalten hat.

Diese hier vertretene Auffassung hat auf die Festsetzungspraxis folgenden Einfluss:

Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Urkundsbeamte die Erforderlichkeit eines bestimmten Satzes von Kopierkosten für glaubhaft befindet und diesen ohne die vorherige Einholung einer substantiierten Stellungnahme des Bezirksrevisors festsetzt. Für die Fälle des unbesehenen Kopierens ganzer Verfahrensakten darf der Urkundsbeamte durch Abzug einer Pauschale von 20 % den beantragten Betrag auf einen glaubhaften Satz reduzieren. Insoweit schließt sich die Kammer der oben zitierten Entscheidung des Kammergerichts an.

Es handelt sich hierbei um eine zu favorisierende, praxisnahe Lösung, die auch den Interessen der Justiz insofern entspricht, als hierdurch die Laufzeit für die dem Verteidiger zugesandten Akten erheblich verkürzt wird. Der Verteidiger kann die Akten in Gänze kopieren lassen, ohne durch das vorherige – unter Umständen langwierige – Durchsehen der Akten eine Auswahl treffen zu müssen. Den Abzug von 20 % seiner Kopierkosten kompensiert er durch eine nicht unwesentliche Verkürzung seiner Arbeitszeit.

Wenn der Verteidiger dagegen – wie vorliegend – Kopierkosten geltend macht, die den glaubhaften Rahmen sprengen, wird der Urkundsbeamte ihn auf eine hinreichende Darlegung der Erforderlichkeit drängen müssen und nach deren Eingang oder Ausbleiben dem Bezirksrevisor die Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls zum substantiierten Bestreiten geben müssen. Dieser Darlegungslast kann der Verteidiger nur nachkommen, indem er zumindest angibt, welche Seiten im Einzelnen kopiert worden sind. Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Auslagen wird dann Maßstab die Frage sein, ob ein verständiger, nicht mittelloser Beschuldigter die Auslagen in gleicher Situation veranlasst bzw. akzeptiert hätte (OLG Brandenburg 2 Ws 270/06 Beschluss vom 06.02.2007 zitiert nach Juris). Im Zweifel sind die Auslagen als erforderlich anzusehen.