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Teilbetriebsübergang; Verwirkung; wirtschaftliche Einheit


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 10. Kammer Entscheidungsdatum 14.08.2014
Aktenzeichen 10 Sa 861/14 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 242 BGB, § 613a Abs 5 BGB

Leitsatz

Die Eingliederung einer übertragenen wirtschaftlichen Einheit in die Strukturen des Betriebes des Erwerbers steht der Annahme eines Teilbetriebsübergangs nicht entgegen.

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. März 2014 - 33 Ca 7663/13 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

III. Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 24.352,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten - in diesem Berufungsverfahren - über die Feststellung, ob die Beklagte die Arbeitgeberin der Klägerin in Zusammenhang mit einem streitigen Betriebsteilübergang geworden ist sowie die Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Die Klägerin ist 59 Jahre alt (…. 1955) und schwerbehindert. Sie wurde aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 10. Mai 1991 mit der B. G. L. Chemische Fabrik GmbH ab dem 1.Juli 1991 bei dieser als Pharmareferentin im medizinisch-wissenschaftlichen Außendienst und konkret im Hospital-Außendienst beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging unstreitig auf die N. Deutschland GmbH über. Nach einem ebenfalls unstreitigen Betriebsübergang von dieser auf die N. GmbH im Jahr 2011 erfolgte nach deren Übernahme durch den japanischen T. Konzern zum 30. September 2011 ein Gesellschafterwechsel. Zuletzt bezog die Klägerin unter Berücksichtigung eines für private Fahrten nutzbaren Dienstfahrzeuges eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 7.167,70 EUR.

Die N. GmbH betrieb Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Ferner unterhielt sie eine Vertriebsorganisation mit einem Innen- und Außendienst. Dabei gab es verschiedene Bereiche und sogenannte Außendienstlinien. Der Leiter des Spezialaußendienstbereiches leitete drei Außendienstlinien, nämlich die Hospital-Außendienstlinie, die auch Klinik-Außendienstlinie genannt wurde, mit 24 Beschäftigten, die aus 8 Außendienstbeschäftigten bestehende Osteoporosespezialisten-Außendienstlinie und die Schmerzspezialisten-Außendienstlinie mit 16 Außendienstbeschäftigten. Die Außendienstbeschäftigten wechselten grundsätzlich nicht zwischen den verschiedenen Außendienstlinien. Das Gebiet für die Klinik-Außendienstlinie war in drei Regionen eingeteilt, für die jeweils ein Regionalleiter im Außendienst eingesetzt war, denen der Leiter des Spezialaußendienstbereiches übergeordnet war. Die Außendienstbeschäftigten suchten bei ihrer Tätigkeit in der Regel Klinikärzte bzw. Kliniken auf, wobei das Produkt Tachosil vertrieben wurde.

Im März 2012 kündigte die N. GmbH die Arbeitsverhältnisse ihrer Außendienstmitarbeiter in allen Linien mit Ausnahme des Hospital- und des Apothekenaußendienstes auf der Grundlage eines zwischen der N. GmbH und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat vereinbarten und vom Betriebsrat des Betriebes Konstanz/Singen mitgezeichneten Interessenausgleiches vom 8. März 2012 (Bl. 27-33 d.A.).

Gemäß § 2 Ziff. 2.2 des vorgenannten Interessenausgleichs (Bl. 29 f. d.A.) vereinbarten die Unternehmensparteien u.a., dass es in Deutschland zu einer Neuorganisation der Vertriebsaktivitäten in einer neuen Vertriebsgesellschaft mit Sitz in Berlin komme. Die Aufgaben der Hospitalaußendienstlinie würden organisatorisch und im Rahmen der Neuorganisation der neuen Vertriebsgesellschaft in Berlin zugeordnet. Die Aufgaben des Apotheken–Außendienstes (OTC) würden ebenfalls beibehalten und der selbstständigen. Vertriebsgesellschaft in Berlin zugeordnet Die Außendienst-Schmerzspezialistenlinie und die Osteoporosespezialistenlinie sowie einige andere Linien sollten spätestens zum Ende des zweiten Quartals 2012 geschlossen werden.

Im September 2012 boten die N. GmbH und die zwischenzeitlich gegründete Beklagte der Klägerin ebenso wie den anderen Beschäftigten der Klinik-Außendienstlinie eine Überleitungsvereinbarung auf die Beklagte mit gegenüber dem bisherigen Arbeitsverhältnis teilweise geänderten Bedingungen an (Bl. 37-40 d.A.). Die Klägerin bat die N. GmbH, eine „Rückfallklausel“ vorzusehen oder ihr die Anwendung eines in Ergänzung zu einem Rahmensozialplan zwischen der N. GmbH und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat geschlossenen Sozialplans vom 8. März 2012 für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses bis zum 30. September 2013 schuldrechtlich zuzusichern. Zu solch einer Vereinbarung sowie der Unterzeichnung der Überleitungsvereinbarung zwischen der Klägerin und der Beklagten kam es nicht. Dennoch wurde die Klägerin zum 30. September 2012 von der N. GmbH bei der Sozialversicherung als Beschäftigte ab und zum 1. Oktober 2012 von der Beklagten angemeldet. Am 26. November 2012 stornierte die Beklagte die Sozialversicherungsmeldung bezüglich der Klägerin.

Zum 1. Oktober 2012 war das Vertriebsgeschäft der N. GmbH, sofern es wie im Interessenausgleich vom 8.März 2012 vereinbart nicht eingestellt wurde, auf die Beklagte übertragen. Auch die in Aachen ansässige T. P. GmbH übertrug ihre Vertriebsaktivitäten zum 1. Oktober 2012 auf die neu gegründete Beklagte in Berlin und informierte ihre Mitarbeiter gemäß § 613a Abs. 5 BGB schriftlich über den Teilbetriebsübergang.

Der Leiter des Spezialaußendienstbereiches der N. GmbH wurde von der Beklagten ab dem 1. Oktober 2012 als Leiter der sogenannten Business Unit Surgery (bzw. Business Unit Chirurgie) weiterbeschäftigt. Das im Klinik-Außendienst der N. GmbH beworbene Produkt Tachosil wurde von den ehemaligen Mitarbeitern des Klinik-Außendienstes der N. GmbH nunmehr für die Beklagte im Hinblick auf die bestehenden Kunden und Kontaktpersonen weiterbeworben, in diesem Bereich eingesetzte materielle Betriebsmittel wie Laptops, I-Pads und Dienst-PKWs weiter genutzt, das bisher genutzte online CRM-System „salecase“ weiter verwendet.

Die Geschäftsführung der N. GmbH beschloss im Herbst 2012, die Hospital-Außenlinie zu schließen, nachdem innerhalb der Konzerngruppe diese Aufgaben mittlerweile von der Beklagten wahrgenommen wurden. Im Dezember 2012 erfolgte die Umfirmierung der N. GmbH auf T. GmbH.

Von den 24 Beschäftigten der Klinik-Außendienstlinie schlossen 16 Personen einen Überleitungsvertrag mit der Beklagten und der N. GmbH. Die Beschäftigten, die wie die Klägerin den angebotenen Überleitungsvertrag nicht abgeschlossen hatten, erhielten eine Einladung zu einer Informationsveranstaltung bezüglich der Überleitungsvereinbarungen am 5. November 2012. Urlaubsbedingt nahm die Klägerin an dieser Veranstaltung nicht teil. Die Klägerin erhielt unter dem 31. Oktober 2012 ein Schreiben der N. GmbH (Bl. 41 d.A.), mit dem erklärt wurde, dass die Klägerin aufgrund eines Widerspruchs gegen die Überleitung in die Vertriebsgesellschaft ab 6. November 2012 von der Arbeitspflicht freigestellt werde. Die Klägerin entgegnete mit Email vom 6. November 2012 (Bl. 42 d.A.) gegenüber der N. GmbH, dass sie der Darstellung, sie habe einen Widerspruch gegen die Überleitung des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte eingelegt, ausdrücklich widerspreche. Der ehemalige Leiter des Spezialaußendienstbereiches der N. GmbH wies als Head of Business Unit Surgery der Beklagten die Klägerin darauf mit Email vom 12. November 2012 (Bl. 132 d.A.) an, bis auf weiteres für die Beklagte keine Tätigkeiten „im Feld“ durchzuführen, sondern lediglich Homeoffice zu betreiben und diese Tage im CRM-System als Bürotage zu dokumentieren.

Unter dem 9. Januar 2013 kündigte die T. GmbH das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31. August 2013 und stellte sie zugleich von der Arbeitspflicht frei. Diese Kündigung ist Gegenstand einer noch nicht entschiedenen Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Lörrach.

Die Klägerin meint, dass ihr Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Teilbetriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen sei. Nach dem 30. September 2012 habe sie bis zu ihrer Freistellung im November 2012 dieselben Tätigkeiten wie zuvor ausgeübt. Sie habe dieselben Produkte mit demselben CRM-System, der gleichen Zielsetzung und demselben Aufgabenspektrum bearbeitet.

Eine Außendienstlinie sei eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit, da diese funktionell abgrenzbar sei. Sie grenze sich ab durch die Produkte, die Kunden und die Kontaktpersonen. In der angebotenen Überleitungsvereinbarung sei der Klägerin ein unveränderter Aufgabenbereich angeboten worden. Dass die Hospital-Außendienstlinie nach dem Übergang auf die Beklagte eventuell Veränderung erfahren habe, stehe dem Übergang nicht entgegen (BAG vom 26.5.2011 – 8 AZR 37/10).

Mit der Email vom 6. November 2012 habe die Klägerin deutlich gemacht, dass sie gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte keine Einwände erhebe, sondern nur eine gewisse Klarheit verlange. Danach habe die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 17. Mai 2013 (Bl. 114-115 d.A.) deutlich gemacht, dass sie von einem Betriebsübergang auf die Beklagte ausgehe. Deshalb sei der Anspruch auch nicht verwirkt.

Die Beklagte hat erwidert, dass ein Betriebsteilübergang von der N. GmbH auf sie nicht vorliege. Ihr Betrieb bestehe zum größten Teil aus dem übernommenen Betrieb der T. P. GmbH in Aachen. Die bei ihr weiterbeschäftigten Klinikaußendienstmitarbeiter der ehemaligen N. GmbH seien in die Business Unit-Chirurgie eingegliedert worden. Die Identität des Vertriebsbereichs Spezialaußendienst sei nicht gewahrt worden. Dieser habe bei der N. unter der damaligen Leitung aus drei Außendienstlinien bestanden. Gegen eine identitätswahrende Fortführung der Klinik-Außendienstlinie spreche auch der Umstand, dass die Business Unit Surgery, in die die Klinik-Außendienstmitarbeiter eingegliedert worden seien, bei ihr andersartig betrieblich organisiert sei, denn in der Business Unit Surgery seien neben den Außendienstmitarbeitenden auch noch weitere sogenannte Brandmanager und Marketing Funktionen vorhanden und entgegen der früheren Organisation unter eine einheitliche Leitung gestellt. Der Außendienst dieser Unit möge zwar aus ehemaligen Mitarbeitern der N. GmbH bestehen, die übrigen Mitarbeiter der Unit seien jedoch neue bzw. ehemalige Mitarbeiter der T. P. GmbH aus Aachen. Durch die Ausgestaltung als Business Unit habe sich die Verantwortung des Leiters stark verändert. Auch sei zu beachten, dass die Lizenzen für die Produkte nicht auf die Beklagte übergegangen seien.

Das Feststellungsinteresse der Klägerin hinsichtlich eines Teilbetriebsübergangs sei verwirkt. Sie habe an einer konzerninternen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kein Interesse gehabt. Nachdem die Klägerin das ursprünglich angebotene Arbeitsverhältnis bei der Beklagten nicht angenommen habe, sei nach Ablauf von 8 Monaten für die Beklagte nicht mehr damit zu rechnen gewesen, dass die Klägerin die Ablehnung zurücknehme. Der seinerzeit der Klägerin angebotene Arbeitsplatz, der ihrer früheren Beschäftigung bei der N. GmbH entsprochen hätte, sei mittlerweile anderweitig besetzt. Die Anmeldung der Klägerin bei der Sozialversicherung sei im Zuge der Neugründung der Beklagten und der Umstellung der SAP-Systeme erfolgt.

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 20. März 2014 festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe und die Beklagte verpflichtet sei, die Klägerin bis zur Rechtskraft der Entscheidung als Pharmareferentin im medizinisch-wissenschaftlichen Außendienst zu beschäftigen.

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass es sich beim Klinik-Außendienst der N. GmbH um eine abgrenzbare organisatorische Einheit gehandelt habe. Diese ergebe sich schon aus dem Interessenausgleich, da dort entsprechende gesonderte Regeln aufgestellt worden seien. Es sei nicht ersichtlich, dass sich Funktion und Arbeitsweise des Klinik-Außendienstes wesentlich geändert hätten. Sowohl hinsichtlich des Produktes als auch hinsichtlich der Kunden habe es zunächst keine Veränderungen gegeben. Sachmittel der N. GmbH seien von der Beklagten weiter verwendet worden. Falls sich danach Strukturen verändert haben sollten, stehe das der Annahme des Betriebsteilübergangs nicht entgegen. Vielmehr habe die Beklagte die Klägerin zunächst auch für mehr als einen Monat unverändert weiterbeschäftigt.

Das Fortsetzungsverlangen der Klägerin sei weder verspätet noch verwirkt. Da die Klägerin nicht entsprechend § 613a Abs. 5 BGB belehrt worden sei, sei ihr Fortsetzungsverlangen nicht fristgebunden. Nach den Umständen des Einzelfalles sei schon das Zeitmoment einer Verwirkung nicht gegeben. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt die Beschäftigung bei der Beklagten abgelehnt. Auch wenn der Arbeitsplatz der Klägerin mittlerweile besetzt sei, könne sie dennoch vertragsgemäß weiterbeschäftigt werden.

Gegen dieses den Beklagtenvertretern am 15. April 2014 zugestellte Teilurteil legten diese am 29. April 2014 Berufung ein und begründeten diese am 10. Juni 2014.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass der Anspruch der Klägerin verwirkt sei. Die Klägerin habe spätestens seit dem 6. November 2012 Kenntnis von den den Betriebsübergang begründenden Tatsachen gehabt. Allerdings habe sie am 6. November 2012 lediglich mit der N. GmbH und nicht mit der Beklagten kommuniziert. Am 5. November 2012 habe die Klägerin ein Weiterbeschäftigungsangebot der Beklagten abgelehnt. Das Schreiben der Klägerin vom 17. Mai 2013 habe die Beklagte erst am 21. Mai 2013 erhalten. Klage habe die Klägerin erst am 12. Juni 2013 erhoben. Bei der Beklagten sei ein schutzwürdiges Vertrauen entstanden, dass sie von der Klägerin nicht mehr in Anspruch genommen werde.

Auch handele es sich nicht um einen Teilbetriebsübergang. Die Beklagte verfolge ein anderes Vertriebskonzept als die N. GmbH. Bei der Beklagten werden zentralisiert in Business-Units gearbeitet, bei der N. GmbH sei dezentralisiert in Abteilungen gearbeitet worden. Die Beklagte habe keine Sachmittel für den Innendienst übernommen. Dieses sei nur im Außendienst erfolgt. Allerdings seien nicht die Arbeitnehmer den Arbeitsmitteln, sondern die Arbeitsmittel den Arbeitnehmern gefolgt. Denn es seien nur die Arbeitsmittel der weiterbeschäftigten Arbeitnehmer übernommen worden. Die Beklagte besitze auch nicht die Schutzrechte für die Produkte, die zuvor bei der N. GmbH gelegen hätten und jetzt bei der T. GmbH liegen würden. Der Außendienst der Business Unit Chirurgie bestehe zwar aus ehemaligen Mitarbeitern der N. GmbH, aber die übrigen in der Business Unit Beschäftigten stammten entweder aus Aachen oder seien von außen neu eingestellt worden. Auch weitere - in der Berufungsbegründung konkret benannte - Aspekte würden gegen einen Betriebsübergang sprechen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20. März 2014 – 33 Ca 7663/13 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin entgegnet, dass sie am 6. November 2012 keine klare Kenntnis über den Teilbetriebsübergang gehabt habe. Es habe Indizien gegeben. Da aber die gleichen Personen für unterschiedliche Gesellschaften gehandelt hätten, sei es alles andere als klar gewesen. An dem Gespräch am 5. November 2012 habe sie urlaubsbedingt nicht teilgenommen. Sie habe nur mittelbar über Kollegen von dem Inhalt des Gespräches erfahren. Die Beklagte sei jedoch über den Inhalt des Kündigungsschutzverfahrens vor dem ArbG Lörrach immer informiert gewesen. Es seien teilweise auch hier Beschäftigte der Beklagten aufgetreten. Mit Schriftsatz vom 25. März 2013 habe die Klägerin dort ihre Auffassung zu einem Teilbetriebsübergang dargelegt. Das Zeitmoment sei aber bereits unabhängig davon nicht erfüllt. In jedem Fall liege auch kein Umstandsmoment für eine Verwirkung des Feststellungsinteresses vor.

Die Einwände der Beklagten gegen die Annahme eines Teilbetriebsübergangs seien nicht gerechtfertigt. Dass Business Units etwas grundlegend anderes seien als Abteilungen habe die Beklagte zwar behauptet, jedoch durch keinerlei Tatsachen belegt. Auch die Ansiedlung der Schutzrechte bei der Muttergesellschaft der Beklagten stehe der Annahme eines Teilbetriebsübergangs nicht entgegen. Wesentlich sei, dass die identischen Produkte vertrieben würden. An den betrieblichen Abläufen und Tätigkeiten ändere die andere Zuordnung der Schutzrechte nichts.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in diesem Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung der Beklagten vom 6. Juni 2014, ihren Schriftsatz vom 7. August 2014 sowie auf die Berufungsbeantwortung der Klägerin vom 30. Juli 2014, ihren Schriftsatz vom 13. August 2014 und das Sitzungsprotokoll vom 14. August 2014 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden.

II.

Die zulässige Berufung ist allerdings unbegründet. Im Ergebnis und auch in der Begründung ist keine andere Beurteilung als in erster Instanz gerechtfertigt. Das Landesarbeitsgericht folgt dem Arbeitsgericht Berlin hinsichtlich der Begründung und sieht insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von einer nur wiederholenden Begründung ab. Die Angriffe der Berufung sind nicht geeignet, die Rechtslage anders zu beurteilen.

1.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht eine sogenannte Prozessverwirkung des Klagerechts der Klägerin abgelehnt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das Recht, eine Klage zu erheben, zwar verwirkt werden mit der Folge, dass eine dennoch erhobene Klage unzulässig ist (vgl. BAG, Urteil vom 20. April 2011 – 4 AZR 368/09 m.w.N.). Dies kommt jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht. Das Klagerecht soll ausnahmsweise verwirken können, wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhebt und zusätzlich ein Vertrauenstatbestand beim Anspruchsgegner geschaffen worden ist, dass er gerichtlich nicht mehr belangt werde. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse des Berechtigten an der sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die nicht innerhalb angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zumutbar ist. Durch die Annahme einer prozessualen Verwirkung darf der Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigenden Weise erschwert werden. Dies ist im Zusammenhang mit den an das Zeit- und Umstandsmoment zu stellenden Anforderungen zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 10. Oktober 2007 - 7 AZR 448/06 m.w.N.).

Die Voraussetzungen der ohnehin nur selten anzunehmenden Prozessverwirkung liegen im Streitfall nicht vor. Der Beklagten ist die Einlassung auf das Klagebegehren nicht unzumutbar. Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt würde, dass die Klägerin trotz einer fehlenden Unterrichtung über die Einzelheiten des Teilbetriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 5 BGB mit ihrem Zuwarten von etwa 7 Monaten nach ihrer Mitteilung an die bisherige Arbeitgeberin, dass sie dem Teilbetriebsübergang nicht widersprochen habe sowie seit der Mitteilung des Leiters der Business Unit Chirurgie der Beklagten an die Klägerin, dass sie einstweilen nicht „im Feld“ tätig werden solle, das Zeitmoment für eine prozessuale Verwirkung erfüllt haben sollte, fehlt es jedenfalls an dem weiterhin erforderlichen Umstandsmoment. Der Beklagten war bekannt, dass es zwischen der Klägerin und der früheren Arbeitgeberin einen Rechtsstreit über die Frage der Wirksamkeit von dessen Beendigung gab. Die Beklagte war jedenfalls durch die Teilnahme ihres Leiters Grundsatzfragen L. zumindest in groben Zügen darüber informiert, dass die Frage eines Teilbetriebsübergangs in jenem Verfahren von der Klägerin vorgebracht worden war. Dass das, wie Herr L. in der Berufungsverhandlung erklärt hatte, kein zielgerichtet erworbenes Wissen der Beklagten war, ist dabei unbeachtlich. Zu keinem Zeitpunkt hat die Klägerin gegenüber der Beklagten erklärt, dass sie auf ein Arbeitsverhältnis bei dieser keinen Wert lege. Allein der Zeitablauf begründet kein Umstandsmoment.

2.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist am 1. Oktober 2012 mit allen Rechten und Pflichten, die sich aufgrund des Arbeitsvertrages mit der B. G. L. Ch. Fabrik GmbH vom 10. Mai 1991 ergeben, gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen.

2.1

Ein solcher Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck geeignet ist (vgl. nur EuGH, Urteil vom 6. März 2014 - C-458/12; BAG, Urteil vom 22. Mai 2014 – 8 AZR 1069/12).

Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden.

Wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur oder im Konzept der betrieblichen Tätigkeit können, wie etwa eine Änderung des Betriebszwecks, einer Identitätswahrung entgegenstehen (vgl. BAG, Urteil vom 13. Juli 2006 - 8 AZR 331/05). Die Eingliederung der übertragenen Einheit in die Struktur des Erwerbers steht der Annahme eines Teilbetriebsübergangs nicht entgegen. Die Beibehaltung der bisherigen Organisationsstruktur ist nicht erforderlich (BAG, Urteil vom 26. Mai 2011 – 8 AZR 37/10), sondern lediglich die Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs zwischen den verschiedenen übertragenen Faktoren, der es dem Erwerber erlaubt, diese Faktoren, auch wenn sie in eine andere Organisationsstruktur eingegliedert werden, zur Verfolgung einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zu nutzen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Februar 2009 - C-466/07; BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 – 8 AZR 181/11 m.w.N.).

2.2

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte zwar nicht den Betrieb der N. GmbH übernommen, es hat aber ein Übergang eines Betriebsteils, nämlich der Hospital- oder Klinik-Außendienstlinie, auf die Beklagte gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB stattgefunden.

Bei dem ursprünglich von der N. GmbH betriebenen Hospital-Außendienst handelt es sich um eine wirtschaftliche Einheit. Denn die N. GmbH verfolgte den Vertrieb des Arzneimittels Tachosil an Kliniken bzw. Klinikärzte als Teilzweck. Für die Verfolgung dieses Teilzwecks unterhielt sie eine Organisation, so dass es sich beim Hospital-Außendienst um eine abgrenzbare organisatorische wirtschaftliche Einheit gehandelt hat. Denn die N. GmbH setzte unter einer einheitlichen Leitung des Leiters des Spezialaußendienstes für den Arzneimittelvertrieb eine strukturierte Gesamtheit von Beschäftigten ein. Diese Gesamtheit bestand aus 24 Beschäftigten. Innerhalb dieser konkreten Struktur war es die Aufgabe der Außendienstbeschäftigten, bei einem bestimmbaren Kundenkreis ein bestimmtes Produkt zu vertreiben. Den Mitarbeitern waren ferner bestimmte Betriebsmittel, wie Dienstwagen und Laptop zugeordnet und es wurde ein bestimmtes EDV-System verwendet.

Dass dem Leiter des Spezialaußendienstes bei der N. GmbH nicht nur die Leitung der Hospital-Außendienstlinie, sondern auch die Leitung weiterer Außendienstlinien oblag, steht der Annahme, dass es sich bei der Hospital-Außendienstlinie um einen Betriebsteil im Sinne des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB handelt, nicht entgegen. Die Arbeitsorganisation und die Verknüpfung von verschiedenen Produktionsfaktoren, die der Herbeiführung eines bestimmten Erfolges dienen, werden nicht dadurch berührt, dass die leitende Person zugleich auch andere Bereiche leitet. Da jeweils bestimmte Außendienstmitarbeiter den unterschiedlichen Außendienstlinien zugeordnet waren, also insoweit ein Austausch der Mitarbeiter nicht stattfand, und in den anderen Außendienstlinien auch andere Produkte vertrieben bzw. andere Kunden aufgesucht wurden, gliederte sich der Spezialaußendienst in mehrere unterschiedliche wirtschaftliche Einheiten, die jeweils mit anderen Betriebsmitteln unterschiedliche Teilzwecke verfolgten, wie auch die Formulierungen im Interessenausgleich vom 8. März 2012 ausweisen.

Die wirtschaftliche Einheit der Klinik-Außendienstlinie wird geprägt durch die menschliche Arbeitskraft. Im Mittelpunkt stehen vorliegend dagegen nicht die materiellen Betriebsmittel wie Dienstwagen und Laptop, sondern die strukturierte Gesamtheit der Außendienstbeschäftigten. Gerade deren Fähigkeiten und Kenntnisse sind entscheidend, um das Arzneimittel Tachosil an die Kliniken und Klinikärzte zu vertreiben. Die Beklagte hat diese strukturierte Gesamtheit von der N. GmbH zum 1. Oktober 2012 übernommen. Die Beklagte hat sämtlichen Außendienstbeschäftigten, die der Klinik-Außendienstlinie zugeordnet waren, sogenannte Überleitungsverträge angeboten. Sie hat ferner zunächst alle Beschäftigten einschließlich der Klägerin unverändert eingesetzt. Mit Ausnahme der Personen, die die Überleitungsverträge nicht angenommen hatten, betrieb die Beklagte auch nach dem 5. November 2012 die Klinik-Außendienstlinie weiter. Der ehemalige Leiter des Spezialaußendienstes wird von der Beklagten ebenfalls seit dem 1. Oktober 2012 beschäftigt. Auch nach dem Vortrag der Beklagten übt er als Leiter der Business-Unit Chirurgie zugleich die Leitung gegenüber den Außendienstmitarbeitern aus, die vorher bei der N. GmbH beschäftigt waren und jetzt weiter die Aufgabe haben, das Produkt Tachosil an Kliniken bzw. Klinikärzte zu vertreiben. Die beabsichtigte Weiterbeschäftigung aller und die tatsächliche Weiterbeschäftigung von 16 der 24 Beschäftigten der Hospital-Außendienstlinie stellt im Übrigen einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der wirtschaftlichen Einheit dar. Auch mit einer solchen Anzahl von Beschäftigten kann ein Außendienst betrieben werden und wird nicht funktionsunfähig. Durch die Weiterbeschäftigung der strukturierten Gesamtheit der Außendienstmitarbeitenden des Hospital-Außendienstes ist dieser Bereich unter Wahrung seiner Identität auf die Beklagte übergegangen.

Unerheblich ist, ob es für die in der Klinik-Außendienstlinie vertriebenen Arzneimittel Lizenzen gibt und ob diese auf die Beklagte übertragen wurden. Zwar handelt es sich bei Schutzrechten und Lizenzen auch um immaterielle Betriebsmittel, deren Übernahme bzw. Nichtübernahme mit Rücksicht auf die Art des betreffenden Betriebs im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen sein kann. Die Lizenzen sind für die Ausübung der reinen Vertriebstätigkeit aber nicht von Bedeutung, jedenfalls nicht, wenn der Vertrieb auf der Grundlage eines Kooperationsvertrages erfolgt, der die Vertriebsgesellschaft gerade zum Vertrieb berechtigt bzw. verpflichtet.

Auch die Art des Betriebsteils hat sich nicht geändert. Auch wenn bei der Beklagten anders als bei der N. GmbH Business Units gebildet sind, ging dadurch die funktionelle Verknüpfung nicht verloren. Denn die Beklagte setzt weiter die schon bei der N. GmbH tätigen Außendienstbeschäftigten zu demselben Betriebszweck, nämlich dem Vertrieb des Arzneimittels Tachosil bei Kliniken oder Klinikärzten ein.

III.

Die Kostenentscheidung folgt § 64 Abs.6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Zulassung der Revision kam gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht in Betracht. Es handelt sich um eine am Einzelfall orientierte Entscheidung ohne grundsätzliche rechtliche Bedeutung. Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar.