Gericht | VG Potsdam 10. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.12.2010 | |
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Aktenzeichen | 10 K 1885/06 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 49a StrG BB |
§ 49a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG erlaubt den Gemeinden eine Übertragung des Winterdienstes auf die Eigentümer der Anliegergrundstücke nur insoweit, als der Winterdienst zu den Reinigungspflichten zählt.
Nach § 49a Abs. 2 Satz 1 BbgStrG ist es auch Teil der Reinigungspflicht, die Gehwege und Überwege für Fußgänger vom Schnee zu räumen und bei Glätte zu streuen. Soweit in Fußgängerzonen (Zeichen 242 Straßenverkehrsordnung) und in verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325 Straßenverkehrsordnung) Gehwege nicht vorhanden sind, gilt als Gehweg ein Streifen von jeweils 1,5 m Breite entlang der Grundstücksgrenze.
Jenseits der angelegten Gehwege, der Überwege für Fußgänger sowie der Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereiche sind die Gemeinden nach § 49a Abs. 3 BbgStrG ausschließlich selbst und ohne Übertragungsmöglichkeit auf die Anlieger zum Winterdienst im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet.
Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, entlang der Grund- stücksgrenze des in seinem Eigentum stehenden Grundstücks in …, eingetragen im Grundbuch von …, Flur .., Flurstück …, Winterdienst im Sinne der Straßenreinigungssatzung der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow zu versehen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger begehrt die Feststellung, als Straßenanlieger nicht zum Winterdienst verpflichtet zu sein.
Er ist Eigentümer eines im Außenbereich gelegenen Grundstücks in ... …, ..., das zu einer Kleingarten-Kolonie gehört. Die dortigen Wege befinden sich in Privateigentum und bestehen aus einer Fahrbahn und einem Grünstreifen.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2006 verwarnte die Beklagte den Kläger wegen der unterlassenen Durchführung von Anliegerpflichten. Der Kläger habe den Winterdienst nicht durchgeführt, insbesondere habe er es unterlassen, entlang seiner Grundstücksgrenze einen 1,20 m breiten Streifen für den Fußgängerverkehr von Schnee freizuhalten und abzustumpfen. Die Beklagte berief sich auf eine von der Gemeindevertretung der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow am 29. November 2007 beschlossene Straßenreinigungssatzung, die für Straßen in geschlossener Ortslage gilt und in § 2 die Reinigung und Winterwartung dieser Straßen den Anliegern der erschlossenen Grundstücke auferlegt. In § 4 wird Art und Umfang der Winterwartung u. a. wie folgt geregelt:
„1. Die Winterwartung umfasst bei Eis- und Schneeglätte die Freihaltung und Bestreuung des vor dem Grundstück verlaufenden Geh-, oder Geh- und Radweges in einer Breite von mindestens 1,20 Meter. …
2. Sofern ein Gehweg nicht vorhanden ist, gilt ein Streifen von 1,20 Meter Breite entlang der Grundstücksgrenze als Gehweg.“
Mit der am 19. September 2006 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die genannten Satzungsbestimmungen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf ihn anzuwenden sind. Er meint, die Wegeflächen seien schon nicht gewidmet und befänden sich ohnehin im Außenbereich.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, entlang der Grundstücks- grenze des in seinem Eigentum stehenden Grundstücks in ..., ..., eingetragen im Grundbuch von … Flur … Flurstück …, Winterdienst im Sinne der Straßenreinigungssatzung der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow zu versehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt im Wesentlichen vor, die Wege würden nach § 48 Abs. 7 BbgStrG als gewidmet gelten. Eine geschlossene Ortslage sei gegeben, da die Bebauung im fraglichen Bereich einen entsprechenden Eindruck erwecke.
Die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig. Der Kläger begehrt die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses, an dessen Klärung er als Grundstückseigentümer ein berechtigtes Interesse hat. Die zwischen den Beteiligten streitige Frage des Winterdienstes berührt dauerhaft die Rechtsbeziehungen des Klägers zu dem auf seinem Grundstück verlaufenden Weg.
Die Feststellungsklage ist begründet. Der Kläger ist nicht verpflichtet, entlang der Grundstücksgrenze des in seinem Eigentum stehenden Grundstücks Winterdienst im Sinne der Straßenreinigungssatzung der Beklagten zu versehen. Es kann offen bleiben und bedarf keiner weiteren Sachaufklärung, ob das klägerische Grundstück innerhalb einer geschlossenen Ortslage an einer Straße liegt, die als öffentlich gewidmet gilt. Selbst wenn diese notwendigen Voraussetzungen für die Anwendung der Straßenreinigungssatzung der Beklagten vorlägen, stehen die zitierten satzungsrechtlichen Bestimmungen jedenfalls nicht im Einklang mit der gesetzlichen Vorgabe des § 49a Brandenburgisches Straßengesetz (BbgStrG) und sind daher unwirksam.
Gemäß § 49a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG sind Gemeinden lediglich berechtigt, durch Satzung die sogenannte Reinigungspflicht ganz oder teilweise den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke aufzuerlegen. Der Begriff der Reinigungspflicht wird in § 49a Abs. 2 Satz 1 BbgStrG näher definiert. Danach umfasst die Reinigungspflicht auch die Verpflichtung, die Gehwege und Überwege für Fußgänger vom Schnee zu räumen und bei Glätte zu streuen. Soweit in Fußgängerzonen (Zeichen 242 Straßenverkehrsordnung) und in verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325 Straßenverkehrsordnung) Gehwege nicht vorhanden sind, gilt als Gehweg ein Streifen von jeweils 1,5 m Breite entlang der Grundstücksgrenze. Jenseits der angelegten Gehwege, der Überwege für Fußgänger sowie der Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereiche sind die Gemeinden nach § 49a Abs. 3 BbgStrG ausschließlich selbst und ohne Übertragungsmöglichkeit auf die Anlieger zum Winterdienst im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet.
Der Gesetzgeber hat damit eine Aufteilung des Winterdienstes vorgenommen und dabei sowohl die Zumutbarkeit der Belastung der Gemeinden als auch der Anlieger berücksichtigt. Auf vorhandenen Gehwegen und Überwegen für Fußgänger sind die Gemeinden zum Winterdienst ebenso zwingend verpflichtet wie zur sonstigen ordnungsmäßigen Reinigung gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 BbgStrG. Wegen der Besonderheiten in Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Bereichen, in denen typischerweise gesondert angelegte Gehwege fehlen, hat der Gesetzgeber eine Ersatzregelung in Form eines 1,5 m breiten Grundstücksstreifens getroffen. Eine analoge Anwendung dieser Ersatzregelung auf Straßen außerhalb dieser Bereiche ist abzulehnen, da es angesichts der ausdifferenzierten Regelung, die im gesetzgeberischen Ermessen steht, an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehlt. Der übrige Winterdienst jenseits der in § 49a Abs. 2 BbgStrG benannten Bereiche, insbesondere auf Fahrbahnen, zählt hingegen ausdrücklich nicht zur Reinigungspflicht und steht nach § 49a Abs. 3 BbgStrG unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit der Gemeinden, weshalb er demzufolge nicht uneingeschränkt durchgeführt werden muss. An diese Unterscheidung knüpft § 49a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BbgStrG an und erlaubt den Gemeinden eine weitere Übertragung nur derjenigen Pflichten, zu denen sie selbst vorbehaltlos verpflichtet sind.
Diese Zuordnung nur eines Teils des Winterdienstes zu den übertragbaren Reinigungspflichten wird auch durch die Gesetzesmaterialien nicht in Frage gestellt (vgl. LT-Drucks 2/1853). Unabhängig davon, dass Gesetzgebungsmaterialien als Auslegungshilfe nicht dazu führen können, den Wortsinn des Gesetzes zu überschreiten, und schon deshalb die klare Definition der Reinigungspflichten und Übertragungsmöglichkeiten hier nicht erweitern können, ist dem Gesetzentwurf der Landesregierung zur Einführung des § 49a BbgStrG kein entgegenstehender Wille zu entnehmen. In der Begründung zu § 49a Abs. 2 und 3 BbgStrG wird zwar auch der Winterdienst auf Fahrbahnen pauschal und ohne nähere Ausführungen zu den Reinigungspflichten gerechnet. Das ist in dieser Allgemeinheit jedoch kein hinreichendes Indiz auf eine dem Gesetzesentwurf zuwiderlaufende Intention. So lag die Aufgabe der Begründung zu § 49a Abs. 2 und 3 BbgStrG lediglich darin, die den Gemeinden in diesen Absätzen übertragenen Aufgaben insgesamt zu umschreiben. Dazu wurden wie auch im Gesetzeswortlaut die eigentlichen Reinigungspflichten, also die Beseitigung von Verunreinigungen, aufgeführt und im Anschluss der Winterdienst danach unterschieden, ob er sich auf Gehwege, auf 1,5 m breite Ersatzstreifen oder auf Fahrbahnen bezieht. Für Fahrbahnen hebt auch die Begründung hervor, dass der Winterdienst insofern unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit steht. Eine Unterscheidung zur Übertragbarkeit einzelner Pflichten war von vornherein nicht Gegen-stand dieses Teils der Gesetzesbegründung. Die Begründung zu § 49a Abs. 5 BbgStrG verzichtet hingegen auf nähere Erläuterungen, welche Pflichtenübertragung auf Anlieger für zumutbar erachtet wird. Angesichts dessen, dass inhaltsgleiche Regelungen auch in anderen neuen Bundesländern getroffen wurden (vgl. etwa § 51 SächsStrG und § 49 ThürStrG), ist davon auszugehen, dass dem ein übergreifendes einheitliches Verständnis zugrunde lag und auch dem brandenburgischen Gesetzgeber somit Inhalt und Tragweite der im Gesetzeswortlaut und -systematik enthaltenen Regelung bewusst gewesen sind.
Dem gefundenen Ergebnis steht schließlich nicht die in einigen Kommunen vertretene Auffassung entgegen, die gesetzliche Regelung führe zu einer finanziellen Überforderung und letztlich dazu, dass die pflichtigen Gemeinden den Winterdienst nicht leisten könnten. Diese Auffassung übersieht, dass der Gesetzgeber in § 49a Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 7 BbgStrG die Möglichkeit geschaffen hat, den Aufwand überwiegend durch Benutzungsgebühren zu decken und -wie gezeigt- der Winterdienst auf Fahrbahnen von vornherein unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit steht. Soweit i. Ü. noch unvertretbare Belastungen dadurch entstehen sollten, dass der Winterdienst den Kommunen als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe übertragen worden ist, bleibt zu erinnern, dass das Land verfassungsmäßig gehalten ist, die Finanzierung einer solchen Aufgabenzuweisung zu gewährleisten. Die Frage der Verhältnismäßigkeit, insbesondere Zumutbarkeit einer Weiterübertragung dieser Verpflichtungen auf Anlieger hat sich daher ebenfalls nicht an der jeweiligen Haushaltslage der Gemeinden auszurichten, sondern an einer effektiven Aufgabenerfüllung und an dem Ausmaß der für die Anlieger damit verbundenen Belastungen (vgl. zu den Maßstäben eingehend Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl., Rdnrn. 1134 ff.).
Im vorliegenden Fall ist ein baulich angelegter Gehweg vor dem klägerischen Grundstück nicht vorhanden. Die Straße liegt auch weder in einer Fußgängerzone noch in einem verkehrsberuhigten Bereich. Daher unterfällt der Winterdienst dort nicht dem in § 49a Abs. 2 BbgStrG geregelten Teil, der zur übertragbaren Reinigungspflicht zählt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO analog sowie auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 und Satz 2 i. V. m. § 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Ferner hat die Kammer beschlossen:
Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ist ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen(vgl. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).