Gericht | OLG Brandenburg 5. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 10.01.2013 | |
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Aktenzeichen | 5 U 90/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Oktober 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin (Az. 1 O 55/10) abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, der Berichtigung des Grundbuchs des Amtsgerichts Oranienburg von B… Bl. 583 dahingehend zuzustimmen, dass an seiner Stelle als Gläubiger der in Abt. III unter Nr. 5 eingetragenen Grundschuld zum Betrage von 60.000,00 DM der Eigentümer des Grundstücks - der Kläger - eingetragen wird.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 30.690,00 €
I.
Der Kläger ist seit dem 23. Mai 2006 eingetragener Eigentümer der im Grundbuch von B… Blatt 583 verzeichneten Flurstücke 74 und 76 der Flur 7. In Abt. III ist für den Beklagten am 30. September 1999 eine Briefgrundschuld zu 60.000,00 DM eingetragen worden unter Bezugnahme auf eine Bewilligung vom 26. August 1999 (UR-Nr. 57/1999 des Notars … in …). Der Kläger ist im Besitz des Grundschuldbriefs. Er verlangt von dem Beklagten die Abgabe einer Berichtigungsbewilligung bezüglich der Grundschuld; der Beklagte erstrebt widerklagend die Verurteilung des Klägers zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück aus der Grundschuld.
Vor dem Kläger war der zwischenzeitlich verstorbene Herr M… P… Grundstückseigentümer. Dieser schloss am 12. August 1998 mit dem Beklagten einen Darlehensvertrag, demzufolge der Beklagte Herrn P… für die Laufzeit von 3 Jahren ab Auszahlung (auf Antrag um ein Jahr verlängerbar) ein dinglich gesichertes Darlehen über 60.000,00 DM gewährte. Gemäß § 6 des Vertrages sollte das Darlehen zu 100% zur Auszahlung kommen ab Eingangsdatum der Grundschuldvormerkung. Die Auszahlung sollte in bar an den Verwalter und Generalbevollmächtigten des Darlehensnehmers Herrn W… E… erfolgen.
Am 26. August 1999 bestellte Herr E… im Namen des Herrn P… zur UR-Nr. 57/1999 des Notars … für den Beklagten eine Briefgrundschuld über 60.000,00 DM. In der Bestellungsurkunde heißt es: “Der Grundschuldbrief ist auszuhändigen an Herrn W… E….”
Das Grundbuchamt des Amtsgerichts Oranienburg übersandte den Grundschuldbrief zunächst am 30. September 1999 irrtümlicherweise per Einschreiben an den Beklagten; eine Zustellung erfolgte jedoch nicht, da die Sendung nicht abgeholt wurde.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 1999 wandte sich Herr W… E… zum Vorgang „Fehlleitung des Grundschuldbriefes“ an das Grundbuchamt und teilte mit, der Grundschuldbrief habe entsprechend der Grundschuldbestellungsurkunde an ihn ausgehändigt und im Tresor zu treuen Händen bis zur Rückkehr des Herrn R… im Mai 2000 aufbewahrt werden sollen. Diese Vereinbarung sei getroffen worden, weil „Herr R… zu den Glücklichen gehört die 6-8 Monate des Jahres in sonnigen Gefilden verbringen. (…) Da ich in der Abwesenheit des Herrn R… auch dessen Whg. W… Str. betreue und mich um die nachzusendende Post kümmere ist mir vorige Woche ein Einschreibbenachrichtigungszettel aufgefallen den ich nicht zuordnen konnte. Bitte senden Sie den Grundschuldbrief an meine Anschrift. (…)“
Diesem Wunsch entsprach das Grundbuchamt und übersandte den Brief an Herrn E….
Unter dem 1. Oktober 2000 erteilte der Beklagte Herrn W… E… eine Vollmacht, in der letzterer beauftragt und bevollmächtigt wurde, „die in der Grundschuldsache R…/P… gegebenen DM 60.000,- zzügl. Erlöse in Empfang zu nehmen bzw. auf ein noch zu bestimmendes Konto bereitzustellen.“ Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Vollmacht zudem der Folgesatz beigefügt war „Sollte ich innert 1 Jahres nicht anders verfügen, möge Herrn E… die Summe als Entschädigung für die durch mich in den vergangenen 20 Jahren erlittene Unbill betrachten und behalten“ oder ob es sich insoweit um eine Fälschung handelt. Das LKA … gelangte in einem Untersuchungsbericht vom 2. Januar 2007 zu dem Ergebnis, dass die Bewertung der Befunde für ein nachträgliches Einfügen des strittigen Textbereichs sprechen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger selbst und nicht der Beklagte Inhaber der Briefgrundschuld geworden ist. Mit Grundschuldbestellung und Übersendung des Briefes an W… E… sei zunächst der Beklagte Grundschuldinhaber geworden. Es sei vereinbart gewesen, dass der Gläubiger berechtigt sein soll, sich den Brief vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen, hierdurch sei die Aushändigung des Briefes ersetzt worden. Soweit es in der Grundschuldbestellung heiße, dass der Grundschuldbrief an W… E… auszuhändigen ist, deute dies zwar zunächst darauf hin, dass Herr E… den Brief als Vertreter des Eigentümers entgegennehmen sollte. Aus seinem Schreiben an das Grundbuchamt vom 20. Oktober 1999 ergebe sich jedoch, dass er den Brief „zu treuen Händen bis zur Rückkehr des Herrn R… im Mai 2000“ aufbewahren wollte, der Brief ihm mithin als Vertreter des Beklagten ausgehändigt werden sollte.
Der Beklagte habe die Rechte aus der Briefgrundschuld auch nicht im Wege der Abtretung verloren. Der insoweit allein in Betracht kommenden Vollmacht vom 1. Oktober 2000 könne dies nicht entnommen werden, da der Zusatz, demzufolge Herr E… die Darlehenssumme als Entschädigung erhalten sollte, nachträglich eingefügt worden sei. Der in der Vollmacht enthaltene Hinweis, wonach der Grundschuldbrief sich schon bei Herrn E… befinde, sei nicht als Vereinbarung einer Übereignung des Briefes zu werten und lasse eher den Schluss zu, dass die Löschung der Grundschuld nach Tilgung des Darlehens vorbereitet werden sollte.Einer wirksamen Übertragung der Briefgrundschuld an den Kläger stehe entgegen, dass eine schriftliche Abtretungserklärung nicht vorliege. Der Herausgabe des Grundschuldbriefes von Herrn E… an den Kläger könne eine isolierte Übertragung der Briefgrundschuld nicht entnommen werden.
Gegen dieses ihm laut dem zunächst zu den Akten gelangten Empfangsbekenntnisses am 9. November 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, den 12. Dezember 2011 eingegangene Berufung des Klägers, mit der er zugleich Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt hat.
Zur Begründung der Berufung rügt der Kläger, das Gericht sei zu Unrecht von der Valutierung des Darlehens ausgegangen. Bei der Grundschuldbestellung rund ein Jahr nach Abschluss des Darlehensvertrages habe es sich um eine Vorleistung des Eigentümers gehandelt, mit der die Valutierung des Darlehens herbeigeführt werden sollte; dementsprechend habe der Vertreter des Eigentümers Herr E… die Aushändigung des Briefes an sich selbst bestimmt. Herr E… sei nicht von § 181 BGB befreit gewesen, habe deshalb nicht auch für den Beklagten tätig werden können. Das Landgericht habe den Inhalt des Schreibens vom 20. Oktober 1999 verkannt; dieses Schreiben habe nicht die Anweisung in der Bestellungsurkunde außer Kraft setzen können. Die Valutierung des Darlehens habe das Gericht ohne schlüssigen Beweis angenommen. Dem Widerklageantrag habe nicht stattgegeben werden dürfen, da der Beklagten den Grundschuldbrief nicht vorlegen könne.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. den Beklagten zu verurteilen, der Berichtigung des Grundbuchs des Amtsgerichts Oranienburg von B… Bl. 583 dahingehend zuzustimmen, dass an seiner Stelle als Gläubiger der in Abt. III unter Nr. 5 eingetragenen Grundschuld zum Betrage von 60.000,00 DM der Eigentümer des Grundstücks - der Kläger - eingetragen wird,
2. die Widerklage abzuweisen,
hilfsweise,
den Beklagten zu verurteilen, die Löschungsbewilligung (...) zu erteilen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruches des Klägers auf Rückerstattung desjenigen Betrages aus dem bei der Notarin … S… in … auf Notaranderkonto für den Verkäufer P… bzw. dessen Rechtsnachfolger hinterlegten Verkaufserlöses für vorstehend bezeichnetes Grundstück, der vom Gericht im Widerklageverfahren als durch die genannte Grundschuld gesicherter Schuldbetrag des Voreigentümers P… aus einem Darlehensbetrag festgestellt worden ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor, er habe das Darlehen am 18. August 1998 bar an Herrn P… ausgezahlt. Herr E… habe den Grundschuldbrief für den Beklagten entgegengenommen, ein Verstoß gegen § 181 BGB liege nicht vor. Der Kläger verhalte sich rechtsmissbräuchlich, wenn er sich darauf berufe, der Beklagte müsse zum Zweck der Zwangsvollstreckung den Grundschuldbrief vorlegen.
Der Senat hat auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 15. Februar 2012 (Bl. 299) gemäß §§ 358a Nr. 3, 377 Abs. 2 ZPO Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, seinem Prozessbevollmächtigten sei das angefochtene Urteil erst am 9. November 2011 aus dessen vorheriger Kanzlei nachgesendet worden, durch Einholung schriftlicher Aussagen der Zeugen U… H… und S… Sch…. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Zeugenaussagen vom 2. März 2012 (Bl. 312 f) und vom 21. März 2012 (Bl. 315 f) Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Die Berufung ist nach dem Ergebnis der zum Zeitpunkt der Zustellung des Urteils an den Kläger durchgeführten Beweisaufnahme zulässig, obwohl die Berufung nach dem zur Akte gelangten Empfangsbekenntnis nicht fristgerecht i.S.v. § 517 ZPO eingelegt worden ist.
Das mit “9. November 2011” ausgefüllte Empfangsbekenntnis des Klägervertreters erbrachte zwar zunächst Beweis für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit der Zustellung. Der Kläger hat jedoch bewiesen, dass die Datumsangabe unrichtig und das Empfangsbekenntnis tatsächlich erst am 10. November 2011 vollzogen worden ist.
Macht der Berufungskläger die Unrichtigkeit der Datumsangabe auf dem Empfangsbekenntnis geltend, steht ihm aber der Gegenbeweis offen, wobei er sich aller Beweismittel des Freibeweises bedienen kann. Der Gegenbeweis ist erst geführt, wenn die Beweiswirkung des § 174 ZPO vollständig entkräftet ist. Die Erschütterung der Richtigkeit der Datumsangabe im Empfangsbekenntnis reicht hierfür nicht aus (BVerfG NJW 2001, 1563; BGH Beschluss v. 22.12.2011, VII ZB 35/11; Beschluss v. 26.02.2009, III ZR 110/08; BGH NJW 2006, 1206; RuS 2003, 43; VersR 1982, 160). An den Gegenbeweis dürfen wegen der Beweisnot der betroffenen Partei keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
Eine wirksame Zustellung an einen Anwalt im vereinfachten Verfahren nach § 174 ZPO (§ 212a ZPO a.F.) setzt dessen Empfangsbereitschaft voraus. Die Empfangsbereitschaft kann nicht durch den bloßen Nachweis des Zugangs ersetzt werden. Zur Wirksamkeit der Zustellung reicht es nicht, dass der Anwalt des Zustellungsempfängers von dem zuzustellenden Schriftstück Kenntnis nimmt, hinzu kommen muss vielmehr die Äußerung des Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegenzunehmen (BGH NJW 1989, 1154; BGHZ 14, 342). Die Zustellung ist wirksam erfolgt, wenn der Zustellungsempfänger das zuzustellende Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt anzusehen (BVerfG a.a.O.).
Der Kläger hat bewiesen, dass sein Anwalt das angefochtene Urteil erst am 10. Dezember 2011 empfangsbereit entgegengenommen hat. Der Kläger ist zunächst durch die Sozietät H… in …/O… vertreten worden. Der bearbeitende Rechtsanwalt Dr. H… nahm für den Kläger erstinstanzlich zuletzt mit Schriftsatz vom 14. August 2011 als Einzelanwalt in B… Stellung. Das Urteil ist an die Anschrift der Sozietät versandt worden. Nach der schriftlichen Zeugenaussage der Frau H…, einer Fachangestellten der Sozietät, ist Dr. H… zum 1. Juli 2011 aus der Sozietät ausgeschieden; sie war beauftragt, ihn bei noch eingehender Post zu benachrichtigen, Dr. H… sei dann jeweils in die Kanzlei gekommen, um die Schriftstücke entgegen zu nehmen. Am Freitag, den 4. November 2011 sei das in Rede stehende Urteil eingegangen, sie habe Dr. H… nachmittags telefonisch benachrichtigt. Dieser habe erklärt, auf Dienstreise in Polen zu sein, er werde das Schriftstück voraussichtlich am 9. November abholen. An diesem Tag habe er mittags angerufen und wegen einer Verzögerung der Dienstreise darum gebeten, die Post an seine Kanzlei in B… weiter zu schicken. Sie habe den Umschlag mit dem Urteil am 9. November 2011 persönlich zur Post gebracht. Die in sich widerspruchsfreie und anschaulich geschilderte Zeugenaussage ist glaubhaft und steht in Übereinstimmung mit den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegten Unterlagen zur durchgeführten Dienstreise. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin bestehen nicht.
Bei dieser Sachlage ist das Urteil bis zum 9. November 2011 keinem empfangsbereiten Prozessbevollmächtigten zugegangen, auch wenn die Sozietät noch bevollmächtigt gewesen sein sollte; Herrn Dr. H… kann das Urteil infolge der Postlaufzeit - seinem Vortrag im Wiedereinsetzungsantrag entsprechend - frühestens am 10. November 2011 erreicht haben, so dass die Beweiswirkung des § 174 ZPO vollständig entkräftet ist und die Berufungseinlegung am Montag, den 12. Dezember 2011 fristgerecht war.
2.
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Beklagte ist mangels Aushändigung des Grundschuldbriefes bzw. einer die Aushändigung ersetzenden Vereinbarung nicht Inhaber der Grundschuld geworden. Das Grundbuch ist deshalb in Bezug auf die zugunsten des Beklagten eingetragene Grundschuld unrichtig, § 894 BGB, und der Kläger hat gegen den Beklagten einen dinglichen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung in Gestalt einer Berichtigungsbewilligung.
Ein Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB setzt voraus, dass die eingetragene Grundschuld nicht der wahren Rechtslage entspricht. Die Beweislast trägt der Kläger, der neben der Unrichtigkeit des Grundbuchs darlegen und beweisen muss, dass er durch die Unrichtigkeit betroffen wird, mithin wahrer Inhaber des Rechts ist (Baumgärtel/Laumen/Prüt-ting, Handbuch der Beweislast, 2010, § 894 Rn 1,3).
Das Grundbuch ist unrichtig, wenn der Beklagte nicht Inhaber der eingetragenen Briefgrundschuld geworden ist. Eine Briefgrundschuld entsteht gemäß §§ 873 Abs. 1, 1192 Abs. 1, 1116 Abs. 1, 1117 BGB durch dingliche Einigung, Eintragung im Grundbuch, die mit der Einigung übereinstimmen muss, und Übergabe des Grundschuldbriefs.
Dem Gläubiger ist der Grundschuldbrief nicht übergeben worden. Die notwendige Briefübergabe richtet sich gemäß § 1192 Abs. 1 BGB nach § 1117 BGB. Nach dieser Vorschrift erwirbt der Gläubiger die Grundschuld erst mit Briefübergabe. Sofern die Übergabe durch eine Vereinbarung nach § 1117 BGB ersetzt wird, erwirbt er die Grundschuld bereits mit Eintragung in das Grundbuch.
Der Grundschuldbrief ist gemäß § 60 Abs. 1 GBO dem Grundstückseigentümer auszuhändigen, wenn nicht eine abweichende Bestimmung des Eigentümers oder des Gläubigers getroffen worden ist, § 60 Abs. 2 GBO; der Grundstückseigentümer kann den Brief anschließend gemäß § 1117 Abs. 1 BGB dem Gläubiger übergeben.Die Übergabe nach § 854 Abs. 1 BGB (Übertragung des unmittelbaren Besitzes) kann vielfältig ersetzt werden, etwa durch Übergabe kurzer Hand (§ 929 S. 2 BGB), durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 930 BGB) oder durch Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB). Der Eigentümer kann auch bestimmen, dass der Brief dem Gläubiger oder einem Dritten ausgehändigt werden soll. Diese Bestimmung ist eine einseitige Erklärung, für die nur der Wille des Bestimmungsberechtigten maßgebend ist.
Gemäß § 1117 Abs, 2 BGB kann die Briefübergabe ferner durch die Vereinbarung des Eigentümers und des Gläubigers nach § 1117 Abs. 2 BGB ersetzt werden, der Gläubiger solle berechtigt sein, sich den Brief unmittelbar vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen. Die Vereinbarung nach § 1117 Abs. 2 BGB ist formfrei, muss für das Grundbuchverfahren aber öffentlich beurkundet oder beglaubigt sein, §§ 60 Abs. 2, 29 Abs. 1 GBO. Ist eine Vereinbarung nach § 1117 Abs. 2 BGB getroffen, so erwirbt der Gläubiger die Grundschuld schon mit der Eintragung. Hiervon zu unterscheiden ist allerdings der Fall, dass der Eigentümer (nur) die Aushändigung des Briefs an den Gläubiger beantragt. Eine solche Vereinbarung ersetzt nicht die Bestimmung gemäß § 1117 Abs. 2 BGB, kann aber in ihr enthalten sein (Demharter, GBO, 27. Aufl., § 60 Rn 5). Bis zur Briefübergabe/Vereinbarung nach § 1117 Abs. 2 BGB steht die Grundschuld dem Eigentümer als Eigentümergrundschuld zu.
Die gesetzliche Vermutung aus § 1117 Abs. 3 BGB greift im Streitfall mangels Briefbesitzes des Gläubigers nicht ein. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein Besitzmittlungsverhältnis i.S.v. § 930 BGB vereinbart wurde, mithin der Eigentümer den Besitz am Brief für den Gläubiger ausüben sollte.
Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Vereinbarung nach § 1117 Abs. 2 BGB getroffen wurde. Wendet der Eigentümer ein, der Buchberechtigte sei nicht Inhaber der Grundschuld geworden sei, weil er nicht den Brief erhalten habe und auch nicht mittelbarer Besitzer des Briefes geworden, so trifft die Beweislast nach überwiegender Ansicht den Gläubiger. Seine bloße Eintragung im Grundbuch weist ihn nach dieser Auffassung nicht als Inhaber der Grundschuld aus, weil bei als Briefrechten ausgestalteten Grundpfandrechten § 891 BGB nur eingreift, wenn der Buchberechtigte zugleich der Besitzer des Briefes ist. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien darüber streiten, ob die Übergabe des Briefes durch eine Aushändigungsvereinbarung nach § 1117 Abs. 2 BGB ersetzt wurde (zum Streitstand s. Schmitz in: Baumgärtel, a.a.O., § 1117 Rn 2 m.w.N..). Nach anderer Auffassung setzt die Anwendung des § 891 BGB den Briefbesitz nicht voraus, so dass der Eigentümer nachweisen muss, dass eine Briefübergabe nicht stattgefunden hat, der Gläubiger den Besitz des Briefes jedenfalls nicht mit Einverständnis des Eigentümers erlangt hat und dass die Übergabe nicht durch eine Aushändigungsvereinbarung ersetzt worden ist (Baumgärtel a.a.O. Rn 3).
Der Streit kann hier offen bleiben. Auch wenn zugunsten des Beklagten, der unstreitig nie im unmittelbaren Besitz des Grundschuldbriefes war, die Vermutung des § 891 BGB eingreifen sollte, steht nach den vorgelegten Unterlagen fest, dass die unterbliebene Briefübergabe an den Beklagten nicht durch eine Aushändigungsvereinbarung ersetzt worden ist.
In der die Briefüberhabe regelnden Grundschuldbestellung wird auf § 1117 Abs. 2 BGB weder Bezug genommen noch der Inhalt dieser Vorschrift sinngemäß wiedergegeben. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten der Briefübergabe, insbesondere der Abtretung des Herausgabeanspruchs an einen Dritten oder der Vereinbarung eines Besitzkonstituts, hätte es insoweit einer eindeutigen Regelung bedurft, da andernfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könnte, ob die Grundschuld bereits mit der Eintragung zugunsten des Gläubigers entstanden ist.
Die vom Eigentümer in der Grundschuldbestellung getroffene Bestimmung, wonach der Grundschuldbrief Herrn W… E… auszuhändigen ist, stellt keine Aushändigungsvereinbarung i.S.v. § 1117 Abs. 2 BGB dar. Ihr lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass der beklagte Gläubiger sich den Brief aushändigen lassen dürfen sollte. Dies würde voraussetzen, dass der in der Urkunde ausdrücklich benannte Herr E… bei der Aushändigung des Briefes den Gläubiger vertreten sollte. Die Urkunde enthält jedoch insoweit keinerlei Hinweise auf den Beklagten bzw. Gläubiger. Ein solches Ergebnis lässt sich der Grundschuldbestellungsurkunde auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen; vom Wortlaut gedeckt und naheliegend ist allein das Verständnis, dass der Grundschuldbrief an den den Eigentümer bei der Grundschuldbestellung vertretenden Herrn E… gerade in seiner Eigenschaft als Vertreter des Eigentümers ausgehändigt werden sollte. Da die Aushändigung an den Eigentümer der Regel entspricht (§ 60 Abs. 1 GBO) und der Eigentümer durch Herrn E… vertreten wurde, hätte es im Hinblick auf die weitreichenden Rechtsfolgen einer Vereinbarung nach § 1117 Abs. 2 BGB in der Urkunde mindestens ansatzweise zum Ausdruck kommen müssen, wenn Herr E… in Bezug auf die Entgegennahme des Briefes nach dem Willen des Eigentümers nicht für diesen, sondern für den Gläubiger handeln sollte.
Daran ändert das Schreiben des Herrn E… vom 20. Oktober 1999 nichts. Abgesehen davon, dass nachträglich aufgetretene Umstände ohnehin nur eingeschränkt zur Auslegung herangezogen werden können, konnte durch dieses Schreiben die allein maßgebliche Bestimmung des Grundstückseigentümers nicht geändert werden. Das Schreiben vom 20. Oktober 1999 hat Herr E… im eigenen Namen abgefasst und nicht in Vertretung für den Grundstückseigentümer. Für die Frage, ob eine Aushändigungsvereinbarung getroffen oder der Herausgabeanspruch abgetreten wurde, kommt es aber allein auf den Willen des Eigentümers bei Abgabe der entsprechenden Bestimmung an und nicht darauf, für wen ein benannter Dritter besitzen will. Auch wenn Herr E… den Grundschuldbrief in dem Willen entgegengenommen haben sollte, diesen für den Beklagten zu besitzen, würde dies nichts daran ändern, dass er den Brief nach dem Willen des Eigentümers nur für diesen besitzen konnte.Aus diesen Erwägungen kann auch nicht festgestellt werden, dass der Eigentümer in der Grundschuldbestellungsurkunde (nur) die Aushändigung des Briefs an den Gläubiger beantragt hätte.
Da auch die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs der Grundschuld durch einen Dritten, hier durch Herrn E…, nicht vorliegen, ist die Grundschuld eine Eigentümergrundschuld geblieben und das Grundbuch damit unrichtig. Die Widerklage ist unbegründet, weil der Beklagte nicht Inhaber der Grundschuld ist.
3.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.