Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 10 UF 144/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 05.11.2013
Aktenzeichen 10 UF 144/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 12. Juni 2013 - unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde des Antragsgegners - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts des Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung …, Versicherungskonto Nr. …, zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 0,8885 Entgeltpunkten auf das Versicherungskonto Nr. … bei der Deutschen Rentenversicherung …, bezogen auf den 31. Juli 2003, übertragen.

Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts des Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung …, Versicherungskonto Nr. …, zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 7,8175 Entgeltpunkten (Ost) auf das Versicherungskonto Nr. … bei der Deutschen Rentenversicherung …, bezogen auf den 31. Juli 2003, übertragen.

Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung …, Versicherungskonto Nr. …, zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 3,0418 Entgeltpunkten (Ost) auf das Versicherungskonto Nr. … bei der Deutschen Rentenversicherung …, bezogen auf den 31. Juli 2003, übertragen.

Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Zentralen Bezügestelle des Landes …, Personalnummer …, zu Gunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von monatlich 448,53 € auf ihrem Versicherungskonto Nr. …, bei der Deutschen Rentenversicherung …, bezogen auf den 31. Juli 2003 begründet. Der Ausgleichswert ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.721 € festgesetzt.

Gründe

I.

Auf den am 27.8.2003 zugestellten Antrag hin hat das Amtsgericht mit Urteil vom 27.10.2003 die am 15.5.1986 geschlossene Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners rechtskräftig geschieden und den Versorgungsausgleich mit Beschluss gleichen Datums abgetrennt. Nach Aussetzung des Versorgungsausgleichsverfahren gemäß § 2 Abs. 1 VAÜG und dessen Wiederaufnahme im April 2010 hat es den Versorgungsausgleich mit Beschluss vom 12.6.2013 durchgeführt und die gesetzlichen Rentenanwartschaften der geschiedenen Eheleute bei den weiteren Beteiligten zu 1. und 2. jeweils intern geteilt. Das Anrecht des Ehemannes bei der weiteren Beteiligten zu 3. hat das Amtsgericht durch externe Teilung ausgeglichen. Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners. Die Antragstellerin trägt vor, beim Ausgleich der Anrechte des Ehemannes bei der weiteren Beteiligten zu 3. sei dessen mit Wirkung ab 1.7.2007 eingetretener vorzeitiger Ruhestand aufgrund Dienstunfähigkeit zu berücksichtigen. Danach ergäbe sich eine auszugleichende ehezeitliche Versorgungsanwartschaft bei der weiteren Beteiligten zu 3. von 897,05 €.

Der Antragsgegner verteidigt dem Grunde nach die angefochtene Entscheidung, will jedoch das Rentner- bzw. Pensionärsprivileg berücksichtigt und die Kürzung seiner Rentenanwartschaften so lange ausgesetzt wissen, bis auch die Antragstellerin selbst Rente bezieht. Zudem sei der Ausgleich der Anrechte auf der Basis der nach Korrektur der Ehezeit überarbeiteten Auskünfte der Versorgungsträger durchzuführen.

II.

Auf das vom Verbund abgetrennte und ausgesetzte Versorgungsausgleichsverfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 4 FGGRG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG das ab dem 1.9.2009 geltende materielle Recht und Verfahrensrecht anzuwenden.

Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässigen Beschwerden der Beteiligten, über die der Senat nach Gewährung des rechtlichen Gehörs ohne mündliche Verhandlung entscheidet, führen zu der aus dem Tenor ersichtlichen Entscheidung.

1.

Der Versorgungsausgleich ist auf der Grundlage der nach § 3 VersAusglG geltenden Ehezeit vom 1.5.1986 bis zum 31.7.2003 - und nicht wie vom Amtsgericht vorgenommen 31.3.2003 - durchzuführen. Denn die Zustellung des Scheidungsantrages erfolgte am 27.8.2003.

Ausweislich der vom Senat eingeholten korrigierten Auskünfte der weiteren Beteiligten zu 1. und 2. vom 16.9.2013 haben die Eheleute in der allgemeinen Rentenversicherung in der genannten Ehezeit folgende dem Wertausgleich unterliegende Anrechte erworben:

die Antragstellerin:

Ehezeitanteil

        

1,7770 Entgeltpunkte

Ausgleichswert

        

0,8885 Entgeltpunkte

korrespondierender Kapitalwert

        

5.064,32 €,

Ehezeitanteil

        

15,6349 Entgeltpunkte (Ost)

Ausgleichswert

        

7,8175 Entgeltpunkte (Ost)

korrespondierender Kapitalwert

        

37.290,63 €,

der Antragsgegner:

Ehezeitanteil

        

6,0835 Entgeltpunkte (Ost)

Ausgleichswert

        

3,0418 Entgeltpunkte (Ost)

korrespondierender Kapitalwert

        

14.509,84 €.

Der Ausgleich der beiderseitigen Anrechte der geschiedenen Ehegatten ist durch interne Teilung (§ 10 Abs. 1 VersAusglG) durchzuführen. Denn mit Rücksicht auf den Wert des Anrechts der Antragstellerin in der allgemeinen Rentenversicherung (Ost) von 37.290,63 € und das gleichartige Anrecht des Antragsgegners in Höhe eines korrespondierenden Kapitalausgleichswertes von 14.509,84 € liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 18 Abs. 1 VersAusglG ersichtlich nicht vor. Der Ausgleichswert des Anrechts des Antragstellers in der allgemeinen Rentenversicherung (West) übersteigt den Grenzwert von 2.856 € (vgl. Schürmann, Tabellen zum Familienrecht, 34. Aufl. S. 27), sodass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 VersAusglG ebenfalls nicht gegeben sind.

2.

Das Anrecht des Antragsgegners bei der weiteren Beteiligten zu 3. aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ist gemäß § 16 VersAusglG im Wege der externen Teilung auszugleichen. Hierbei sind die korrigierten Auskünfte der weiteren Beteiligten zu 3. vom 24.9.2013 heranzuziehen.

a)

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung des auszugleichenden Anrechts ist zwar das Ende der Ehezeit, § 5 Abs. 1 VersAusglG. Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, sind aber gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG zu berücksichtigen. Danach ist die vorzeitige Pensionierung des Antragsgegners aufgrund Dienstunfähigkeit zu beachten, auch wenn das Ereignis erst nach Ende der Ehezeit eingetreten ist.

Bereits unter Geltung des § 1587a Abs. 2 BGB a.F. und § 10a VAHRG war für den Fall des nach Ehezeitende eingetretenen vorzeitigen Ruhestandes unabhängig von der Frage, ob der Beamte wegen Dienstunfähigkeit pensioniert oder auf seinen eigenen Antrag vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde das tatsächlich gezahlte Ruhegehalt zugrunde zu legen (BGH FamRZ 1990, 1341; 1996, 215). Es besteht kein Anlass nach Inkrafttreten des neuen Rechts zum Versorgungsausgleich hiervon abzuweichen (so auch OLG Hamm, FamRZ 2012, 551; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 4.7.2012, Az. 8 UF 312/11, zitiert nach juris; Johannsen/Henrich/Hahne, Familienrecht, 5. Aufl., § 5 VersAusglG, Rz. 5). Dies ergibt sich bereits aus der Begründung des Gesetzentwurfes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (BT-Drs. 16/10144, S. 49), wenn ausgeführt wird: § 5 „Absatz 2 Satz 2 regelt eine Ausnahme vom Stichtagsprinzip für die Fälle, in denen sich Änderungen zwischen Ehezeit-ende und Entscheidung ergeben. Führen diese rückwirkend zu einer anderen Bewertung des Ehezeitanteils und damit des Ausgleichswerts, sollen sie bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken der §§ 225, 226 FamFG-VAE (bisher § 10a VAHRG), wonach eine rechtskräftige Entscheidung zum Versorgungsausgleich abgeändert werden kann, wenn sich der beim Wertausgleich bei der Scheidung zugrunde gelegte Ausgleichswert aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nachträglich wesentlich ändert. Es entspricht der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit seiner Entscheidung vom 6. Juli 1988 - IVb ZB 151/84 = FamRZ 1988, 1148, diese nachehezeitlichen Veränderungen auch bereits bis zur letzten Tatsachenentscheidung im Erstverfahren zu berücksichtigen. Ein typischer Fall ist gegeben, wenn die ausgleichspflichtige Person nach dem Ende der Ehezeit, aber vor der Entscheidung über den Wertausgleich dienstunfähig wird.“

Anders als bei berufsständischen Anwartschaft oder der gesetzlichen Rentenversicherung i.S.d. § 43 VersAusglG (vgl. BGH FamRZ 2012, 851) ändern sich durch das tatsächliche Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis der Endpunkt für die Berechnung der ruhegehaltsfähigen Gesamtzeit, mithin ggf. die Höhe des Ruhegehaltssatzes und der Verhältniswert, der den Ehezeitanteil bestimmt. Mithin ist der Eintritt der Dienstunfähigkeit auch nach Ehezeitende zu beachten.

b)

Der Ehezeitanteil der Versorgung ist unter Berücksichtigung des tatsächlich gezahlten Ruhegehaltes und der tatsächlichen Dienstzeit zu berechnen und beträgt nach der rechnerisch von keinem Beteiligten beanstandeten Auskunft der weiteren Beteiligten zu 3. vom 24.9.2013 (Anlage B) 897,05 €. Der Ausgleichswert beträgt mithin 448,53 €.

Es ist, wie von der weiteren Beteiligten zu 3. angeregt, die externe Teilung durchzuführen. Denn nach Mitteilung des Versorgungsträgers ist keine interne Teilung vorgesehen, § 16 Abs. 1 VersAusglG. Die Antragstellerin hat insoweit in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung mit Schreiben vom 31.5.2013 die weitere Beteiligte zu 1. als Zielversorgungsträger benannt. Gemäß § 16 Abs. 3 VersAusglG ist, der erteilten Auskunft des Versorgungsträgers folgend, der Ausgleichswert in Entgeltpunkte umzurechnen (vgl. BGH, FamRZ 2012, 941; Senat, Beschl. v. 22.12.2011, Az. 10 UF 175/11).

Gründe, den Versorgungsausgleich nach § 18 Abs. 2 VersAusglG auszuschließen bestehen nicht. Der Ausgleichswert von 448,53 € überschreitet am Ende der Ehezeit im Jahr 2003 erkennbar die Geringfügigkeitsgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 23,80 € (1 % der monatlichen Bezugsgröße - Rentenbetrag - von 2.380 €; vgl. Schürmann, Tabellen zum Familienrecht, 34. Aufl., S. 27).

Gründe, die eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs oder einen Ausschluss desselben als grob unbillig nach § 27 VersAusglG rechtfertigen könnten sind weder vorgetragen noch sonst nach Aktenlage zu erkennen. So ist die ungekürzte Beteiligung des Ehegatten an der vorzeitig erlangten Versorgung regelmäßig nicht grob unbillig. Für eine generelle Korrektur der Ergebnisse des nach den gesetzlichen Vorschriften durchgeführten Versorgungsausgleichs steht die Härteklausel nicht zur Verfügung. Sie kann nur im Einzelfall eingreifen, wenn nach Abwägung aller Umstände eine Herabsetzung des Ausgleichs geboten erscheint (BGH FamRZ 1990, 1341; Johannsen/Henrich/Hahne, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall.

Der allein aus dem vorzeitigen Ruhestand resultierende, um ca. 117 € höhere Ausgleichswert zugunsten der Antragstellerin rechtfertigt mit Blick auf die weiteren Renteneinkünfte des Antragsgegners keine solche Annahme (vgl. BGH FamRZ 2013, 1200). Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Alters bis zu Ruhestandseintritt in dem Umfang Anwartschaften erlangen könnte, dass die Renten der geschiedenen Eheleute in einem unerträglichen wirtschaftlichen Missverhältnis stünden. Dass der Ausgleichsberechtigte unter Entwicklungen, wie sie hier möglich sind, danach insgesamt eine höhere Versorgung erlangen kann als der Ausgleichspflichtige, ergibt sich dann aus der unterschiedlichen Dauer des beiderseitigen Arbeitslebens und veranlasst keineswegs eine Berichtigung unter Anwendung der Härteklausel (BGH a.a.O.). Sonstige persönliche oder wirtschaftliche Gründe sind hier nicht erkennbar.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem - zutreffenden - Hinweis des Antragsgegners auf das Pensionärsprivileg.

Werden durch die Entscheidung des Familiengerichts Anrechte nach dem Versorgungsausgleichsgesetz vom 3. April 2009 übertragen oder begründet, sind nach Wirksamkeit dieser Entscheidung die Versorgungsbezüge der ausgleichspflichtigen Person und ihrer Hinterbliebenen nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften um den nach § 57 Absatz 2 oder Absatz 3 BeamtVG in der Fassung vom 3.4.2009 berechneten Betrag zu kürzen. Das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich erhält, wird erst gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist. Die Regelung des § 57 Abs. 1 BeamtVG begrenzt mithin die ungekürzte Zahlung des Ruhegehalts auf den Zeitpunkt, zu dem der berechtigte Ehegatte selbst eine Rente bezieht. Das sog. Rentnerprivileg berücksichtigt, dass dem Rentner geringere finanzielle Mittel zur Verfügung stehen als in der Zeit seines aktiven Dienstes und dass er infolgedessen weniger in der Lage ist, die versorgungsausgleichsbedingte Kürzung seiner Bezüge durch Zahlung eines Kapitalbetrages ganz oder teilweise abzuwenden oder durch den Abschluss einer anderweitigen Versicherung auszugleichen. Maßgebendes Kriterium für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition ist eine Besitzschutzregelung zugunsten des Ausgleichsverpflichteten für den Fall, dass nach rechtskräftiger Übertragung der Rentenanwartschaften durch das Familiengericht Beiträge zum Ausgleich des Verlusts nicht mehr entrichtet werden können (BGH NJW 1995, 657).

Anders als bei der gesetzlichen Altersversorgung, dort § 101 SGB VI, bei der das sog. Rentnerprivileg mit dem neuen Versorgungsausgleichsrecht abgeschafft wurde (vgl. dazu BGH FamRZ 2013, 690) gilt die Regelung in der Beamtenversorgung auch dann, wenn der Anspruch auf Ruhegehalt vor dem 1. September 2009 entstanden und das Verfahren über den Versorgungsausgleich zu diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist, § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG. Dies ist hier der Fall. Der vorzeitige Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit datiert auf das Jahr 2007, mithin vor dem Stichtag. Das Versorgungsausgleichsverfahren ist ebenfalls vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden. Die Vorschrift gibt jedoch keinen Anlass für eine Aussetzung im Versorgungsausgleichsverfahren (vgl. dazu BVerwGE 122, 301). Vielmehr erfolgt, wie nunmehr der Antragsgegner selbst einräumt, eine entsprechende Berücksichtigung im Verhältnis zum Versorgungsträger.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG, die Wertfestsetzung im Hinblick auf die Teilanfechtung auf § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.