Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 29. Senat | Entscheidungsdatum | 05.03.2012 | |
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Aktenzeichen | L 29 AS 414/12 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. Februar 2012 aufgehoben.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin -Brandenburg Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt L A, K, B, beigeordnet.
I.
Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Antragsteller sind rumänische Staatsbürger und leben nach eigenen Angaben seit 2008 in der Bundesrepublik Deutschland.
Es handelt sich im einzelnen um den 1988 geborenen Antragsteller zu 2), seine nach eigenen Angaben nicht mit ihm verheiratete „Partnerin“, die 1993 geborene Antragstellerin zu 1) und ihre insgesamt drei gemeinsamen minderjährigen Kinder (den Antragsteller zu 3], geboren 2008, die Antragstellerin zu 4], geboren 2010 und den 2011 geborenen Antragsteller zu 5]).
Ausweislich der in Kopie vorgelegten Bescheinigungen des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Ausländerbehörde) von Berlin vom 21. November 2011 und 8. Dezember 2011 wurden den Antragstellern zu 1) und 2) aufgrund ihrer Anmeldungen am 27. Oktober 2011 Bescheinigungen gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU ausgestellt.
In seinem Widerspruchsschreiben vom 20. Oktober 2011 zu dem ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2011 führte der Antragsteller zu 2) aus, er sei nicht nur arbeitsuchend. Vielmehr sei er Musiker und erziele Einkünfte über Straßenmusik, Konzerte und Auftritte bei Feiern und Festen. Monatlich erziele er so über die Straßenmusik ca. 400 €. Eine Steuernummer habe er nicht beantragt, da er aufgrund von Obdachlosigkeit keine Meldeadresse habe. Mangels Meldeadresse könne er auch kein Gewerbe anmelden oder eine Arbeitserlaubnis beantragen.
Ausweislich einer Bescheinigung des E Krankenhauses „K E H“ vom 5. Januar 2012 leistet der Antragsteller zu 2) in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 einen Bundesfreiwilligendienst in der Apotheke des Krankenhauses mit einem „Taschengeld“ von monatlich 300 €, einem Verpflegungszuschuss von 75 € und Fahrgeld von 53 €.
Seit 2011 haben die Antragsteller im Rahmen mehrerer Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht Berlin jeweils vorläufige Verpflichtungen zur Leistungserbringung erwirkt. Zuletzt hatte das Sozialgericht Berlin mit Beschluss vom 6. Januar 2012 den Antragsgegner bis zum 2. Februar 2012 zur vorläufigen Kostenübernahme für eine Unterbringung in dem G Erstaufnahmeheim („D T“) in B verpflichtet.
Bereits mit Bescheid vom 21. Dezember 2011 hatte der Antragsgegner auch einen erneuten Leistungsantrag der Antragsteller vom 13. Dezember 2011 unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach dem SGB II sowie mangels Nachweises der Hilfebedürftigkeit abgelehnt. Hiergegen erhoben die Antragsteller mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Dezember 2011 Widerspruch und beantragten am 20. Januar 2012 bei dem Sozialgericht Berlin erneut, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Leistungserbringung nach dem SGB II zu verpflichten.
Das Sozialgericht hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 7. Februar 2012 antragsgemäß verpflichtet, eine Kostenübernahmeerklärung für die Unterbringung in dem G Erstaufnahmeheim für die Zeit vom 3. Februar 2012 bis einschließlich 30. Juni 2012 zu erteilen und den Antragstellern ab dem 20. Januar 2012 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von insgesamt 1111 € bis längstens zum 30. Juni 2012 zu gewähren. Darüber hinaus hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern vorläufig -längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache - eine Kostenübernahmeerklärung für eine Unterbringung in dem G Erstaufnahmeheim in der T, B ab dem 3. Februar 2012 bis einschließlich 30. Juni 2012 (16,34 € pro Tag und Person) zu erteilen. Sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch lägen vor. Es bestehe ein gewöhnlicher Aufenthalt der Antragstellerin zu 1) in der Bundesrepublik Deutschland und es sei zweifelhaft, ob der Ausschlusstatbestand des § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform sei. Der 14. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg habe in seinem Beschluss vom 30. September 2011 (L 14 AS 1148/11 B) schon darauf hingewiesen, dass sich ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II für Unionsbürger aus der VO 883/2004 ergebe.
Gegen diesen dem Antragsgegner am 8. Februar 2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 20. Februar 2012 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er insbesondere auf die Rechtsprechung des 34. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg verwiesen (Beschluss vom 23. Dezember 2009 - L 34 AS 1350/09 B ER). Außerdem sei das Europäische Fürsorgeabkommen aufgrund eines nunmehr protokollierten Vorbehalts der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr auf Leistungsempfänger nach dem SGB II anzuwenden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners (Bedarfsgemeinschaft Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Beschluss den Antragsgegner zu Unrecht vorläufig zur Leistung verpflichtet.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Auch im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 975).
Für den Zeitraum bis zur Entscheidung des Senats scheitert das Begehren einer einstweiligen Anordnung bereits an einem nicht erkennbaren Anordnungsgrund.
Für die von den Antragstellern begehrten Zeiträume vom 2. Februar 2012 bis zur Entscheidung des erkennenden Senates steht den Antragstellern ein Anordnungsgrund nicht zur Seite. Derartige Ansprüche für die Vergangenheit können regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens anerkannt werden. Diese sind in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Etwas Anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn die sofortige Verfügbarkeit von für zurückliegende Zeiträume zu zahlenden Hilfen zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist. Hierzu sind Tatsachen von den Antragstellern jedoch weder glaubhaft gemacht worden, noch sonst für das Gericht ersichtlich. Im Übrigen fehlt es an aussagekräftigen Anhaltspunkten, dass den Antragstellern zur Vermeidung von wesentlichen Nachteilen im Sinne von § 86b Abs. 2 SGG eine Rückkehr nach Rumänien nicht möglich ist.
Selbst wenn - zumindest für die Zukunft - ein Anordnungsgrund bejaht werden würde, ergibt sich keine andere Beurteilung, und zwar, auch wenn auf einen früheren Zeitpunkt als der gerichtlichen Entscheidung abgestellt würde.
Denn dann scheitert das Begehren, ebenso wie für Zeiträume ab Entscheidung des Senats, zumindest an einem nicht glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die
1. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben
(erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Ausgenommen sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II
1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt (§ 7 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II).
Nach diesen Regelungen ist der begehrte Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht glaubhaft gemacht.
Ein Leistungsanspruch besteht nach § 7 SGB II insbesondere nur dann, wenn eine Leistung nicht nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Vorliegend ist bereits das Fehlen des Leistungsausschlusses nicht überwiegend wahrscheinlich.
Entgegen der Behauptungen des Antragstellers zu 2) spricht schon vieles dafür, dass er weder in der Vergangenheit noch gegenwärtig im nennenswerten Umfang selbständig tätig war und hieraus ein Aufenthaltsrecht ableiten könnte; ein Aufenthalt allein zum Zweck der Arbeitsuche im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II liegt daher nahe.
Soweit der Antragsteller zu 2) vorträgt, er sei als Straßenmusiker tätig, so kann eine solche Tätigkeit nicht als glaubhaft gemachte selbstständigen Tätigkeit anerkannt werden. Nach eigenen Angaben hat der Kläger weder eine Gewerbeerlaubnis noch eine Steuernummer beantragt und erzielt angeblich auch nur geringe Einkünfte von monatlich 400 €. Danach ist aber schon nach dem Vortrag des Antragstellers zu 2) nicht einmal ersichtlich, dass er rechtmäßig einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen ist. Erst recht ist nicht ersichtlich, dass diese Tätigkeit in einem Umfang ausgeübt würde, der einer Existenzsicherung dienen könnte. Auch die Bescheinigung des Evangelischen Krankenhauses vom 5. Januar 2012 führt nicht zu der Annahme einer selbständigen Tätigkeit. Im Gegenteil übt der Antragsteller zu 2) nach dieser Bescheinigung dort in der Krankenhausapotheke einen Bundesfreiwilligendienst aus und erzielt auch dort im Wesentlichen nur ein Taschengeld.
Für die Antragstellerin zu 1) ist die Aufnahme oder Ausübung einer Tätigkeit nicht einmal behauptet. Die Antragsteller zu 3) bis 5) schließlich sind schon aufgrund ihres Alters nicht zu einer selbständigen Tätigkeit nicht in der Lage.
Insgesamt kann daher nicht von einer Glaubhaftmachung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit durch die Antragsteller ausgegangen werden. Scheidet eine solche aus, könnten die Antragsteller zu 1) und 2) ihr Aufenthaltsrecht jedoch allenfalls aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, sodass der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II erfüllt ist.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts ist nach Ansicht des Senats § 7 Absatz 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auch anwendbar. Der Senat ist von der Europarechtswidrigkeit dieser Regelung nicht überzeugt.
Zu dieser Thematik hat der 20. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 29. Februar 2012 (Aktenzeichen: L 20 AS 2347/11 B ER, zur Veröffentlichung vorgesehen) Folgendes ausgeführt:
„Nach alledem ist mangels anderer Anhaltspunkte von einem Aufenthaltszweck der Arbeitssuche auszugehen mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfüllt sind. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist als geltendes Recht auch anzuwenden (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG). Der Senat ist von der Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1. Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht überzeugt. Nur eine solche Überzeugung könnte ihn ausnahmsweise berechtigen, dieses formelle Gesetz nicht anzuwenden. Anders als in Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG, bei denen ggf. eine Entscheidung aufgrund einer Interessenabwägung zu treffen ist (vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 13. März 1996 – 7 NC 147.95, NVwZ 1996, 1239; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 10. März 2010 – 12 ME 176/08, NuR 2010, 290, und vom 5. Januar 2011 – 1 MN 178/10, BauR 2010, 990), sind die Gerichte im Rahmen des § 86b Abs. 2 grundsätzlich nicht berechtigt, formelle Gesetze als unwirksam zu behandeln. Dies gilt insbesondere, wenn das Gericht lediglich Zweifel an der Vereinbarkeit der Norm mit höherrangigem Recht hat (a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. August 2011 – L 15 AS 188/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 30. November 2010 – L 34 AS 1501/10 B ER –, vom 17. Mai 2011 – L 28 AS 566/11 B ER –, vom 20. Juni 2011 – L 25 AS 535/11 B ER – und vom 30. September 2011 – L 14 AS 1148/11 B ER, L 14 AS 1152/11 B PKH; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Dezember 2010 – L 16 AS 767/10 B ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Juli 2011 – L 7 AS 107/11 B ER). Nur ausnahmsweise, wenn das Gericht von der Europarechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Norm überzeugt ist und zudem die Durchsetzung der Ansprüche des Antragstellers endgültig versagt würde, kommt Art. 19 Abs. 4 GG Vorrang vor Art. 20 Abs. 3 GG zu mit der Folge, dass ausnahmsweise eine einstweilige Anordnung ergehen kann. Diese setzt jedoch eine ansonsten abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage auch im Eilverfahren voraus; für eine „Folgenabwägung“ ist hingegen kein Raum (so im Ergebnis auch SG Dresden, Beschluss vom 5. August 2011 – S 36 AS 3461/11 ER). Eine Überzeugung von der Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II lässt sich den vorgenannten Entscheidungen der Landessozialgerichte nicht entnehmen. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof durch ein Landessozialgericht ist nicht bekannt. Auch der Senat kann eine solche Überzeugung nicht gewinnen.
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist nicht schon wegen des Gleichbehandlungsgebots des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) unanwendbar (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 14/10 R). Die Antragsteller sind nicht vom Schutzbereich des EFA erfasst, weil Rumänien den Vertrag dieses Abkommens bislang nicht ratifiziert hat. Selbst wenn sie vom Schutzbereich des EFA erfasst wären, bliebe § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II seit der am 19. Dezember 2011 erfolgten Veröffentlichung des auf der Grundlage des Art. 16 Buchstabe b EFA von der Bundesregierung dem Europarat mitgeteilten Vorbehalts von dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA unangetastet.
Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG – sog. Unionsbürgerrichtlinie – gedeckt ist, soweit Leistungen zum Lebensunterhalt begehrt werden (so auch Peters in Estelmann, SGB II, § 7 Rn. 14, und mit zutreffenden Erwägungen LSG Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 8. Juni 2009 – L 34 AS 790/09 B ER –; inzwischen hat dieser Senat seine Rechtsprechung allerdings aufgegeben, Beschluss vom 30. November 2011 – L 34 AS 1501/10B ER, L 34 AS 1518/10 B PKH). Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens zu gewähren. Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie bestimmt, dass auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden darf, wenn die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II beruht auf diesen europarechtlichen Bestimmungen (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 13). Der Senat hat auch keine Bedenken, die vorliegend erstrebten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie anzusehen. Die Frage, welche Leistungen unter diesen Sozialhilfebegriff fallen, ist im Einklang mit Art. 39 Abs. 2 des EG-Vertrags (EGV) zu beantworten (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, Vatsouras, Koupatantze, C 22-/08 und C 23/08). Nach Art. 39 Abs. 2 EGV umfasst die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die nach Art. 39 Abs. 1 EGV gewährleistet wird, die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Vor dem Hintergrund dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes ist es nicht mehr möglich, Staatsangehörige eines Mitgliedstaates, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchen, von finanziellen Leistungen auszunehmen, sofern diese den Zugang zum Arbeitsmarkt des Mitgliedstaates erleichtern sollen (EuGH, Urteile vom 23. März 2004, Collins, C-138/02, und vom 15. September 2005, Ioannidis, C-258/04). Es kann dahin stehen, dass Rumänen gemäß § 1 Abs. 3 EU-Beitrittsvertrag in Verbindung mit dem Beschluss des Bundeskabinetts vom 7. Dezember 2011 noch bis zum 31. Dezember 2013 in ihrer Freizügigkeit eingeschränkt sind, da es sich bei den von den Antragstellern beantragten Leistungen ohnehin nicht um finanzielle Leistungen handelt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, sondern um staatliche Fürsorgeleistungen, die der Existenzsicherung dienen. Es ist Sache der nationalen Behörden und innerstaatlichen Gerichte, nicht nur das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung mit dem Arbeitsmarkt festzustellen, sondern auch die grundlegenden Merkmale dieser Leistungen zu prüfen (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, Vatsouras, Koupatantze, C 22-/08 und C 23/08). Grundlegendes Merkmal der von den Antragstellern begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist deren „Passivität“, das heißt deren Existenz sichernde Funktion; sie begehren hingegen nicht „aktive“ Leistungen der Eingliederung in Arbeit (vgl. zur Trennbarkeit der Leistungen im SGB II auch ausführlich SG Berlin, Urteil vom 16. Dezember 2011 – S 26 AS 10021/08; Beschluss des SG Dresden vom 5. August 2011 – S 36 AS 3461/11 ER; LSG Berlin-Brandenburg, 34. Senat, a. a. O.). Die Regelungen des SGB II führen die frühere Arbeitslosenhilfe einerseits und die frühere Sozialhilfe andererseits zusammen (BT-Drs. 15/1516, S. 44). Das bisherige Nebeneinander von zwei staatlichen Fürsorgeleistungen sollte beendet, der Grundsatz „Arbeit statt passiver Leistung“ besser umgesetzt werden (a. a. O.). Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit werden aber weiterhin als aktive Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und als passive Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht (a. a. O., S. 50). Während die aktiven Leistungen den Erwerbsfähigen bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützen sollen, sollen die passiven Leistungen den Lebensunterhalt des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sichern, soweit sie ihn nicht auf andere Weise bestreiten können (a. a. O.). Die Antragsteller begehren allein Leistungen, die der Existenzsicherung dienen, und damit Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie.
Der Senat ist auch nicht deshalb von der Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II überzeugt, weil dieser gegen die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit – VO 883/2004 – verstoßen könnte. Es bestehen zwar Zweifel, ob der Leistungsausschluss im SGB II mit der VO 883/2004 vereinbar ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2011 – L 14 AS 1148/11 B ER, L 14 AS 1152/11 B PKH; SG Dresden, Beschluss vom 5. August 2011 – S 36 AS 3461/11 ER). Der Senat hält die Annahme der Unvereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aber nicht für zwingend und ist daher weiterhin nicht von der Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II überzeugt. Nach Art. 4 der VO 883/2004 haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staats. Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung erstreckt sich gemäß Art. 2 Abs. 1 u. a. auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der sachliche Geltungsbereich gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. h) auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Gemäß Art. 3 Abs. 3 VO 883/2004 gilt die Verordnung ausdrücklich auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Art. 70, unter die gemäß dessen Abs. 2 lit. c) i. V. m. Anhang X für Deutschland auch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 SGB II) erfüllt sind, fallen. Zwar spricht der isolierte Wortlaut der VO 883/2004 für einen grundsätzlichen Gleichbehandlungsanspruch aller Unionsbürger auf scheinbar alle Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nach historisch-systematischer sowie teleologischer Auslegung ist dieser Schluss jedoch nicht zwingend. Denn die Unionsbürgerrichtlinie, die in Art. 24 Abs. 2 die Möglichkeit eines Leistungsausschlusses eröffnet, und die VO 883/2004, wonach der vorgenannte Leistungsausschluss gerade nicht möglich wäre, datieren auf denselben Tag, nämlich den 29. April 2004. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Europäische Parlament und der Rat sich widersprechende Regelungswerke in Kraft setzen wollten (vgl. zu den „Widersprüchlichkeiten“ SG Dresden, a. a. O., das allerdings deshalb zu dem Schluss der Unvereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit der VO 883/2004 kommt). Dies gilt umso mehr, als mit der VO 883/2004 die Koordinierung der Sozialsysteme, aber gerade nicht die Vereinheitlichung der materiellen Standards bezweckt war (vgl. Schreiber in VO (EG) Nr. 883/2004, Kommentar, 2012, Einleitung Rn. 5), eine Aushöhlung der Möglichkeit des mitgliederstaatlichen Leistungsausschlusses auf der Grundlage des Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie durch die Regelungen in VO 883/2004 also nicht beabsichtigt gewesen sein dürfte. Nach dem bisherigen materiellen Standard, der in der Verordnung (EG) Nr. 1408/71, die durch Art. 90 der VO 883/2004 überwiegend aufgehoben wurde, abgebildet ist, waren nicht auch Arbeitssuchende vom persönlichen Anwendungsbereich erfasst (Art. 2 VO 1408/71; vgl. hierzu Schreiber, a. a. O. Art. 70 Rn. 5). Daher ist schwer nachvollziehbar, dass in Abkehr zum bisherigen materiellen Standard der zuvor für Deutschland leere Anhang X der VO 883/2004 mit der Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 dahin gehend aufgefüllt wurde, dass nunmehr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) erfüllt sind, aufgenommen wurden. Diese Leistungen wurden mit Aufnahme im Anhang X als besondere beitragsunabhängige Leistungen im Sinne des Art. 70 VO 883/2004 qualifiziert, obwohl es sich – nach den vorstehenden Ausführungen – teilweise um Leistungen der sozialen Fürsorge handelt, die gemäß Art. 3 Abs. 5 ausdrücklich vom Anwendungsbereich der VO 883/2004 ausgenommen sind. Nicht mehr nachzuvollziehen ist die Aufnahme der Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII – in den Anhang X, bei denen es sich nach bundesdeutschem Recht unzweifelhaft um Fürsorgeleistungen handeln dürfte (so auch Fuchs in Europäisches Sozialrecht, 5. Auflage 2010, Art. 70 Rn. 14). Ob die hier in Rede stehenden Leistungen tatsächlich besondere beitragsunabhängige Sonderleistungen oder nicht doch Leistungen der sozialen Fürsorge sind, wäre ggf. vom EuGH zu überprüfen (vgl. hierzu Schreiber a. a. O., Art. 70 Rn. 22). Der Senat kann sich auch nicht im Wege der europarechtsfreundlichen Auslegung des effet utile davon überzeugen, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europarechtswidrig ist. Denn vor dem Hintergrund, dass Rumänen und Bulgaren bis Ende 2013 weiterhin – und wegen § 1 Abs. 3 EU-Beitrittsvertrag europarechtlich legitimiert – von der uneingeschränkten Freizügigkeit ausgeschlossen sind, besteht ein objektiver Grund, sie von den hier beantragten Leistungen auszuschließen. Der Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II korrespondiert für Rumänen und Bulgaren mit deren Ausschluss von der uneingeschränkten Freizügigkeit (vgl. hierzu die ausführliche Begründung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 28. Juni 2001 – L 19 AS 317/11 B ER – m. w. N.). Die Bundesregierung selbst geht ausweislich des vorgenannten von Art. 16 Buchstabe b EFA gedeckten Vorbehalts weiterhin sogar davon aus, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II rechtswirksam jeden Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II von Staatsangehörigen auch aller anderen Mitgliedstaaten ausschließt.“
Diesen ausführlichen und überzeugenden Ausführungen schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung an.
Abschließend bleibt damit festzustellen, dass die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches für die Antragsteller zu 1) und 2) somit nicht als gelungen angesehen werden kann.
Die Antragsteller zu 3) bis 5) haben ebenfalls einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, weil sie Familienangehörige der Antragsteller zu 1) und 2) sind (§ 7 Abs. 1 S. 2 SGB II).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Den Antragstellern war Prozesskostenhilfe nach § 119 Absatz 1 S. 2 ZPO ohne Prüfung zu bewilligen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, weil der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).