Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 23.11.2017 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 B 3.16 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2017:1123.OVG5B3.16.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 1 Abs 1 S 1 PAuswG (2009/2013), § 6 Abs 1 PAuswG (2009/2013), § 6 Abs 3 PAuswG (2009/2013), § 31 Abs 1 PAuswG (2009/2013), § 34 Nr 8 PAuswG (2009/2013), § 9 GebBeitrG BE, § 1 Abs 1 Nr 2 PAuswGebV (2013), § 1 Abs 6 PAuswGebV (2013), § 17 PassV 2007, § 9 Abs 1 SGB 2, § 20 Abs 5 S 2 (2011) SGB 2, § 20 Abs 1a (2016) SGB 2, §§ 31ff SGB 2, § 27 Abs 1 SGB 12, § 5 Abs 1 RBEG, § 5 Abs 2 RBEG, § 53 Abs 1 AufenthV |
1. Als bedürftig im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV sind Bezieher von Regelsatzleistun-gen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch grundsätzlich nicht mehr anzusehen, seit der Regelsatz ab Januar 2011 einen Betrag von 0,25 €/Monat bzw. 30,00 € bezogen auf 10 Jahre regelmäßiger Gültigkeitsdauer eines Personalausweises enthält, wobei ohne Belang ist, ob die Personalausweisgebühren aus dem Regelsatz bereits voll-ständig angespart werden konnten.
2. Das schließt eine Bedürftigkeitsprüfung bei Vorliegen besonderer Härtegründe nicht aus.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. April 2016 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten um den Erlass von Gebühren für die Ausstellung eines Personalausweises für den Kläger.
Der im Jahr 1957 geborene Kläger beantragte am 3. Februar 2015 beim Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin die Ausstellung eines Personalausweises und entrichtete hierfür zugleich die geforderte Gebühr von 28,80 €. Mit Schreiben vom 4. Februar 2015 beantragte er, von der Erhebung dieser Gebühr abzusehen und ihm die bereits gezahlte Gebühr zu erstatten, weil er wegen Bezuges von Hartz 4-Leistungen bedürftig sei. Er fügte seinem Antrag einen Bescheid des Jobcenters Steglitz-Zehlendorf vom 22. November 2014 über den Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitslosengeld II) bei.
Mit Bescheid vom 11. Februar 2015 lehnte das Bezirksamt den Antrag ab. Bei Empfängern von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bestehe nicht die Möglichkeit, wegen Bedürftigkeit von der Erhebung der Gebühr gemäß § 1 Abs. 6 der Personalausweisgebührenverordnung (PAuswGebV) abzusehen. Seit dem 1. Januar 2011 sehe das Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (RBEG) die Zahlung eines Gebührenanteils für die Ausstellung eines Personalausweises in Höhe von monatlich 0,25 € an die Leistungsempfänger vor. Die Gebühr für die Ausstellung eines Personalausweises sei somit grundsätzlich auch vom Personenkreis der Empfänger von Arbeitslosengeld II zu entrichten.
Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 17. Februar 2015 trug der Kläger erneut vor, er sei als Hartz 4-Empfänger bedürftig. Das Argument der Ansparung von 0,25 €/Monat überzeuge nicht, denn die entsprechende gesetzliche Regelung gelte erst ab 1. Januar 2011, so dass die seitherige Ansparsumme lediglich 12,25 € ergebe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2015 wies das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf den Widerspruch zurück. Da die rückwirkend seit dem 1. Januar 2011 geltende Rechtslage nach der Begründung zu §§ 5, 6 RBEG die monatliche Zahlung eines Gebührenanteils für die Ausstellung eines Personalausweises an die Leistungsempfänger vorsehe, sei die nach § 1 Abs. 1 PAuswGebV zu erhebende Gebühr grundsätzlich auch von dem in Rede stehenden Personenkreis zu entrichten. Die Auslegung des Begriffs der Bedürftigkeit in § 1 Abs. 6 PAuswGebV lehne sich dabei an den Umstand der Hilfebedürftigkeit als Anspruchsvoraussetzung für den Leistungsbezug nach dem Zweiten und dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch an. Um hiernach die tatsächliche Bedürftigkeit des Einzelnen festzustellen, werde die persönliche Einkommenssituation des Antragstellers betrachtet. Durch den Erhalt der genannten Leistungen werde der Umstand der Bedürftigkeit aber gerade behoben. Die Hilfebedürftigkeit im Sinne der Personalausweisgebührenverordnung ende demnach mit dem Bezug des explizit für die Ausstellung eines Personalausweises festgesetzten Gebührenanteils im Sozialleistungsrecht. Eine Leistungsstundung, bis die Höhe der Gebühr erreicht sei, sei nach dem Gesetz selbst oder nach der Begründung des Gesetzgebers nicht vorgesehen.
Hiergegen hat der Kläger am 6. Juli 2015 Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Ansparsumme bis einschließlich Januar 2015 - bei lediglich 0,25 €/Monat - bei weitem nicht für die Zahlung der Gebühr für die Ausstellung eines Personalausweises zuzüglich der Fotokosten ausreiche.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides dieser Behörde vom 5. Juni 2015 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Gebührenbefreiung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat seine Auffassung, dass er den unbestimmten Rechtsbegriff der Bedürftigkeit mit zutreffenden Erwägungen unter Heranziehung der Motive des Gesetzgebers ausgefüllt habe, vertieft. Der Kläger habe zum Zeitpunkt der Antragstellung, also nach der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Rechtslage, Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bezogen. Dieser Umstand allein reiche für die Erhebung der vollen Gebühr bereits aus, so dass von einer Gebührenermäßigung bzw. -befreiung abzusehen sei, zumal der Kläger keine besonderen Umstände vorgetragen habe, die die Frage der Bewertung der Bedürftigkeit, beispielweise durch besondere Lasten oder Lebensumstände, in einem anderen Licht darstellten.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 21. April 2016 zur Neubescheidung verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei im maßgeblichen Zeitpunkt der Gebührenentstehung bedürftig im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV gewesen, da er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen habe. Zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Bedürftigkeit“ sei aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und zur Vermeidung von Zufallsergebnissen auf eine allgemein gültige Definition zurückzugreifen. Insoweit biete sich ein Rückgriff auf § 9 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an. Danach sei hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern könne und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhalte. Hiernach sei als bedürftig im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV jedenfalls derjenige anzusehen, der Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch beziehe; dies entspreche auch der Antwort der Bundesregierung vom 28. Oktober 2011 auf eine schriftliche Frage. Für diese Auslegung spreche, dass der dem § 1 Abs. 6 PAuswGebV inhaltsgleichen Vorschrift des § 17 der Passverordnung (PassV) ein entsprechendes Begriffsverständnis zugrunde liege. Auch wenn mit der Neuregelung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2011 die Ausweisgebühren in die Berechnung des Regelbedarfssatzes in Höhe von 0,25 €/Monat einbezogen seien, sei deshalb nicht schon die tatbestandliche Voraussetzung der Bedürftigkeit im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV zu verneinen. Es stehe vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen der Personalausweisbehörden, ob und inwieweit eine Gebührenermäßigung oder -befreiung für einen in diesem Sinne bedürftigen Gebührenschuldner tatsächlich gewährt oder versagt werde - insbesondere in den Fällen, in denen bedürftige Personen erst einen Teil der Personalausweisgebühr hätten ansparen können; auch dies ergebe sich aus der Antwort der Bundesregierung vom 28. Oktober 2011. Der Hinweis des Beklagten auf die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 6 PAuswGebV führe ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Dort heiße es, „eine Gebührenermäßigung oder eine Gebührenbefreiung kann zumindest dann entfallen, wenn die Kosten durch andere Sozialleistungen, die der Bedürftige vom Staat erhält, abgedeckt sind. Sie ist auch dann nicht erforderlich, wenn der Antragsteller nicht der Ausweispflicht unterliegt“. Die Formulierung „kann (...) entfallen“ mache deutlich, dass sich diese Ausführungen mit der Ausübung des Ermessens befassten und sie nicht der Auslegung des Begriffs der „Bedürftigkeit“ im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV dienten. Auch nach der Gesetzesbegründung sei jemand bedürftig, der Sozialleistungen beziehe.
Das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin habe sein Ermessen bezüglich einer etwaigen Gebührenermäßigung oder -befreiung nicht - auch nicht hilfsweise - ausgeübt, sondern lediglich darauf verwiesen, dass der Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch einen Personalausweisantragsteller keine Bedürftigkeit im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV begründen könne. Da in den angefochtenen Bescheiden Ermessenserwägungen vollständig fehlten, könnten sie im Verwaltungsstreitverfahren nicht gemäß § 114 Satz 2 VwGO wirksam nachgeholt werden. Abgesehen davon führe der Beklagte auch im Rahmen des Klageverfahrens nur aus, dass es bereits an der Tatbestandsvoraussetzung „bedürftig“ fehle.
Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz zur obergerichtlichen Rechtsprechung zugelassenen Berufung trägt der Beklagte vor, das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in seinen Beschlüssen vom 28. März 2014 - OVG 5 M 10.14 - und vom 7. Mai 2012 - OVG 5 M 32.12, 33.12 - darauf erkannt, dass ein Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch So-zialgesetzbuch nicht bereits wegen dieses Bezuges bedürftig im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV sei, solange keine weiteren Umstände vorlägen, die einen Härtefall zu begründen vermögen. Hieran sei festzuhalten, denn selbst nach Maßgabe dieser Rechtsprechung sei es möglich, auf einen Härtefall zu erkennen, wenn ein solcher substantiiert vorgetragen werde. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage, bei der es sich zudem nicht um eine formelle Gesetzes- oder Verordnungsbegründung handele, lasse sich nichts Gegenteiliges schließen. Vielmehr sei diese so zu verstehen, dass der Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch im Einzelfall den Tatbestand der Bedürftigkeit erfüllen könne; andernfalls wäre die geforderte Substantiierung von die Bedürftigkeit begründenden Umständen hinfällig. Die eigentliche Verordnungsbegründung spreche davon, dass die Bedürftigkeit substantiiert darzulegen und von der Personalausweisbehörde „im Rahmen ihrer Ermessensausübung“ zu überprüfen sei, wobei es sich trotz der missverständlichen Wortwahl um eine Ermessensausübung bereits bei der Prüfung des Tatbestandes handele.
Gegen eine Bedürftigkeit im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV bei einem Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch spreche zudem das Prinzip der Bedarfsdeckung, das die Bedürftigkeit als solche gerade ausschließen bzw. beenden solle. Angesparte Mittel seien jeweils für einen gerade entstandenen konkreten Bedarf einzusetzen, weil andere einmalige Bedarfe regelmäßig erst später anfielen; die Leistungsberechtigten hätten daher in wirtschaftlicher Vorausplanung jeweils zu entscheiden, ob und für welche nicht laufend anfallenden Bedarfe sie den Ansparbetrag einsetzten. Diese Erwägung setze auf Eigenverantwortlichkeit und entspreche dem Willen des Gesetzgebers, der in § 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II anklinge und das Budget-Prinzip betone. Dieser gesetzgeberische Zweck würde bei der pauschalen Gleichsetzung von Bedürftigkeit im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV und Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch trotz der beim Regelsatz berücksichtigten Bedarfe verfehlt. Im Übrigen sei die Berücksichtigung von Bedarfen nach den Regelsätzen aufgrund des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und seiner Begleitvorschriften abschließend geregelt. Wäre aber durch die pauschale Bejahung der Bedürftigkeit trotz Bedarfsberücksichtigung beim Regelsatz - ohne die Notwendigkeit eines substantiiert vorgetragenen, weitergehenden Härtefalls - bereits ein - zumindest anteiliger - Erlass von Gebühren nach § 1 Abs. 6 PAuswGebV angezeigt, käme dies faktisch einer erweiterten Bedarfsdeckung über den Umweg der genannten Verordnung gleich, obwohl die Bedarfe und ihre Berücksichtigung Gegenstand des Sozialrechts seien.
Festgehalten werde an dem Einwand, dass im Regelbedarfssatz - anders als für Personalausweisgebühren - kein Anteil für die Gebühren eines Reisepasses enthalten seien, weil keine Verpflichtung zum Besitz eines Reisepasses bestehe. Zwar gebiete die Einheit der Rechtsordnung, gerade mit Blick auf den vom Verwaltungsgericht angeführten Zweck der Verwaltungspraktikabilität, die möglichst einheitliche Auslegung von Rechtsbegriffen. Dies sei jedoch dann nicht angezeigt, wenn aufgrund der Systematik sowie des Sinns und Zwecks der jeweiligen Regelungsregime diese Einheitlichkeit ausscheiden müsse. Gerade die unterschiedliche Pflichtigkeit der Bürger - der Personalausweis sei zu besitzen, der Reisepass nicht - stelle einen entsprechenden Unterschied dar. Die unterschiedliche Auslegung ein und desselben Begriffs je nach Gesetz sei auch in anderen Rechtsmaterien bekannt. Im Übrigen widerspreche die Gleichsetzung von Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und Bedürftigkeit nach § 1 Abs. 6 PAuswGebV den gesetzgeberischen Grundprinzipien. Nach § 2 SGB II bestehe der Grundsatz des Forderns, demzufolge es Ziel der Grundsicherung für Erwerbslose sei, den Zustand der Erwerbslosigkeit zugunsten einer eigenverantwortlichen Lebensführung mittels eigenen Verdienstes zu beenden. Daraus habe der Gesetzgeber die Entscheidung abgeleitet, dass insbesondere Arbeitsangebote grundsätzlich nicht wegen Unzumutbarkeit abgelehnt werden könnten (§ 10 SGB II). Damit korrespondiere das Sanktionsregime, das eine Kürzung der Bezüge vorsehe (§§ 31 ff. SGB II). Diese Sanktion würde - außerhalb des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - unterlaufen, setzte man den Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch mit der Bedürftigkeit im Sinne des § 1 Abs. 6 PAuswGebV gleich.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. April 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt aus, es liege auf der Hand, dass ein Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch bedürftig sei. Eine besondere Definition für den Begriff der Bedürftigkeit gebe es in der Personalausweisgebührenverordnung nicht; lediglich in anderen Gesetzen werde der Begriff umschrieben, wie z.B. in § 1602 Abs. 1 BGB oder in § 9 SGB II. Es sei unerheblich, ob in den Bedarfssätzen eine Ansparsumme von 0,25 €/Monat für die Ausstellung des Personalausweises vorgesehen sei. Denn der Bezieher von Sozialhilfe bleibe trotz Ansparmöglichkeit bedürftig. Die monatliche Ansparsumme könne die Behörde im Rahmen ihres Ermessens berücksichtigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die Berufung des Beklagten ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Unrecht verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen Antrag auf Erlass oder Ermäßigung der Gebühr für die Ausstellung eines Personalausweises (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO); der Ablehnungsbescheid des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf von Berlin vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juni 2015 ist rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Erlass oder Ermäßigung der Gebühr für die Ausstellung eines Personalausweises ist § 34 Nr. 8 des Gesetzes über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis (Personalausweisgesetz - PAuswG) vom 18. Juni 2009 (BGBl. I S. 1346), geändert durch Gesetz vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154), i.V.m. § 1 Abs. 6 der Verordnung über Gebühren für Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis (Personalausweisgebührenverordnung - PAuswGebV) vom 1. November 2010 (BGBl. I S. 1477), geändert durch Verordnung vom 20. Februar 2013 (BGBl. I S. 330). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entstehung der Gebührenpflicht, vorliegend des Eingangs des Antrags auf Ausstellung eines Personalausweises (vgl. § 9 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge - GebBeitrG BE -; s. auch Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Januar 2014 - 3 A 623/12 -, juris Rn. 44; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Oktober 1988 - 14 S 1771/87 -, juris). Gemäß § 1 Abs. 6 PAuswGebV kann die Gebühr für die Ausstellung eines Personalausweises ermäßigt oder von ihrer Erhebung abgesehen werden, wenn die Person, die die Gebühr schuldet, bedürftig ist. Der Kläger erfüllt als Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nicht das Tatbestandsmerkmal der Bedürftigkeit, so dass das Bezirksamt zu Recht nicht in eine Ermessensprüfung eingetreten ist. Die Gebühr für die Leistung der Ausstellung eines - gemäß § 6 Abs. 1, 3 PAuswG bei bereits 24 Jahre alten Antragstellern zehn Jahre gültigen - Personalausweises beträgt gemäß § 31 Abs. 1 PAuswG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 PAuswGebV 28,80 €. Da diese Kosten seit dem 1. Januar 2011 in Höhe von 0,25 €/Monat, d.h. in Höhe von 30,- € hochgerechnet auf zehn Jahre, im Regelsatz der Sozialhilfe enthalten sind, vermag allein der Bezug von Sozialhilfeleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch durch den Kläger - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - keine Bedürftigkeit im Sinne des § 1 Abs. 6 PAuswGebV zu begründen.
Bei dem Begriff der Bedürftigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nach allgemeinen Grundsätzen hinsichtlich seiner Auslegung und Anwendung durch die Verwaltung der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Eine Auslegung dieses Begriffs im Hinblick auf den Wortsinn, die Systematik und die gesetzgeberische Intention im Kontext von Personalausweisgebührenverordnung und einschlägigen sozialhilferechtlichen Vorschriften zeigt, dass - jedenfalls seit dem 1. Januar 2011 - der Bezug von Sozialhilfe nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nicht zugleich die Annahme von Bedürftigkeit im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV indiziert.
Die Personalausweisgebührenverordnung definiert den Begriff der Bedürftigkeit nicht. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist derjenige bedürftig, der außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (vgl. auch § 1602 Abs. 1 BGB), und auch keine Hilfe von anderen erhält. Ähnlich definiert das Zweite Buch Sozialgesetzbuch den rechtlich eigenständigen Begriff der Hilfebedürftigkeit in § 9 Abs. 1 SGB II (vgl. auch § 27 Abs. 1 SGB XII). Danach ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Diese Definition zeigt den Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe auf; der Träger der Sozialhilfe, welche aus Bundesmitteln bestritten wird (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 46a Abs. 1 Nr. 2 SGB XII a.F.), soll erst dann Leistungen erbringen müssen, wenn nicht vorrangig Angehörige oder Träger anderer Sozialleistungen Hilfe leisten.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann im Rahmen des § 1 Abs. 6 PAuswGebV jedenfalls seit dem 1. Januar 2011 nicht auf diese Definition zurückgegriffen werden. Vielmehr ist der einem Sozialhilfeempfänger gewährte Regelbedarf grundsätzlich für die Bestreitung der Personalausweisgebühren einzusetzen; insoweit hat die Sozialhilfe Vorrang. Dies zeigt ein Blick in die Grundsätze des Leistungsbezugs nach dem Zweiten und auch dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und die entsprechenden gesetzgeberischen Intentionen.
Das Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz - RBEG) vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453), das nach § 20 Abs. 5 Satz 2 SGB II a.F. bzw. § 20 Abs. 1a SGB II i.d.F. vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3159) in entsprechender Weise auch für die Anpassung des Regelbedarfs von Beziehern der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch zugrunde gelegt wird, regelte seit seinem Inkrafttreten zum 1. Januar 2011 die Bedarfsermittlung für die Höhe der pauschalierten Leistung bei der Hilfe zum Lebensunterhalt der Sozialhilfe (vgl. auch das am 1. Januar 2017 in Kraft getretene Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz i.d.F.v. 22. Dezember 2016, BGBl. I S. 3159). Es sah in Absatz 1 des § 5 (regelbedarfsgerechte Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte) für die Abteilung 12 (Andere Waren und Dienstleistungen) Verbrauchsausgaben i.H.v. 26,50 €/Monat vor; nach § 5 Abs. 2 RBEG betrug die Summe der regelbedarfsgerechten Verbrauchsausgaben der Einpersonenhaushalte nach Absatz 1 361,81 €. Ausweislich der Begründung zu §§ 5, 6 RBEG (BT-Drs. 17/3404, S. 63) war mit dem Betrag der regelbedarfsgerechten Verbrauchsausgaben in Abteilung 12 unter lfd. Nr. 82, Code 1270900 (Sonstige Dienstleistungen, nicht genannte) ein Betrag von 2,44 €/Monat genannt, davon waren für den Personalausweis 0,25 €/Monat vorgesehen (vgl. auch die Begründung zu § 5 Abs. 1 RBEG n.F. [BT-Drs. 18/9984, S. 49]: lfd. Nr. 81, Code 1270900 (Sonstige Dienstleistungen, a.n.g.) mit einem Betrag von 3,19 €/Monat, davon nach wie vor für den Personalausweis 0,25 €/Monat). Damit sind die Ausweisgebühren in die Berechnung des Regelbedarfssatzes in Höhe von 0,25 €/Monat ausdrücklich einbezogen worden.
Hierzu hat der Gesetzgeber in den entsprechenden Motiven (Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 21. Oktober 2010, BR-Drs. 661/10, S. 105; BT-Drs. 17/3404, S. 64) ausgeführt: „Bei den sonstigen Dienstleistungen werden die neu festgesetzten Gebühren von 28,80 Euro bezogen auf 10 Jahre für den Personalausweis, die künftig auch hilfebedürftige Personen zu entrichten haben, zusätzlich berücksichtigt.“ Dies zeigt, dass die Änderung der Regelsätze im Zusammenhang mit § 1 Abs. 6 PAuswGebV gesehen worden ist und der Gesetzgeber sich bewusst für eine Deckung der Kosten für den Personalausweis, zu dessen Besitz Deutsche nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 Satz 1 PAuswG verpflichtet sind, durch den Träger der Sozialhilfe, d.h. aus Bundesmitteln entschieden hat.
Diese gesetzgeberische Entscheidung des Vorrangs der Sozialhilfe gebietet eine von dem Begriff der Hilfebedürftigkeit im Sinne des Sozialhilferechts abweichende Begriffsdefinition der Bedürftigkeit im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV (Bedürftigkeit bei Sozialhilfebezug hingegen bejahen OVG Sachsen, Beschluss vom 3. Februar 2014 - 3 D 110/13 -, juris Rn. 6; vgl. auch VG Darmstadt, Urteil vom 30. September 2013 - 5 K 1497/12.DA -, juris Rn. 11 ff.; offen gelassen VG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Oktober 2013 - 24 L 1425/13 -, juris Rn. 17 ff.). Insoweit hat der erkennende Senat bereits mit Beschluss vom 7. Mai 2012 - OVG 5 M 32.12/OVG 5 M 33.12 - ausgesprochen, dass der Gesetzgeber in den unterschiedlichen Regelungswerken, die sich mit dem Existenzminimum befassen, keine einheitliche Definition von Begriffen gewählt hat und dass er hierzu im Hinblick auf den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum auch nicht gehalten ist.
Vor diesem Hintergrund begründet allein der Bezug von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch keine Bedürftigkeit im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV.
Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 6 PAuswGebV. Dort heißt es, § 1 Abs. 6 PAuswGebV erlaube der Personalausweisbehörde eine Gebührenermäßigung oder -befreiung zugunsten Bedürftiger. Die Bedürftigkeit sei substantiiert darzulegen und von der Personalausweisbehörde im Rahmen ihrer Ermessenausübung zu prüfen. Eine Gebührenermäßigung oder eine Gebührenbefreiung könne zumindest dann entfallen, wenn die Kosten durch andere Sozialleistungen, die der Bedürftige vom Staat erhält, abgedeckt seien. Sie sei auch dann nicht erforderlich, wenn der Antragsteller nicht der Ausweispflicht unterliege (BR-Drs. 385/10, S. 5). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Berlin macht die Formulierung „kann (...) entfallen“ nicht deutlich, dass sich diese Ausführungen mit der Ausübung des Ermessens befassen und sie nicht der Auslegung des Begriffs der „Bedürftigkeit“ im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV dienen (so aber auch VG Potsdam, Urteil vom 7. März 2013 - 8 K 1064/12 -, juris Rn. 20). Vielmehr ist das Wort „kann“ - ebenso wie die Worte „der Bedürftige“ - nicht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen, sondern als Beispiel dafür, dass der Gesetzgeber der Meinung war, eine Gebührenermäßigung oder -befreiung komme bei einer Bedarfsdeckung aufgrund von Sozialhilfeleistungen nicht in Betracht. Im Übrigen ist - wie ausgeführt - (erst) seit dem 1. Januar 2011 die Personalausweisgebühr ausdrücklich im Regelsatz enthalten, was die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 6 PAuswGebV 2010 naturgemäß nicht berücksichtigen konnte.
Auch die - spätere - Antwort der Bundesregierung vom 28. Oktober 2011 zu der schriftlichen Anfrage einer Abgeordneten, welcher Personenkreis im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV als bedürftig anzusehen sei und in welcher Form die Bundesregierung einen Ausgleich für den Personenkreis der SGB-II-Empfänger zu leisten gedenke, welche aktuell eines neuen Personalausweises bedürften, jedoch nach den Änderungen des Regelbedarfs im Januar 2011 mit der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgabe für den Personalausweis von 0,25 €/Monat lediglich 2,50 € der erforderlichen 28,80 € hätten ansparen können, steht der vorstehenden Auslegung nicht entgegen. Darin heißt es (vgl. BT-Drs. 17/7584, S. 21), bedürftig im Sinne des § 1 Abs. 6 PAuswGebV sei eine Person u.a., wenn sie Anspruch auf Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder auf Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch habe. Mit der Neuregelung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII seien die Ausweisgebühren mit in die Berechnung der Regelsätze eingeflossen, so dass eine Gebührenermäßigung oder -befreiung nicht mehr zwingend gegeben, aber auch nicht gänzlich zwingend ausgeschlossen sei. Ob und inwieweit eine Gebührenermäßigung oder -befreiung für die antragstellende Person in Betracht komme - insbesondere in den Fällen, in denen bedürftige Personen erst einen Teil der Personalausweisgebühr hätten ansparen können -, unterliege einer im pflichtgemäßen Ermessen durchgeführten Prüfung durch die Personalausweisbehörden der Länder.
Ungeachtet dessen, dass es sich bei dieser Antwort nicht um eine formelle Gesetzes- oder Verordnungsbegründung handelt, ist bemerkenswert, dass die erste Aussage, die Bedürftigkeit werde u.a. durch den Bezug von Sozialhilfe definiert, im Folgenden dahingehend eingeschränkt wird, dass mit der Neuregelung der Regelbedarfe eine Gebührenermäßigung oder -befreiung nicht mehr zwingend gegeben, aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen sei. Dies lässt den Schluss zu, dass das Bestehen eines Anspruchs auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch seit der Neuregelung der Regelsätze nicht mit Bedürftigkeit im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV gleichgesetzt werden soll, sondern darüberhinausgehende Härtegründe dargetan werden müssen. Der weitere Hinweis auf eine „Ermessens-“Prüfung, wenn erst ein Teil der Personalausweisgebühr habe angespart werden können, ist erkennbar nicht im rechtstechnischen Sinne (Ermessensprüfung nach Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen) zu verstehen, sondern soll nur den Hinweis geben, dass sich die Personalausweisbehörden mit den entsprechenden Argumenten der Antragsteller (sei es im Tatbestand oder in der Rechtsfolgenprüfung) befassen müssen.
Bedürftigkeit im Sinne des § 1 Abs. 6 PAuswGebV ist allerdings auch bei Leistungsberechtigten nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, die seit dem 1. Januar 2011 erst einen Teil der Personalausweisgebühr ansparen konnten, nicht allein aufgrund des Sozialhilfebezugs zu bejahen (hierzu vgl. VG Darmstadt, Urteil vom 30. September 2013 - 5 K 1497/12.DA -, juris Rn. 18 ff.; VG Potsdam, Urteil vom 7. März 2013 - 8 K 1064.12 -, juris Rn. 19; jeweils Ermessen geprüft). Das ergibt sich aus dem sozialhilferechtlichen Prinzip der sog. Budgetierung. Der einem Leistungsberechtigten zu gewährende Regelsatz stellt ein monatliches Budget in Form eines Pauschalbetrages zur Bestreitung des Regelbedarfs dar, über dessen Verwendung der Leistungsberechtigte eigenverantwortlich entscheidet; dabei hat er nach dem Willen des Gesetzgebers das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe bei der individuellen Ausgabenplanung zu berücksichtigen (vgl. § 27a Abs. 3 Sätze 1 und 2 SGB XII; § 20 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB II; BT-Drs. 17/3404, S. 97). Dieses Budget bzw. dieser Warenkorb setzt sich aus einer Vielzahl von Beträgen zusammen, die für die Abdeckung von im Leistungsmonat anfallenden Ausgaben, teilweise aber auch nur für gelegentlich zu bestreitende Ausgaben - insofern dann anteilig - vorgesehen sind. Die insgesamt angesparten Mittel können und müssen jeweils für einen gerade entstandenen konkreten Bedarf eingesetzt werden, weil andere einmalige Bedarfe regelmäßig erst zu anderen Zeiten anfallen. Leistungsberechtigte haben deshalb in wirtschaftlicher Vorausplanung jeweils zu entscheiden, ob und für welche nicht laufend anfallenden Bedarfe sie den als Ansparbetrag im Regelsatz enthaltenen Betrag ansparen möchten. Dabei muss ein ggfs. in einem Monat auftretender Mehrbedarf vorübergehend aus den anderen Positionen des Regelbedarfs gedeckt werden (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 2015 - L 20 SO 355/13 -, juris Rn. 52). Entsprechendes gilt für den seit dem 1. Januar 2011 ausdrücklich im Regelbedarfssatz enthaltenen Betrag von 0,25 €/Monat für Ausweisgebühren, so dass es rechtlich unerheblich ist, wie lange die Sozialhilfeempfänger bei der Passbeantragung bereits im Leistungsbezug stehen. Denn dieser Betrag ist zum einen Teil des o.g. Warenkorbes, bei dem die einzelnen Positionen austauschbar und austauschpflichtig sind. Zum anderen ist der Kostenfaktor „Personalausweis“ grundsätzlich angesichts der gesetzlich normierten (in der Regel zehnjährigen) Gültigkeitsdauer des Personalausweises planbar und vorhersehbar, so dass dem Leistungsberechtigten ein Ansparen im Voraus möglich und zumutbar ist (so bereits OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. November 2015 - OVG 5 M 57.14 -). Bejahte man demgegenüber Bedürftigkeit im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV aufgrund des Bezugs von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ohne das Vorliegen weiterer (sonstiger) Härtefallgründe, käme dies einer erweiterten Bedarfsdeckung aus Landesmitteln gleich, obwohl die Bedarfe und ihre Berücksichtigung (ausschließlich) Gegenstand des Sozialhilferechts sind. Teilweise ins Leere liefen auch die Sanktionierungsmöglichkeiten nach §§ 31 ff. SGB II (Kürzung der Bezüge), gälte der sanktionierte Leistungsempfänger automatisch - ohne weitere Härtegründe - als bedürftig nach § 1 Abs. 6 PAuswGebV.
Die vorstehende Auslegung des Begriffs der Bedürftigkeit im Sinne von § 1 Abs. 6 PAuswGebV lässt sich - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts (wie auch OVG Sachsen, Beschluss vom 3. Februar 2014 - 3 D 110.13 -, juris Rn. 6; VG Potsdam, Urteil vom 7. März 2013 - 8 K 1064.12 -, juris Rn. 19) - zwangslos mit der inhaltsgleichen Vorschrift des § 17 der Verordnung zur Durchführung des Passgesetzes (Passverordnung - PassV) vom 19. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2386), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 15. Februar 2017 (BGBl. I S. 162), sowie Nr. 20.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Passgesetzes vom 17. Dezember 2009 (Passverwaltungsvorschrift - PassVwV -, GMBl. 2009 S. 1686 [1716]) vereinbaren, wonach als „bedürftig im Sinne des § 17 PassV […] jemand anzusehen [ist], der Anspruch auf Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) oder auf Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat […]“. Denn insoweit besteht der Unterschied, dass keine Verpflichtung zum Besitz eines Reisepasses besteht und demzufolge im Regelbedarfssatz kein Anteil für die Gebühren eines Reisepasses enthalten ist. Folgerichtig verlagert sich bei Sozialhilfeempfängern die weitere Prüfung nach § 17 PassV auf die Ermessensebene (und dort etwa auf die Frage, ob zwingende Gründe den Besitz eines Passes erforderlich machen, vgl. Nr. 20.1.4 PassVwV).
Hinzuweisen ist ferner auf § 53 Abs. 1 AufenthV, wonach Ausländer, die ihren Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Sozialgesetzbuch oder dem Asylbewerberleistungsgesetz bestreiten können, von den dort genannten Gebühren (u.a. für die Erteilung und Verlängerung eines Ausweisersatzes) befreit sind; bei Gebühren für einen Reiseausweis für Flüchtlinge kann diese Gebühr ermäßigt oder von ihrer Erhebung abgesehen werden (vgl. auch Sächsisches OVG, Urteil vom 20. Januar 2014 - 3 A 623/12 -, juris). Ebenso ist etwa in § 4 Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages 2010 u.a. für Empfänger von Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vorgesehen, sofern eine entsprechende Bestätigung des Leistungsträgers vorgelegt wird (§ 4 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrages 2010). Eine entsprechende Befreiungsmöglichkeit für die Empfänger von Sozialhilfeleistungen hat der Gesetzgeber demgegenüber für die Personalausweisgebühren gerade nicht vorgesehen.
Nach alledem begründet der Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten und auch dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch durch einen Personalausweisantragsteller keine Bedürftigkeit i.S. des § 1 Abs. 6 PAuswGebV. Vielmehr muss dieser (weitere) Härtegründe vortragen, aufgrund derer dann die Behörde ggfs. die Ermessensprüfung vorzunehmen hat (so bereits Beschlüsse des Senats vom 28. März 2014 - OVG 5 M 10.14 -, juris Rn. 1 und vom 7. Mai 2012 - OVG 5 M 32.12/OVG 5 M 33.12 -, Abdruck S. 6 f.). Da es hieran vorliegend fehlt, hat das Bezirksamt den Kläger zu Recht bereits als nicht bedürftig angesehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.