Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 16.09.2010 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 18/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der Deutschen P… AG, … wird der Beschluss des Amtsgerichts Perleberg vom 31. August 2009 teilweise abgeändert.
Wegen des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen P… AG, …, zum Zeichen…, bleibt der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorbehalten.
Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
I.
Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist dem Antragsgegner am 1.11.2006 zugestellt worden. Durch Urteil vom 14.7.2008 hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden. Die Folgesachen über den Versorgungsausgleich und den nachehelichen Unterhalt hat das Amtsgericht gemäß § 628 ZPO abgetrennt. Durch den angefochtenen Beschluss vom 31.8.2009 hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung B… eine Rentenanwartschaft in Höhe von monatlich 132,42 €, der Entgeltpunkte (Ost), zugrunde liegen, auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung … übertragen und zudem zulasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Deutschen P… AG auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung … eine Rentenanwartschaft von monatlich 24,61 € begründet hat. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Deutsche P… AG mit der Beschwerde. Sie weist darauf hin, dass sie als Versorgungsträger privat-rechtlich organisiert und nach ihren tariflichen Regelungen eine Realteilung von Anrechten nicht vorgesehen sei.
II.
1.
Das Rechtsmittel der Deutschen P… AG ist zulässig.
a)
Mit Rücksicht darauf, dass das Scheidungsverfahren im September 2006 beim Amtsgericht eingeleitet worden ist, findet gemäß Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG das bisherige Verfahrensrecht Anwendung. Dem steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht die Folgesache über den Versorgungsausgleich durch Beschluss vom 14.7.2008 abgetrennt hat.
Allerdings sind gemäß Artikel 111 Abs. 4 S. 1 FGG-RG auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1.9.2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1.9.2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden, mithin das FamFG. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Denn am 1.9.2009 war das Verfahren über den Versorgungsausgleich nicht mehr abgetrennt. Vielmehr hat das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss vom 31.8.2009 eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich getroffen.
Der Wortlaut des Artikels 111 Abs. 4 S. 1 FGG-RG, wonach auf Versorgungsausgleichsverfahren, die ab 1.9.2009 vom Verbund abgetrennt sind, neues Recht anzuwenden ist, ist nicht in der Weise eindeutig, dass von der Vorschrift sämtliche vor dem 1.9.2009 abgetrennte Verfahren, selbst wenn sie vor dem 1.9.2009 bereits wieder aufgenommen und durch eine Entscheidung des Amtsgerichts ihren Abschluss gefunden haben, erfasst seien sollen (a.A. Norpoth, FamRB 2010, 108, 109). Vielmehr gebieten Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift des Artikels 111 FGG die Auslegung dahin, dass die Bestimmung des Artikels 111 Abs. 4 S. 1 FGG-RG und damit auch diejenige des § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG in der Beschwerdeinstanz keine Anwendung auf abgetrennte Verfahren finden, die bereits vor dem 1.9.2009 wieder aufgenommen und erstinstanzlich entschieden worden sind (OLG Oldenburg, Beschluss vom 19.1.2010 – 13 UF 112/09 -, BeckRS 2010, 03484; Götsche, FamRB 2010, 218, 222 f.; a.A. Norpoth FamRB 2010, 107, 108; Schwamb, FamFR 2010, 252; vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.11.2009 – 2 UF 55/09 -, BeckRS 2010, 04163; Borth, FamRZ 2009, 1965; Schürmann, FamRZ 2009, 1800).
Der Gesetzgeber hat in Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG den Grundsatz normiert, dass dann, wenn das Verfahren in erster Instanz noch nach dem bisherigen Recht eingeleitet worden ist, auch die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens nach dem bisherigen Recht erfolgt und sich, soweit bereits das erstinstanzliche Verfahren nach den Vorschriften des FGG-RG durchzuführen war, auch die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens nach den neuen Verfahrensvorschriften richtet (BT-Drs. 16/6308, S. 359). Artikel 111 FGG-RG hat zwar durch Artikel 22 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 3.4.2009 (BGBl. I, Seite 700, 723) ergänzende Regelungen erfahren, insbesondere auch die für das vorliegende Verfahren in Betracht zu ziehende Vorschrift des Artikels 111 Abs. 4 S. 1 FGG-RG. Damit sollte sichergestellt werden, dass bereits anhängige, jedoch nicht aktiv betriebene Verfahren im Fall der späteren Aufnahme möglichst der Anwendung des neuen materiellen und formellen Rechts unterliegen (BT-Drs. 16/10144, Seite 127; siehe BT-Drs. 16/11903, Seite 127 f.).
Ziel der Übergangsregelung ist es also, bei denjenigen Verfahren, die zum Zeitpunkt der Rechtsänderung ab 1.9.2009 ruhen oder nicht zügig gefördert worden sind, zu verhindern, dass auch noch mehrere Jahre nach Inkrafttreten des neuen Rechts weiterhin altes Recht anzuwenden ist (Götsche, FamRB 2010, 218, 223; Schael, FamFR 2010, 1, 3; siehe auch Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 5. Aufl., § 48 VersAusglG, Rz. 5). Hat aber das erstinstanzliche Gericht vor dem 1.9.2009 nicht nur das abgetrennte Verfahren wiederaufgenommen, sondern bereits eine Entscheidung getroffen, die dann Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, bedarf es der möglichst raschen Unterstellung des Sachverhalts unter das neue Recht nicht. Vielmehr ist der Fall vergleichbar mit demjenigen, in dem das erstinstanzliche Gericht, ohne dass das Verfahren zuvor ausgesetzt oder abgetrennt war, vor dem 1.9.2009 eine Endentscheidung erlassen hat. In diesen Fällen findet das bisherige Verfahrensrecht auch dann Anwendung, wenn das Rechtsmittel gegen die Endentscheidung erst nach dem 1.9.2009 eingelegt worden ist (BGH, FG-Prax 2010, 102, 103 Tz. 8 ff.). Auch in den Fällen, in denen der vor dem 1.9.2009 getroffenen erstinstanzlichen Entscheidung eine Aussetzung oder Abtrennung vorausgegangen ist, muss sich der Grundsatz durchsetzen, dass, nachdem das erstinstanzliche Gericht das bisherige Verfahrensrecht angewandt hat, dieses auch für das Rechtsmittelgericht gilt. Ein Rechtswechsel zwischen den Instanzen ist grundsätzlich zu vermeiden, und nur dann zuzulassen, wenn er durch eine Zäsur im Verfahren gerechtfertigt wird (Kemper, FPR 2010, 69, 73).
Schließlich sprechen für einen Gleichlauf des Beschwerdeverfahrensrechts mit dem in erster Instanz angewendeten Verfahrensrecht die Vorschriften des Artikel 111 Abs. 5 FGG-RG und des § 48 Abs. 3 VersAusglG. Nach diesen Vorschriften findet im Verfahren über den Versorgungsausgleich das neue Recht Anwendung, wenn am 31.8.2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen worden ist. Auch hier reicht es für die Anwendung des neuen Rechts ab 1.9.2010 also nicht aus, dass das Beschwerdegericht nach dem 1.9.2010 entscheidet, sondern schon das erstinstanzliche Gericht muss eine Entscheidung nach neuem Recht getroffen haben (siehe auch Götsche, a. a. O.).
Danach ist die Beschwerde gemäß § 621 e ZPO a.F. statthaft.
b)
Die Deutsche P… AG ist beschwerdeberechtigt, § 20 Abs. 1 FGG a.F.
Nach § 20 Abs. 1 FGG a.F., der auch im Versorgungsausgleichsverfahren Anwendung findet, § 621 a Abs. 1 S. 1 ZPO a.F., muss der Beschwerdeführer für die Zulässigkeit seines Rechtsmittels beschwerdebefugt sein. Die Beschwerdebefugnis erfordert einen unmittelbaren Eingriff in ein im Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung bestehendes subjektives Recht.
Im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ist ein Versorgungsträger in seiner Rechtstellung unmittelbar betroffen und deshalb beschwerdeberechtigt, wenn bei ihm bestehende Anwartschaften auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten übertragen werden, bei ihm zu dessen Gunsten ein Versicherungsverhältnis begründet oder überhaupt ein bei ihm bestehendes Rechtsverhältnis verändert wird. Die Beschwerdeberechtigung ergibt sich bei jedem als unrichtig gerügten Eingriff in die Rechtstellung des Versorgungsträgers, auch bei einer unrichtigen Ausgleichsform. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Versorgungsausgleich im konkreten Fall zulasten des Versorgungsträgers auswirken würde. Wegen der Ungewissheit des zukünftigen Versicherungsverlaufs lässt sich eine belastende Rechtsbeeinträchtigung regelmäßig nicht feststellen (BGH, NJW-RR 2008, 593, Tz. 7 f.).
Ein privatrechtlicher Versorgungsträger wird allerdings durch den öffentlich-rechtlichen Wertausgleich grundsätzlich nicht in seiner Rechtstellung betroffen, weil das bei ihm bestehende Anrecht regelmäßig im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nur Saldierungsposten der Versorgungsbilanz der Ehegatten ist (BGH, NJW-RR 2008, 593, Tz. 11). Anders verhält es sich aber, wenn der vom privatrechtlichen Versorgungsträger beanstandete Versorgungsausgleich mit einem im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in seine Rechtstellung verbunden ist (vgl. BGH, NJW-RR 1996, 451). So liegt es hier, weil die Deutsche P… AG rügt, dass das bei ihr bestehende Anrecht gerade nicht nur als Saldierungsposten in die Ausgleichsbilanz einbezogen, sondern zulasten des bei ihr bestehenden Anrechts ein Anrecht der Antragstellerin in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden ist.
2.
Die Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Das Amtsgericht hat auf der Grundlage des nach den vorstehenden Ausführungen auch im Beschwerdeverfahren weiterhin anzuwendenden bisherigen materiellen Rechts, § 48 Abs. 1 VersAusglG, den Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen P… AG unzutreffend vorgenommen. Insoweit ist der angefochtene Beschluss abzuändern, während es im Übrigen bei diesem Beschluss verbleibt. Der Senat entscheidet nach der Gewährung rechtlichen Gehörs ohne mündliche Verhandlung (vgl. Keidel/Weber, FGG, 15. Aufl., § 53 b, Rz. 5).
a)
Allerdings hat das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss die auf Seiten der Ehegatten bestehenden Anrechte zutreffend festgestellt. Die Antragsstellerin hat bei der Deutschen Rentenversicherung … eine Anwartschaft von monatlich 273,23 €, der Entgeltpunkte (Ost) zugrunde liegen, und eine solche von 3,29 €, der Entgeltpunkte zugrunde liegen. Demgegenüber beläuft sich das Anrecht des Antragsgegners in der gesetzlichen Rentenversicherung, nämlich bei der Deutschen Rentenversicherung B…, auf monatlich 538,07 €, wobei diesem Betrag nur Entgeltpunkte (Ost) zugrunde liegen.
Auch hat das Amtsgericht das Anrecht des Antragsgegners auf eine Betriebsrente bei der Deutschen P… AG zutreffend mit einer Jahresrente von 1.472,04 € festgestellt und diesen Betrag unter Heranziehung der Tabelle 1 der Barwertverordnung, des Umrechnungsfaktors für die Umrechnung von Beiträgen in Entgeltpunkte und des aktuellen Rentenwertes (vgl. im Einzelnen Schürmann, Tabellen zum Familienrecht, 30. Aufl., S. 31, 33, 36) in einen Monatsbetrag von 52,50 € umgerechnet.
b)
Zu Unrecht hat das Amtsgericht das Anrecht des Antragsgegners bei der Deutschen P… AG im Wege des analogen Quasi-Splittings, § 1 Abs. 3 VAHRG a.F., ausgeglichen. Ein solcher Ausgleich ist nämlich nur möglich, wenn sich das auszugleichende Anrecht gegen einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger richtet. Dies ist bei der Deutschen P… AG, wie sich bereits aus der dem Amtsgericht erteilten Auskunft vom 8.5.2007 ergibt, nicht der Fall.
c)
Auch eine Realteilung, § 1 Abs. 2 VAHRG, kann nicht erfolgen, da sie nach den Bestimmungen des Versorgungsträgers nicht vorgesehen ist, wie ebenfalls der Auskunft vom 8.5.2007 entnommen werden kann.
d)
Ein Ausgleich durch Beitragsentrichtung gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG a.F. kann ebenso wenig erfolgen. Denn diese Form des Ausgleichs kommt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 VAÜG im Beitrittsgebiet nur dann in Betracht, wenn die Dynamik des auszugleichenden Anrechts mit der Dynamik des angleichungsdynamischen Anrechts im Sinne des § 1 Abs. 2 VAÜG a.F. vergleichbar ist. Daran fehlt es aber im Hinblick auf die auszugleichende Anwartschaft des Antragsgegners (vgl. Senat, FamRZ 2001, 489, 490).
e)
Schließlich kann der Ausgleich auch nicht gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG in der Weise erfolgen, dass unter Heranziehung der dem ausgleichspflichtigen Antragsgegner noch verbliebenen Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege des erweiterten Splittings eine weitere Rentenanwartschaft in Höhe der Hälfte des Wertes der Betriebsrente auf das Versicherungskonto der Antragstellerin übertragen wird. Auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners ist nämlich keine nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaft, wie sie für den Ausgleich benötigt würde, sondern nur eine angleichungsdynamische, in ihrer Dynamik mit dem auszugleichenden Anrecht nach dessen Umrechnung nicht vergleichbare Anwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 VAÜG a.F. vorhanden, so dass gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 VAÜG a. F. ein erweitertes Splitting ausgeschlossen ist.
f)
Da ein Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen P… AG nach alledem zurzeit nicht möglich ist, ist insoweit der schuldrechtliche Versorgungsausgleich vorzubehalten.
Der Verweisung auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich steht nicht entgegen, dass gegenwärtig auch die nichtangleichungsdynamische Anwartschaft der Antragstellerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht ausgeglichen werden kann und lediglich einen Saldierungsposten im etwa durchzuführenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleich darstellt. Denn Anrechte des Berechtigten, die öffentlich-rechtlich auszugleichen wären, wenn sie der Verpflichtete erworben hätte, können im schuldrechtlichen Versorgungsausgleich ebenfalls zu saldieren sein (Erman/Wellenhofer, BGB, 12. Aufl., § 1587 g, Rz. 3; vgl. auch BGH, FamRZ 2001, 25).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a ZPO a.F.
4.
Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf die streitige Reichweite der Übergangsvorschriften des Art. 111 Abs. 4 FGG-RG und des § 48 VersAusglG zugelassen, § 621 e Abs. 2 ZPO a. F.