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Fragen der örtlichen Zuständigkeit gemäß §§ 7,8 StPO


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Strafsenat Entscheidungsdatum 27.08.2012
Aktenzeichen 1 Ws 132/12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Beschluss der 4. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 14. Juni 2012 wird aufgehoben und die Sache an die 4. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zurückverwiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit notwendigen Auslagen der Angeschuldigten trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Den Angeschuldigten werden mit unterschiedlichen Tatbeteiligungen eine Vielzahl von Straftaten vorgeworfen, die von der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen als gewerbsmäßiger Diebstahl oder Hehlerei, als Betrug, Bestechung sowie Verletzung von Dienstgeheimnissen angesehen werden. Die Tatzeitpunkte liegen zwischen dem 27. Juni 2003 und dem 4. Dezember 2007. Die Taten sollen an verschiedenen Orten in B…, E… und andernorts begangen worden sein. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) erhob unter dem 20. Oktober 2009 Anklage gegen die Angeschuldigten beim Landgericht Frankfurt (Oder) und bezeichnete eine dortige Strafkammer als zuständig. Die Staatsanwaltschaft begründete die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) damit, dass dem Angeklagten W… die Beteiligung an einem Diebstahl eines Pkw Audi RS 4 in der Nacht vom 25. zum 26. Juni 2007 in E… zur Last gelegt werde (Tat Ziffer 10 der Anklageschrift).

Mit Beschluss vom 19. Dezember 2011 erklärte sich die 3. große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) für örtlich unzuständig.

Die Kammer hält eine Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für gegeben und hat hierzu ausgeführt:

„Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) für das hier anhängige Strafverfahren gegen die o.g. Angeschuldigten ist - unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt - gegeben.

Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist eine Prozessvoraussetzung, die bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Fehlt diese Zuständigkeit hat das angerufene Gericht sich - wie vorliegend geschehen - für unzuständig zu erklären (vgl. Meyer-Goßner, Stpo, 53. Aufl., Rdnr. 4 zu § 16 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall sind die Gerichtsstände des Wohnsitzes oder Aufenthaltsortes (§ 8 StPO) sowie des Ergreifungsortes (§ 9 StPO) nicht begründet, da die Angeschuldigten im Zeitpunkt der Anklageerhebung weder im Zuständigkeitsbereicht des Landgerichts Frankfurt (Oder) gewohnt oder sich dort aufgehalten haben noch im Bezirk des Landgerichts Frankfurt (Oder) festgenommen worden sind.

Die angeklagten Taten - wobei hier lediglich die Tat zu Ziffer 10 des konkreten Anklagesatzes die Fallakte 9 betreffend zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts in Betracht kommt - sind auch nicht im Bezirk des Landgerichts Frankfurt (Oder) begangen worden. Soweit die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift darauf abstellt, dass die Tat zu Ziffer 10 mittels Diebstahls des anklagegegenständlichen Pkws Audi RS 4 Avant (FIN WUAZZZ8DZ1N…) in der Nacht vom 25. zum 26. Juni 2007 in E… durch den Angeschuldigten W… oder wahlweise durch eine Hehlereihandlung seitens des W… erfolgt sei, vermag dies nicht den Gerichtsstand des Tatortes im Bezirk des Landgerichts Frankfurt (Oder) gemäß § 7 StPO zu begründen.

Hierbei ist davon auszugehen, dass vorliegend nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ein für die Verurteilung im Wege der Wahlfeststellung erforderlicher Nachweis für die (Mit-) Täterschaft des Angeschuldigten W… an dem Diebstahl zur Überzeugung der Kammer nach Aktenlage nicht geführt werden können wird. Bei einer solchen Fallgestaltung, nämlich der Nichterweislichkeit der Mittäterschaft bei der Vortat des Diebstahls und der als wahrscheinlich erscheinenden, zweifelsfreien Feststellung einer, dem Diebstahl folgenden „Nachtat“ der Hehlerei, kommt vielmehr nach höchstrichterlicher Rechtsprechung lediglich eine Verurteilung wegen Hehlerei im Weg der Postpendenzfeststellung in Betracht (vgl. Urteil des BGH vom 14.09.1989 zum Az: 4 StR 170/89).

In seiner Entscheidung vom 24. Februar 2011 hat der Bundesgerichtshof (Az: 4 StR 65 1/10) diese Rechtsprechung nochmals bestätigt. Dem lag der Fall zugrunde, dass durch das Landgericht im erstinstanzlichen Urteil lediglich festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte zuvor auf einem Firmengelände gestohlenes Buntmetall im Interesse der Mitangeklagten an Schrotthändler veräußert hat. Eine — ihm mit der Anklageschrift jeweils als mittäterschaftlich begangener schwerer Bandendiebstahl zur Last gelegte — „Beteiligung“ bzw. „Mitwirkung“ an den Diebstählen konnte durch das Tatgericht nicht bzw. nicht sicher festgestellt werden.

Bei einer derartigen Fallgestaltung der Nichterweislichkeit der Mittäterschaft bei der Vortat und der zweifelsfreien Feststellung einer Hehlereihandlung — so der 4. Strafsenat weiter — ist eine Verurteilung wegen der dem Diebstahl folgenden „Nachtat“ der Hehlerei im Wege der Postpendenzfeststellung möglich und geboten.

So liegt auch hier der Fall. Zwar ist vorliegend noch keine Hauptverhandlung unter Ausschöpfung aller in Betracht kommender Beweismittel erfolgt; vielmehr befindet sich das Verfahren im so genannten Zwischenverfahren, in dem zunächst die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung zu prüfen ist. Doch die vorgenannten höchstrichterlichen Ausführungen zur Postpendenzfeststellung haben auch für die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts Belang. Denn bei der örtlichen Zuständigkeit, die - wie hier - auf dem Gerichtsstand des Tatortes (§ 7 StPO) beruhen soll, kann nicht außer Betracht bleiben, wenn eine Verurteilung wegen des im Wege der Wahlfeststellung angeklagten Diebstahls und damit der sich daraus ergebende Tatort in E… - mithin im Zuständigkeitsbereicht des Landgerichts Frankfurt (Oder) - nach vorläufiger Tatbewertung nicht wahrscheinlich erscheint. Anhaltspunkte dafür, dass die - wahrscheinlich zu einer Verurteilung führende - Hehlereihandlung im Bezirk des Landgerichts Frankfurt (Oder) begangen worden ist, liegen nach dem derzeitigen Ermittlungsergebnis nicht vor, so dass auch insoweit eine Zuständigkeit nach § 7 StPO nicht gegeben ist.

Eine andere, davon abweichende rechtliche Bewertung würde - nach der Überzeugung der Kammer - zu unhaltbaren Ergebnissen führen, weil dadurch der Staatsanwaltschaft eine unzulässige Einwirkungsmöglichkeit auf die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts durch die Anklage einer Wahlfeststellung zwischen Diebstahls- und Hehlereihandlung eingeräumt werden würde, ohne dass die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung wegen einer solchen Wahlfeststellung tatsächlich erforderlich wäre.“

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hat den Beschluss nicht angefochten und die Anklage unter dem 17. Januar 2012 nunmehr beim Landgericht Potsdam erhoben, weil zwei der insgesamt fünf Angeschuldigten ihren Wohnsitz im Landgerichtsbezirk des Landgerichts Potsdam haben.

Mit Beschluss vom 4. Juni 2012 erklärte sich die 4. große Strafkammer das Landgericht Potsdam für örtlich unzuständig, weil die Auswahl dieses Gerichts durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ermessensfehlerhaft sei. Sie beruhe auf sachfremden, sich von gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen. Hierzu führt die Kammer wie folgt aus:

„…Die Staatsanwaltschaft Frankfurt(Oder) hielt bei ihrer ersten Anklageerhebung am 26. Oktober 2009 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das Landgericht Frankfurt (Oder) für örtlich zuständig und hat dementsprechend beantragt, das Hauptverfahren vor dem Landgericht -Strafkammer - in Frankfurt (Oder) zu eröffnen (vgl. Bl. 3088 d. A.). Diese Meinung vertritt die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) auch heute noch, denn in ihrer Stellungnahme vom 14. Februar 2012 (vgl. Bl. 3475 d. A.) geht sie „in Übereinstimmung mit der Strafkammer in Potsdam von einer Zuständigkeit des LG Frankfurt (Oder) aus“. Vor diesem Hintergrund ist es für die Kammer in keiner Weise nachvollziehbar, warum die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) die Entscheidung über die örtliche Unzuständigkeit vom 19. Dezember 2011 der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) (B1. 3273- 3281 d. A.) nicht mit dem Rechtsmittel der (einfachen) Beschwerde angegriffen hat, zumal sich ihre Rechtsansicht, dass das Landgericht Frankfurt (Oder) primär örtlich zuständig sei, offensichtlich nicht geändert hat.

Die Verteidigung weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin (vgl. B1. 3504 d. A.), dass die Staatsanwaltschaft entgegen ihrer eigenen Rechtsauffassung im Hinblick auf die bei dem Landgericht Franfurt (Oder) verursachte Verzögerung des Verfahrens und ohne sachlich begründete Notwendigkeit auf das Rechtsmittel der Beschwerde verzichtet und sich anstelle dessen nunmehr einfach ein anderes Gericht für die Anklageerhebung „herausgegriffen“ habe, nämlich das angerufene Landgericht Potsdam.

Das aus den Akten erkennbare Motiv der Staatsanwaltschaft (,‚um weitere Verfahrensverzögerungen zu vermeiden“, vgl. Bl. 3437 d. A.) nämlich die Hoffnung, dass ein anderes Gericht als das Landgericht Frankfurt (Oder) die vorliegende Strafsache früher terminieren und verhandeln könnte, stellt eine unsachliche und sich von gesetzlichen Maßstäben völlig entfernende Erwägung dar. Bei der Auswahl der Gerichtsstände nach den § 7 ff. StPO hat der Gesetzgeber bewusst nicht auf Beschleunigungsgesichtspunkte o. ä. abgestellt, sondern auf objektiv feststellbare Kriterien wie den Tatort (§ 7 StPO), den Wohnsitz- oder Aufenthaltsort (§ 8 StPO) und den Ergreifungsort (§ 9 StPO). Wenn die Staatsanwaltschaft bei der zu treffenden Auswahl zwischen mehreren Gerichten darauf abstellen dürfte, welches Gericht das Verfahren zügiger abschließen könnte, wäre einer Beeinflussung des Gerichtsstandes und damit eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG Tür und Tor geöffnet.

Nach Ansicht der Kammer ist bei der Prüfung der Frage, ob die Staatsanwaltschaft ihr Auswahlermessen zutreffend ausgeübt hat, ein strenger Maßstab anzulegen (so auch OLG Hamm, NStZ-RR 1999, 16, 17). Das gebietet allein schon das durch das Wahlrecht tangierte, verfassungsrechtlich in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Recht eines jeden Beschuldigten auf den gesetzlichen Richter. Mit diesem Recht sind alle Umstände des Einzelfalls abzuwägen und zu fragen, ob sachlich (noch) gerechtfertigte Gründe die vorgenommene Auswahl der örtlichen Zuständigkeit tragen oder ob diese sich von den gesetzlichen Maßstäben so weit entfernt, dass die Auswahl des angerufenen Gerichts als nicht mehr vertretbar erscheint. Dabei ist auch die gesetzliche Wertung, die der Gesetzgeber in der StPO getroffen hat, von Belang (OLG Hamm, a. a. 0.). Zwar dürften nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung die verschiednen Gerichtsstände gleichwertig sein (Rudolphi, in: SKStPO, Vorb. § 7 Rdnr. 8). Andererseits lässt sich aber nach Auffassung der Kammer der Stellung der jeweiligen Vorschriften und dem Gesetzeswortlaut doch eine gewisse „Rangordnung“ entnehmen (so auch OLG Hamm, a. a. 0; vgl. auch Lemke in HK-StPO, 2. Aufl., § 7 Rn. 6, der vorschlägt, den Gerichtsständen des Tatorts Vorrang einzuräumen, um so „die Frage der Verfassungsmäßigkeit des staatsanwaltschaftlichen Auswahlermessens zu entschärfen“). Tatsächlich hat der Gesetzgeber den Gerichtsstand des Tatorts in § 7 StPO an die Spitze gestellt und die Gerichtsstände des Wohnortes und des Ergreifungsortes folgen erst in § 8 StPO bzw. § 9 StPO nach. Bei dem Gerichtsstand des Ergreifungsortes (§ 9 StPO) ist „auch“, also zusätzlich bzw. neben dem Gerichtsstand des Tatorts, ein Gerichtsstand begründet. Damit ist dem Gerichtsstand des Tatorts der Vorrang einzuräumen (so auch OLG Hamm, a. a. 0., m. w. N.). Auch die Regelung in Nr. 2 Abs. 1 RiStBV dürfte für eine maßgebliche Bedeutung des Tatortes bei der Bestimmung des Gerichtsstandes sprechen (so auch OLG Hamm, a. a. 0., m. w. N.).

Die nach alledem vorzunehmende - die o.a. Gesichtspunkte berücksichtigende - Abwägung führt nach Auffassung der Kammer hier dazu, dass die Auswahl des Landgerichts Potsdam als örtlich zuständiges Gericht als nicht mehr hinnehmbar anzusehen ist. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) mit der Tatsache begründet, dass den Angeschuldigten T… und W… die Beteiligung an einem Diebstahl eines Pkw Audi RS 4 in der Nacht vom 25. zum 26. Juni 2007 in E… zur Last gelegt wird (vgl. S. 28 der Anklageschrift der StA FF (0) vom 20. Oktober 2009; Fallakte 9).

Es ist damit der - vorrangige - Gerichtsstand des Tatorts gemäß § 7 StPO in Frankfurt (Oder) begründet, denn E… liegt im dortigen Gerichtsbezirk. Diese - zutreffende - rechtlichen Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hat sich bis zum heutigen Tage nicht geändert (vgl. Bl. 3475 d. A.). Die Staatsanwaltschaft hält auch mit Recht die durch das Landgericht Frankfurt (Oder) in seinem Beschluss vom 19. Dezember 2011 für seine Unzuständigkeit vorgebrachten Gründe für nicht überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass kein Fall der sog. „Postpendenz“ vorliege (vgl. Bl. 3437 i. V. m. Bl. 3195 d. A.). Wenn die Staatsanwaltschaft nun - in Kenntnis dieses Umstandes - es unterlässt, die ihrer Ansicht nach gegebene örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) rechtlich durchzusetzen, sondern aus Gründen der Effizienz bei der Verfahrensbearbeitung stattdessen bei einem Gericht Anklage erhebt, wo zwei der fünf Angeschuldigten ihren Wohnsitz haben, dann beruht diese Auswahl auf unsachlichen, sich von gesetzlichen Maßstäben völlig entfernenden Erwägungen. Denn dann hätte sie auch Anklage beim Landgericht Lübeck erheben können, weil der in F… wohnende Angeschuldigte T… seinen Wohnsitz im dortigen Gerichtsbezirk hat.

Vorrangig wäre aber Anklage beim Landgericht Berlin zu erheben gewesen - sofern das Landgericht Frankfurt (Oder) wider Erwarten tatsächlich örtlich nicht (mehr) zuständig sein sollte -‚ denn zwei der Angeschuldigten haben ihren Wohnsitz in B… und überdies ist für B… auch der Gerichtsstand des Tatortes (§ 7 StPO) begründet, denn dem Angeschuldigten B… wird zur Last gelegt, gegen Entgelt die übrigen Täter mit Kenntnissen versorgt zu haben, die er sich an seiner Dienststelle, der Direktion 5 in B…, …straße 16, aus polizeiinternen Informationssystemen beschafft haben soll. Wenn der sachbearbeitende Staatsanwalt auf fernmündliche Anfrage der Kammer erklärt, dies sei ihm aufgefallen, aber Abgaben nach B… würden „üblicherweise nicht gemacht“, so ist dies ebenfalls ein unsachlicher, rechtlich nicht nachvollziehbarer Gesichtspunkt, der es nicht rechtfertigt, die Angeschuldigten ihrem gesetzlichen Richter zu entziehen. Wenn die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) nach dem Landgericht Frankfurt (Oder) das Landgericht Berlin für örtlich zuständig hält, muss sie für eine Anklageerhebung dort Sorge tragen, mag dies auch mit Umständen und bürokratischen Unannehmlichkeiten verbunden sein. Alles andere wäre ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hat nach alledem ihr Auswahlermessen unzutreffend ausgeübt; das Landgericht Potsdam ist örtlich nicht zuständig.“

Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) am 13. Juni 2012 Beschwerde eingelegt. Eine Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam ergebe sich aus dem Wohnort zweier der fünf Angeschuldigten. Die Unzuständigkeitserklärung des Landgerichts Frankfurt (Oder) sei zumindest nachvollziehbar und nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Die Wahl des Landgerichts Potsdam als zuständiges Gericht sei nicht willkürlich.

Ohne eine Abhilfeentscheidung zu treffen, hat die 4. große Strafkammer des Landgerichts Potsdam die Sache dem Senat mit einem Überlastungshinweis der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, den Beschluss des Landgerichts Potsdam aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist in der Sache begründet. Die angefochtene Entscheidung unterlag der Aufhebung.

1. Gegen die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam spricht nicht, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) in ihrer neu eingereichten Anklageschrift vom 17. Januar 2012 wie in ihrer ersten Anklageschrift vom 20. Oktober 2009 beantragt hat, „das Hauptverfahren vor dem Landgericht - Strafkammer - in Frankfurt (Oder) zu eröffnen “.

Zwar ist der in die Anklageschrift (§ 200 StPO) aufzunehmende Antrag der Staatsanwaltschaft, das Hauptverfahren zu eröffnen, eine selbständige, vom Akt der Anklageerhebung (§§ 151,155 StPO) unabhängige Prozesshandlung (vgl. Löwe-Rosenberg-Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 199 Rn. 2 m. w. N.). Vorliegend handelt es sich indes offensichtlich um einen Versäumung der Änderung der Anklageschrift vor erneuter Anklageerhebung. Die (neue) Anklageschrift ist an das Landgericht Potsdam adressiert, unmittelbar vor dem „fehlerhaften“ Antrag befindet sich eine Begründung für die Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam. Der Antrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) war hiernach und auch in Ansehung des Beschwerdevorbringens, in dem der Schreibfehler bedauert wird, dahin umzudeuten, dass beantragt wird, das Hauptverfahren vor dem Landgericht - Strafkammer - in Potsdam zu eröffnen.

2. Das Landgericht Potsdam ist für das Verfahren zuständig. Die Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam beruht auf § 8 StPO.

Soweit die 4. große Strafkammer des Landgerichts Potsdam den Gerichtsstand des Tatortes gemäß § 7 StPO als „vorrangig“ ansieht, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Der Senat schließt sich insoweit der deutlich herrschenden Meinung an, wonach es keine Rangfolge zwischen den Gerichtsständen gibt (vgl. OLG Thüringen, OLGSt StPO § 8 Nr. 1 m.w.N.). Es obliegt allein der Staatsanwaltschaft zwischen den Gerichtsständen nach §§ 3, 7, 8 und 9 StPO auszuwählen (vgl. BGHSt 10, 391; BGHSt 21, 247; OLG Hamm NStZ-RR 1999, 16; Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, Vor §7 Rn. 10).

Hiernach kann die Staatsanwaltschaft - insbesondere bei mehreren örtlich zuständigen Gerichten innerhalb des Bezirks - eines der zuständigen Gerichte auswählen. Das gilt auch, wenn eine Staatsanwaltschaft als Schwerpunktstaatsanwaltschaft für mehrere Landgerichtsbezirke zuständig ist, wie es im vorliegenden Verfahren der Fall ist.

Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, vor welchem von mehreren zuständigen Gerichten sie Anklage erheben will, ist grundsätzlich nicht nachprüfbar (vgl. BGH NStZ 2008, 695 m.w.N.). Die Staatsanwaltschaft trifft auch keine Verpflichtung, ihre Auswahl etwa in der Anklageschrift zu begründen. Eine sachliche Begründung, warum eines von mehreren örtlich zuständigen Gerichten ausgewählt wird, könnte ohnehin nicht immer verlangt werden. Wenn beispielsweise die Wohnsitze zweier geständiger Mittäter in zwei Gerichtsbezirken liegen und die Tatorte sich ebenso hälftig auf diese beiden Bezirke verteilen, ist schlechterdings kein sachlicher Grund, der für das eine und gegen das andere der beiden Gerichte spräche, vorstellbar (vgl. OLG Thüringen a.a.O.).

Die örtliche Zuständigkeit ist im Hinblick auf die Gleichwertigkeit der Rechtsprechung der Gerichte gleicher Ordnung nicht von derselben Bedeutung wie die sachliche Zuständigkeit (vgl. Meyer-Goßner a.a.O., § 16 Rn. 1 StPO). Die Staatsanwaltschaft übt bei der Wahl des örtlich zuständigen Gerichts, anders als bei der Bestimmung des sachlich zuständigen Gerichts, auch kein Ermessen aus, sondern leistet hier eine bloße Normsubsumtion (vgl. Herzog, StV 1993, 609 m.w.N.).

Eine Grenze findet die Auswahlmöglichkeit der Staatsanwaltschaft erst bei einer willkürlichen Bestimmung der örtliche Zuständigkeit (vgl. BVerfG Beschluss vom 2. Juli 1992 -2 BvR 1198/91-; OLG Hamm NStZ-RR 1999, 16).

Die Auswahl des Landgerichts Potsdam durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) erscheint indes nicht willkürlich.

3. Unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob vorliegend im Fall Ziffer 10 der Anklageschrift ein hinreichender Tatverdacht für eine Wahlfeststellung zwischen den zur Last gelegten Straftaten der Hehlerei und des Diebstahls, die eine Tatortzuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) begründen könnte, oder (lediglich) für eine Postpendenzfeststellung zu Gunsten der vorgeworfenen Straftat der Hehlerei, die eine Tatortzuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) entfallen ließe, anzunehmen ist, war die Staatsanwalt nicht darauf zu verweisen, die Unzuständigkeitsentscheidung des Landgerichts Frankfurt (Oder) obergerichtlich überprüfen zu lassen. Aus welchen Gründen sie sich dazu entschlossen hat, die Entscheidung hinzunehmen, ist dabei unbeachtlich. Selbst wenn sie die die Zuständigkeit verneinende Entscheidung des Landgerichts Frankfurt (Oder) als rechtsfehlerhaft ansehen würde, kann sie nämlich, solange das Hauptverfahren nicht eröffnet ist, eine bereits getroffene Wahl ändern, da sie bis dahin die Anklage zurücknehmen und erneut bei einem anderen Gericht erheben kann (§ 156 StPO; vgl. BGHSt 21, 247; Meyer-Goßner a.a.O.). Dass die Staatsanwaltschaft zur Vermeidung von Verzögerungen auf das mögliche Beschwerdeverfahren verzichtet hat, kann vor dem Hintergrund des allgemeinen Beschleunigungsgrundsatzes und der Tatsache, dass die erste Anklage bereits aus dem Jahre 2009 stammt, nicht als sachfremd angesehen werden.

4. Die Staatsanwaltschaft musste auch nicht, wie das Landgericht Potsdam meint, vorrangig beim Landgericht Berlin Anklage erheben, weil dort nicht nur der Gerichtsstand des Wohnortes sondern auch der des Tatortes gemäß § 7 StPO gegeben ist. Das Wahlrecht der Staatsanwaltschaft wird durch die Tatsache, dass für einen oder mehrere Angeschuldigte mehrere Gerichtsstände gegeben sind, nämlich nicht eingeschränkt.

5. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) durfte Anklage beim Landgericht Potsdam als demjenigen Gericht erheben, in dessen zwei der fünf Angeschuldigten ihren Wohnsitz haben. Für die Zuständigkeit nach § 8 StPO kommt es nicht darauf an, wie viele der Angeschuldigten ihren Wohnsitze im Gerichtsbezirk haben. Grundsätzlich genügt der Wohnsitz eines Angeschuldigten, um die örtliche Zuständigkeit zu begründen.

So haben zwei der fünf Angeschuldigten ihren Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Potsdam, zwei im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Berlin und einer im Landgerichtsbezirk Lübeck.

Sachfremde, sich von gesetzlichen Maßstäben völlig entfernende Erwägungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) für eine Wahl des Landgerichts Potsdam als zuständiges Gericht waren vorliegend unter keinem Gesichtspunkt auszumachen.

III.

Die Kosten und Auslagen für das Beschwerdeverfahren werden der Staatskasse auferlegt. Die Staatsanwaltschaft hat die Beschwerde nicht zugunsten oder zuungunsten der Angeschuldigten eingelegt, sondern nur, um eine gerichtliche Entscheidung mit dem Gesetz in Einklang zu bringen (vgl. BGHSt 18, 268).