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Einbürgerung; Rücknahme; Unterstützung von gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen; hier: Hizb ut-Tahrir; hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Unterstützung; enge Verbindungen zu Mitgliedern bis hinein in die Führungsebene; Aufklärungsrügen; Verletzung der prozessualen Mitwirkungspflichten; arglistige Täuschung durch vorsätzliches Verschweigen bei Abgabe der Loyalitätserklärung; zur Zeitnähe der Rücknahme (hier: nach 3 Jahren und 10 Monaten); Ermessen; Berücksichtigung des Eintritts von Staatenlosigkeit; Verlust der Unionsbürgerschaft; Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (gewahrt)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 03.06.2010
Aktenzeichen OVG 5 B 10.08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 48 VwVfG, § 86 Nr 2 AuslG

Leitsatz

Zur Rücknahme der Einbürgerung wegen arglistiger Täuschung über die Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen der Hizb ut-Tharir.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheides, mit dem seine Einbürgerung wegen vermeintlicher Verbindungen zu dem Verein Hizb ut-Tahrir - HuT - zurückgenommen worden ist.

Der Kläger wurde im Jahre 1979 als Sohn türkischer Eltern in Berlin geboren, verließ die Schule mit der mittleren Reife und schloss 2001 eine Ausbildung bei S. zum Industriemechaniker in der Fachrichtung Maschinen- und Systemtechnik ab. Er ist seit nunmehr 10 Jahren mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet und hat zwei in den Jahren 2002 und 2006 geborene Kinder.

Nachdem er bereits im Jahre 1997 einen Einbürgerungsantrag gestellt, ein Jahr darauf jedoch wieder zurückgenommen hatte, beantragte der Kläger im August 2001 erneut seine Einbürgerung. Sowohl kurz nach Antragstellung, am 18. Oktober 2001, als auch am Tage der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde am 4. Februar 2003 unterschrieb er jeweils eine sog. Loyalitätserklärung. Am 5. Februar 2003 entließ ihn die Türkische Republik aus der türkischen Staatsangehörigkeit.

Im Mai 2006 unterrichtete der Verfassungsschutz den Beklagten davon, dass Erkenntnisse über enge Verbindungen des Klägers zu der Anfang 2003 mit einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot belegten HuT angefallen seien, die auch die Zeit vor der Einbürgerung erfassten. Dabei handele es sich vor allem um folgende Vorgänge:

- Am 4. Dezember 2000 habe der Kläger als Sendeverantwortlicher eine im Offenen Kanal Berlin (OKB) ausgestrahlte Sendung mit dem Titel „Palästina - Ein Verrat lässt ein Volk ausbluten“ angemeldet. Diese Sendung mit einem ca. 60-minütigen Vortrag des Diplomingenieurs Shaker A., den dieser einen Monat zuvor bereits an der TU Berlin gehalten habe, sei am 7. und 8. Dezember 2000 ausgestrahlt worden. An ihrem Ende seien zwei Telefon-Nrn. eingeblendet worden, als deren Anschlussinhaber das LKA Berlin zum einen den Kläger (Handy), zum anderen einen Mann namens Husam B. (Festnetz) ermittelt habe. Der ausgestrahlte Beitrag habe eine Strafanzeige und eine Sendebeschwerde von Zuschauern nach sich gezogen. A. sei nach eigenen Angaben Repräsentant der HuT in Deutschland und Herausgeber der HuT-Zeitschrift „Explizit“.

- Im Februar 2003 habe das Polizeipräsidium Frankfurt/Main das LKA Berlin davon unterrichtet, dass dort Erkenntnisse über den Kläger und B. vorhanden seien. Der Kläger sei im Juli 2002 über das Mobiltelefon eines HuT-Aktivisten namens Fares M. kontaktiert worden, der sich seinerzeit anlässlich der Usbekistan-Demonstration der HuT am 20. Juli 2002 in Berlin aufgehalten habe. Des Weiteren sei er am 21. Juli 2002 von Husam R. kontaktiert worden, der sich bei ihm nach dem „Sonderkanal Berlin“ erkundigt habe. Nach den dortigen Erkenntnissen handele es sich bei B. und R. ebenfalls um HuT-Mitglieder.

Mit Bescheid vom 16. November 2006 nahm die Senatsinnenverwaltung nach vorheriger Anhörung die Einbürgerung des Klägers mit im Wesentlichen folgender Begründung rückwirkend zurück: Die Einbürgerung sei rechtswidrig gewesen, weil tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass der Kläger Bestrebungen der HuT, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten, unterstützt und daher den Ausschlussgrund des § 86 Nr. 2 AuslG erfüllt habe. Dies ergebe sich aus den Erkenntnissen zu der im OKB ausgestrahlten Sendung, die er als Sendeverantwortlicher angemeldet habe und in der von Shaker A. wiederholt zum Heiligen Krieg aufgerufen worden sei, ferner aus den Telefonkontakten zu Mitgliedern der HuT im Sommer 2002. Aber auch nach seiner Einbürgerung habe der Kläger Bestrebungen der HuT unterstützt. Er zähle nach den Feststellungen des LKA in den Jahren 2003/04 zu den engen Kontaktpersonen der Brüder S., gegen die seinerzeit wegen Verstoßes gegen das im Januar 2003 gegen die HuT verhängte Vereinsverbot ermittelt worden sei und zu denen er zahlreiche telefonische und persönliche Verbindungen unterhalten habe. Er habe seine Einbürgerung durch arglistige Täuschung erwirkt, indem er es spätestens bei Abgabe der Loyalitätserklärungen zielgerichtet unterlassen habe, Angaben zur Unterstützung der HuT zu machen. Bei der Ermessensentscheidung sei zwar zu berücksichtigen gewesen, dass er in Deutschland geboren und aufgewachsen sei, dass seine Einbürgerung mehr als drei Jahre zurückliege und er durch deren Rücknahme staatenlos werde. Das Gewicht dieser Umstände werde jedoch durch die Täuschung der Einbürgerungsbehörde und das Verschweigen von wichtigen Informationen im Einbürgerungsverfahren entscheidend gemindert. Der Rücknahme stehe kein Anspruch auf erneute Einbürgerung entgegen, da die Sicherheitsbedenken fortbestünden.

Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass es zum Zeitpunkt seiner Einbürgerung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben habe, dass er die HuT unterstütze oder unterstützt habe. Den vom Beklagten angeführten Erkenntnissen fehle die notwendige Beweiskraft, insbesondere wiesen sie keinen konkreten inhaltlichen Bezug zur HuT auf. Jedenfalls habe er den Beklagten durch Unterzeichnung der Loyalitätserklärungen nicht arglistig getäuscht. Wegen ihres viel zu abstrakten Inhalts habe er gar nicht überprüfen können, ob eine bestimmte Tätigkeit mit der Verfassung vereinbar sei oder nicht. Außerdem sei die Rücknahme nicht „zeitnah“ ausgesprochen und das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden.

Der Beklagte ist dem Klagevorbringen entgegen getreten, hat den angefochtenen Bescheid in der mündlichen Verhandlung am 2. April 2008 jedoch dahingehend abgeändert, dass die Einbürgerung mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werde.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 26. Mai 2008 mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger nach der von der Kammer gewonnenen Überzeugung bei der Abgabe der Loyalitätserklärungen bewusst und zielgerichtet über seine Kontakte zur HuT und die Unterstützung ihrer Ziele getäuscht habe. Die Rücknahme nach 3 Jahren und 10 Monaten sei auch zeitnah im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgesprochen worden. Ermessensfehler seien dem Beklagten nicht unterlaufen, insbesondere habe er den Eintritt der Staatenlosigkeit in seine Erwägungen einbezogen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Zur Begründung seiner - vom Verwaltungsgericht im Hinblick auf die grundsätzlich bedeutsame Frage nach der „Zeitnähe“ der Einbürgerungsrücknahme zugelassenen - Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die Kammer habe die Grenzen der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe „Bestrebungen“, „Unterstützen“, „arglistige Täuschung“ und „Erwirken“ überschritten. Der dem Urteil zugrunde gelegte Sachverhalt reiche nicht aus, um ihm zur Last zu legen, er habe die HuT in dem Sinne willentlich und zielgerichtet unterstützt, dass es dieser Organisation zum Vorteil gereicht hätte. Dem OKB-Beitrag seien keine gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, insbesondere keine auf Errichtung eines weltweiten Kalifats oder die Vernichtung Israels gerichteten Bestrebungen zu entnehmen. Für das Verwaltungsgericht sei es vielmehr ausreichend gewesen, dass der Vortrag von Shaker A. gehalten worden sei. Nicht aufgeklärt habe es dagegen, wann und wo der Vortrag gehalten worden sei und ob A. bereits im Jahre 2000 Mitglied der HuT gewesen sei. Nicht berücksichtigt habe das Verwaltungsgericht zudem, dass die Betätigung des Vereins erst 2003 verboten worden, der Beitrag mithin von Art. 5 GG gedeckt gewesen sei und man ihn - den Kläger - wegen der Anmeldung strafrechtlich auch nicht belangt habe. Sei aber schon ungeklärt geblieben, ob in der Sendung überhaupt Bestrebungen der HuT beworben worden seien und ob dies für Dritte erkennbar gewesen sei, erweise sich die Schlussfolgerung, er habe in dem Bewusstsein und mit dem Willen der Unterstützung der HuT seine Telefonnummer zur Verfügung gestellt, als nicht tragfähig. Was die angeblichen zweimaligen telefonischen Kontakte aus dem Jahre 2002 mit HuT-Aktivisten angehe, so seien hierzu weder inhaltliche Feststellungen getroffen noch sei geklärt worden, wer der Anrufer gewesen sein und was er - der Kläger - daraufhin geantwortet haben solle. Es gebe mithin keine Tatsachenfeststellungen, die eine Unterstützung der HuT durch ihn belegen könnten.

Unabhängig davon habe er seine Einbürgerung nicht durch arglistige Täuschung oder ein vergleichbar vorwerfbares Verhalten erwirkt. Die vom Beklagten geforderten Loyalitätserklärungen hätten ihm in zweifacher Hinsicht Wertungen abverlangt. Insbesondere sei es ihm überlassen gewesen zu bewerten, ob er den ihm vorgegebenen Kriterien der freiheitlich demokratischen Grundordnung für sich überhaupt zustimmen könne und wie seine „Aktivitäten“ - also der im OKB ausgestrahlte Vortrag und die vermeintliche zweimalige telefonische Kontaktaufnahme, zumal ohne inhaltlichen Bezug zur HuT - mutmaßlich von der Einbürgerungsbehörde eingestuft würden. Damit aber sei ihm ein unzumutbares Risiko falscher Angaben aufgebürdet worden. Außerdem habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass bei Abgabe der ersten Loyalitätserklärung die Betätigung der HuT noch nicht verboten gewesen sei und der zeitliche Abstand zwischen Sendeanmeldung und Unterzeichnung der zweiten Loyalitätserklärung es ihm nicht ermöglicht habe einzuschätzen, ob er über diesen lange zurückliegenden Vorgang etwas offenbaren müsse.

Und schließlich macht der Kläger geltend, dass seine Einbürgerung jedenfalls nicht „zeitnah“ und darüber hinaus ermessensfehlerhaft zurückgenommen worden sei. Als in Deutschland Geborener und Aufgewachsener sei er bereits vor seiner Einbürgerung faktisch als Inländer anzusehen gewesen. Er habe zwei ebenfalls in Deutschland geborene Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen, habe hier eine feste Arbeitsstelle und könne seine Familie selbst versorgen. Es sei nicht auszuschließen, dass er seine Arbeitsstelle verliere, da er aufgrund des mit der Staatenlosigkeit verbundenen Verlusts der Unionsbürgerschaft sein Freizügigkeitsrecht verliere und dann für seinen Arbeitgeber nicht mehr problemlos im Ausland tätig sein könne. Diese Umstände habe der Beklagte nicht mit dem gebotenen Gewicht in seine Abwägung einfließen lassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. Mai 2008 zu ändern und den Bescheid der Senatsverwaltung für Inneres und Sport vom 16. November 2006 in der Fassung der Erklärung des Beklagten vom 2. April 2008 aufzuheben,

hilfsweise,

die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Berlin zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Er ist der Auffassung, dass eine Gesamtbetrachtung der vielfältigen Kontakte des Klägers zu anderen Unterstützern und zu exponierten Mitgliedern der HuT nur die Schlussfolgerung zulasse, dass er dem aktiven Unterstützerkreis der HuT angehöre. Der OKB-Beitrag sei der HuT sowohl inhaltlich als auch personell zuzuordnen. In dieser Sendung sei nach einer Auswertung der vom OKB festgehaltenen Aussagen des Shaker A. durch den Verfassungsschutz unmissverständlich zum militanten Djihad aufgerufen worden. Damit seien ideologische Positionen und Ziele der HuT propagiert worden. Zum Zeitpunkt der Ausstrahlung der Sendung habe A. jedenfalls bereits eine exponierte Stellung innerhalb der HuT innegehabt, was sich allein anhand der vierzehn Vortragsveranstaltungen des Vereins nachvollziehen lasse, bei denen A. zwischen Juni 1991 und Oktober 2002 als Hauptreferent überwiegend an Universitäten aufgetreten sei. Ob er darüber hinaus bereits Repräsentant der HuT in Deutschland gewesen sei, sei irrelevant. Ebenso wenig komme es hinsichtlich der Telefonkontakte auf die Feststellung konkreter Gesprächsinhalte an. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren erstmals auf die Gefahr eines Verlusts seines Arbeitsplatzes infolge Verlustes der Unionsbürgerschaft hinweise, erscheine dies nicht hinreichend substantiiert und rechtfertige im Hinblick auf das erhebliche öffentliche Interesse an einer Rücknahme der Einbürgerung auch keine andere Ermessensentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten (zwei Bände), die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (zwei Hefter), den Vorgang der Medienanstalt Berlin-Brandenburg zur Ausstrahlung der Sendung „Ein Verrat lässt ein Volk ausbluten - Palästina“ am 7. und 8. Dezember 2000 im OKB (ein Hefter) sowie den Schlussvermerk des Polizeipräsidiums Frankfurt/Main vom 8. November 2004 (ein Hefter) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Es hat zutreffend angenommen, dass der angefochtene Bescheid seine Rechtsgrundlage in § 48 VwVfG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 VwVfG Bln findet, weil der Kläger nach der von der Kammer gewonnenen Überzeugung seine Einbürgerung durch arglistige Täuschung erwirkt hat, indem er bei Abgabe der Loyalitätserklärungen verschwiegen hat, dass er die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Ziele der HuT bewusst und zielgerichtet unterstützt oder unterstützt hat. Dabei hat das Verwaltungsgericht die für seine Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) maßgeblichen Tatsachen zutreffend wiedergegeben und seine Schlussfolgerungen ohne gedankliche Lücken oder sonstige Ungereimtheiten begründet. Der Senat teilt die Überzeugung des Verwaltungsgerichts und nimmt insoweit auf die Gründe des angefochtenen Urteils gemäß § 130 b Satz 2 VwGO Bezug. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Entgegen der Auffassung des Klägers bietet die Sachlage, die das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, er habe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete „Bestrebungen“ im Sinne des § 86 Nr. 2 AuslG (in der Fassung vom 15. Juli 1999 [BGBl. I S. 1618], zuletzt geändert am 9. Januar 2002 [BGBl. I S. 361]) wissentlich und willentlich unterstützt. Anhaltspunkte für eine solche Unterstützungshandlung des Klägers hat die Kammer zu Recht vor allem in der Anmeldung der am 7. und 8. Dezember 2000 im OKB ausgestrahlten Sendung „Ein Verrat lässt ein Volk ausbluten - Palästina“ gesehen.

Gegenstand der Sendung war ein gleichermaßen betitelter Vortrag von Shaker A., der sowohl nach dem Ergebnis der von Ende 2001 bis 2004 geführten Ermittlungen des Polizeipräsidiums Frankfurt/Main, die in dem Schlussvermerk vom 8. November 2004 festgehalten sind, als auch den Erkenntnissen des Berliner Verfassungsschutzes zu den Führungsmitgliedern der Hizb ut-Tahrir - HuT - gehört. Er selbst hat seine Mitgliedschaft zu keiner Zeit in Abrede gestellt, sondern sich stets zu ihr bekannt. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Einwand des Klägers, es lägen keine Erkenntnisse dazu vor, dass A. bereits im Jahr 2000 Mitglied der HuT gewesen sei, als substanzlos. Denn abgesehen davon, dass er - wenngleich seinerzeit noch in Österreich ansässig - seine Vortragstätigkeit für die HuT nach den dokumentierten Erkenntnissen des Verfassungsschutzes in ähnlicher Weise, vornehmlich an der TU-Berlin, schon seit den frühen 90’er Jahren des vorigen Jahrhunderts ausübt, liefe es den streng hierarchischen und auf Abschottung nach außen gerichteten Organisationsstrukturen der HuT fundamental zuwider, wenn eine im Jahre 2002 als deren Sprecher, Führungsmitglied und europäischer Repräsentant in Erscheinung getretene Person sich nicht bereits seit geraumer Zeit als vertrauenswürdiges Mitglied der Organisation erwiesen hätte.

Was den Inhalt des Vortrags angeht, so hat das Verwaltungsgericht die aktenkundigen Erkenntnisse hierzu durch Bezugnahme zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht, ihm jedoch angesichts des Umstandes, dass die Unterstützungshandlung und deren indizielle Zurechenbarkeit darin zu sehen sind, dass der Kläger durch die Anmeldung beim OKB einem Repräsentanten der HuT eine Plattform zur Verbreitung ihres Gedankenguts verschafft hat, zu Recht keine maßgebliche Bedeutung beigemessen. Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang der Sendebeitrag tatsächlich inhaltliche Positionen der HuT wiedergegeben habe, die als Bestrebungen im Sinne von § 4 Abs. 1 und 2 BVerfSchG anzusehen seien, so dürfte nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass der unverhohlene Aufruf zum bewaffneten Heiligen Krieg und damit zur Gewaltanwendung gegen Menschen mit den Grundsätzen einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, zu deren grundlegenden Prinzipien die Achtung der Menschenrechte zählt, nicht zu vereinbaren ist. Dass der Vortrag von A. zudem, anders als es die Berufung darzustellen sucht, durchaus auch als Aufruf zur gewaltsamen Vernichtung des Staates Israel zu verstehen war, erschließt sich ohne weiteres anhand der im „Sendemitschnitt“ vom 19. Dezember 2000 wiedergegebenen Textpassagen. Darauf, ob einzelne Worte oder Begriffe aus islamwissenschaftlicher Sicht möglicherweise verschiedene Deutungsmöglichkeiten zulassen, kommt es nicht an. Entscheidend ist, welche Bedeutung sie für einen durchschnittlichen Zuschauer oder Zuhörer haben. Dass aber der Vortrag von A. in dem beschriebenen Sinne zu verstehen war und auch so verstanden worden ist, wird durch die Reaktion von Zuschauern auf die Sendung bestätigt.

Eine Erklärung dafür, welche Bedeutung einer - wie behauptet - unterlassenen Aufklärung durch das Verwaltungsgericht, wann und wo „der Beitrag gehalten wurde“, zukommen soll, bleibt die Berufung schuldig. Diese Rüge gibt allerdings Veranlassung, den Kläger auf seine prozessualen Mitwirkungspflichten hinzuweisen. Denn auch wenn die Behörde im Grundsatz für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Einbürgerungsrücknahme darlegungs- und beweispflichtig ist, so beschränkt sich deren Darlegungslast hinsichtlich des einbürgerungsrechtlichen Ausschlussgrundes der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen auf das Aufzeigen begründeter Verdachtsmomente (vgl. BT-Drs. 14/533 S. 18 f.). Hingegen trifft den Einbürgerungsbewerber bzw. den von der Einbürgerungsrücknahme Betroffenen eine besondere Mitwirkungs- und Darlegungslast hinsichtlich solcher Umstände, die auf eine von dem äußeren Eindruck seines Verhaltens abweichende innere Distanzierung von den verfassungsfeindlichen Zielen der Organisation schließen lassen könnten oder die nur ihm bekannt sind. So aber liegt es hier. Denn der Kläger muss sich fragen lassen, wer über die Frage, wann und wo der Vortrag auf VHS aufgezeichnet wurde, Auskunft geben können sollte, wenn nicht er selbst als der Sendeverantwortliche, zumal er mit der Anmeldung beim OKB am 4. Dezember 2000 ausdrücklich bestätigt hat, dass die Sendung von ihm selbst produziert worden und er im Besitz aller Rechte für die Verbreitung dieser Sendung ist. Dass der Kläger offensichtlich nicht gewillt ist, an der Klärung der im Prozessverlauf von ihm selbst aufgeworfenen Fragen mitzuwirken, und ihm nachteilige Tatsachen bis zum vollständigen Nachweis bestreitet, zeigt sich in besonders bemerkenswerter Weise an seinem Leugnen, Inhaber der im Abspann der Sendung eingeblendeten Mobilfunknummer (gewesen) zu sein. Und selbst nachdem der von ihm geforderte Beweis schließlich erbracht war, hat er sich darauf beschränkt vortragen zu lassen, dass er sich an die Rufnummer nicht erinnern könne. Dass er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bis zur Vorlage der Unterlagen der Medienanstalt Berlin-Brandenburg sogar die Sendeanmeldung beim OKB und die Verantwortung für diese Sendung hatte bestreiten lassen, ist ein weiterer Beleg für sein prozesstaktisches Verhalten, zu dem auch gehört, selbst zu keiner Zeit in Erscheinung zu treten und Einlassungen zur Sache seinem Verfahrensbevollmächtigten zu überlassen.

Ihre Auffassung, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ausstrahlung der Sendung am 7. Dezember 2000 tatsächlich vorteilhaft für die HuT gewesen sei, erläutert die Berufung nicht. Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass die Sendung zumindest objektiv geeignet war, einen Repräsentanten der HuT sowie dessen Anschauungen einem breiteren Publikum bekannt zu machen, und das Zurverfügungstellen und Einblendenlassen der Mobilfunknummer des Klägers ersichtlich dem Zweck diente, den Zuschauern Gelegenheit zu geben, mit den Initiatoren der Sendung und damit letztlich mit der HuT in Kontakt zu treten. Diese Schlussfolgerung ist nicht nur naheliegend, sie drängt sich vielmehr auf und lässt sich mit der bloßen Behauptung des Gegenteils oder der Äußerung gegenteiliger Ansichten nicht entkräften. Dasselbe gilt für den Einwand, es gebe (auch) keinen Anhaltspunkt dafür, dass für den Kläger erkennbar gewesen sei, dass er einen Vortrag der HuT oder einen Vortrag, der zumindest die Ziele der HuT unterstützt, zur Ausstrahlung bringe. Denn wenn es sich tatsächlich so verhalten hätte, so drängt sich die Frage auf, warum er dann wider besseres Wissen sämtliche Zusammenhänge mit der Sendeanmeldung und der Einblendung seiner Handy-Nummer bis zum Beweis des Gegenteils in Abrede gestellt hat. Im Übrigen wäre es an ihm (gewesen) aufzuzeigen, dass und aus welchen Gründen er meinte, den Inhalt der von ihm selbst produzierten Sendung für sich akzeptieren zu können, und was ihn veranlasst hat, sie im Fernsehen zeigen zu lassen.

Dass das LKA Berlin in dem Vortrag von Shaker A. keinen strafbaren „Sachverhalt“ gesehen hat und der Kläger auch tatsächlich nicht strafrechtlich belangt worden ist, ist für die hier zu entscheidende Frage, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigen, er habe durch die Anmeldung der Sendung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen willentlich und wissentlich unterstützt, irrelevant. Ebenfalls ohne Belang ist, dass die Betätigung der HuT erst durch Verfügung des Bundesministeriums des Innern vom 10. Januar 2003 verboten worden ist. Das Vereinsgesetz weist der Verbotsbehörde die Aufgabe zu, die in § 14 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 GG oder in § 14 Abs. 2 für das Verbot eines Ausländervereins bzw. - wie hier - für das Verbot einer Betätigung nach Absatz 3 vorausgesetzten Gründe im Hinblick auf den Einzelfall (konkretisierend) nachzuvollziehen. Erst nach Ergehen der Verfügung darf der Verein sodann als verboten behandelt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Verein nicht schon lange zuvor Ziele im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG oder des § 14 Abs. 2 VereinsG verfolgt hat und dass dies für den Kläger nicht erkennbar gewesen wäre.

Entgegen der Auffassung der Berufung stellen die Kontakte des Klägers aus dem Jahr 2002, auf die das Verwaltungsgericht abgehoben hat, weitere Anhaltspunkte für die Annahme dar, dass er die HuT unterstützt oder unterstützt hat. Dabei handelt es sich zum einen um Husam B., dessen Telefonnummer schon neben der des Klägers im Abspann der OKB-Sendung eingeblendet worden war, zum anderen um zwei vom Polizeipräsidium Frankfurt/Main ermittelte telefonische Kontaktaufnahmen von Mitgliedern bzw. Aktivisten der HuT (Fares M. und Husam R.). Soweit die Berufung auch in diesem Zusammenhang einwendet, es seien keine inhaltlichen Feststellungen zu den Telefonaten getroffen worden, gilt das schon zu den Einwänden gegen die Wertung der Sendeanmeldung beim OKB Ausgeführte, nämlich dass maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den begründeten Verdacht einer Unterstützung der HuT ist, dass der Kläger vor seiner Einbürgerung Kontakte zu Mitgliedern und Aktivisten der Organisation hatte und dass diese sich bis in die Führungsebene hinein erstreckten. Darauf, ob er - wie er vortragen lässt - weder am 20. Juli 2002 noch am 21. Juli 2002 mit den Genannten „telefoniert“ hat, kommt es nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass es nach den insoweit nicht bestrittenen polizeilichen Feststellungen eine Verbindung zwischen den Anschlüssen der betreffenden HuT-Mitglieder/Aktivisten und dem Telefonanschluss des Klägers gegeben hat. Im Übrigen beschränkt sich das Vorbringen der Berufung auch in diesem Punkt - der bereits erörterten prozessualen Strategie folgend - auf bloßes Bestreiten ohne die Offenbarung eigenen Wissens.

Die gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger habe die Einbürgerung durch arglistige Täuschung erwirkt, gerichteten Angriffe der Berufung überzeugen ebenfalls nicht. Dass eine Loyalitätserklärung dem Einbürgerungsbewerber Wertungen abverlangt, ist für sich genommen zutreffend. Worauf die Berufung jedoch mit keinem Wort eingeht, ist die dem Kläger bereits vom Verwaltungsgericht zu Recht vorgehaltene Tatsache, dass es sich bei ihm nicht um einen mit den hiesigen Verhältnissen nicht oder noch nicht hinreichend vertrauten Ausländer handelt, sondern um einen - wie er es im Rahmen der gegen die Ermessensausübung des Beklagten gerichteten Rügen für sich in Anspruch nimmt - „faktischen Inländer“. Er ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, er hat eine deutsche Schule bis zur mittleren Reife besucht, ist also über Jahre hinweg in Geschichte und Sozialkunde unterrichtet worden, und hat schließlich auch seine von dem Besuch einer Berufsschule begleitete Berufsausbildung in Berlin absolviert. Für die Annahme, dass er mit der Wertung, ob eine Vereinigung wie die - zumal kurz vor Unterzeichnung der zweiten Loyalitätserklärung mit einem Betätigungsverbot belegten - HuT verfassungswidrige Bestrebungen verfolgt, überfordert gewesen wäre, besteht unter diesen Umständen kein Raum.

Die Einwände, welche die Berufung mit Blick auf die vom Bundesverfassungsgericht geforderte und vom Verwaltungsgericht in Anlehnung an § 24 StARegG für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren bejahte „Zeitnähe“ der Einbürgerungsrücknahme erhebt, haben sich jedenfalls mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30. Juni 2008 - BVerwG 5 C 32.07 -) und der Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (vgl. den durch Gesetz vom 5. Februar 2009, BGBl. I S. 158, eingefügten § 35 Abs. 3) erledigt.

Das gleiche gilt, soweit die Ermessensfehlerhaftigkeit der Einbürgerungsrücknahme erstmals in der Berufungsinstanz mit der Begründung gerügt worden ist, der Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger, wenn er staatenlos werde, auch seine Rechte aus der Unionsbürgerschaft nach Art. 17 ff. EG verliere. Der Umstand, dass der Verlust der Unionsbürgerschaft in dem angegriffenen Bescheid nicht ausdrücklich erwähnt ist, begründet für sich genommen noch keinen Ermessensfehler. Denn die Unionsbürgerschaft wird durch die nationale Staatsangehörigkeit vermittelt. Sie tritt neben sie, ersetzt sie aber nicht. Ist der Erwerb und Verlust der Unionsbürgerschaft jedoch von Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates abhängig, bedurfte der Verlust der Unionsbürgerschaft im Rahmen der Ermessenserwägungen zur Staatenlosigkeit als Folge der Einbürgerungsrücknahme keiner ausdrücklichen Erwähnung. Dass Gemeinschaftsrecht dieser Rechtsfolge nicht entgegensteht, wenn die Staatsangehörigkeit - wie hier - durch Täuschung erschlichen wurde, ist nunmehr ebenfalls geklärt (vgl. das auf den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 2008 - BVerwG 5 C 13.07 -, juris, ergangene Urteil des EuGH vom 2. März 2010, Rottmann, Rs. C-135/08, juris). Soweit der Gerichtshof darauf hinweist, dass - gegebenenfalls über die Verhältnismäßigkeit der Einbürgerungsrücknahme nach nationalem Recht hinaus - zu prüfen sei, ob die Rücknahmeentscheidung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahre (vgl. Rz. 55), so vermag eine entsprechende Prüfung schon angesichts von Schwere und Tragweite des dem Kläger anzulastenden Verschweigens der Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen zu keinem anderen Ergebnis zu führen (vgl. Rz. 56). Soweit er die Befürchtung äußert, dass er infolge des Verlustes auch und gerade der Unionsbürgerschaft seinen Arbeitsplatz verlieren könnte, ist über die bloße Behauptung hinausgehend Substantielles weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Für die hilfsweise beantragte Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht besteht, da keine der Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO vorliegt, kein Raum.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.