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Rechtliches Gehör; Beweisantrag; Beweisbeschluss; Mehrdeutigkeit der Begründung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 25.10.2013
Aktenzeichen OVG 3 N 189.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 103 Abs 1 GG, § 86 Abs 2 VwGO, § 138 Nr 3 VwGO, § 78 Abs 3 Nr 3 AsylVfG

Tenor

Die Anträge der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 11. Juli 2012 werden abgelehnt.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.

Gründe

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgend unter 2. dargestellten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

2. Der auf § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die insoweit erhobene Rüge, das Verwaltungsgericht hätte die neun in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge auf Einholung von Sachverständigengutachten nicht „im Paket“ mit der Begründung ablehnen dürfen, dass sie „einerseits“ nicht entscheidungserheblich seien, „andererseits“ bereits ausreichende Erkenntnismittel vorlägen, greift nicht durch.

Die Ablehnung von Beweisanträgen verstößt dann gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2012 - 2 BvR 1013.11 -, juris Rn. 32). Ein Beweisantrag kann indes zulässigerweise mit der Begründung abgelehnt werden, dass es auf das Beweisthema nicht ankomme (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 1 BvR 1578.12 -, juris Rn. 15). Zudem verdichtet sich das gerichtliche Ermessen bei der Entscheidung über Beweisanträge nur dann zur Pflicht der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, wenn sich die in bisher vorliegenden Gutachten behandelten Fragestellungen auf Grund tatsächlicher Entwicklungen oder wegen einer Änderung der Rechtsprechung oder der Rechtslage als unzureichend erweisen (BVerwG, Beschluss vom 27. März 2013 - 10 B 34.12 -, juris 4). Dass den von dem Verwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten und im Urteil einer Beweiswürdigung unterzogenen Erkenntnismitteln derartige Mängel anhaften, macht die Klägerin nicht geltend. Ihr Vorbringen, dass sich „möglicherweise“ neue Erkenntnisse ergeben hätten, wenn das Verwaltungsgericht ihren Beweisanträgen nachgegangen wäre, besagt nicht, dass die vorhandenen Auskünfte und Gutachten unzureichend sind.

Vielmehr sieht die Klägerin einen Gehörsverstoß in dem Umstand, dass für sie in der mündlichen Verhandlung nicht ersichtlich gewesen sein soll, welcher Beweisantrag nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich gewesen sei und im Hinblick auf welchen Beweisantrag sich das Verwaltungsgericht hinreichende eigene Sachkunde beigemessen habe. Dies habe die Klägerin in ihren Möglichkeiten der Prozessführung beschränkt. Auch dieses Vorbringen verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg.

Der die Beweisanträge ablehnende Beschluss ist nach seinem Wortlaut dahingehend zu verstehen, dass die Beweisanträge zumindest nicht entscheidungserheblich sind. Dieses Verständnis wird durch die zur Auslegung heranzuziehende Urteilsbegründung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG bestätigt. Wie sich aus Seite 6 ff. des Entscheidungsabdrucks ergibt, waren alle neun Beweisanträge aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich, weil es das Vorbringen der Klägerin als in wesentlichen Punkten unsubstantiiert und widersprüchlich und damit nicht glaubhaft ansah. Selbst wenn man dies anders sähe und der Bezug der beiden Ablehnungsgründe zu den einzelnen Beweisanträgen auch in der mündlichen Begründung des Verwaltungsgerichts nicht verdeutlicht worden wäre, so rechtfertigte die von der Klägerin behauptete Mehrdeutigkeit nicht den Rückschluss, dass die Ablehnung der Beweisanträge derart fehlerhaft wäre, dass sie im Prozessrecht keine Stütze fände. Denn ein (etwaiger) unklarer Bezug der beiden Ablehnungsgründe zu den neun Beweisanträgen besagt hier nicht, dass das Verwaltungsgericht die Anträge nicht zur Kenntnis genommen und ernsthaft in Erwägung gezogen hätte (s. zu diesen Voraussetzungen: VerfGH Berlin, Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 45.06 -, juris Rn. 52 m.w.N.).

Jedenfalls hätte es der Klägerin oblegen darzulegen, dass sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht versucht habe, die behauptete Mehrdeutigkeit durch Nachfrage auszuräumen. Voraussetzung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BVerwG, Beschluss vom 4. August 2008 - 1 B 3.08 -, juris Rn. 9). Zwar ist dies nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs des Landes Berlin grundsätzlich nicht erforderlich, wenn zuvor ein Beweisantrag mit einer Begründung abgelehnt wurde, die im Prozessrecht keine Stütze findet. Jedoch können auch nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs dennoch ausnahmsweise zumutbare Maßnahmen geboten sein, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, wenn der Mangel leicht behebbar ist (VerfGH Berlin, Beschluss vom 19. Dezember 2006 a.a.O. juris Rn. 47 ff, 54). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Die anwaltlich vertretene Klägerin hätte schlicht nachfragen können, auf welchen von mehreren Beweisanträgen sich die beiden zur Ablehnung angeführten Gründe beziehen sollen.

Unabhängig von alledem ist nicht dargetan, dass das Urteil auf dem geltend gemachten Gehörsverstoß beruht. Wie ausgeführt, hat das Verwaltungsgericht einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG selbständig tragend wegen der fehlenden Glaubhaftigkeit des Vorbringens der Klägerin verneint. Hierfür waren die auf Einholen eines Sachverständigenbeweises zur Lage in ihrem Heimatland gerichteten Beweisanträge ohne Belang. Gleiches gilt im Hinblick auf das übrige Klagebegehren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG, § 152 Abs. 1 VwGO).