Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 15.02.2011 | |
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Aktenzeichen | 10 UF 158/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf zwischen 4.501 € und 5.000 € festgesetzt.
I.
Die knapp 40 Jahre alte Beteiligte zu 1. ist Mutter der Kinder S… R…, geb. am ….5.1993, C… R…, geb. am ….8.1995, M…, P... und Pa… R…, alle geboren am ….8.1999, sowie Pl… R…, geb. am ….1.2001. S… und C… stammen aus der Verbindung mit Ma… S…, M…, P…, Pa… und Pl… sind aus der Ehe mit dem Beteiligten zu 2. hervorgegangen. Dieser wurde im März 2002 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (zulasten des Sohns S… der Beteiligten zu 1.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Im Jahr 2004 trennte sich die Mutter von ihm. Durch Beschluss des Amtsgerichts Görlitz vom 19.8.2008 wurde ihr mit Zustimmung des Ehemanns die alleinige elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder übertragen. Die Scheidung erfolgte im März 2010.
Die Mutter wurde in der Vergangenheit wiederholt wegen teilweise gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann begangenen Diebstahls verurteilt. Zuletzt verhängte das Amtsgericht Bernkastel-Kues durch Urteil vom 29.3.2010 eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten. Zulasten der Mutter berücksichtigte das Gericht den Einsatz ihrer Kinder bei Begehung der Taten. Nach dem Strafantritt am 1.11.2010 ist die Strafe nunmehr verbüßt.
Aufgrund einer Kontaktanzeige im Internet lernte die Mutter ihren jetzigen Partner, den Zeugen H… P…, kennen. Im September 2008 verließ sie ihren Wohnort in Sachsen und zog mit ihren Kindern zu ihm nach Rheinland-Pfalz. Wegen des Verhaltens von M… und P… konnte sie zunächst keine passende Schule für sie finden. Angebotene Jugendhilfemaßnahmen lehnte sie ab. Im Ergebnis besuchten beide Söhne monatelang keine Schule. Nachdem die Mutter einer Bekannten erzählt hatte, dass der Zeuge P… ihre Kinder geschlagen, P… sexuell missbraucht und C… den Missbrauch beobachtet habe, wurden die Kinder am 30.1.2009 vom Jugendamt in Obhut genommen. Aufgrund der Zusicherung der Mutter, sich räumlich von dem Zeugen zu trennen und die Kinder zu schützen, kehrten diese am 6.2.2009 in den Haushalt der Mutter zurück. Der alsdann dort tätige Familienhelfer stellte fest, dass der Zeuge P… mit den Kindern weiterhin Kontakt hatte. Zudem kam es zu zahlreichen Beschwerden von Nachbarn, Polizei und den Schulen wegen Sachbeschädigungen, Belästigungen und Lärms durch die Kinder. Am 25.5.2009 brannte die an das Wohnhaus der Familie angrenzende Scheune ab, der Sohn M… wurde als Verursacher des Brandes verdächtigt.
Das Amtsgericht Bernkastel-Kues leitete ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung ein, das in Auftrag gegebene Erziehungsfähigkeitsgutachten konnte wegen mangelnder Kooperation der Mutter nicht erstellt werden. Als sie dann den Umzug in die neuen Bundesländer plante und nicht bereit war, ihre neue Anschrift anzugeben, nahm das Jugendamt die Kinder am 28.5.2009 erneut in Obhut. Durch Beschluss des Amtsgerichts Bernkastel-Kues vom 9.6.2009 (3 F 47/09) wurden der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Recht auf Einleitung und Durchführung von Hilfen zur Erziehung und das Recht zur Wahrnehmung der Gesundheitsfürsorge für alle sechs Kinder entzogen und dem Jugendamt übertragen.
Noch im Juni 2009 zog die Mutter nach B…. Der Zeuge P… lebte mit ihr zusammen und renovierte das gemietete Haus. S… und C… kehrten im Juli 2009 in den Haushalt der Mutter zurück. Die vier jüngeren Kinder wurden in verschiedenen Wohngruppen in der Umgebung untergebracht.
Im Sommer 2010 zog die Mutter mit ihrem Partner P… sowie S… und C… erneut um, und zwar in ein Haus in L…. Seit dem 28.7.2010 befindet sich der Zeuge P… wegen des Verdachts, seinen Sohn D… in der Zeit von Januar 2001 bis Januar 2002 durch 106 selbstständige Handlungen sexuell missbraucht zu haben, in Untersuchungshaft.
Durch Schriftsatz vom 9.9.2009 hat die Mutter das vorliegende Verfahren eingeleitet und behauptet, sie habe ihr Leben „komplett neu geregelt“, ein Haus angemietet und alles vorbereitet, um mit ihren Kindern dort wohnen zu können. Sie hat beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Bernkastel-Kues vom 9.6.2009 aufzuheben.
Das Amtsgericht hat die Diplompsychologin J… zur Verfahrensbeiständin ernannt und das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Psych. Dr. Sch… zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Mutter eingeholt. Nach Anhörung der Beteiligten und Vernehmung der Betreuer der Kinder in den jeweiligen Wohngruppen hat es durch den Beschluss vom 11.6.2010 den Abänderungsantrag der Mutter zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Mutter mit der Beschwerde. Sie trägt vor:
Die Kinder könnten derzeit zwar nicht in ihrem Haushalt wohnen, sie stimme aber einer Beibehaltung ihrer Unterbringung zu und sei bereit, mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten. Sie wende sich nur gegen einseitig vom Jugendamt gemachte Vorschriften und Bevormundung.
Die Beziehung zu ihrem Partner P… sei fest und innig, sie könne und wolle sich nicht von ihm trennen. Das von ihr zu verlangen, sei grundgesetzwidrig. Eine Gefährdung der Kinder durch ihren Partner bestehe nicht. Wegen seiner Haft könne er derzeit ohnehin nicht mit den Kindern in Verbindung treten. Falls er nicht verurteilt werde, sei ein Kontakt aber unter Aufsicht und Beachtung des Kindeswohls anzubahnen.
Die Mutter beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Bad Freienwalde vom 11.6.2010 den Beschluss des Amtsgericht Bernkastel-Kues vom 9.9.2009 aufzuheben und ihr die elterliche Sorge für die Kinder M…, P…, Pa… und Pl… R… wieder allein zu übertragen.
Das Jugendamt befürwortet das Begehren der Mutter nicht und weist darauf hin, dass der erhöhte erzieherische und teilweise therapeutische Bedarf der Kinder auf das Erziehungsverhalten der Mutter zurückzuführen, deren Erziehungsfähigkeit erheblich eingeschränkt und deren Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt gering sei.
Der Senat hat die Beteiligten angehört und den Zeugen P… vernommen. Die Verfahrensbeiständin hat ihre Stellungnahme vom 21.4.2010, der Sachverständige sein Gutachten vom 23.3.2010 ergänzt. Auf die Anhörungsvermerke zu den Senatsterminen vom 11.11.2010 und 17.1.2011 wird Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Mutter, auf die wegen der Einleitung des Abänderungsverfahrens nach dem 1.9.2009 das FamFG Anwendung findet, Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG (s.a. Verfahrenshandbuch Familiensachen/Schael, 2. Aufl., § 2, Rz. 158), ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Es muss bei der vom Amtsgericht getroffenen Entscheidung, wonach der die elterliche Sorge der Mutter teilweise aufhebende Beschluss des Amtgerichts Bernkastel-Kues vom 9.6.2009 (3 F 47/09) nicht abgeändert wird, verbleiben.
Sind, wie hier durch den Beschluss des Amtsgerichts Bernkastel-Kues vom 9.6.2009, Maßnahmen zum Schutz von Kindern gemäß §§ 1666, 1666 a BGB getroffen worden, müssen diese nach § 1696 Abs. 2 BGB aufgehoben werden, wenn eine Gefahr für das Kindeswohl nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist. Eine Gefahr besteht dann nicht mehr, wenn sie vollständig weggefallen ist, wenn also in den tatsächlichen Verhältnissen eine Änderung eingetreten ist oder Umstände zutrage getreten sind, die zu einer anderen Beurteilung des der früheren Regelung zugrunde gelegten Sachverhalts zwingen und sich danach ergibt, dass die Gefährdungsvoraussetzungen der §§ 1666, 1666 a BGB nicht mehr vorliegen (vgl. Johannsen/Henrich/Büte, Familienrecht, 5. Aufl., § 1696 BGB, Rz. 34). Danach muss es bei dem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie des Rechts auf Einleitung und Durchführung von Hilfen zur Erziehung und der Gesundheitsfürsorge für die Kinder M…, P…, Pa… und Pl… R… verbleiben.
Entgegen der Ansicht der Mutter liegt eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht vor. Sie ist zwar von ihrem Wohnort in Rheinland-Pfalz nach Brandenburg umgezogen, die häuslichen Verhältnisse mögen angemessen, das von ihr bewohnte Haus ordentlich ausgestattet sein. Eine maßgebliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 1696 Abs. 1 BGB ist aber nicht eingetreten. Die Kinder benötigen weiterhin ein hohes Maß an Leitung und Förderung, das die Mutter angesichts ihrer eingeschränkten Erziehungsfähigkeit nicht gewährleisten kann. Insoweit hat sich auf ihrer Seite nichts entscheidend geändert. Sie ist, wie sie in ihrer Beschwerdeschrift selbst einräumt, (derzeit) nicht in der Lage, selbstständig für ihre Kinder in ihrem Haushalt zu sorgen. Ebenso wenig ist ersichtlich, dies könne mit Unterstützung des Jugendamts geschehen.
Allerdings kann von einer Gefährdung des Kindeswohls durch den Partner der Mutter nicht ausgegangen werden. Dem Zeugen P… wird zwar vorgeworfen, seinen eigenen Sohn D… in mehr als 100 Fällen sexuell missbraucht zu haben, weswegen er sich seit dem 28.7.2010 in Untersuchungshaft befindet. Es steht ferner im Raum, dass es einen Übergriff auf P… gegeben habe, den die Tochter C… mit dem Handy aufgenommen haben soll. Im Hinblick darauf ist die Mutter zunächst auch selbst, wie sich ihrem Schreiben vom 15.11.2008 und demjenigen der Kreisverwaltung …, Fachbereich Jugend und Familie, vom 11.2.2009 entnehmen lässt, von einer pädophilen Neigung ihres Partners ausgegangen. Dass vom Zeugen P… tatsächlich eine Gefahr für die Kinder ausgeht, lässt sich aber nicht feststellen. Er selbst hat bei seiner Vernehmung durch den Senat jeglichen Vorwurf als Intrige bezeichnet und bekundet, C… habe den Vorfall mit P… inszeniert, weil sie ihn aus dem Haushalt habe drängen wollen. Die Mutter hat diese Angaben bei ihrer Anhörung durch den Senat bestätigt und geäußert, C… habe sich mit dem behaupteten Vorfall „als Kriminalkommissarin aufgespielt“, weil sie sich nicht damit abfinden könne, mit dem Zeugen P… zusammenzuleben. Im Übrigen befindet sich der Zeuge P… zurzeit in Untersuchungshaft, sodass er schon deshalb nicht mit den Kindern zusammentreffen kann.
Das Wohl der Kinder ist aber deshalb gefährdet, weil sie immer noch einen hohen erzieherischen und therapeutischen Bedarf haben, ihre Mutter in ihrer Erziehungsfähigkeit jedoch eingeschränkt und jedenfalls nicht in der Lage ist, sie entsprechend den sich daraus ergebenden Anforderungen zu versorgen.
Alle vier Kinder, besonders M… und P…, benötigen, wie das Jugendamt in seinem Bericht vom 5.10.2010 ausgeführt hat, ein Höchstmaß an erzieherischer und therapeutischer Betreuung. Pa… und Pl… brauchen eine besondere Führung. Ihnen müssen klare Grenzen gesetzt und feste Strukturen gegeben werden, damit sie sich an Regeln halten können. M… hat, wie sich aus dem Entwicklungsbericht vom 24.9.2010 ergibt, unverändert einen ausgeprägten Bewegungsdrang, verbunden mit einer ständigen inneren Unruhe. Es fällt ihm, wie die Bezugserzieherin aus ihrem täglichen Umgang mit ihm berichtet, schwer, sich über längere Zeit zu konzentrieren, er sucht ständig neue Ablenkungsmöglichkeiten und Reize. Er konnte lange Zeit nicht beschult werden und ist, obwohl bereits elf Jahre alt, außer Stande, die Schule für länger als zweimal drei Stunden die Woche zu besuchen, vermittelt wird der Stoff der ersten Klasse. P… zeigt weiterhin aggressive Wutausbrüche. Er verfügt kaum über soziale Verhaltensweisen, kennt kein Unrechtsbewusstsein und zeigt sich sehr stark fremd- und selbstgefährdend. Er liebt seine Mutter, fühlt sich von ihr aber zugleich emotional erdrückt und entwickelt eine sog. Hass-Liebe. Wegen seiner Verhaltensauffälligkeiten und fehlenden sozialen Kompetenz kann er eine Regelschule nicht besuchen. Das alles steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Äußerungen des Jugendamts, etwa in den Hilfeplänen vom 23. und 29.9.2010, im Verein mit dem persönlichen Eindruck, den der Senat bei der Kindesanhörung hat gewinnen können, fest.
All dies zeigt, dass die Kinder noch immer besonderer Betreuung und Förderung bedürfen, auch wenn, wie die Vertreterin des Jugendamts bei ihrer Anhörung durch den Senat berichtet und die Verfahrensbeiständin bestätigt hat, bei allen Kindern eine positive Entwicklung eingesetzt hat, jedenfalls ein Anfang gemacht ist. Diese auf die Bedürfnisse jedes Kindes individuell abzustimmende besondere Betreuung und Förderung kann die Mutter nicht gewährleisten.
Wie der Sachverständige Dr. Sch… in seinem sorgfältig abgefassten, folgerichtig und ohne innere Widersprüche entwickelten Gutachten, dessen Feststellungen der Senat bei der Anhörung der Mutter bestätigt gefunden hat, ausführt, ist die Mutter selbst hilfebedürftig, leidet an einer Angststörung und benötigt eine Therapie. Sie projeziert ihren überstarken Beziehungswunsch auf die Kinder und kann ihre eigenen Wünsche nicht von denjenigen der Kinder trennen. Dies zeigt sich an dem wiederholt von der Mutter auf die Kinder ausgeübten starken Druck, den Zeugen P… als ihren Vater anzuerkennen. Die Mutter kann, wie der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Senat überzeugend ausgeführt hat, ihr Augenmerk wegen ihrer eigenen Behandlungsbedürftigkeit nicht in erster Linie auf die Kinder richten, sodass sich schon von daher eine kindeswohlgefährdende Einschränkung ihrer Erziehungsfähigkeit ergibt. Dass die Kinder vor diesem Hintergrund (derzeit) nicht in ihren Haushalt zurückkehren können, sieht im Übrigen auch die Mutter so.
Der Mutter kann das Aufenthaltsbestimmungsrecht auch nicht im Hinblick darauf zurückübertragen werden, dass sie erklärt hat, sie wolle die Kinder in ihren derzeitigen Wohngruppen belassen und sie schrittweise in ihren Haushalt zurückführen, sie sei auch bereit, künftig mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten. Denn es kann nicht erwartet werden, dass die Mutter sich entsprechend dieser Ankündigung verhalten wird, weil sie sich schon bisher wiederholt nicht an ihre Ankündigungen gehalten und eigene Bedürfnisse in den Vordergrund gestellt hat. Im Übrigen hält sich die Mutter nicht stets an die Wahrheit und legt die Dinge so zurecht, wie sie sie gerade braucht.
Die Zusammenarbeit von Mutter und Jugendamt war schon bisher nicht von Verlässlichkeit geprägt. Getroffene Verabredungen wurden von der Mutter, ungeachtet der Bedürfnisse ihrer Kinder, nicht vollständig eingehalten. So hat sie sich nach dem Bericht des Jugendamts zwar daran gehalten, die Kinder, wie verabredet, im Sommer 2010 nicht zu besuchen, sie hat ihnen aber, entgegen der weiteren Verabredung, keine Karten geschrieben. Vielmehr hat sie sich bei den Kindern überhaupt nicht gemeldet und ihr Verhalten später damit erklärt, keine Zeit gehabt zu haben, weil sie zusammen mit dem Zeugen P… ein anderes Haus in L… bezogen habe. Bei ihrer Anhörung durch den Senat hat sie dazu erläutert, sie habe anderes zu tun gehabt als Karten zu schreiben, der Zeuge P… sei in dieser Zeit verhaftet worden, die Kinder hätten wohl auch nicht auf eine Karte von ihr gewartet. Dies zeigt nicht nur mangelnde Zuverlässigkeit der Mutter, sondern auch, dass für sie die eigenen Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Wie sie glauben konnte, die Kinder würden eine Nachricht von ihr nicht vermissen, ist nicht nachvollziehbar, zumal sie im Übrigen stets auf die gute Beziehung zu ihren Kindern hinweist, die Kinder ihrerseits, wie bei ihrer Anhörung durch den Senat deutlich geworden ist, an der Mutter hängen.
Die trotz geäußerter Kooperationsbereitschaft fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Jugendamt zeigen auch die Bekundungen der Mutter vor dem Senat. So wollte sie sich wiederholt zu bestimmten Fragen in Anwesenheit der Jugendamtsvertreterinnen erst gar nicht äußern. Überdies hat sie erklärt, mit diesen verstehe sie sich (nur), weil man sich verstehen müsse. Familienhilfe, so die Mutter weiter, wolle sie in Anspruch nehmen, wenn die „Chemie stimme“. All dieses macht deutlich, dass die Mutter dem Jugendamt skeptisch bis ablehnend gegenübersteht, die Erforderlichkeit der Unterstützung durch das Jugendamt zwar verbal bekundet, tatsächlich aber nur zu ihren Bedingungen dazu bereit ist. Diese vom Senat gewonnene Überzeugung wird durch die Einschätzung der Jugendamtsvertreterin bei ihrer Anhörung durch den Senat, die Zusammenarbeit mit der Mutter gestalte sich schwierig, sie sei dem Jugendamt gegenüber misstrauisch und könne ambulante Hilfsangebote nicht annehmen, bestätigt.
Fehlende Berechenbarkeit mit der Folge fehlenden Vertrauens in die Tragfähigkeit ihrer Bekundung, mit dem Jugendamt zusammenarbeiten zu wollen, folgt auch aus ihrer subjektiven Sicht der Dinge, die teilweise mit der Wahrheit nicht übereinstimmt. So hat sie etwa ihren Kindern gegenüber behauptet, mit Vierlingen schwanger zu sein, und diese Behauptung auch gegenüber dem Strafrichter aufrechterhalten, der dann in seinem Urteil vom 29.3.2010, durch das er die Mutter wegen Diebstahls zur einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt hat, davon ausgegangen ist, sie habe insgesamt zehn Kinder, die Vierlinge seien im Zeitpunkt der Verurteilung zwei Monate alt. Gründe, aus denen die Mutter diese unwahre Behauptung aufgestellt hat, sind nicht erkennbar, sie war bei ihrer Anhörung durch den Senat nicht bereit, sich dazu zu äußern.
Das Vorgehen der Mutter, ihren Kindern nichts von dem Umzug nach L… zu berichten, sondern ihnen – heimlich – Zettel mit der neuen Anschrift zuzustecken, zeigt ebenfalls, dass sie nach ihren Vorstellungen entscheidet, was und wieviel ihre Umgebung über sie und ihr Leben wissen darf. Das Gleiche gilt für die fehlende Bereitschaft, ihre Kinder über den bevorstehenden Strafantritt zu unterrichten. Im Übrigen hat sie damit die Chance für einen offenen Umgang mit den Kindern vertan.
Die Kinder ihrerseits sind derzeit gut betreut und werden in den Wohngruppen ihrer besonderen Situation entsprechend gefördert. Sie haben sich bei ihrer Anhörung durch den Senat positiv über ihre jeweilige Wohngruppe geäußert, auch wenn sie gleichzeitig erklärt haben, sie hätten ihre Mutter sehr lieb und wollten eigentlich wieder mit ihr zusammenleben. Das aber kommt angesichts der dargestellten Erziehungs- und Förderungsdefizite der Mutter nicht in Betracht. Vielmehr muss es bei dem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts bleiben.
Da die Kinder in verschiedenen, räumlich vom Wohnort der Mutter weiter entfernten Wohngruppen leben, eine verlässliche Zusammenarbeit von Jugendamt und Mutter, wie dargestellt, nicht gewährleistet ist, muss es auch bei der Entziehung des Rechts auf Einleitung und Durchführung von Hilfen zur Erziehung und der Gesundheitsfürsorge bleiben.
Eine (teilweise) Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater scheidet aus. Denn er ist, wie er bei seiner Anhörung durch den Senat angegeben hat, seit rund acht Jahren von der Mutter getrennt. Seine Kinder hat er zuletzt im August 2008 (also vor gut 2 ½ Jahren) gesehen. Schon wegen der so fehlenden persönlichen Beziehung der Kinder zu ihrem Vater kann eine Entscheidung zu seinen Gunsten nicht erfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.