Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 32. Senat | Entscheidungsdatum | 10.05.2012 | |
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Aktenzeichen | L 32 AS 741/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 22 Abs 2 S 2 SGB 2, § 22 Abs 3 S 1 SGB 2, § 22 Abs 3 S 2 SGB 2 |
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. April 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, Umzugskosten iHv 425,- € zu tragen.
Der 1958 geborene Kläger steht seit April 2008 im Leistungsbezug des Beklagten nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Am 23. Mai 2008 bezog er die im Rubrum bezeichnete Unterkunft, eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 57,11 m² (Mietvertrag vom 28. April 2008 für die Zeit ab 1. Juni 2008). Die Bruttokaltmiete belief sich seinerzeit auf monatlich 352,08 € (Grundmiete = 302,68 €; kalte Betriebskosten = 49,40 €). Ferner hatte der Kläger monatliche Vorauszahlungen für Heizkosten iHv 35,62 € zu entrichten. Grund des Umzugs war ein Räumungsurteil hinsichtlich der vorherigen Wohnung.
Am 27. April 2008 hatte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten beantragt und legte Kostenvoranschläge von drei Umzugsunternehmen vor. Der Beklagte lehnte die Übernahme von Umzugskosten mit Bescheid vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2008 ab, weil die Kosten der neuen Unterkunft nicht angemessen seien und eine Zusicherung insoweit nicht abgegeben worden sei.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Verurteilung des Beklagten zur Tragung von Umzugskosten iHv 425,- € gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7. April 2010). Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB II (in der seinerzeit geltenden Fassung – im Folgenden: alter Fassung – aF -). Eine Zusicherung des Beklagten zu den Kosten der neuen Unterkunft liege nicht vor. Eine entsprechende Zusicherung habe der Beklagte auch nicht erteilen müssen. Denn die Aufwendungen für die neue Wohnung seien nicht angemessen iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Für den Kläger sei eine Wohnfläche von höchstens 50 m² angemessen. Als angemessener Nettokaltmietzins würden sich nach dem qualifizierten Berliner Mietspiegel vom 3. Juni 2009 ein Betrag von monatlich 4,76 €/m² und für kalte Betriebskosten ein Wert von monatlich 1,41 €/m² ergeben, mithin eine Bruttokaltmiete von monatlich 308,50 €. Eine Bruttokaltmiete von 352,08 € monatlich sei daher nicht angemessen. Überdies hätte der Kläger den Umzug auch in Eigenregie durchführen können.
Mit der - vom Landessozialgericht (LSG) zugelassenen - Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG und des Beklagten seien die Kosten seiner Wohnung angemessen. Dies habe auch der 32. Senat des LSG so gesehen. Eine konkrete Unterkunftsalternative zu der vom SG angegebenen Miete habe nicht bestanden und sei auch vom SG und dem Beklagten nicht benannt worden. Überdies habe eine Zusage des Beklagten vorgelegen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. April 2010 und den Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Umzugskosten in Höhe von 425,- € zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (vgl §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten iHv 425,- €.
Gemäß § 22 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB II aF können Umzugskosten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger übernommen werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II aF). Weiterhin gilt § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II aF, wonach der Träger zur Zusicherung nur verpflichtet ist, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
Eine Zusicherung im og Sinne hat der Beklagte nicht erteilt. Er hat mit Schreiben vom 8. Mai 2008 lediglich zugesagt, Mietkosten bis zu einer Brutto-Warmmiete iHv 360,- € zu übernehmen. Zu etwaigen Wohnungsbeschaffungs- bzw Umzugskosten hat er sich darin gerade nicht verhalten.
Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, eine entsprechende Zusicherung abzugeben. Denn der wegen des Räumungsurteils dem Grunde nach erforderliche Umzug aus der bisherigen Wohnung wäre hinsichtlich der bezogenen Unterkunft nur dann „notwendig“ iSv § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II aF gewesen, wenn die neue Unterkunft kostenangemessen iSv § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (gewesen) wäre (vgl Berlit in LPK-SGB II, 4. Auflage, § 22 Rn 158 mit Nachw aus der Rspr). Dies war und ist indes nicht der Fall.
Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) Erfasst sind alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 20 RdNr 20 zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung mwN) Dazu zählten hier bei Mietbeginn neben der geschuldeten Nettokaltmiete iHv 302,68 € monatlich und der Vorauszahlung für die "kalten" Betriebskosten iHv 49,40 € monatlich eine Vorauszahlung für Heizkosten iHv 35,62 € monatlich.
Die Angemessenheit von KdU ist (getrennt von den Kosten der Heizung, vgl nur BSGE 104,41 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 23) unter Zugrundelegung der sog. Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermittelnAlsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen, wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zu Grunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf. ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen (vgl BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 2/10 R - juris).
Für einen Ein-Personen-Haushalt in Berlin ergibt sich eine maßgebliche Wohnfläche von 50 m² (vgl BSG aaO). Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seitBSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) i.V.m. § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (neue Fassung <nF>) der Bekanntmachung vom 13. September 2001 (BGBl I 2404) Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs. 4 WoFG (als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs. 2 WoBindG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen. Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20. Oktober 1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an eine Einzelperson Wohnraum von bis zu 50 m² überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs. 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 SGB II anzuknüpfen (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 26 RdNr 14 <Zweibrücken>). Weitergehende Differenzierungen nach der Raumzahl sind für die Auslegung des § 22 Abs. 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate des BSG neben dem Land Berlin bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG, Urteil vom 20. August 2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 27 RdNr 16).Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auch auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31. Dezember 1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (WFB 1990 vom 16. Juli 1990 in der Fassung der VVÄndWFB 1990 vom 13. Dezember 1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25. Mai 1999)kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs. 2 WoBindG aF (vgl zum Ganzen BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R - und - B 14 AS 50/10 R =SozR 4-4200 § 22 Nr. 42).
Als maßgeblicher Vergleichsraum ist das gesamte Stadtgebiet von Berlin heranzuziehen (vgl BSG aaO). Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab ist zur Ermittlung des den Wohnungsstandard widerspiegelnden angemessenen Quadratmeterpreises (d.h. der Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (vgl. BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, jeweils RdNr 24) zugrunde zu legen; die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R).
Den Ausführungsvorschriften des Beklagten zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7. Juni 2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen), bei denen es sich um bloße Verwaltungsvorschriften handelt, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten, liegt ein solches schlüssiges Konzept nicht zugrunde (vgl BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 2/10 R - und - B 14 AS 50/10 R-).
Eine Bestimmung der Mietobergrenze ist indes anhand des Berliner Mietspiegels 2007 vorzunehmen (vgl BSG aaO). Bei diesem Mietspiegel handelt es sich um einen qualifizierten Mietspiegel i.S. des § 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Grundlage für die vorliegende Entscheidung ist dabei der Mietspiegel für das Jahr 2007. Ein "schlüssiges Konzept", das vorrangig der Grundsicherungsträger vorzulegen hat, muss zwar bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (vgl. BSG aaO; anders etwa SG Berlin, Urteil vom 30. Juni 2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 43). Da ein solches Konzept im Rahmen der Angemessenheitsprüfung in der Folge gerichtlich voll überprüfbar ist, sind Ausgangsdaten allerdings zu korrigieren, soweit sich in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren herausstellt, dass es zu nicht vorhersehbaren Preissprüngen gekommen ist, was hier indes nicht ersichtlich ist. Der Mietspiegel 2007 vom 11. April 2007 basiert auf dem Stichtag 1. Oktober 2006, der vor dem hier in Rede stehenden Beginn des Mietverhältnisses liegt. Daher ist auf diesen Mietspiegel abzustellen (vgl. zur Anwendbarkeit des Berliner Mietspiegels 2007 vom 11. Juli 2007 auf einen bereits davor abgelaufenen Bewilligungszeitraum BSG, Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 32/09 R - juris). Auch bei einer Anwendung des Berliner Mietspiegels vom 3. Juni 2009 ergäbe sich indes im Ergebnis keine andere Beurteilung.
Qualifizierte Mietspiegel können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach 22 Abs. 1 SGB II sein (vgl bereits BSG Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19, jeweils RdNr 25 <München> und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 27 RdNr 25 <Essen>). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben. Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs. 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog. Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs. 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehende Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1. Januar 2003 endet und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.
Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig (vgl BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010).Aus dem Mietspiegel allein lässt sich nämlich nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSGSozR 4-4200 § 22 Nr. 19 RdNr 25) Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht. Die im Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne <Dusch->Bad) gesondert ausgewiesenen Wohnungen sind bei der Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete indes nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010).
Das Gericht legt daher nunmehr seiner Entscheidung einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen dieser Größe und dieses Ausstattungsstandards in der jeweiligen Baualtersklasse zugrunde (vgl dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R -; Urteil vom 13. April 2011 – B 14 AS 85/09 R -).
Die Gewichtung der einzelnen Mietspiegelwerte nimmt das Gericht anhand der Anzahl der auf die einzelnen Spalten und Zeilen des Berliner Mietspiegels entfallenden Wohnungen vor. Diese ergeben sich aus den Grundlagendaten zum Mietspiegel, welche im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung durch die GEWOS Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung GmbH ermittelt wurden (siehe „Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel“ unter http://edith.senstadt.verwalt-berlin.de/wohnen/mietspiegel2007). Dabei wird zur Gewichtung die Summe der auf die einzelnen Kaltmietwerte entfallenden Wohnungen jeweils pro Zeile ins Verhältnis zur Summe der insgesamt pro Zeile berücksichtigten Wohnungen gesetzt. Danach entsprechen die Kaltmietwerte bei Wohnungen von 40 bis unter 60 m² folgenden prozentualen Anteilen am berücksichtigten Gesamtbestand: 34,01 % (Spalte 2), 17,21 % (Spalte 4), 7,22 % (Spalte 5), 12,43 % (Spalte 6), 2,35 % (Spalte 7), 23,17 % (Spalte 10) und 3,61 % (Spalte 11), die Spalten 8 und 9 enthalten keine Angaben (= 0 %).
Bei Multiplikation der so ermittelten prozentualen Anteile mit den zugehörigen, in den einzelnen Mietspiegelzellen angegebenen Kaltmietwerten sowie Addition der Produkte je Zeile ergibt sich für Wohnungen von 40 bis unter 60 m² ein durchschnittlicher, gewichteter Kaltmietwert von monatlich 4,67 €/m². Das Gericht hat davon abgesehen, den wie vorstehend ermittelten, dh durchschnittlichen und gewichteten Kaltmietwert für Wohnungen von unter 40 m² von monatlich 5,31 €/m² verhältnismäßig bei den hier maßgeblichen Wohnungen bis 50 m² für 1-Personen-Haushalte zu berücksichtigen. Bei der Ermittlung der abstrakt angemessenen Kaltmiete ergibt sich zugunsten des Hilfebedürftigen ein höherer Wert bei Zugrundelegung der größeren Wohnfläche (5,31 €/m² x 40 m² = 212,40 €; 4,67 €/m² x 50 m² = 233,50 €). Die Nichtberücksichtigung der unterdurchschnittlichen Ausstattung sowie derjenigen Wohnungen, für die keine Mietspiegeldaten vorliegen, führt dazu, dass lediglich 9,34 % der vom Mietspiegel erfassten Wohnungen in dem vom Gericht gewichteten und bereinigten Mietspiegel nicht miterfasst wurden. Die verwendeten Durchschnittswerte basieren daher auf einer ausreichend großen und repräsentativ ermittelten Datenbasis.
In einem letzten Schritt sind in das Produkt die kalten Betriebskosten einzubeziehen.
Das Gericht legt hierzu die ebenfalls im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung durch die GEWOS GmbH ermittelten Betriebskostenwerte für das Land Berlin zugrunde (siehe „Grundlagendaten für den empirischen Mietspiegel“ aaO). Diese Daten enthalten Durchschnittswerte für die in den einzelnen Spalten angegebenen Wohnungen, jedoch keine gesonderten Angaben zu Betriebskosten von Wohnungen der einfachen Wohnlage oder mit unterdurchschnittlicher Ausstattung.
Zur Abbildung eines Durchschnittswertes waren die Betriebskostenwerte der Spalten 2 sowie 4 bis 11 des Berliner Mietspiegels zu berücksichtigen. Dabei sind - wie bei der Ermittlung der Nettokaltmiete - die Betriebskosten für Wohnungen mit weit unterdurchschnittlicher Ausstattung (Spalten vor 1, vor 3 und vor 5) sowie mit unterdurchschnittlicher Ausstattung (Spalten 1 und 3) unberücksichtigt zu lassen. Danach fallen durchschnittliche kalte Betriebskosten für die in den Spalten 2 sowie 4 bis 11 angegebenen Wohnungen von durchschnittlich monatlich 1,23 €, 1,47 €, 1,54 €, 1,56 €, 1,50 €, 1,82 €, 1,70 €, 1,46 € und 1,53 € je m² an. Diese Werte wurden wiederum im Verhältnis der Anzahl der Wohnungen je Spalte des Mietspiegels zur Summe der berücksichtigten Wohnungen insgesamt gewichtet. Die Anzahl der Wohnungen in den Spalten 2 sowie 4 bis 11 des Mietspiegels entspricht jeweils einem prozentualen Anteil von 27,56 %, 15,13 %, 7,62 %, 14,58 %, 6,42 %, 1,88 %, 1,26 %, 19,99 %, 5,56 % der dort erfassten Wohnungen. Entsprechend dieser Gewichtung nach prozentualen Anteilen, wie vorstehend für die Kaltmiete dargestellt, ergeben sich durchschnittliche kalte Betriebskosten für diese im Mietspiegel erfassten Berliner Wohnungen von monatlich 1,44 €/m².
Wenn alternativ zur Abbildung eines allgemeinen Durchschnittswertes der Betriebskosten die Angaben in den Spalten 1 bis 11 einschließlich der Spalten vor 1, vor 3, und vor 5 berücksichtigt werden, ergibt sich kein anderer Wert. Die Anzahl der Wohnungen in diesen Spalten des Mietspiegels entspricht jeweils einem prozentualen Anteil von 3,06 %, 6,86 %, 23,46 %, 1,07 %, 2,17 %, 12,87 %, 1,74 %, 6,48 %, 12,41 %, 5,47 %, 1,60 %, 1,07 %, 17,01 %, 4,73 % der dort insgesamt erfassten Wohnungen. Entsprechend dieser Gewichtung ergeben sich ebenfalls gewichtete, durchschnittliche kalte Betriebskosten von monatlich 1,44 €/m².
Der vorliegend maßgebliche Wert der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete errechnet sich aus dem Produkt von angemessener Wohnfläche und der Summe aus angemessener Kaltmiete und angemessenen kalten Betriebskosten je Quadratmeter. Dies ergibt eine abstrakt angemessene Bruttokaltmiete pro Monat für 1 Person von 50 m² x 6,11 € (4,67 € + 1,44 €) = 305,60 €. Die Bruttokaltmiete der jetzigen Wohnung (= 352,08 € bei Beginn des Mietverhältnisses) des Klägers liegt erheblich über diesem Wert. Die KdU sind daher nicht angemessen und ein Umzug in diese Wohnung war mithin nicht erforderlich. Bei Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2009 ergibt sich keine andere Beurteilung. Dann ist von einer abstrakt angemessen Bruttokaltmiete iHv 308,50 € auszugehen (50 m² x 6,17 € <4,76 € zzgl 1,41 €>; vgl zum Ganzen Schifferdecker/Irgang/Silbermann aaO).
Beim Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels – wie hier – ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Wohnung zu dem nach dem Mietspiegel angemessenen Quadratmeterpreis verfügbar ist (vgl BSG, Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 32/09 R -; Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 106/10 R - juris). In Berlin gab es jedenfalls im streitigen Zeitraum keine allgemeine Wohnungsnot. Der Kläger hat diese Tatsachenvermutung auch nicht zu erschüttern vermocht, zumal der Beklagte selbst für den Bezirk Reinickendorf zahlreiche in Betracht kommende Wohnungsangebote ermittelt hatte. Vergleichsraum ist aber entgegen der Auffassung des Klägers der gesamte Wohnungsmarkt im Land Berlin.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.