Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 28.06.2017 | |
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Aktenzeichen | L 9 KR 89/15 KL | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 92 Abs 7d SGB 5, § 45 SGB 10, § 48 SGB 10 |
1. Ein die Interessen seiner ärztlichen Mitglieder wahrnehmender Berufsverband ist nicht automatisch eine wissenschaftliche Fachgesellschaft.
2. Der Gemeinsame Bundesausschuss darf die Aufnahme in den Kreis der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach § 92 Abs 7d Satz 1 SGB 5 davon abhängig machen, dass die Organisation eine primär wissenschaftliche Zielsetzung verfolgt.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Kläger wendet sich gegen seine Streichung von der Liste der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach § 92 Abs. 7d Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Der seit dem Jahr 2003 bestehende, nicht im AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.) organisierte Kläger beschreibt sich auf seiner Website (http://bdoc.info/ Stand 12. Juni 2017) u.a. wie folgt:
Der BDOC repräsentiert bundesweit über 1.000 Augenoperateure in Praxis und Klinik mit besonderen chirurgischen Qualifikationen. Darunter fallen z.B. Katarakt-, Netzhaut-/Glaskörper-, Schiel- und Lid-Operationen.
Die Augenspezialisten des BDOC verfügen über den Facharzt-Standard hinausgehende Kompetenzen bei Augenoperationen wie z.B. bei der AMD-Therapie, Glaukom-Behandlung, Kanaloplastik und refraktiv-chirurgischen Verfahren.
Rund 80 Prozent der operierenden Augenärzte in Deutschland sind bereits im BDOC organisiert.
Der BDOC vertritt die operierenden Augenärzte in der Öffentlichkeit, der Politik, gegenüber Krankenkassen und ärztlichen Selbstverwaltungsinstitutionen.
Zweck und Aufgaben des Vereins sind in § 2 der Satzung des Klägers (Stand: März 2012) niedergelegt:
1. Zweck des Vereins ist die
- Formulierung und Vertretung der Interessen der Augenchirurgen innerhalb der Augenärzteschaft und ihren Verbänden, gegebenenfalls in der Gesundheitspolitik, bei Kostenträgern, Verbänden und Institutionen - unter
ausdrücklicher Berücksichtigung der Interessen der konservativ tätigen Augenärzte;
- Öffentlichkeitsarbeit, Gesundheitsaufklärung der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Verhütung, Behandlung und Heilung von Fehlsichtigkeit und Erkrankungen des Auges;
- Erarbeitung eines Aus-, Weiter- und Fortbildungskatalogs sowie ggf. Durchführung von Veranstaltungen zur Intensivierung einer Aus-, Weiter- und Fortbildung insbesondere in der Augenchirurgie mit dem Ziel einer möglichst raschen Weitergabe und Umsetzung neuer Erkenntnisse und Erfahrungen, Formulierung und Festlegung von Qualitätsstandards in der Augenchirurgie, Förderung der Forschung und wissenschaftlicher Veranstaltungen, Herausgabe eigener Publikationen;
- Information der Mitglieder in Fragen des Berufsrechts, Beratung in wirtschaftlichen Fragen, Wahrnehmung und Förderung der Interessen der Mitglieder;
- Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs;
- Entlastung der Mitglieder von administrativen Aufgaben.
Der BDOC strebt an, seine Ziele regional und auf Bundesebene in Kooperation mit anderen Verbänden umzusetzen, dies insbesondere mit dem Berufsverband der Augenärzte (BVA). Zu diesem Zweck hat der BDOC dem Berufsverband der Augenärzte den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung angeboten.
2. Der BDOC unterhält Kontakte mit den Nachbarfächern und mit ausländischen ophthalmochirurgischen Gesellschaften.
3. Mittel des Vereins dürfen nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Mitglieder auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln des Vereins. Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßige hohe Vergütungen begünstigt werden.
4. Alle Inhaber von Vereinsämtern sind ehrenamtlich tätig.
Nach § 3 Nr. 2 der Satzung kann jeder Facharzt für Augenheilkunde, der niedergelassen oder sinngemäß liquidationsberechtigt ist, ordentliches Mitglied des Klägers werden. Das Mitglied soll schwerpunktmäßig augenchirurgisch tätig sein. Nach eigenen Angaben verfügte der Kläger zum 31. März 2012 über 835 Mitglieder, was etwa 80 Prozent der in Deutschland tätigen Ophthalmochirurgen ausmache.
Im Rahmen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes ergänzte der Gesetzgeber § 92 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2012 um Absatz 7d. Dieser bestimmt in Satz 1, 1. Halbsatz, dass der Beklagte vor seiner Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e SGB V „den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften“ Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben hat.
In § 9 des ersten Kapitels seiner Verfahrensordnung hat der Beklagte insoweit geregelt (in der Fassung des Beschlusses vom 19. Januar 2012):
(1) Soweit der Kreis der stellungnahmeberechtigten Organisationen gesetzlich nicht eindeutig festgelegt ist, sind die für die Stellungnahmeberechtigung maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen im Bundesanzeiger und im Internet mit der Maßgabe bekannt zu geben, dass betroffene Organisationen innerhalb einer angemessenen Frist Gelegenheit zur Meldung haben.
(2) Das Merkmal „maßgebliche Spitzenorganisation auf Bundesebene“ ist durch Vorlage der Satzung oder Statuten und – soweit es sich nicht um Körperschaften des öffentlichen Rechts handelt – durch Angabe der Mitgliederzahl glaubhaft zu machen.
(3) 1Das Plenum entscheidet aufgrund der eingehenden Meldungen über den Kreis der stellungnahmeberechtigten Organisationen, gibt diesen im Bundesanzeiger und im Internet bekannt und teilt den betreffenden Organisationen seine Entscheidung mit. 2Nachmeldungen sind möglich. 3Nach Aufforderung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss hat eine anerkannte Organisation glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen nach Absatz 2 weiterhin erfüllt sind.
(3a) Das Verfahren zur Bestimmung der Stellungnahmeberechtigten nach den Absätzen 1 und 3 findet entsprechende Anwendung für die Bestimmung der gemäß § 92 Absatz 5 Satz 1 SGB V stellungnahmeberechtigten Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 7 SGB IX.
(4) Bei Wegfall der Voraussetzungen wird das Stellungnahmerecht durch den Gemeinsamen Bundesausschuss aberkannt, soweit nicht die betreffende Organisation selbst auf das Stellungnahmerecht verzichtet.
(5) 1Zur Wahrung der Stellungnahmerechte nach § 92 Absatz 7d Satz 1 und § 137f Absatz 2 Satz 5 SGB V erstellt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Liste von wissenschaftlichen Fachgesellschaften, unter denen die jeweils einschlägigen auszuwählen sind. 2Die Liste setzt sich zusammen aus den in der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) organisierten und den aufgrund einer Anerkennung nach Absatz 6 aufgenommenen Fachgesellschaften.
(6) 1Nicht in der AWMF organisierte wissenschaftliche Fachgesellschaften können die Aufnahme in die Liste nach Absatz 5 beantragen. 2Als wissenschaftliche Fachgesellschaften gelten Vereinigungen, welche primär die Zielsetzung verfolgen das medizinische Wissen durch Forschung zu erweitern oder es durch Lehre weiterzugeben. 3Eine Fachgesellschaft hat vorzulegen:
- eine Satzung, aus der sich die primär wissenschaftliche Zielsetzung und der Kreis der Mitgliedsberechtigten ergibt,
- geeignete Nachweise zu den auf Dauer angelegten wissenschaftlichen Aktivitäten (z. B. Tagungen, Herausgabe einer wissenschaftlichen Zeitschrift als Organ der Gesellschaft) und
- geeignete Nachweise zur Anzahl der Mitglieder.
4Die Absätze 1, 3 und 4 gelten entsprechend.
Mit Beschluss vom 23. Januar 2014 ergänzte der Beklagte § 9 Abs. 6 Satz 2 des ersten Kapitels der Verfahrensordnung um Halbsatz 2:
(…); für die Anerkennung als stellungnahmeberechtigte wissenschaftliche Fachgesellschaft sind die Kriterien nach Anlage III zu erfüllen.
Anlage III (Kriterien zur Bestimmung der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften) lautet in der Fassung des Beschlusses des Beklagten vom 23. Januar 2014:
1. Die Satzung der Gesellschaft muss die primär wissenschaftliche Zielsetzung explizit abbilden.
2. Die Zielsetzung der wissenschaftlichen Arbeit der Gesellschaft hat sich auf Themen der Medizin und damit in Zusammenhang stehenden wissenschaftlichen Fragestellungen zu beziehen.
3. Es muss entweder eine mindestens dreijährige wissenschaftliche Aktivität dokumentiert sein,
- durch Vorlage von Belegen (Programm) über die regelmäßige Durchführung von überregionalen medizinisch-wissenschaftlichen Fachtagungen und
- durch Vorlage von Belegen für die (Mit-) Herausgabe einer wissenschaftlichen Zeitschrift, in der pro Ausgabe überwiegend Erkenntnisse zu medizinischen Fragestellungen veröffentlicht werden,
oder es muss die kontinuierliche, nicht mehr als sechs Jahre zurückliegende Mitwirkung an der Erstellung mindestens einer Leitlinie, deren Kernaussagen eine systematische Aufarbeitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse gemäß der Kriterien der evidenzbasierten Medizin zu Grunde liegt, belegt werden.
4. Die Mitgliedschaft hat mehrheitlich aus klinisch tätigen Ärzten/Psychotherapeuten/ Zahnärzten oder aus auf dem Gebiet der Medizin wissenschaftlich tätigen Hochschulabsolventen zu bestehen. Gesellschaften (insbesondere Dachverbände), die keine eigenen natürlichen Personen als aktive Mitglieder haben, können nicht anerkannt werden.
5. Ausgeprägte Interessenvertretung oder eine vorwiegend berufspolitische Ausrichtung (zum Beispiel als Berufsverband) schließt die Anerkennung aus.
Am 29. März 2012 beantragte der Kläger beim Beklagten seine Einbeziehung in das Stellungnahmerecht nach § 92 Abs. 7d SGB V als wissenschaftliche Fachgesellschaft. Seine primär wissenschaftliche Zielsetzung ergebe sich aus § 2 Nr. 1, dritter Spiegelstrich der Satzung. Der Nachweis zu den auf Dauer angelegten wissenschaftlichen Aktivitäten liege darin, dass der Kläger seit dem Jahre 2003 Organisator des größten internationalen „Kongresses der Deutschen Ophthalmochirurgen (DOC e.V.)“ in Europa sei, der alljährlich mit über 5.000 Teilnehmern aus aller Welt in Nürnberg stattfinde. Der Vorstandsvorsitzende des Klägers sei zugleich Präsident des DOC e.V. . Zur Glaubhaftmachung fügte der Kläger umfangreiche Materialien zu dem im Juni 2012 stattfinden Kongress bei.
Mit Beschluss vom 21. Juni 2012 nahm der Beklagte den Kläger neben 23 weiteren Organisationen in die Liste der nach § 92 Abs. 7d Satz 1 SGB V stellungnahmeberechtigten und nicht im AWMF organisierten wissenschaftlichen Fachgesellschaften auf. In den tragenden Gründen des Beschlusses war ausgeführt, dass die wissenschaftliche Zielsetzung des Klägers mit § 2 der Satzung belegt sei; der Nachweis wissenschaftlicher Aktivitäten sei durch den jährlichen internationalen wissenschaftlichen Kongress und durch Kurse für Ärzte und nichtärztliches Personal erbracht.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2012 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass seinem Antrag auf Aufnahme in die Liste entsprochen worden sei; eine weitere Begründung enthielt der Bescheid nicht.
Nachdem der Beklagte von dritter, im Verwaltungsvorgang nicht benannter Seite am 15. Januar 2014 „mit der Auffassung konfrontiert“ worden war, dass der Kläger „die Voraussetzungen zur Aufnahme in diesen Kreis nicht erfülle“, beschloss er am 17. Juli 2014 ohne vorherige Anhörung des Klägers, seinen Beschluss vom 21. Juni 2012 insoweit aufzuheben, als dieser die Aufnahme des Klägers umfasse.
Die tragenden Gründe des Beschlusses fanden Eingang in die Begründung des Bescheides, den der Beklagte unter dem 17. Juli 2014 an den Kläger richtete und mit dem der Beklagte den Bescheid vom 24. Juli 2012 zur Aufnahme des Klägers in die Liste der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften gemäß § 92 Abs. 7d SGB V mit Wirkung für die Zukunft zurücknahm und die sofortige Vollziehung dieser Verfügung anordnete. Der die Aufnahme bestätigende Bescheid vom 24. Juli 2012 sei rechtswidrig. Die mit dem Antrag vorgelegten Unterlagen lieferten keinen hinreichenden Nachweis für eine primär wissenschaftliche Zielsetzung des Klägers. Verfolgt würden nämlich in erster Linie berufsverbandliche Zwecke, was die ersten beiden Spiegelstriche in § 2 Nr. 1 der Satzung belegten. Auch der dritte Spiegelstrich („Erarbeitung eines Aus-, Weiter- und Fortbildungskatalogs sowie ggf. Durchführung von Veranstaltungen zur Intensivierung einer Aus-, Weiter- und Fortbildung insbesondere in der Augenchirurgie mit dem Ziel einer möglichst raschen Weitergabe und Umsetzung neuer Erkenntnisse und Erfahrungen, Formulierung und Festlegung von Qualitätsstandards in der Augenchirurgie, Förderung der Forschung und wissenschaftlicher Veranstaltungen, Herausgabe eigener Publikationen“) ziele weder auf die Erweiterung des medizinischen Wissens durch Forschung noch auf Lehre; keine der Zielsetzungen des Klägers liege in der Wissenschaft selbst. Einen Vertrauensschutz des Klägers begründende Aspekte seien nicht erkennbar. Das öffentliche Interesse an der Rücknahme überwiege. Die Rücknahme der Listung sei verhältnismäßig und stelle keine unbillige Härte dar. Von der vorherigen Anhörung des Klägers habe nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) abgesehen werden dürfen, denn die Durchführung eines Anhörungsverfahrens hätte die Wahrung der Zweijahresfrist aus § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X unmöglich gemacht; die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Listung habe der Beklagte erstmals mit der Befassung des Plenums vom 19. Juni 2014 eingeleitet.
Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch rügte der Kläger die Rechtswidrigkeit der unterbliebenen Anhörung und erläuterte die aus seiner Sicht bestehende primär wissenschaftliche Zielsetzung des Verbandes.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2015 zurück. Der Kläger könne nicht als wissenschaftliche Fachgesellschaft bezeichnet werden. Ihm fehle es am Merkmal der primär wissenschaftlichen Zielsetzung, denn eigene und auf Dauer angelegte wissenschaftliche Aktivitäten seien nicht feststellbar. Keiner der in der Satzung genannten Zwecke lasse eine eigene kritische und damit wissenschaftliche Auseinandersetzung mit neuen Erkenntnissen der Augenchirurgie im Sinne der Vermittlung akademischer Erkenntnisse durch Wissenschaftler erkennen. Die Mitarbeit an der Erarbeitung eines Aus-, Weiter- und Fortbildungskatalogs und die Organisation entsprechender Veranstaltungen sei typisch berufsverbandlich, was insbesondere die beiden in der Satzung zuerst genannten Verbandszwecke belegten. Ferner könne der jährliche Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen nicht als vom Kläger veranstaltet angesehen werden. Denn wissenschaftlicher Träger der Veranstaltung sei der DOC e.V. und damit eine vom Kläger abzugrenzende Organisation. Es komme auf die wissenschaftliche Betätigung der Fachgesellschaft selbst an und nicht auf diejenige einzelner Mitglieder. Der Kläger könne sich daher nicht auf die wissenschaftliche Fachzeitschrift „GMS Ophthalmology Cases“ berufen, deren Herausgeber nicht er, sondern Prof. Ksei. Aus der Zusammenarbeit des Klägers mit der American Academy of Ophthalmology ergeben sich nichts anderes, denn diese erschöpfe sich in einer Übersetzung von deren Richtlinien und Empfehlungen durch den Kläger. Die primär wissenschaftliche Zielsetzung fordere der Beklagte auch zu Recht, denn eine ausgeprägte berufspolitische Interessenvertretung könne zu einem Interessenkonflikt mit wissenschaftlichen Zielsetzungen führen. Sinn und Zweck der Einbeziehung wissenschaftlicher Fachgesellschaften nach § 92 Abs. 7d SGB V bestünden in der Nutzbarmachung wissenschaftlicher medizinischer Arbeit, die zur objektiven Ermittlung des Standes der medizinischen Erkenntnisse geeignet sei. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers am Fortbestand der rechtswidrigen Listung sei nicht erkennbar und trete im Übrigen hinter dem öffentlichen Interesse an der Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 3. März 2015 erstinstanzlich bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Klage erhoben.
In seiner Mitgliederversammlung vom 12. Juni 2015 hat der Kläger § 2 Nr. 1 seiner Satzung („Zweck des Vereins“) um folgenden vierten Spiegelstrich erweitert:
- Verfolgung wissenschaftlicher Ziele durch Publikationen und ggf. Studien insbesondere zur Versorgungsforschung“
Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger im Wesentlichen an: Formell rechtswidrig sei der Bescheid schon wegen der unterbliebenen Anhörung; dieser Mangel sei nicht geheilt. Lege man die inhaltlichen Maßstäbe des Beklagten an, sei eine Vielzahl der gelisteten Organisationen zu Unrecht stellungnahmeberechtigt. Der nachträgliche Ausschluss des Klägers sei daher willkürlich. Die Entscheidung zur Listung des Klägers werde nicht dadurch nachträglich rechtswidrig, dass der Beklagte seine Aufnahmevoraussetzungen verschärfe. Auf die Reihenfolge der in der Satzung aufgeführten Verbandszwecke dürfe es nicht ankommen. Die mittlerweile erfolgte Satzungsänderung belege die wissenschaftliche Zielsetzung des Verbandes. Nach dem eigenen Verständnis des Beklagten sei auch die Weitergabe medizinischen Wissens durch Lehre ausreichend für eine Listung; „Förderung der Forschung“ sei unzweifelhaft ein satzungsmäßiges Ziel des Klägers. Eine Weitergabe medizinischen Wissens betreibe der Kläger durch die mittlerweile deutlich ersichtliche Herausgeberschaft der Internetpublikation „GMS Ophthalmology Cases – An Open Access Journal“ auf dem Portal des AWMF. Zudem arbeite man international mit mehreren wissenschaftlichen Organisationen zusammen. Durch verschiedene Ordinarien im Vorstand des Klägers gebe es eine Verknüpfung zu Wissenschaft und Forschung; die geforderte wissenschaftliche Expertise sei beim Kläger unmittelbar vorhanden. Irgendein öffentliches Interesse an der Aufhebung der Listung sei nicht ersichtlich; organisatorischer Mehraufwand des Beklagten jedenfalls gebiete die Rücknahme nicht. Als Vertretung der weit überwiegenden Anzahl der deutschen Ophthalmochirurgen müsse der Kläger bei wichtigen Entscheidungsprozessen Gehör finden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 17. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Es fehle von Anfang an und selbst unter Außerachtlassung der im Jahre 2014 eingeführten Anlage III zu § 9 Abs. 6 des 1. Kapitels der Verfahrensordnung des Beklagten an den Voraussetzungen für eine Aufnahme des Klägers in den Kreis der nach § 92 Abs. 7d SGB V stellungnahmeberechtigten Organisationen, denn er weise keine primär wissenschaftliche Zielsetzung auf. Vielmehr verfolge der Kläger in erster Linie klassische berufsverbandliche Ziele. Dies belege § 2 Nr. 1 seiner Satzung. Der Kläger trete in der Öffentlichkeit auch durchweg (nur) als berufspolitisch agierender Verband und nicht als wissenschaftliche Fachgesellschaft auf. Forschung und Lehre stünden nicht ansatzweise im Mittelpunkt der Aktivitäten des Klägers. Nichts anderes ergebe sich daraus, dass der dritte Spiegelstrich in § 2 Nr. 1 der Satzung sich auf Aus-, Weiter- und Fortbildung sowie eine Förderung der Forschung beziehe, denn auch damit werde nicht das medizinische Wissen durch eigene Forschung erweitert; der Kläger knüpfe nur mittelbar an die Ergebnisse der von anderen betriebenen Wissenschaft an. Auch der erst nach Klageerhebung eingeführte und damit für die rechtliche Beurteilung unmaßgebliche vierte Spiegelstrich in § 2 Nr. 1 der Satzung führe nicht weiter. Primäre Zielsetzung sei auch danach eine berufspolitische Interessenvertretung. Nachweise zu auf Dauer angelegten wissenschaftlichen Aktivitäten lägen nicht vor. Der jährliche Kongress der Ophthalmochirurgen werde nicht vom Kläger, sondern von dem vom Kläger zu trennenden DOC e.V. veranstaltet, zu dem „gute Kontakte“ zu unterhalten der Kläger angebe. Auch auf die Herausgabe einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift könne der Kläger sich nicht berufen. Noch bei Erlass des Widerspruchsbescheides habe nicht der Kläger, sondern Prof. K als Herausgeber der Online-Zeitschrift „GMS Ophthalmology Cases – An Open Access Journal“ fungiert; der Kläger sei nicht als Herausgeber der Zeitschrift in Erscheinung getreten. Erst im weiteren Verlauf des Jahres 2015 sei der Internetauftritt der Zeitschrift dahin verändert worden, dass als Herausgeber nun der Kläger fungiere und als Kontaktanschrift die Adresse des Klägers diene. In einer Pressemitteilung vom Juli 2015 habe der Kläger demgegenüber angegeben, dass die Herausgeberschaft der Zeitschrift von Prof. K auf Dr. Sch übergegangen sei. Zudem könne allein aus der Besetzung des Vorstands des Klägers mit Wissenschaftlern nicht auf eine wissenschaftliche Ausrichtung des Klägers selbst geschlossen werden. Weil das Gesetz eine Beteiligung ausschließlich wissenschaftlicher Fachgesellschaften an der Normgebung durch den Beklagten vorsehe, bestehe ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Aufhebung der rechtswidrigen Listung. Soweit tatsächlich auch anderen Organisationen zu Unrecht ein Stellungnahmerecht eingeräumt worden sei, ergebe sich daraus für den Kläger kein Anspruch auf Gleichbehandlung. Willkürlich verfahre der Beklagte nicht. Vielmehr habe es konkreten Anlass gegeben, das Stellungnahmerecht des Klägers zu überprüfen, weil eine andere Organisation, deren Listung der Beklagte abgelehnt habe, sich in ihrem Widerspruchsverfahren gerade auf die Listung des Klägers berufen habe.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
A. Für die Klage ist das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erstinstanzlich zuständig, § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Kläger wendet sich gegen eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses in Zusammenhang mit einer nach § 92 Abs. 7d Satz 1 SGB V zu treffenden Regelung.
Der Senat behandelt die Streitsache als eine Angelegenheit des Krankenversicherungsrechts im Sinne der §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 31 Abs. 21 Satz 1 SGG („Angelegenheiten der Sozialversicherung“), denn betroffen ist der Gemeinsame Bundesausschuss „als Institution“ im Sinne von Abschnitt B II 2 b [9] des „zusammenfassenden Standpunktes des 1., 3. und 6 Senats des Bundessozialgerichts zu § 10 Abs. 2 SGG“, die bestimmte Stellungnahmerechte in Zusammenhang mit ihrer Richtliniengebung zu beachten hat. Es besteht kein Bezug zu einem Entscheidungsbereich, der „allein dem Vertragsarztrecht zuzuordnen ist“. Streitgegenständlich ist die Frage, ob der Kläger zum Kreis der nach § 92 Abs. 7d Satz 1 SGB V stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften gehört. Zwar bezieht sich das Stellungnahmerecht in der Sache auch auf eine Entscheidung über Richtlinien nach § 135 SGB V (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung im Sinne von §§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 135 Abs. 1 SGB V), die dem Regelungsbereich des Vertragsarztrechts zugehören (Abschnitt B II 1 a [23] des „zusammenfassenden Standpunktes“). Zugleich geht es aber auch um ein Stellungnahmerecht in Zusammenhang mit der Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung nach § 137c SGB V, die dem Krankenversicherungsrecht zuzuordnen ist (Abschnitt B II 1 b [19] des „zusammenfassenden Standpunktes“). Tangiert sind damit insgesamt Belange, die nicht ausschließlich die vertragsärztliche Versorgung betreffen.
B. Die als Anfechtungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Rücknahmebescheid ist rechtlich nicht zu beanstanden und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
I. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 45 Abs. 1 SGB X. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt auch nach Eintritt seiner Unanfechtbarkeit unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Da die Entscheidung des Beklagten über die Aufnahme des Klägers in den Kreis der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach § 92 Abs. 7d Satz 1 SGB V bzw. über die Rücknahme derselben keine Normsetzung darstellt, bleibt das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht anwendbar (vgl. insoweit für den Prozess der Normgebung Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 14/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 35; anders noch Landessozialgericht Berlin- Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2014, L 7 KA 119/11 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 32, jeweils „Jacutin®“).
II. In formeller Hinsicht ist die Rücknahmeentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden. Zwar hätte der Kläger grundsätzlich vor Aufhebung des Bescheides vom 24. Juli 2017 angehört werden müssen, denn seine Aufnahme in den Kreis der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach § 92 Abs. 7d Satz 1 SGB V war eine begünstigende Regelung, so dass die Aufhebung dieser Entscheidung in die Rechte des Klägers eingreift (§ 24 Abs. 1 SGB X). Ob von der Anhörung im Einzelfall nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 SGB X abgesehen werden durfte, weil die Anhörung die Einhaltung der für die Entscheidung maßgeblichen Frist aus § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X in Frage gestellt hätte, kann der Senat offen lassen. Denn ein solcher Verfahrensfehler wäre jedenfalls gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt. Im Widerspruchsverfahren ist der Beklagte ausführlich schriftsätzlich auf das inhaltliche Vorbringen des Klägers eingegangen, so dass sichergestellt ist, dass der Beklagte dieses Vorbringen zur Kenntnis genommen und erwogen hat.
III. Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen für eine in die Zukunft wirkende Aufhebung der Aufnahme in die Liste der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach § 92 Abs. 7d Satz 1 SGB V liegen vor.
1. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Juli 2012 war schon im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig.
a) § 92 Abs. 7d SGB V wurde durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2012 eingeführt. Der Beklagte hat auf dieser Grundlage vor seiner Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e SGB V „den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften“ Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Richtlinien nach §§ 135, 137c und § 137e SGB V betreffen die Erbringung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung, die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus und die Erprobung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Mit der Einführung von § 92 Abs. 7d SGB V verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, die Gewähr dafür zu erhöhen, „dass die Entscheidungen des G-BA über Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf einer fachlich fundierten und die realen Versorgungsaspekte berücksichtigenden Grundlage getroffen werden“. Zugleich soll „der fachliche Diskurs und die in den beschlussbegründenden Unterlagen des GBA zu dokumentierende Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen (…) der Transparenz, dem Verständnis und der Akzeptanz der Entscheidungen“ dienen (Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/6906 S. 69 r. Sp.). Die Absicht des Gesetzgebers bestand damit unzweifelhaft in der fachwissenschaftlichen Absicherung der Richtliniengebung durch den Beklagten in den drei genannten Bereichen.
Daher ist es nur folgerichtig und gesetzeskonform, dass der Beklagte die Aufnahme von Organisationen in den Kreis der nach § 92 Abs. 7d SGB V stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachverbände abhängig macht von einer in erster Linie und schwerpunktmäßig wissenschaftlichen Ausrichtung der jeweiligen Organisation. § 9 Abs. 5 und 6 des ersten Kapitels der Verfahrensordnung des Beklagten in der Fassung des Beschlusses vom 19. Januar 2012 ist insoweit rechtlich beanstandungsfrei.
Als wissenschaftliche Fachgesellschaften gelten danach Vereinigungen, „welche primär die Zielsetzung verfolgen das medizinische Wissen durch Forschung zu erweitern oder es durch Lehre weiterzugeben“. Nicht zu beanstanden ist die daneben getroffene Regelung, dass die primär wissenschaftliche Zielsetzung anhand der Satzung zu beurteilen ist und dass geeignete Nachweise zu den auf Dauer angelegten wissenschaftlichen Aktivitäten vorzulegen sind. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang die im Januar 2014 vorgenommene Ergänzung von § 9 Abs. 6 des ersten Kapitels der Verfahrensordnung um Anlage III, die den Beleg der primär wissenschaftliche Zielsetzung an weitere spezifische Voraussetzungen knüpft, denn für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des aufgehobenen Bescheides ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses maßgeblich, hier also der 24. Juli 2012.
Der Nachdruck auf die „primär wissenschaftliche Zielsetzung“ ermöglicht eine Abgrenzung zu im Gesundheitswesen ebenso anzutreffenden primär berufsverbandlich tätigen Organisationen, die sich als Interessenvertretung der jeweiligen Berufsgruppe verstehen. Einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft im Sinne des § 92 Abs. 7d SGB V ist hauptsächlich an Vermittlung und Fortentwicklung des medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstandes gelegen. Diese Zielsetzung ist eindeutig bei den Organisationen zu vermuten, die sich in der AWMF zusammengeschlossen haben. Deren Satzung schreibt vor, dass „jede deutsche wissenschaftlich-medizinische Fachgesellschaft Mitglied werden (kann), die sich ausschließlich oder vorwiegend wissenschaftlichen Fragen der Medizin einschließlich ihrer praktischen Anwendungen widmet“. Daher ist es rechtlich beanstandungsfrei, dass der Beklagte in § 9 Abs. 5 des ersten Kapitels der Verfahrensordnung die der AWMF angehörenden Fachgesellschaften ohne weiter gehende Prüfung ein Stellungnahmerecht einräumt.
Umgekehrt bedarf es genaueren Hinsehens bei Berufsverbänden, deren Ziele in der Vertretung der standespolitischen Interessen der jeweiligen Mitglieder bestehen. Denn es liegt auf der Hand, dass das Votum eines Berufsverbandes zu einer bestimmten neuen Behandlungsmethode etwa aus abrechnungspolitischen Gründen anders ausfallen kann als das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Votum einer Fachgesellschaft.
b) Hieran gemessen hätte der Beklagte den Kläger nicht in den Kreis der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach § 92 Abs. 7d Satz 1 SGB V aufnehmen dürfen, denn zur Überzeugung des Senats stellt der Kläger primär einen die Interessen seiner Mitglieder wahrnehmenden Berufsverband dar.
aa) Von vornherein ohne Belang ist der jährlich durchgeführte internationale Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen, denn der Kläger fungiert insoweit nicht als Veranstalter. Veranstalter ist vielmehr der DOC e.V., der nicht identisch ist mit dem Kläger.
bb) Bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides war der Kläger auch nicht Herausgeber der Onlinepublikation „GMS Ophthalmology Cases – An Open Access Journal“. Vielmehr trat insoweit nur der Name Prof. K in Erscheinung. Dass dieser gegebenenfalls dem Vorstand des Klägers angehörte, ist rechtlich unerheblich, weil nicht im Wege des Automatismus sämtliche wissenschaftlichen Aktivitäten eines Vorstands dem Berufsverband, dem er angehört, zugerechnet werden können. Für eine solche Zurechenbarkeit ist nach den vorliegenden Akten nichts ersichtlich. Erst ab Mitte 2015 wurde der Internetauftritt der Zeitschrift dahin verändert, dass als Herausgeber nun der Kläger fungiere. Dieser Umstand liegt jedoch jenseits des hier maßgeblichen Beurteilungszeitpunktes und kann nur relevant sein bei der Entscheidung über einen erneuten Antrag auf Aufnahme in den Kreis der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach § 92 Abs. 7d Satz 1 SGB V.
cc) Auch kann nicht allein aus der Besetzung des Vorstands des Klägers mit Wissenschaftlern auf eine wissenschaftliche Ausrichtung des Klägers selbst geschlossen werden. Denn entscheidend kann nur die wissenschaftliche Aktivität der Organisation als solche sein. Auch ein allein aus Wissenschaftlern bestehender Berufsverband muss nicht zwingend primär wissenschaftliche Ziele verfolgen.
dd) Maßgeblich für die Beurteilung sind daher die Aussagen der Satzung zum Zweck der Organisation, der Inhalt sonstiger Veröffentlichungen zu den Zielen der Verbandsarbeit und das Vorliegen konkret messbarer wissenschaftlicher Aktivitäten.
Die bei Erlass des Widerspruchsbescheides geltende Satzung des Klägers stellt zur Überzeugung des Senats die berufsverbandliche Zielsetzung des Klägers in den Mittelpunkt. Die „Formulierung und Vertretung der Interessen der Augenchirurgen innerhalb der Augenärzteschaft und ihren Verbänden, gegebenenfalls in der Gesundheitspolitik, bei Kostenträgern, Verbänden und Institutionen“ steht an der Spitze der Zweckbestimmungen und enthält einen Berufsverband kennzeichnende Aussagen. Das Bemühen und Öffentlichkeitsarbeit und Gesundheitsaufklärung der Bevölkerung fügen sich hier ebenso ein wie die „Information der Mitglieder in Fragen des Berufsrechts, Beratung in wirtschaftlichen Fragen, Wahrnehmung und Förderung der Interessen der Mitglieder, Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (und) Entlastung der Mitglieder von administrativen Aufgaben“. All dies sind Bereiche, die ein Verband typischer Weise als Interessenvertretung seiner Mitglieder wahrnimmt und die ihn deutlich von einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft unterscheiden.
In die wissenschaftliche Richtung weist allein die Zweckbestimmung „Erarbeitung eines Aus-, Weiter- und Fortbildungskatalogs sowie ggf. Durchführung von Veranstaltungen zur Intensivierung einer Aus-, Weiter- und Fortbildung insbesondere in der Augenchirurgie mit dem Ziel einer möglichst raschen Weitergabe und Umsetzung neuer Erkenntnisse und Erfahrungen, Formulierung und Festlegung von Qualitätsstandards in der Augenchirurgie, Förderung der Forschung und wissenschaftlicher Veranstaltungen, Herausgabe eigener Publikationen“. In Bezug zu den berufsverbandlichen Zwecken erscheint dieser Passus aber eher untergeordnet und keinesfalls dominant. Zugleich war bei Erlass des Widerspruchsbescheides tatsächlich nichts ersichtlich für die Durchführung der genannten Veranstaltungen oder die Herausgabe eigener Publikationen gerade durch den Kläger.
Auch sonstige Veröffentlichungen unterstreichen den Charakter des Klägers als Berufsverband. Der Kläger bezeichnet sich auf seinem Imageflyer selbst als „Interessenvertretung der Augenoperateure“. Weiter heißt es in dem Flyer: „Für uns als Bundesverband sind die Ziele klar: Wir vertreten konsequent die Interessen der Patienten und unserer Mitglieder, kommunizieren diese nach außen und etablieren den BDOC fest im Vertragswettbewerb.“ Auf der Internetseite des Klägers heißt es noch heute an zentraler Stelle: „Der BDOC vertritt die operierenden Augenärzte in der Öffentlichkeit, der Politik, gegenüber Krankenkassen und ärztlichen Selbstverwaltungsinstitutionen.“
Konkret messbare fachwissenschaftliche Aktivitäten schließlich sind nicht aktenkundig. Hierzu gehörte etwa die Beteiligung des Klägers an der Erstellung einer Behandlungsleitlinie oder die Herausgabe von Behandlungsempfehlungen.
Der Vergleich zu (echten) wissenschaftlichen Fachgesellschaften untermauert die Einordnung des Klägers als Berufsverband. So lässt etwa die Internetseite der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (http://www.dog.org) keinen Zweifel an deren primär fachwissenschaftlicher Ausrichtung:
„Die DOG ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für Augenheilkunde in Deutschland. Sie vereint unter ihrem Dach mehr als 7.000 Ärzte und Wissenschaftler, die augenheilkundlich forschen, untersuchen und behandeln.Wesentliches Anliegen der DOG ist es, die Forschung in der Augenheilkunde zu fördern: Sie unterstützt wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und gibt wissenschaftliche Fachzeitschriften heraus. Darüber hinaus setzt sich die DOG für den wissenschaftlichen Nachwuchs in der Augenheilkunde ein, indem sie zum Beispiel Stipendien vor allem für junge Forscher vergibt.Gegründet im Jahr 1857 in Heidelberg, ist die DOG die älteste augenärztliche Fachgesellschaft der Welt und die älteste fachärztliche Gesellschaft Deutschlands.“
Der primär berufsverbandliche Charakter des Klägers tritt im Lichte dieser zum Vergleich gewählten Formulierungen umso klarer zutage.
2. Vertrauensschutz steht der Rücknahme des Bescheides vom 25. Juli 2012 nicht entgegen (§ 45 Abs. 2 SGB X). Ein etwaiges Vertrauen des Klägers auf den Bestand des Bescheides vom 24. Juli 2012 ist unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an der Rücknahme nicht schutzwürdig (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X). Auf Seiten des Klägers sind keine Aspekte vorgebracht oder sonst erkennbar, die über das bloße Begehren hinausgehen, zum Kreis der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach § 92 Abs. 7d Satz 1 SGB V zu gehören. Umgekehrt besteht ein messbares öffentliches Interesse daran, das Stellungnahmeverfahren ausschließlich mit wissenschaftlichen Fachgesellschaften zu praktizieren und nicht auch (rechtswidrig) mit primär berufsverbandlich tätigen Verbänden wie dem Kläger. Das Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände überwiegt daher deutlich das Vertrauen des Klägers am Fortbestand seiner rechtswidrigen Listung.
3. Eingehalten ist auch die Voraussetzung aus § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X, wonach ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann. Der Rücknahmebescheid vom 17. Juli 2014 erging vor Ablauf von zwei Jahren nach der Bekanntgabe des Bescheides vom 24. Juli 2012.
4. Ermessensfehler schließlich liegen nicht vor. Der Beklagte hat das ihm zustehende Ermessen erkannt und es in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Insbesondere ist nichts für eine Unverhältnismäßigkeit des Rücknahmebescheides vom 24. Juli 2012 ersichtlich. Offen bleiben kann, ob der Beklagte den Kläger insoweit ungleich behandelt, als er bei ihm deutlich strengere Maßstäbe für die Listung nach § 92 Abs. 7d Satz 1 SGB V anlegt als bei anderen Verbänden. Denn zum einen sind die bei dem Kläger angelegten Maßstäbe rechtmäßig und entsprechen dem Grundgedanken des Gesetzes, nur primär wissenschaftlich tätigen Organisationen ein Stellungnahmerecht einzuräumen; zum anderen kann eine Gleichbehandlung im Unrecht grundsätzlich nicht beansprucht werden (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur Beschluss vom 17. Januar 1979, 1 BvL 25/77, zitiert nach juris, dort Rdnr. 59; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Dezember 2014, L 7 KA 79/12 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 79). Auch ist im Rahmen der stets vorzunehmenden Willkürkontrolle nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes mit Blick auf die sonst gelisteten Organisationen nicht erkennbar, dass der Beklagte allein zu Lasten des Klägers verschärfte Prüfungsmaßstäbe angelegt hat. Im Gegenteil gibt es bei den 23 anderen auf der Grundlage des Beschlusses des Beklagten vom 21. Juni 2012 zusammen mit dem Kläger gelisteten Organisationen durchweg klare Anhaltspunkte für dauerhafte fachwissenschaftliche Aktivitäten, während bei dem Kläger irrtümlich davon ausgegangen wurde, er zeichne verantwortlich für die Durchführung des jährlichen Ophthalmologenkongresses.
IV. Selbst wenn der Senat die Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheides vom 24. Juli 2012 und damit die Anwendbarkeit von § 45 Abs. 1 SGB X offen lässt, findet der angefochtene Aufhebungsbescheid eine taugliche Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. So liegt es hier. Die Entscheidung über die Einbeziehung des Klägers in den Kreis der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften nach § 92 Abs. 7d Satz 1 SGB V ist ohne Zweifel ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. In den rechtlichen Verhältnissen ist insoweit eine Änderung eingetreten, als der Beklagte durch Beschluss vom 23. Januar 2014 rechtlich beanstandungsfrei § 9 Abs. 6 Satz 2 des ersten Kapitels seiner Verfahrensordnung um Halbsatz 2 erweitert hat, der die Anerkennung als stellungnahmeberechtigte wissenschaftliche Fachgesellschaft nun den strengeren Kriterien der Anlage III unterwirft. Diese erfüllt der Kläger mit Sicherheit nicht, was nach obigen Ausführungen hier keiner weiteren Begründung bedarf. Soweit der Kläger im Jahre 2015 seine Satzung ergänzt und die Herausgeberschaft der Onlinepublikation „GMS Ophthalmology Cases“ förmlich übernommen hat, muss dies derzeit ohne Auswirkung bleiben, denn die Anlage III fordert u.a. „eine mindestens dreijährige wissenschaftliche Aktivität“, die im Übrigen durch eine Satzungsbestimmung allein nicht belegt ist.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.