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Entscheidung 3 O 86/13


Metadaten

Gericht LG Potsdam 3. Zivilkammer Entscheidungsdatum 21.05.2014
Aktenzeichen 3 O 86/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 190.376,68 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.11.2012 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 387,90 € außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Klägerin hat die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Frankfurt/Oder entstandenen Mehrkosten zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Frankfurt/Oder zum Aktenzeichen 12 OH 13/10 hat die Beklagte zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Erstattung von Kosten für die Erneuerung einer 400m-Kunststofflaufbahn.

Die Beklagte verkaufte an die Klägerin 1.400 t Recyclingmaterial für die Neuanlage der Kunststofflaufbahn einer Sportstätte in Sch., B...straße 8. Das dazugehörige Angebot der Beklagten enthielt die Materialbeschreibung „Betonrecycling RCT 0 - 32 mm DIN 18035“ für 9,90 €/t (Anlage B 1, Bl. 375 d.A.). Das Recyclingmaterial ließ die Beklagte von ihrer Zulieferin, der E. Industrie GmbH, herstellen und direkt zur Baustelle liefern. Nach der Anlieferung am 20./23.06.2008 wurde das Material unmittelbar verbaut. Die Lieferscheine (Anlage K 1, Bl. 22-46 d.A.) enthalten die Bezeichnung: „Artikel 34220001, RCT 0/32 für Sportplätze“. Die anschließend erstellten Rechnungen der Beklagten vom 14.07.2008, 01.07.2008 und 31.07.2008 (Anlage K 2, Bl. 47 ff. d.A.) enthalten ebenfalls die Artikel-Bezeichnung „RCT 0/32 f. Sportplätze“.

Für die RC-Sportplatztragschicht 0/32 wurde im Auftrag der E. Industrie GmbH am 25.05.2007 eine Eignungsprüfung (Nr. 703002-1) durch die Asphalta Prüf- und Forschungslaboratorium GmbH erstellt. Es wurde der Baustoff auf seine Eignung als ungebundene Tragschicht für den Sportplatzbau untersucht. Bewertungsgrundlagen waren die DIN 18 035 „Sportplätze“ Teil 5: Tennenflächen, die DIN V 18 035-6 – „Sportplätze“ Teil 6: Kunststoffflächen, die DIN V 18 035-7 – „Sportplätze“ Teil 7: Kunststoffrasenflächen und die Brandenburgischen Technischen Richtlinien BTR RC-StB Ausgabe 2004 (Bl. 251 ff. d.A.). Hinsichtlich der Einzelheiten der stofflichen Zusammensetzung des Materials wird auf die Anlage K 3 (Bl. 51 ff. d.A.) Bezug genommen.

Im Jahr 2009 zeigte die Gemeinde Sch. bei der Klägerin erstmalig punktuelle Verwerfungen der Kunststofflaufbahn an. Mit Schreiben vom 27.03.2010 erhielt die Klägerin eine Mängelrüge, in der mittlerweile sehr starke Verwerfungen der gesamten Oberfläche der Kunststofflaufahn gerügt wurden (Anlage K 4, Bl. 59 f. d.A.). Zur Ursachenermittlung beauftragte die Klägerin den Sachverständigen G. A. mit der Untersuchung des Sportplatzes. Nach seinem Gutachten vom 18.06.2010 (Anlage K 5, Bl. 61 ff. d.A.) ist Ursache der Verwerfungen die stoffliche Zusammensetzung des Materials, welches Wasser speichere. Auf die dortigen Feststellungen wird Bezug genommen.

Unter dem 24.06.2010 wurde die Beklagte aufgefordert, bis zum 08.07.2010 zur Schadensregulierung Stellung zu nehmen (Anlage K 23, Bl. 224 d.A.). Die Beklagte formulierte ihre Antwort mit Schreiben vom 22.07.2010 wie folgt: „Aus den uns vorliegenden Unterlagen, insbesondere das Schreiben ihrer Mandantschaft vom 24.06.2010 und dem vorgelegten Privatgutachten des Herrn G. A. vom 18.06.2010, das in Abwesenheit unserer Mandantschaft vorbereitet und erstellt wurde, ist ein Schadensersatzanspruch gegen unsere Mandantin nicht ersichtlich. […] Der guten Ordnung halber weisen wir darauf hin, dass das Material des Herstellers, der E. Industrie GmbH Werk Berlin, der Eigenüberwachung unterliegt und entsprechende Eignungsprüfungen der AS. Prüf- und Forschungslaboratorium GmbH vorliegen. […] Von daher sind diesseits keine haftungsbegründenden Ansprüche Ihrer Mandantschaft zu erkennen, so dass der dem Grunde nach geltend gemachte Schadensersatzanspruch zurückgewiesen wird“ (Anlage K 6, Bl. 89 f. d.A.).

Das unter dem 29.07.2010 erstellte Ergänzungsgutachten des Sachverständigen A. (Anlage K 7, Bl. 91 ff.) enthält folgende Feststellungen: „Die durchgeführten Untersuchungen ergänzen die Ergebnisse aus meinem Gutachten vom 18. Juni 2010 und bestätigen die Beurteilung, dass die Aufwölbungen in der Laufbahn der Sportanlage in Sch. auf Ettringit-, Thaumasit- und Gipsbildungen im Recyclingbaustoff für die ungebundene Tragschicht zurückzuführen sind. Zusammenfassend kann nach den vorliegenden Ergebnissen festgestellt werden, dass die stoffspezifische Zusammensetzung des Recyclingbaustoffes aus der ungebundenen Tragschicht der Laufbahn in Sch. von der stofflichen Zusammensetzung des in der Eignungsprüfung untersuchten Recyclingbaustoffes signifikant abweicht. Der in der Laufbahn in Sch. eingebaute Recyclingbaustoff ist nach DIN V 18 035, Teil 6, als ungebundene Tragschicht nicht geeignet.“

In dem sodann von dem Landgericht Frankfurt/Oder durchgeführten selbständigen Beweisverfahren unter dem Aktenzeichen 12 OH 13/10 kam auch der Gutachter Dipl.-Ing. R. L. zu dem Ergebnis, dass das gelieferte Material nicht mit dem bestellten übereinstimmte und insbesondere nicht der Eignungsprüfung Nr. 7032002-1 entsprach.

Mit Schreiben vom 13.09.2012 forderte die Klägerin die Beklagte vergeblich zur Erstattung der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens und der sonstigen Schadenspositionen auf (Anlage K 9).

Nunmehr macht die Klägerin mit ihrer Klage Schadensersatz in Höhe von 196.083,78 €, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 387,90 € sowie – über das Kostenfestsetzungsverfahren – die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zum Aktenzeichen 12 OH 13/10 geltend. Der Klageantrag zu 1) berechnet sich dabei wie folgt:

Außergerichtliche Gutachterkosten

        

2.260 €

        

Anlage K 10

Neues Baumaterial

        

25.937,85 €

        

Anlage K 11

Prüfung Verwertbarkeit Baurestmengen

        

452,60 €

        

Anlage K 12

Entsorgung Bauschutt

        

18.910,04 €

        

Anlage K 13

Frachtkosten

        

1.720,40 €

        

Anlage K 14

Neuerstellung Tartanlaufbahn durch Subunternehmer Polytan

        

124.154,63 €

        

Anlage K 15

Umsetzung eigene Baumaschinen

        

1.400 €

        

Anlage K 16

Anmietung weiterer Baumaschinen

        

6.765,22 €

        

Anlage K 17

Anmietung eines Graders

        

1.009,25 €

        

Anlage K 18

5 dynamische Plattendruckversuche

        

165,00 €

        

Anlage K 19

Personalkosten 412,50 Stunden

        

13.308,79 €

        

Anlagen K 20-22

                

= 196.083,78 €

                

Auf der Internetseite der Beklagten befindet sich ausweislich der Anlage K 26 (Bl. 228 d.A.) folgende Formulierung: „Neben der Herstellung von Baustoffen ist der Baustoffhandel ein wichtiges Betätigungsfeld unserer Firma“.

Die Klägerin ist der Meinung, dass sich die Beklagte das Verschulden der E. Industrie GmbH gem. § 278 BGB zurechnen lassen müsse, da sie sich letzterer als Erfüllungsgehilfin bedient hätte. Bei der Beklagten handele es sich ausweislich der Internetpräsentation um eine Baustoffherstellerin und -händlerin; wer konkret Hersteller des bestellten Materials sei, könne sie nicht erkennen. Im Übrigen treffe die Beklagte auch eigenes Verschulden, da sie aufgrund der Bedeutsamkeit des Materials Stichproben hätte nehmen müssen.

Die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens und die Entstehung der damit verbundenen Kosten sei erst durch die Ablehnung jeglicher Haftung durch die Beklagte erforderlich geworden.

Die Klägerin beantragt,

1.die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 196.083,78 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2.die Beklagte weiter zu verurteilen, der Klägerin 387,90 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu erstatten,
3.der Beklagten die Kosten des Verfahrens inklusive der Kosten des Beweissicherungsverfahrens zu dem Aktenzeichen 12 OH 13/12 aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass Gegenstand des Unternehmens der Handel mit und der Import sowie Export von Baustoffen aller Art sei (Anlage B 2), nicht jedoch die Herstellung von Betonrecyclingmaterial für Sportplätze.

Sie ist der Ansicht, dass die Klägerin Recyclingmaterial RCT 0/32 ohne genaue Spezifizierung in Auftrag gegeben habe. Es sei kein Material bestellt worden, das der DIN 18035 oder der Eignungsprüfung Nr. 703002-1 entspreche. Ohnehin schulde der Verkäufer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich die Nachlieferung einer mangelfreien Sache, nicht aber auch die Ein- und Ausbaukosten. Darüber hinaus fehle es an den Voraussetzungen des § 440 BGB; die Klägerin habe die Beklagte zur Beseitigung des Mangels unter Fristsetzung oder zur Lieferung einer mangelfreien Sache auffordern müssen. Außerdem gelte die Ware gem. § 377 HGB als genehmigt, da die Klägerin ihrer Prüfpflicht nicht nachgekommen sei; sie habe vor dem Einbau eine Probe des angelieferten Materials entnehmen müssen. Eine Zurechnung des Verschuldens der E. Industrie GmbH erfolge nicht, da im Rahmen eines Kaufvertrages der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers sei.

Hinsichtlich der Höhe der Forderung seien die Gutachterkosten mangels Erforderlichkeit nicht ersatzfähig gewesen, da ohnehin ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet werden sollte. Darüber hinaus müsse sich die Klägerin Sowieso-Kosten in Höhe der Preisdifferenz anrechnen lassen, da sie beim Neubau der Laufbahn ein teureres Material im Vergleich zum ursprünglich gelieferten Material verwendet habe. Auch werde die Erforderlichkeit der Arbeiten und die Ortsüblichkeit der Vergütung bestritten.

Die Klägerin hat vor dem Klageverfahren zunächst ein Mahnverfahren eingeleitet. Der in diesem Verfahren erwirkte Mahnbescheid ist der Beklagten am 20.11.2012 zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Klageantrag zu 1) in Höhe von 190.376,68 € resultiert aus einem Nacherfüllungsanspruch gem. § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB (I.) sowie aus einem Schadensersatzanspruch gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB (II.). Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus dem Klageantrag zu 2) waren ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zuzusprechen.

I.

In Höhe von 20.230,75 € steht der Klägerin ein Nacherfüllungsanspruch gem. § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB zu.

1. Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag über das Material RCT 0/32 für Sportplätze zu einem Preis von 9,90 € netto zustande gekommen. Dies ergibt sich aus den Lieferbescheinigungen und auch aus den von der Beklagten gestellten Rechnungen. Vertragsinhalt wurde auch die Eignungsprüfung Nr. 703002-1 vom 25.05.2007. Dies ergibt die Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages, §§ 133, 157 BGB.

Bei der Auslegung ist der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin an die Beklagte herangetreten, um geeignetes Material für den Bau einer Kunststofflaufbahn zu erwerben. Auf diese Anfrage hin wurde der Klägerin das „Betonrecycling RCT 0 - 32 mm DIN 18035“ vorgeschlagen. Der Klägerin ging es dabei maßgeblich darum, Material einzubauen, welches für den Sportplatzbau geeignet ist. Dies war der Beklagten auch bewusst. Zur Sicherstellung der Qualität des eigenen Materials hat die E. Industrie GmbH als Herstellerin auch eigens eine Eignungsprüfung in Auftrag gegeben. Die Klägerin konnte insofern insgesamt erwarten, dass diese eigens gesetzten Maßstäbe bei der Lieferung des von ihr bestellten Materials – wenn auch mit geringen Abweichungen – eingehalten werden. Eine der Eignungsprüfung entsprechende stoffliche Zusammensetzung ist als zwischen den Parteien vereinbart anzusehen. Nicht dagegen entsprach es dem subjektiven Willen der Klägerin oder einer objektiven Auslegung der Vereinbarung, das Produkt RCT 0/32 ohne genauere Spezifizierung zu erwerben. Die Beschaffenheit des Produkts war vielmehr – für beide Seiten erkennbar – für das Gelingen des Projekts maßgebend und ist damit als vereinbart anzusehen.

2. Das gelieferte Material war bei Gefahrübergang auch mangelhaft im Sinne von § 434 BGB. Nicht nur weicht es von der vereinbarten Eigenschaft ab (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB); es eignet sich im Übrigen – subsidiär – auch nicht zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB).

Der Sachverständige A. hat in seinem Privatgutachten vom 18. Juni 2010 ausgeführt, dass die Aufwölbungen auf eine stoffliche Zusammensetzung zurückzuführen sind, die von der der Eignungsprüfung zugrunde gelegten Zusammensetzung signifikant abweicht. Er hat den in der Laufbahn in Sch. eingebauten Recyclingbaustoff nach DIN V 18 035 (Teil 6) als nicht geeignet eingestuft. Zu demselben Ergebnis kommt das Sachverständigengutachten in dem vor dem Landgericht Frankfurt/Oder geführten selbständigen Beweisverfahren zum Aktenzeichen 12 OH 13/12. Inhaltlich wurden beide Gutachten seitens der Beklagten im hiesigen Verfahren nicht mehr angegriffen.

Dass es sich nach den Beklagtenvortrag bei der DIN 18035 nicht um eine Norm, sondern lediglich um eine Richtlinie ohne unmittelbare Bindungswirkung handelt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Selbst nach dem eigenen Vortrag der Beklagten wurde Betonrecycling RCT-0-32 mm DIN 18035 vereinbart. Auch die Anforderungen nach Teil 6 der DIN 18035 sind damit zum Vertragsbestandteil geworden; und eben diese wurden vorliegend nicht eingehalten.

Im Übrigen fehlt dem gelieferten Material auch die generelle Eignung für die Verwendung im Sportplatzbau (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB). Aufgrund der tatsächlichen stofflichen Zusammensetzung des gelieferten Materials nahm dieses Wasser auf. Die daraus resultierenden Verwerfungen machen das Material für die Verwendung im Sportplatzbau ungeeignet.

3. Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen des § 440 BGB vor. Sollte in dem Schreiben vom 24.06.2010, in dem die Beklagte aufgefordert wurde, „bis zum 08.07.2010 zur Schadensregulierung Stellung zu nehmen“, nicht bereits eine wirksame Fristsetzung gesehen werden, war eine solche jedenfalls mit Blick auf § 281 Abs. 2 BGB aufgrund ernsthafter und endgültiger Erfüllungsverweigerung entbehrlich. Die Beklagte hat nach Vorlage des Gutachtens mit Schreiben vom 22.07.2010 jegliche Ansprüche dem Grunde nach eindeutig abgelehnt. Hierin ist eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung zu sehen. Die Klägerin konnte dieses Schreiben als letztes Wort der Beklagten verstehen.

4. Der Nacherfüllungsanspruch ist mangels Erkennbarkeit des Mangels auch nicht aufgrund der Genehmigungsfiktion des § 377 HGB ausgeschlossen. Nach § 377 Abs. 1 HGB hat der Käufer bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft die Ware unmittelbar nach Ablieferung zu untersuchen, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen. Unterlässt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware nach § 377 Abs. 2 HGB als genehmigt, es sei denn, dass es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war. Eine derartige Erkennbarkeit kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden. Die Prüfpflicht der Klägerin erstreckt sich nicht auf eine Probeentnahme mit dem Zweck der Ermittlung der stofflichen Zusammensetzung. Es kann bei schnell einzubauendem Material regelmäßig nur die Kontrolle des angelieferten Materials auf dem Lieferschein sowie eine Sichtkontrolle stattfinden. Anderweitige Kontrollpflichten würden den Pflichtenkreis des Käufers überspannen. Eine Untersuchung der stofflichen Zusammensetzung ist im ordnungsgemäßen Geschäftsgang untunlich.

Nach Kenntniserlangung vom Mangel hat sich die Klägerin dann unmittelbar mit der Beklagten in Verbindung gesetzt, § 377 Abs. 3 HGB.

5. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs sind im Rahmen des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB 20.230,75 € ersatzfähig.

Unter den Nacherfüllungsanspruch fallen lediglich die Kosten für die Neulieferung des Materials. Dagegen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Ein- und Ausbaukosten bei einem Kaufvertrag zwischen Unternehmern – anders als bei einem Verbrauchsgüterkauf – nicht vom Anspruch der Nacherfüllung erfasst (BGH, Urteil vom 02.04.2014, VIII ZR 46/13). Die richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB („Lieferung einer mangelfreien Sache“) ist auf den Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) beschränkt und erstreckt sich nicht auf Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern (BGH, Urteil vom 17.10.2012, VIII ZR 226/11, Rn. 17).

Mit der Anlage K 11 wurden die Kosten für die Lieferung des Materials mit 25.937,85 € in Ansatz gebracht. Hiervon sind lediglich 20.230,75 € ersatzfähig. In Höhe von 5.707,10 € muss sich die Klägerin Sowieso-Kosten anrechnen lassen. Das ursprünglich bestellte Material RCT 0/32 für Sportplätze hatte einen Preis von 9,90 €/t. Nach dem Schadensfall wurde ein anderes Material – nämlich eine Schottertragschicht 0/32mm – zu einem Preis von 13,40 €/t eingebaut (Bl. 106 d.A.). Der Preisunterschied von 3,50 €/t ist von der Klageforderung in Abzug zu bringen. Bei einer Neulieferung von 1.630,60 t bedeutet dies einen Abschlag auf die Klageforderung von 5.707,10 € (1.630,6 t x 13,40 - 1.630,6 t x 9,90).

II.

In Höhe von 170.145,93 € nebst den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt der mit der Klage geltend gemachte Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB.

1. Neben den deckungsgleichen Voraussetzungen des Nacherfüllungsanspruchs ist im Rahmen des Schadensersatzanspruches darüber hinaus ein Verschulden erforderlich. Dieses liegt hier vor. Die Beklagte hat die Pflichtverletzung (§§ 280 I, 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu vertreten (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Eigenes Verschulden fällt der Beklagten nicht zu Last. Die Beklagte konnte die abweichende stoffliche Zusammensetzung des gelieferten Materials nicht erkennen. Auch kann in diesem Zusammenhang keine eigene Prüfpflicht angenommen werden, weil der verkaufte Stoff „schwierig“ ist und Mängel zu erheblichen Schäden führen können. Eine derartige Aussage trifft das von der Klägerin in Bezug genommene Urteil des BGH vom 15.07.2008 – VIII ZR 211/07 nicht. Außerdem würde eine derartige Auslegung den Pflichtenkreis des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB überspannen. Bedient sich der Verkäufer sowohl zur Herstellung als auch zur Lieferung der Kaufsache Dritter, erstreckt sich der Pflichtenkreis nicht auf die Kontrolle der Produktion. Der Aufwand für eine Untersuchung ist, wenn sie mit Mitteln des Verkäufers überhaupt möglich ist, so hoch, dass der Verkehr dies nicht erwarten will (Weller, NJW 2012, 2312, 2314).

Allerdings muss sich die Beklagte das Verschulden der E. Industrie GmbH gem. § 278 BGB zurechnen lassen, da diese insoweit als Erfüllungsgehilfin tätig geworden ist. Im Ausgangspunkt soll beim Kaufvertrag der Hersteller im Verhältnis zum Käufer nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers sein, da sich dessen Pflichtenkreis nicht auf die Herstellung der Sache erstreckt (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 15.07.2008, VIII ZR 211/07, Rn. 29). Da der Verkauf regelmäßig erst nach Fertigstellung des Produkts erfolge, könne der Hersteller nicht mehr in die Erfüllung der erst später entstandenen Verbindlichkeiten des Verkäufers eingeschaltet werden. Dieses Ergebnis ist allerdings bereits im Ausgangspunkt zweifelhaft. Die Schuld des Verkäufers beinhaltet nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB nämlich weiterhin die Verschaffung des Kaufgegenstandes frei von Sachmängeln. Ob der Verkäufer dieser Verschaffungspflicht durch eigene Herstellung nachkommt oder sich den Kaufgegenstand anderweitig verschafft, bleibt grundsätzlich ihm überlassen. Die Mängelfreiheit als Hauptleistungspflicht ist aber weiterhin durch den Verkäufer zu erfüllen. Insofern kann es nicht darauf ankommen, ob der Verkäufer in der Lage ist, die Schlechtleistung zu kontrollieren (vgl. Weller, NJW 2012, 2312, 2315). Er ist Schuldner der Hauptleistungspflicht.

Noch weniger kann eine Zurechnung fremden Verschuldens kategorisch ausscheiden, wenn der Verkäufer selbst Hersteller ist oder als solcher auftritt (vgl. Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 806). Der Hersteller kann sich nämlich auch schon vor Kaufvertragsabschluss die Vorteile der Arbeitsteilung durch den Einsatz Dritter zunutze machen. Es führte zu reinen Zufallsergebnissen, wenn es für die Frage der Zurechnung nach § 278 BGB darauf ankäme, ob das Produkt zeitlich vor oder nach Kaufvertragsschluss hergestellt wurde. Ist der Verkäufer selbst Hersteller oder tritt er als solcher auf, muss er sich das Verschulden seiner Hilfsperson zurechnen lassen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 278 Rn. 13; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 806; vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.02.1997, 11 U 31/96, juris Rn. 32 ff. sowie BGH, Urt. v. 05.04.1979, VII ZR 162/78, juris Rn. 10). Er tritt in diesem Fall nämlich nicht nur als „Verteiler“ der Ware auf, sondern besitzt ebenfalls Fachkunde auf dem Gebiet der Herstellung.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein großes Unternehmen, das auf dem Gebiet der Baustoffe tätig ist. Ob Gegenstand des Unternehmens tatsächlich nur der Handel mit und der Import sowie Export von Baustoffen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist die Beklagte im Internet ausweislich der Anlage K 26 (Bl. 228 d.A.) auch als Herstellerin von Baustoffen aufgetreten. Für den Käufer ist in diesem Zusammenhang nicht erkennbar, welche konkreten Materialien selbst hergestellt werden und welche Produktion Fremdfirmen überlassen wird. Die Beklagte ist insoweit nicht nur als Verteilerin tätig geworden; sie hat sich vielmehr der Hilfe Dritter bedient und muss sich dieses Verschulden zurechnen lassen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte für die Mängelfreiheit des Kaufgegenstands – unabhängig von der Produktion der Ware – einzustehen hat.

2. Im Rahmen von § 249 BGB sind die in der folgenden Aufstellung geltend gemachten Positionen sowie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ersatzfähig.

Die Summe aus den einzelnen Positionen errechnet sich wie folgt:

Außergerichtliche Gutachterkosten

        

2.260 €

Prüfung Verwertbarkeit Baurestmengen

        

452,60 €

Entsorgung Bauschutt

        

18.910,04 €

Frachtkosten

        

1.720,40 €

Neuerstellung Tartanlaufbahn durch Subunternehmer Polytan

        

124.154,63 €

Umsetzung eigene Baumaschinen

        

1.400 €

Anmietung weiterer Baumaschinen

        

6.765,22 €

Anmietung eines Graders

        

1.009,25 €

5 dynamische Plattendruckversuche

        

165,00 €

Personalkosten 412,50 Stunden

        

13.308,79 €

                

= 170.145,93 €

An einer Ersatzfähigkeit der Gutachterkosten bestehen auch im Hinblick auf das in der Folge durchgeführte selbständige Beweisverfahren keine Zweifel. Es ist allgemein anerkannt, dass die Kosten der Einholung eines Gutachtens über den Schadensumfang, von Bagatellschäden abgesehen, im Rahmen des § 249 BGB in der Regel zu ersetzen sind. Die Kosten der Schadensfeststellung sind Teil des zu ersetzenden Schadens. Die Einholung des Gutachtens war insbesondere für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung erforderlich. Vor Einholung des Privatgutachtens war die Ursache für die Verwerfungen nämlich nicht bekannt. Ohne Feststellung der Schadensursache war für die Klägerin eine zweckentsprechende Verfolgung ihrer Rechte nicht möglich.

Soweit sich die Beklagte hinsichtlich der übrigen Schadenspositionen auf die fehlende Ortsüblichkeit und Erforderlichkeit der Arbeiten beruft, war dieser Einwand nicht zu berücksichtigen. Es handelt sich insofern um einen Mitverschuldenseinwand, da Folge eines derartigen Einwands nicht die Streichung der Schadensposition, sondern nur eine um das Kriterium der Ortsüblichkeit bzw. Erforderlichkeit geminderte Schadensposition sein kann. Insofern liegt die Beweislast bei der Beklagten. Das schlichte Bestreiten der Ortsüblichkeit und Erforderlichkeit der Arbeiten ist für die in der Branche tätige Beklagte nicht ausreichend, um die Klageforderung erfolgreich anzugreifen.

Die mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind ebenfalls ersatzfähig. Die Ersatzpflicht nach § 249 BGB erstreckt sich auch auf die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruches verursachten Kosten. Anwaltskosten werden in diesem Zusammenhang regelmäßig ersetzt, wenn die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig war. Dies ist hier der Fall und im Übrigen auch nicht von der Beklagten angegriffen worden.

III.

Die Zinsforderung hinsichtlich des Klageantrags zu 1) ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB. In diesem Zusammenhang war der Zinsantrag dahingehend auszulegen, dass nicht 8 % Zinsen, sondern 8 Prozentpunkte Zinsen gefordert werden. In der Praxis werden die Begrifflichkeiten oft synonym verwendet. Zweifel an der hier gemeinten Antragstellung kommen nicht ernsthaft in Frage (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 05.04.2005, 21 U 149/04). Für den Beginn der Zinsforderung ist auf den Tag nach der Zustellung des Mahnbescheids, an dem die Streitsache als rechtshängig geworden gilt, abzustellen, §§ 696 Abs. 3 ZPO, 187, 188 BGB.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreites folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Klägerin hat die durch die Anrufung des Landgerichts Frankfurt/Oder entstandenen Mehrkosten zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und 2 ZPO.