Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 02.09.2011 | |
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Aktenzeichen | 6 Sa 1225/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 75 Abs 1 BetrVG, § 112 Abs 1 S 2 BetrVG, § 397 BGB |
Es stellt keine Benachteiligung wegen des Alters i.S.d. § 75 Abs. 1 BetrVG dar, wenn älteren Arbeitnehmern, deren wirtschaftliche Nachteile in Folge vorzeitiger Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch eine Sonderregelung weitgehend ausgeglichen werden, eine sog. Sprinterprämie versagt wird, die einem sonstigen Arbeitnehmer bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages bis zu einem bestimmten Termin gezahlt wird.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 26.04.2011– 34 Ca 19842/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der am …… 1952 geborene Kläger stand seit dem 1. April 1986 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, das durch eine Aufhebungsvereinbarung vom 7. Juli 2010 (Abl. Bl. 7–10 d. A.) zum 31. Oktober 2010 beendet wurde. Diese Vereinbarung sah auf der Grundlage einer Sonderregelung für ältere Mitarbeiter gemäß einem Sozialplan vom 18. November 2009 (SozPl; Abl. Bl. 18–25R d. A.) eine Abfindung für den Kläger in Höhe von 277 T€ brutto vor.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger eine zusätzliche Abfindung in Höhe von fünf Bruttomonatsgehältern als sog. Sprinterprämie. Außerdem verlangt er auf der Grundlage einer Gesamtbetriebsvereinbarung vom 21. März 2003 (Abl. Bl. 59–64 d. A.) Zahlung eines Zielbonus für 2010 in Höhe von 10/12 des unter dem 7. Dezember 2009 / 5. Januar 2010 für die Zeit ab 1. Dezember 2009 festgelegten Betrages in Höhe von 7.550 € brutto (Abl. Bl. 26 d. A.).
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die systematische Auslegung des Sozialplans ergebe, dass die Sprinterprämie nicht an ältere Mitarbeiter mit Anspruch auf frühestmögliche Altersrente innerhalb von 72 Monaten nach ihrem Austritt habe gezahlt werden sollen, für die gerade eine Sonderregelung getroffen sei. Darin liege auch keine Diskriminierung, weil die Intentionen der Betriebspartner legitim sei, bei älteren Arbeitnehmern lediglich die materiellen Verluste zwischen Arbeitseinkommen und staatlichen Unterstützungsleistungen bis zur Altersrente auszugleichen.
Einen Bonus für 2010 könne der Kläger ebenfalls nicht verlangen, weil sich der geltend gemachte Betrag auf die Zielvereinbarung des Jahres 2009 beziehe und der Kläger eine Berechnung für 2010 trotz zwischenzeitlicher Auskunftserteilung der Beklagten nicht vorgenommen habe.
Gegen dieses ihm am 16. Mai 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 15. Juni 2011 eingelegte und am 14. Juli 2011 begründete Berufung des Klägers. Er meint, die Regelung einer zusätzlichen Abfindung in § 10 SozPl knüpfe ihrem Wortlaut nach auch an die Regelung für ältere Arbeitnehmer in § 11 SozPl an. An keiner Stelle im Aufhebungsvertrag sei explizit vereinbart worden, dass diese Regelung keine Anwendung finden solle. Auch § 9 SozPl enthalte keinen Hinweis auf die Möglichkeit einer zusätzlichen Abfindung bei vorzeitigem Ausscheiden, was das Arbeitsgericht im Rahmen seiner systematischen Auslegung nicht berücksichtigt habe. Jedenfalls stelle eine unterschiedliche Behandlung älterer Mitarbeiter einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot dar, weil das Ziel der Sprinterprämie, relativ schnell Klarheit zu gewinnen, mit welchen Arbeitnehmern eine einvernehmliche Trennung möglich sei, statt zum Mittel der Kündigung greifen zu müssen, für ältere Mitarbeiter gleichermaßen zutreffe.
Ihm stehe für 2010 auch ein anteiliger Bonus zu. Nr. 1 Abs. 3 GBV sehe eine angemessene Beteiligung der Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens unter Berücksichtigung ihrer individuellen Ergebnisbeiträge vor, nicht dagegen eine Beteiligung an einem Misserfolg. Ein Zielerreichungsgrad von 29 % hinsichtlich der Performance der Gesamtbank könne den mit 50 % einzubringenden vollständig erfüllten Anteil „Qualitative Ziele/Verwaltungsaufwand“ nicht berühren. Auch habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihren AT-Mitarbeitern mit dem Gehalt für März 2011 eine Sonderzahlung für das Geschäftsjahr 2010 in Höhe eines halben Bruttomonatsgehaltes gewährt habe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen,
1. an ihn 34.606,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem 31.10.2010 zu zahlen,
2. ihm unter Beachtung der Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung „Bonus für AT-Mitarbeiter“ sowie unter Mitteilung sämtlicher Berechnungsgrundlagen Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die für das Jahr 2010 maßgeblichen Zielvorgaben in den drei Bereichen persönliche Zielerreichung, Bereichszielerreichung und Unternehmenszielerreichung erfüllt worden seien,
3. an ihn 10/12 eines nach Erledigung der vorhergehenden Stufe zu beziffernden Bonus für das Jahr 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt den Angriffen der Berufung im Einzelnen entgegen und verweist darauf, dass sich für den Kläger gem. § 9 SozPl zzgl. einer Sprinterprämie lediglich eine Abfindung in Höhe von 156 T€ errechnet hätte. Für eine Bonuszahlung seien angesichts eines Verlustes von 785 Mio. € in 2010 keine Mittel vorhanden gewesen. Mit der freiwilligen Sonderzahlung habe ausweislich ihrer Bekanntmachung die Betriebstreue der verbliebenen Mitarbeiter gefördert werden sollen, was zulässig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
1. Die Berufung ist bereits unzulässig, soweit der Kläger weiterhin im Wege der Stufenklage gem. § 254 ZPO Auskunft und Bonuszahlung verlangt. Insoweit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil, Auskunft sei inzwischen erteilt worden, ohne dass der Kläger seinen – über den bereits bezifferten Teil hinausgehenden – Zahlungsantrag beziffert hat (§§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 522 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG).
2. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
2.1 Der Kläger hat keinen Anspruch auf anteilige Bonuszahlung für 2010.
2.1.1 Nach Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 GBV ist die Höhe eines Bonus als variable Vergütungskomponente nicht nur von der persönlichen Zielerreichung, sondern auch von den Ergebnissen des jeweiligen Bereichs und des Unternehmens insgesamt abhängig. Dementsprechend gibt der Zielbonus nach Nr. 4 Abs. 1 Satz 2 GBV an, welchen Betrag die Mitarbeiter innerhalb eines Unternehmensbereichs als Bonus ausbezahlt bekommen, wenn sie den persönlich vereinbarten Zielerreichungsgrad in Bezug auf die Umsetzung der Jahresziele erreicht haben (Buchst. a) und der wirtschaftliche Erfolg den Performance-Festlegungen gem. Nr. 5 entspricht (Buchst. b). Beide Bedingungen müssen mithin kumulativ erfüllt sein. Bleibt ein wirtschaftlicher Erfolg aus, fehlt es an zu verteilenden Mitteln, wie dies in 2010 der Fall war, wo die Verluste auf 785 Mio. € gegenüber 515 Mio. € im Vorjahr sogar noch gestiegen sind. Damit stellt die Versagung einer Bonuszahlung entgegen der Ansicht des Klägers auch keine Beteiligung am Misserfolg des Unternehmens dar, sondern ergibt sich aus dem Ausbleiben eines Erfolgs, der es im Sprachgebrauch der Beklagten überhaupt erst ermöglicht hätte, den Bonustopf zu befüllen.
2.1.2 Auch der zulässigerweise als Hilfsklagegrund erhobene Anspruch auf Zahlung eines zeitanteiligen halben Monatseinkommens besteht nicht. Da die Beklagte diese Sonderzahlung entsprechend ihrer Bekanntmachung an ihre AT-Angestellten mit dem Gehalt für März 2011 erbracht hat, ohne hierzu verpflichtet zu sein, hätte sich für den Kläger ein entsprechender Anspruch allenfalls auf der Grundlage des gewohnheitsrechtlich anerkannten arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ergeben können. Dieser verbietet indessen nur die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen in vergleichbarer Lage. Arbeitnehmer, die zur Zeit der Leistung dem Unternehmen nicht mehr angehören, befinden sich jedoch nicht mehr in einer gleichen Situation wie ihre im Unternehmen verbliebenen Kollegen, deren Betriebstreue honoriert und die auch für die Zukunft zu einer engagierten Mitarbeit motiviert werden sollen (BAG, Urteil vom 14.02.2007 – 10 AZR 181/06 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 264 zu II 2 c aa der Gründe). Dass dies vorliegend Zweck der freiwilligen Sonderzahlung war, ist in der Bekanntmachung der Beklagten eindeutig zum Ausdruck gebracht worden.
2.2 Der Kläger kann keine sog. Sprinterprämie in Höhe von fünf Monatseinkommen beanspruchen.
2.2.1 § 10 SozPl fand mit seiner Regelung einer zusätzlichen Abfindung auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers keine Anwendung. Dies ergab sich nach den für Sozialpläne maßgebenden Grundsätzen der Auslegung von Gesetzen (dazu BAG, Beschluss vom 27.05.1982 – 6 ABR 105/79 – BAGE 39, 102 = AP ArbGG 1979 § 80 Nr. 3 zu III 3 b der Gründe) aus Wortlaut, Stellung und erkennbarem Sinn und Zweck der Regelung.
§ 10 SozPl sah die zusätzliche Abfindung lediglich für „Mitarbeiter“ vor, für die auch § 9 SozPl die Zahlung einer Abfindung regelt. Demgegenüber enthält erst der nachfolgende § 11 SozPl eine Regelung für „ältere Mitarbeiter“, die in ihrer Überschrift auch noch als Sonderregelung bezeichnet wird. Während mit dieser Sonderregelung die wirtschaftliche Sicherung älterer Mitarbeiter bis zum frühestmöglichen Bezug gesetzlicher Altersrente gesichert wird, laufen sonstige Mitarbeiter Gefahr, im Falle längerer Arbeitslosigkeit oder Erlangung einer schlechter vergüteten neuen Tätigkeit Verluste zu erleiden, die über die an sie zu zahlende Abfindung hinausgehen. Wenn diese Mitarbeiter sich nun auch noch innerhalb kürzerer Zeit entschließen sollten, einer Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses zuzustimmen, und dabei Gefahr liefen, ihre Situation am Arbeitsmarkt möglicherweise falsch einzuschätzen, musste eine zusätzliche Abfindung als Anreiz und Risikozuschlag aus Sicht der Beklagten als unverzichtbar erscheinen, um auf diese Weise mittels eines zusätzlichen Anreizes frühzeitig Planungssicherheit zu gewinnen. Dies trifft für ältere Arbeitnehmer dagegen nicht zu, denen ohnehin eine deutlich höhere, im Fall des Klägers ausweislich der für ihn angestellten Vergleichsberechnung sogar mehr als doppelt so hohe Abfindung zusteht und deren Zeiten der Arbeitslosigkeit damit vollständig wirtschaftlich gesichert werden. Für diese Mitarbeiter ergibt sich im Falle einer frühzeitigen Aufhebungsvereinbarung obendrein der Effekt, dass sie entsprechend länger Ausgleichsleistungen in Form einer höheren Abfindung erhalten, worin bereits eine verkappte Sprinterprämie zu sehen ist, wie sie attraktiver kaum hätte ausfallen können.
2.2.2 Die Versagung einer zusätzlichen Abfindung stellt aus den vorgenannten Gründen auch keine unzulässige Benachteiligung der älteren Mitarbeiter dar, die nach § 75 Abs. 1 BetrVG untersagt wäre. Vielmehr handelt es sich um eine Differenzierung, die zulässigerweise daran anknüpft, dass diese Mitarbeiter wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, ggf. nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind (§ 10 Abs. 3 Nr. 6 AGG; dazu BAG, Urteil vom 26.05.2009 – 1 AZR 198/08 – BAGE 131, 61 = AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 200 R 48 ff).
2.2.3 Zudem hätte der Kläger auf einen sich andernfalls ergebenden Anspruch auf Gleichbehandlung mit der unter Nr. 6 seiner Aufhebungsvereinbarung getroffenen Regelung, wonach mit Erfüllung der sich aus dieser Vereinbarung ergebenden Verpflichtungen alle seine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen Beendigung abgegolten sind, verzichtet oder ein dahingehendes negatives Schuldanerkenntnis abgegeben (§ 397 BGB). Während auf einen Anspruch aus dem Sozialplan selbst gem. §§ 77 Abs. 3 Satz 2, 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nur mit Zustimmung des Betriebsrates verzichtet werden kann, besteht für einen Anspruch auf Gleichbehandlung keine entsprechende Beschränkung. Auch eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB könnte darin nicht gesehen werden, weil dem Kläger durch sein früheres Ausscheiden ja ein Ausgleich in Form einer höheren Abfindung zugeflossen ist. Einer ausdrücklichen Regelung, dass § 10 SozPl keine Anwendung finden solle, bedurfte es entgegen der Ansicht des Klägers nicht.
3. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.
Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht erfüllt.