Gericht | FG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 14.05.2014 | |
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Aktenzeichen | 1 K 1287/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die gesonderte Feststellung eines vortragsfähigen Verlustes zum 31.12.2006 aus vorweggenommenen Werbungskosten.
Der Kläger absolvierte in den Jahren 2003 bis 2006 eine erstmalige Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer/Berufspiloten. Ab dem Jahr 2007 erzielte der Kläger Einkünfte aus dieser Tätigkeit.
Am 17.09.2008 reichte der Kläger eine Einkommensteuererklärung 2006 ein, in der er Kosten für seine Berufsausbildung als vorweggenommene Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 56.704 € geltend machte und beantragte die gesonderte Feststellung eines entsprechenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2006. Die Kosten wurden im Einzelnen nachgewiesen und vom Beklagten der Höhe nach bisher nicht beanstandet.
Mit Bescheid vom 23.12.2008 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2006 auf 0,- € fest. Mit Bescheid gleichen Datums wurde der vortragsfähige Verlust zur Einkommen-steuer zum 31.12.2006 in Höhe von 18.413 € festgestellt. Dies entsprach dem bereits zum 31.12.2005 festgestellten Verlustvortrag. Die (mit der eingereichten Steuererklärung für 2006 beantragte) Erhöhung des Verlustvortrages um weitere 56.704 € lehnte der Beklagte ab und führte zur Begründung aus, dass es sich bei den streitigen Ausbildungskosten um solche im Rahmen einer Erstausbildung handle, die lediglich als Sonderausgaben mit einem Maximalbetrag von 4.000 € berücksichtigungsfähig seien.
Gegen die Feststellung des vortragsfähigen Verlustes zur Einkommensteuer zum 31.12.2006 legte der Kläger per Telefax am 09.01.2009 Einspruch ein. Das Einspruchsverfahren wurde vom Beklagten im Einvernehmen mit dem Kläger wegen zu diesem Zeitpunkt bereits anhängiger Verfahren beim Bundesfinanzhof -BFH- zur Frage der Abzugsfähigkeit von Erstausbildungskosten ruhend gestellt.
Nachdem der BFH in seinen Entscheidungen VI R 38/10 und VI R 7/10 Erstausbildungskosten (auch die eines Piloten) als vorweggenommene Werbungskosten qualifiziert hatte, bat der Kläger mit Schreiben vom 23.08.2011 um Fortführung des Rechtsbehelfsverfahrens. Das beklagte Finanzamt lehnte dies ab und verwies darauf, dass eine Entscheidung der Oberbehörde als Reaktion auf die geänderte höchstrichterliche Rechtsprechung abzuwarten sei, woraufhin der Kläger am 12.10.2011 Untätigkeitsklage erhob.
Mit Einspruchsentscheidung vom 01.02.2012 wurde der Einspruch sodann zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die geänderte BFH-Rechtsprechung zur steuerlichen Abziehbarkeit von Erstausbildungskosten nicht zur Anwendung kommen könne, da im zwischenzeitlich in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung der Bei-treibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 07.12.2011 -BeitrRLUmsG- ein Werbungskostenabzugsverbot für Aufwendungen im Zusammenhang mit einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums geregelt worden sei, welches nunmehr in einem neu gefassten § 9 Abs. 6 EStG enthalten und gem. neu gefasstem § 52 Nr. 12 EStG rückwirkend ab dem Veranlagungsjahr 2004 zu beachten sei.
Der Kläger begründet seine Klage sinngemäß damit, dass nach Auffassung des BFH auch Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen seien. Die als Reaktion auf diese zutreffende Rechtsprechung am 14.12.2011 in Kraft getretene Neufassung des § 9 Abs. 6 EStG sei im Hinblick auf ihre Rückwirkung problematisch („erheblich problematisierend“).
Das Besondere des vorliegenden Falles läge darin, dass eine Entscheidung über den Einspruch bewusst verzögert worden sei, um den Erlass eines den Einspruchserfolg verhindernden Gesetzes abzuwarten.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
1. den Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Verlustes zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 vom 23.12.2008 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 01.02.2012 dahingehend zu ändern, dass ein vortragsfähiger Verlust iHv 80.765 € festgestellt wird (bestehend aus Vortrag 2003 iHv 2.857 €, Vortrag 2004 iHv 5.648 €, Vortrag 2005 iHv 15.556 € und in 2006 entstandener Verlust iHv 56.704),
2. die Verrechnung des vortragsfähigen Verlustes 2006 in Höhe von 80.765 € in die chronologisch folgenden Jahre 2007, 2008, 2009, 2010 (bis zum Komplettverbrauch),
3. die Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23.12.2008.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klage sei bereits unzulässig erhoben worden. Im Zeitpunkt der Klageerhebung habe ein zureichender Grund für das Zurückstellung der Einspruchsentscheidung bestanden. Das Abwarten allgemeiner Ausführungsanweisungen der Oberhörde sei ein solcher zureichender Grund. Jedenfalls aber sei er, der Beklagte, an die gesetzliche Neuregelung gebunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie den vorliegenden Akteninhalt verwiesen. Dem Senat haben bei seiner Beratung und Entscheidung die vom Beklagten für den Kläger geführten Lohnsteuerakten vorgelegen.
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Die Klage bleibt insgesamt ohne Erfolg.
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1) unbegründet; im Übrigen unzulässig.
1. Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1) ungeachtet der Frage, ob im Zeitpunkt der Klageerhebung die Voraussetzungen des § 46 FGO vorgelegen haben, jedenfalls durch Aufrechterhaltung des Klagebegehrens nach Erlass der Einspruchsentscheidung zulässig geworden. Die Klage ist insoweit jedoch unbegründet. Der angefochtene Verlustfeststellungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.
Nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach § 10d Abs. 1 EStG abgezogenen und die nach § 10d Abs. 2 EStG abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag. Negative Einkünfte des Klägers im Streitjahr 2006 liegen unter Beachtung des BeitrRLUmsG nicht vor.
a) Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für seine erstmalige Ausbildung zum Berufspiloten sind nicht als Werbungskosten iSd § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit abzugsfähig, so dass keine Werbungskostenüberschüsse angefallen sind.
aa) Der Abzug der Aufwendungen des Klägers für seine erstmalige Berufsausbildung als Werbungskosten ist gemäß § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 EStG n.F. ausgeschlossen. Maßgeblich sind im Streitfall § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 EStG in der Fassung des BeitrRLUmsG (EStG n.F.). Die Neuregelung wurde im Bundesgesetzblatt (BGBl.) vom 13.12.2011 verkündet (BGBl. I 2011, 2592). Gemäß Artikel 25 Abs. 4 des BeitrRLUmsG traten sie am Tag nach ihrer Verkündung, also am 14.12.2011, in Kraft.
Nach § 9 Abs. 6 EStG n.F. sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Gemäß § 12 Nr. 5 EStG n.F. dürfen die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, soweit in den §§ 9c, 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 4, 7 und 9, §§ 10a, 10b und den §§ 33 bis 33b EStG nichts anderes bestimmt ist. Dieses Abzugsverbot gilt ebenfalls nicht, wenn die Berufsausbildung oder das Erststudium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Die Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG n.F. bis zu 6.000 Euro als Sonderausgaben begrenzt abzugsfähig. Diese Regelungen sind gemäß Artikel 2 Nr. 34 lit. d) BeitrRLUmsG für Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden, also auch für das Streitjahr 2006. Der Kläger hat seine Ausbildung zum Berufspiloten außerhalb eines Dienstverhältnisses absolviert. Die - dem Grunde und der Höhe nach unstreitig entstandenen - Aufwendungen hierfür sind daher nach §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG n.F. keine abziehbaren Werbungskosten (vgl. auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.11.2012, 10 K 4245/11, EFG 2013, 433).
bb) Die Neuregelung verstößt nach Überzeugung des Senates auch nicht gegen ver-fassungsrechtliche Grundsätze.
(1) Der Senat vermag in der Neuregelung insbesondere keine verfassungswidrige Rückwirkung zu erkennen und schließt sich insoweit den Entscheidungen
- des Finanzgerichts Düsseldorf vom 14.12.2011 14 K 4407/10 F, EFG 2012, 686, - des Finanzgerichts Münster vom 20.12.2011 5 K 3975/09 F, EFG 2012, 612, - des Finanzgerichts des Saarlandes vom 04.04.2012 2 K 1020/09, juris, - des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.2012 10 K 4245/11, EFG 2013, 433, - des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 07.05.2013 3 K 2361/11, juris, - des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 14.05.2013 13 K 89/12, juris, und - des Finanzgerichts Köln vom 20.02.2014 11 K 4020/11, juris, an.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg führt zu dieser Frage in seiner Entscheidung vom 26.11.2012 aus:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) ist zwischen echter und unechter Rückwirkung zu unterscheiden. Eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung entfaltet eine Rechtsnorm, wenn sie Rechtsfolgen für Zeiträume anordnet, die vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegen und abgeschlossen sind, sogenannte Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15.10.2008, 1 BvR 1138/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2009, 187; vom 07.07.2010, 2 BvL 14/02 u.a., Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 127,1). Gesetze mit echter Rückwirkung, die die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändern, bedürfen mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (GG) einer besonderen Rechtfertigung. In der Rechtsprechung des BVerfG sind jedoch verschiedene Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen werden darf (BVerfG-Beschluss vom 15.10.2008, 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187). Insbesondere tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, zurück, wenn ein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts nicht oder nicht mehr bestehen konnte (vgl. BVerfG-Urteil vom 23.11.1999, 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239). Eine Änderung mit Rückwirkung ist auch dann zulässig, wenn die geltende Rechtslage, die durch die rückwirkend geltende Vorschrift geändert wurde, unklar und verworren war (BVerfG-Beschlüsse vom 15.10.2008, 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187; vom 14.05.1986, 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200; vom 17.01.1979, 1 BvR 446/77, 1 BvR 1174/77, BVerfGE 50, 177). Dem Gesetzgeber ist es unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes daher erst recht nicht verwehrt, rückwirkend eine Rechtslage festzuschreiben, die vor einer Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprach (BVerfG-Beschlüsse vom 15.10.2008, 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187; vom 23.01.1990, 1 BvL 4 bis 7/87, BVerfGE 81, 228). Es widerspricht weder dem Rechtsstaatsprinzip noch dem Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn der Gesetzgeber eine Rechtsprechungsänderung korrigiert, die auf der Grundlage der seinerzeit bestehenden Gesetzeslage zwar mit gutem Grund erfolgt sein mag, deren Ergebnis er aber für nicht sachgerecht hält (BVerfG-Beschluss vom 15.10.2008, 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187). Treten belastende Rechtsfolgen einer Vorschrift erst nach ihrer Verkündung ein, werden aber tatbestandlich von einem schon verwirklichten Sachverhalt ausgelöst (tatbestandliche Rückanknüpfung), spricht man von einer unechten Rückwirkung, die nicht grundsätzlich unzulässig ist (BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010, 2 BvL 14/02 u.a., BVerfGE 127,1).
Im Streitfall handelt es sich - ausgehend von diesen Grundsätzen - um eine echte Rückwirkung, die aber ausnahmsweise verfassungsrechtlich zulässig ist, denn der Kläger konnte kein schützenswertes Vertrauen dahingehend bilden, dass die von ihm getätigten Aufwendungen für seine Ausbildung als Werbungskosten abzugsfähig sind.“
Das FG Düsseldorf führt in seiner Entscheidung vom 14.12.2011 aus:
„Von diesen Grundsätzen ausgehend konnte der Kläger kein schützenswertes Vertrauen auf die Abzugsfähigkeit seiner Ausbildungsaufwendungen als Werbungskosten bilden. §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG n.F. regeln das Verbot des Abzugs von Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung als Werbungskosten. Die Vorschriften ersetzen die zum Veranlagungszeitraum 2004 durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.07.2004 (BGBl. I 2004, 1753) eingeführten § 12 Nr. 5 und § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. Die Vorgängerregelungen beruhten auf einer Empfehlung des Finanzausschusses, wonach Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung und das Erststudium als Kosten der privaten Lebensführung im Wege des Sonderausgabenabzugs bis zur Höhe von 4.000 Euro wirksam sein sollten (BT-Drs. 15/3339). Anlass für diese Empfehlung der Neuordnung der Behandlung von Ausbildungskosten war die seinerzeit jüngste Rechtsprechung des BFH zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Ausbildungskosten. Der BFH hatte zuvor seine Rechtsprechung zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von Ausbildungskosten dahingehend geändert, dass Ausbildungskosten nicht mehr als steuerlich unbeachtliche Kosten der Lebens-führung anzusehen waren, sondern unter bestimmten Voraussetzungen als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abzugsfähig sein sollten (BFH-Urteile vom 04.12.2002, VI R 120/01, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 2003, 403; vom 17.12.2002, VI R 137/01, BStBl. II 2003 407; vom 27.05.2003, VI R 33/01, BStBl. II 2004, 884). Der Finanzausschuss begründete seine Empfehlung damit, dass die erste Berufsausbildung typischerweise zu den Grundvoraussetzungen für eine Lebensführung gehöre. Sie stelle die Vorsorge für die persönliche Existenz dar und diene dem Erwerb einer selbständigen und gesicherten Position im Leben, weshalb die Aufwendungen schwerpunktmäßig und untrennbar zu den Kosten der Lebensführung gehören würden (BT-Drs. 15/3339, S. 10). Die Empfehlungen wurden vom Gesetzgeber unverändert übernommen und traten mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2004 in Kraft. Der Gesetzgeber - oder jedenfalls der Finanzausschuss - verfolgte demnach mit der Einführung von § 10 Abs. 1 Nr. 7 und § 12 Nr. 5 EStG a.F. ebenfalls das Ziel, den Abzug von Kosten für die erst-malige Berufsausbildung als Werbungskosten nicht zuzulassen.
§ 12 Nr. 5, § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG a.F. waren nach ihrem Wortlaut und ihrer Entstehungsgeschichte dahingehend zu verstehen, dass der Ausschluss des Abzugs der Aufwendungen als Werbungskosten beabsichtigt war. Von der Finanzverwaltung und den Finanzgerichten wurden die Regelungen auch dahingehend verstanden und angewandt (vgl. nur FG Münster Urteile vom 06. 05.2010, 3 K 3347/07 F, EFG 2010, 1496; vom 24.02.2011, 11 K 4489/09 F, EFG 2011, 1237; FG Saarland Urteile vom 04.05.2010, 1 K 2357/05, EFG 2010, 1686 und vom 20.04.2011, 2 K 1020/09, juris; FG Baden-Württemberg Urteil vom 19.01.2010, 11 K 4253/08, EFG 2010, 788; FG Hamburg Urteil vom 25.11.2009, 5 K 193/08, EFG 2010, 873; FG Düsseldorf Urteile vom 03.12.2008, 2 K 3575/07 F, EFG 2009, 1201, vom 10.11.2009, 14 K 2361/06 F, juris; FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 17.12.2008, 8 K 6331/06 B, EFG 2009, 570; FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 31.08.2007, 1 K 1899/06, EFG 2007, 1870; Niedersächsisches FG Urteil vom 15.05.2007, 13 K 570/06, EFG 2007, 1431). (…)
Von dieser historischen Entwicklung der gesetzlichen Regelungen ausgehend hat der Kläger keine Dispositionen im Vertrauen auf ein in den Streitjahren geltendes Recht getroffen. In den Streitjahren 2005 bis 2007 konnte der Kläger in Anbetracht der §§ 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 5 EStG a.F. nicht davon ausgehen, dass die von ihm getragenen Aufwendungen für seine erstmalige Berufsausbildung als Werbungskosten anerkannt würden. Die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte legten die gesetzlichen Regelungen einheitlich dahingehend aus, dass ein Verbot des Werbungskostenabzugs bestand. Der BFH wich von dieser Gesetzesauslegung mit seinen Entscheidungen vom 28.07.2011 ab und begründete seine Entscheidungen mit einer systematischen Auslegung des Gesetzes, die zuvor in der Rechtsprechung und Literatur nicht erkannt worden war. Zuvor waren ausschließlich verfassungsrechtliche Zweifel an § 12 Nr. 5 EStG a.F. geäußert worden, die aber von den Finanzgerichten nicht als derart stark eingestuft worden waren, dass eine konkrete Normenkontrolle i.S.d. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG eingeleitet worden wäre. Demnach ist durch die gesetzliche Neuregelung durch das Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz der allgemeine Rechtszustand wiederhergestellt worden, der vor den Entscheidungen des BFH vom 28.07.2011 galt.“
Diese Ausführungen gelten auch für die Aufwendungen, die der Kläger im vorliegenden Verfahren im Jahr 2006 für seine erstmalige Berufsausbildung als Verkehrsflugzeugführer getragen hat. Eine Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung ist dem Klagevortrag nicht zu entnehmen, obwohl der Klägervertreter ein Ruhen des finanzgerichtlichen Verfahrens wegen der bereits beim BFH gegen die o.g. Entscheidungen anhängigen Revisionen - in denen er nach eigenen Angaben ebenfalls als Prozessvertreter tätig ist – ausdrücklich abgelehnt hat.
(2) Der Senat sieht in den Neuregelungen der §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, insbesondere keinen Verstoß gegen das im Ertragsteuerrecht zu beachtende objektive Nettoprinzip. Denn durch die nunmehr mit den Neuregelungen gesetzlich gefundene Formulierung eines Werbungskostenabzugsverbotes (und Betriebsausgabenabzugsverbotes) für Erstausbildungskosten wurde eine Rechtslage geschaffen, die bereits zuvor von den Finanzgerichten und dem BFH im Wege der Gesetzesauslegung angenommen und wiederholt vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform bestätigt wurde (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 10.12.1973, 1 BvR 348/73, HFR 1974, 170; vom 08.07.1993, 2 BvR 773/93, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 1994, 847; BVerfG-Urteil vom 22.05.1984, 1 BvR 523/84, NJW 1994, 847).
b) Ein Erfolg der Klage kann sich auch nicht unter Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ergeben. Insbesondere kann der Kläger nicht damit durchdringen, dass er bei schnellerer Entscheidung im Einspruchsverfahren die für ihn ungünstige Einspruchsentscheidung nicht hätte hinnehmen müssen. Der Beklagte handelt nicht rechtswidrig, wenn er sich einer höchstrichterlichen Rechtsauffassung nicht anzuschließen vermag; Urteile, auch solche des BFH, binden eben nur die Beteiligten des betroffenen Einzelfalles. Einen Anspruch darauf, vom Beklagten unter Beachtung der geänderten Rechtsprechung beschieden zu werden, hatte der Kläger nicht.
Der Verwaltung ist eine am Maßstab des § 46 FGO zu bemessende hinreichende Zeit einzuräumen, in Fällen einer (unerwarteten) Rechtsprechungsänderung sorgfältig abzuwägen, ob sie sich dieser anschließen oder entgegentreten mag. Dies muss auch für den vorliegenden Fall gelten, in dem eine solche Entscheidung letztlich offen bleiben konnte, weil der Gesetzgeber mit seiner (rückwirkenden) Neuregelung die Gesetzeslage geändert hat. Sind an der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden zeitnahen Gesetzesänderung keine ernsthaften Zweifel zu begründen, so kann dem Vorgehen auch sonst nicht seine Legitimität als gesetzgeberisches Mittel zur Vorbeugung und Abwehr dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufender Auslegungen abgesprochen werden. Vorliegend hat der Gesetzgeber in weniger als 6 Monaten eine solche gesetzliche Neuregelung auf den Weg gebracht, die dem Kläger durchaus zugemutet werden konnte abzuwarten. Der Kläger konnte realistischerweise nicht erwarten, dass innerhalb dieser Frist auch ein nach ablehnender Einspruchsentscheidung erforderliches erstinstanzliches Klageverfahren mit hinreichender Sicherheit würde abgeschlossen werden können, so dass der seine, des Klägers, Rechtsauffassung vertretene BFH mit der Frage (erneut) würde angerufen werden können.
Auf die Dauer der Verfahrensruhe kann sich der Kläger für eine treuwidrigen Verzögerung ebenfalls nicht berufen, hat er der Ruhendstellung doch ausdrücklich zugestimmt bzw. sie angeregt. Es ist Sache des Klägers im Einzelfall abzuwägen, eine (höchst)richterliche Entscheidung im eigenen Verfahren unter Inkaufnahme des (auch finanziellen) Prozess-risikos zu erzwingen oder ohne jedes eigene wirtschaftliche Risiko im Rahmen einer Verfahrensruhe auf einen günstigen Ausgang im Musterverfahren und eine daraus resultierende Sogwirkung zu hoffen. Vorliegend hatte sich der Kläger dafür entschieden, ein persönliches Prozessrisiko zur Klärung der steuerlichen Abziehbarkeit von Erstausbildungskosten zu vermeiden und stattdessen die Entscheidung in einem bereits anhängigen Verfahren abzuwarten. Dann aber muss dem - auch zu diesem Zeitpunkt schon steuerlich beratenen - Kläger präsent gewesen sein, dass ein etwaiger Erfolg im Musterverfahren einen solchen im eigenen Verfahren nicht zwingend garantiert. So hat die Finanzverwaltung in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Nichtanwendungserlassen auf von ihr nicht geteilte höchstrichterliche Rechtsauffassungen reagiert.
c) Ungeachtet des Vorstehenden ist die Klage hinsichtlich eines Teilbetrag iHv 5.648 € auch schon deswegen unbegründet, weil der Kläger eine Verlustfeststellung iHv 80.765 € statt 75.117 € begehrt. Soweit aus den Akten ersichtlich, ist zum 31.12.2005 ein Verlust iHv 18.413 € festgestellt worden. Erhöht man diesen Betrag um die im Streitjahr 2006 geltend gemachten Ausbildungskosten iHv 56.704 € ergibt sich ein Gesamtbetrag von lediglich 75.117 €. Soweit der Kläger auf Verlustbeträge zurückgreift, die im Feststellungsbescheid über den vortragsfähigen Verlust zum 31.12.2005 keine Berücksichtigung gefunden haben, kann er damit wegen der Bindungswirkung dieses Bescheides für den hier streitgegenständlichen Feststellungsbescheid nicht durchdringen, § 182 Abs. 1 Satz 1 AO, § 10d Abs. 4 Sätze 1, 2 EStG.
2. Hinsichtlich der Klageanträge zu 2. und 3. fehlt es an den erforderlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Die Verrechnung des festgestellten Verlustes in nachfolgenden Veranlagungszeiträumen erfolgt durch gesonderte Verwaltungsakte, nämlich die betreffenden Einkommensteuerbescheide. Es ist jedoch weder ersichtlich, dass für die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2010 (und nachfolgend) noch über etwaige Ablehnungsbescheide – die Folgejahre betreffende Verlustverrechnungsanträge – außergerichtliche Vorverfahren durchgeführt worden sind, so dass § 44 FGO der Zulässigkeit des Klageantrags zu 2. entgegensteht. Ein separater „Ablehnungsbescheid“ vom 23.12.2008 lässt sich den Akten nicht entnehmen. Soweit der Kläger hiermit den die begehrte Verlustfeststellung versagenden Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2006 vom 23.08.2012 meint, ist dieser bereits Gegenstand des Klageantrags zu 1.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Soweit ersichtlich, ist zur maßgeblichen Rechtsfrage noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen; es sind jedoch Revisionsverfahren beim BFH anhängig (VI R 2/12, VI R 8/12, VI R 2/13, VI R 30/13, VI R 48/13, VI R 12/14).