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Entscheidung 3 O 288/09


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 3. Zivilkammer Entscheidungsdatum 13.05.2011
Aktenzeichen 3 O 288/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41.344,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. April 2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte war Geschäftsführer und Gesellschafter der xxx GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), mit der er zudem zu einer umsatzsteuerliche Organschaft verbunden war.

Am 27.02.2003 zahlte die Schuldnerin an das Finanzamt Oranienburg 41.344,30 € als Umsatzsteuer für Februar 2003. Am 28.02.2003 beantragte der Beklagte für die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Durch Beschluss des Insolvenzgerichtes vom 16.04.2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt. Der Kläger erwirkte die Rückerstattung der Zahlung vom 27.02.2003 durch das Finanzamt. Unter dem 16.06.2004 erteilte das Finanzamt der Schuldnerin einen Bescheid über die Rückforderung des an die Masse erstatteten Betrages. Das dagegen vom Kläger geführte Widerspruchs- und Klageverfahren blieb erfolglos. Der Bundesfinanzhof hat letztinstanzlich im Urteil vom 23.09.2009 ausgeführt, da im Streitfall die Solvenz des Organträgers im Zeitpunkt der Insolvenzanfechtung des Klägers gegenüber dem Finanzamt unstreitig gegeben gewesen sei, habe kein Haftungsanspruch des Finanzamtes gegen die Organgesellschaft bestanden. Das Finanzamt habe folglich nicht die Stellung eines Insolvenzgläubigers gehabt. Die Zahlung der Organgesellschaft sei daher die Tilgung einer fremden Verbindlichkeit. Eine solche sei aus insolvenzrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht im Wege der Anfechtung der Zahlung der Organgesellschaft an das Finanzamt rückgängig zu machen, weil zur Masse ein Befreiungs- oder Rückgriffsanspruch gegen den Schuldner gehöre, dessen Schuld der Insolvenzschuldner erfüllt habe, und weil deshalb die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt seien.

Der Kläger hat daraufhin den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung in Anspruch genommen.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte erhebt in erster Linie die Einrede der Verjährung. Bereits die Einspruchentscheidung des Finanzamts Oranienburg vom 16.07.2004 enthalte die tragenden Gründe, die auch zur Grundlage der finanzgerichtlichen Entscheidungen geworden seien. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt habe der Kläger daher parallel zu seiner Klage an das Finanzgericht auch in verjährungshemmender Weise unmittelbar gegenüber dem Beklagten vorgehen können.

Im Übrigen ist der Beklagte der Ansicht, er könne aufgrund eines am 11.02.2004 zum Aktenzeichen 2 O 334/03 vor dem Landgericht Neuruppin geschlossenen Vergleiches nicht in Anspruch genommen werden. Im dortigen Rechtstreit habe der Kläger ihn ebenfalls zunächst auch in Höhe des hier streitgegenständlichen Betrages in Anspruch genommen. Nach Zahlung durch das Finanzamt habe er wegen diesen Betrages die Erledigung der Hauptsache erklärt. Dem habe er, der Beklagte, sich nicht angeschlossen. In dem anschließenden Vergleich sei ein Betrag von 50.000,00 € vereinbart worden zum Ausgleich der Klageforderung, und zwar ausdrücklich „einschließlich des im vorliegenden Verfahren zurückgenommen Teils der Klageforderung“. Die vorliegend geltend gemachte Forderung sei daher in jenem Verfahren mit verglichen worden.

Im Übrigen wendet der Beklagte ein, ein Schaden für die Masse sei nicht dargetan. Er bestreitet, dass der Kläger den seinerzeit vom Finanzamt Oranienburg erhaltenen Betrag aus der Masse zurückgezahlt habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch aus §§ 143, 131 InsO wegen inkongruenter Deckung. Wie sich aus den Entscheidungen des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg des Bundesfinanzhofes - auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird - im Einzelnen ergibt, stellt sich die Zahlung der GmbH an das Finanzamt als eine Leistung des Beklagten an das Finanzamt und gleichzeitig als eine Leistung der GmbH an den Beklagten dar. Im Verhältnis zwischen der GmbH und dem Finanzamt kommt daher eine Rückforderung nicht in Betracht. Lediglich die Leistung der GmbH an den Beklagten kann anfechtbar nach den Vorschriften der Insolvenzordnung sein.

Nach § 131 InsO ist eine Rechtshandlung, die im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, anfechtbar. Vorliegend ist die Zahlung an das Finanzamt lediglich einen Tag vor dem Insolvenzantrag erfolgt. Durch diese Zahlung ist der Beklagte von einer Steuerschuld befreit worden. Diese Leistung ist nach dem Vorstehenden inkongruent und daher gem. § 143 InsO an den Insolvenzverwalter zu erstatten.

Der Kläger kann sich nicht auf den Vergleich vom 21.04.2004 berufen. Gegenstand des Vergleichs war ein Anspruch des Insolvenzverwalters gegen ihn in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Schuldnerin aus § 64 Abs. 2 GmbHG. Nach Zahlung durch das Finanzamt hat der Kläger diesen Ausgleichanspruch für erledigt erklärt bzw. zurückgenommen. Vorliegend geht es demgegenüber um die Rückabwicklung eines Erfüllungsgeschäftes unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung. Der Beklagte soll den Betrag zurückzahlen, weil er ihn anfechtbar erhalten hat. Der Anspruch richtet sich in diesem Prozess gegen denjenigen, der den Geldbetrag erhalten hat, während der in dem durch Vergleich beendeten Prozess gegen denjenigen gerichtet war, der den Betrag angewiesen hat. Die Identität beider Personen ist zufällig.

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen. Nach §§ 195, 199 BGB verjähren Ansprüche grundsätzlich ab Schluss des Kalenderjahres, in die welchen der Anspruchsberechtigte den Anspruch begründeten Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. In Abweichung der von der Kammer zunächst vertretenen Rechtsauffassung (Beschluss vom 13.07.2010) lag die erforderliche Kenntnis frühestens mit dem Urteil des Finanzgericht Berlin-Brandenburg vom 04.12.2007 vor. Wie im Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13.12.2010 ausgeführt, hatte der Kläger erst durch dieses Urteil hinreichend sichere Kenntnis davon, dass die Finanzbehörde nicht als Anfechtungsschuldner angesehen werden kann. Der Kläger kann sich darauf berufen, dass die frühere Rechtsprechung (OLG Köln ZInso 2006,1329; OLG Nürnberg ZIP 2009, 1435, vergl. auch FG Brandenburg, Urteil vom 12.07.2005, 3 K 1669/02 Randnummer 31ff.) in Fällen der umsatzsteuerlichen Organschaft als Anfechtungsgegner nicht den Organträger, sondern die Finanzbehörde angesehen hat. Demzufolge hat er mindestens in entschuldbarer Weise verkannt, dass Anspruchsgegner hier nicht das hinter dem Finanzamt Oranienburg stehende Land Brandenburg, sondern der Beklagte – gewesen ist.

Auf die Frage, ob der Kläger zwischenzeitlich den streitigen Betrag an das Finanzamt zurückgezahlt hat, kommt es nicht an. Der Insolvenzanfechtungsanspruch ist kein Schadensersatzanspruch. Der Insolvenzverwalter zieht die vom Anfechtungsschuldner erhaltenen Beträge zur Masse zurück, unabhängig davon, ob anderweitig bestehende Ansprüche gegen die Masse schon erfüllt sind.

Der Zinsanspruch ist gem. § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, §§ 819, 818 Abs. 4, §§ 291, 288 BGB ab Insolvenzeröffnung begründet (BGH, Urt. v. 01.02.2007 - IX ZR 96/04 - ZIP 2007, 488).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert 41.344,00 €