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Verletztenrente, Arbeitsunfallfolgen, traumatische Bandscheibenverletzung, Ursachenzusammenhang


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 23.06.2011
Aktenzeichen L 3 U 99/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 8 SGB 7, § 45 SGB 7

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. April 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Verletztengeld über den 14. September 2007 hinaus.

Die 1974 geborene Klägerin war als Verkäuferin bei der R L GmbH & Co. KG beschäftigt, als sie am 03. August 2007 in der Filiale R Straße in Berlin-M auf einer Treppenstufe abrutschte, stürzte und auf den Rücken sowie die rechte Körperseite fiel. Dabei zog sie sich laut Durchgangsarztbericht (DAB) des Dr. S vom Folgetag eine Beckenprellung zu. Die Klägerin klagte über Schmerzen im Bereich der rechten Beckenseite, nicht in das Bein ausstrahlend. Durchblutung, Motorik und Sensorik waren intakt, neurologische Symptome fanden sich nicht. Eine Röntgenuntersuchung des Beckens ergab keinen Anhalt für eine frische Verletzung. Arbeitsunfähigkeit bestand ab dem 04. August 2007. Bei einer Vorstellung beim Durchgangsarzt Dipl.-Med. Julian am 09. August 2007 klagte die Klägerin über anhaltende Bewegungs- und zum Teil atemabhängige Schmerzen im rechten Brustkorb und am rechten Schulterblatt. Dipl.-Med. J stellte Prellmarken mit Schwellung an der rechten Hüfte bzw. am rechten Oberschenkel fest. Laufen und Bücken waren schmerzhaft. Die Röntgenuntersuchung der rechten Schulter, des rechten Schulterblattes, des rechten Thorax sowie der rechten Hüfte erbrachte wiederum keinen Anhalt für eine Fraktur, Luxation oder einen Pneumothorax. Es wurde eine Kontusion des rechten Thorax, der rechten Schulter sowie der rechten Hüfte diagnostiziert und Arbeitsunfähigkeit für voraussichtlich drei bis vier Wochen bescheinigt (DAB vom 09. August 2007). Am 18. September 2007 beklagte die Klägerin noch eine deutliche Schmerzauslösung bei Bewegung sowie bei Sitzen und längeren Stehen, zum Teil mit sensiblen Missempfindungen (Nachschaubericht vom 19. September 2007). Am 27. September 2007 diagnostizierten Prof. Dr. E und Dr. S eine Blockierung des Iliosakralgelenks (ISG) bei Zustand nach Beckenprellung sowie einen Zustand nach Thoraxprellung und einen Zustand nach Kontusion des rechten Schultergelenks. Ein Verdacht auf Läsion des ventralen Labrum acetabulare am rechten Hüftgelenk wurde mittels MR-Arthrografie vom 14. November 2007 ausgeräumt. Am 23. November 2007 äußerte der Durchgangsarzt G einen Verdacht auf eine Protrusion der Bandscheibe L5/S1. Nachdem ein am 28. November 2007 durchgeführtes MRT der Lendenwirbelsäule (LWS) einen flachen Bandscheibenvorfall L5/S1 mit allenfalls geringer Duralschlauchirritation sowie kleinem dorsalem Anuluseinriss, eine sehr flache Protrusion L4/L5 mit fraglicher L4-Irritation und eine leichtgradige Spondylosteochondrose ohne Anhalt für Traumafolgen im ossären und paravertebralen Weichteilgebiet nachgewiesen hatte, beendete er die bg-liche Behandlung zum 02. Dezember 2007. Nach Einholung einer Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. K vom 10. Januar 2008, in der dieser eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen wegen Prellung der Hüftregion, der rechten Schulter und des Brustkorbes angenommen hatte, teilte die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 20. Februar 2008 der Krankenkasse der Klägerin mit, unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit hätten am 14. September 2007 geendet.

Auf ein Schreiben der Klägerin vom 10. Juni 2008, in welchem diese die Auffassung vertrat, ihre nach wie vor bestehenden Beschwerden seien auf den Unfall zurückzuführen, weshalb ihr nicht verständlich sei, dass sie seit dem 03. Dezember 2007 nurmehr Krankengeld statt Verletztengeld beziehe, lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 2008 ab, wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 03. August 2007 über den 14. September 2007 hinaus Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen. Bei dem Unfall habe sie sich Prellungen in der rechten Schulter, des rechten Brustkorbes, des Beckens und der rechten Hüfte zugezogen. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere des Ergebnisses des am 28. November 2007 durchgeführten MRTs sowie der fachärztlichen Stellungnahme des Durchgangsarztes G vom 03. Dezember 2007 und nach verwaltungsinterner medizinischer Überprüfung lägen bei der Klägerin keine messbaren Unfallfolgen mehr vor. Nach medizinischen Erfahrungswerten seien Prellungen innerhalb von maximal 6 Wochen – in diesem Fall also bis zum 14. September 2007 – folgenlos ausgeheilt. Die darüber hinaus geklagten Beschwerden seien auf unfallunabhängig vorbestehende Veränderungen im Bereich der LWS zurückzuführen.

Hiergegen legte die Klägerin mit am 14. Juli 2008 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch ein. Vor dem Unfall habe sie niemals Probleme im Bereich der LWS gehabt. Schmerzen bestünden genau seit dem Tag des Unfalls. Zur weiteren Begründung übersandte sie ein Schreiben des Facharztes für Chirurgie S vom 19. Dezember 2007.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 zurück. Der Bericht des Facharztes für Neurochirurgie S vom 19. Dezember 2007 lasse keine Unfallfolgen erkennen. Er berichte lediglich von Veränderungen an den Bandscheiben L4/L5 und L5/S1 und bestätige damit die Einschätzung in dem angegriffenen Bescheid. Bei einer traumatischen Bandscheibenschädigung komme es zu Verletzungen der die Wirbelkörper umschließenden Bänder sowie zu einem oder mehreren Brüchen der Wirbelkörper. Diese Befunde lägen bei der Klägerin nicht vor. Die Veränderungen an der Bandscheibe L5/S1 bezeichne Herr S selber als degenerativ.

Am 08. Oktober 2008 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben und ihr Begehren fortgeführt. Sie sei seit dem Arbeitsunfall durchgängig arbeitsunfähig, vor dem Unfall habe Beschwerdefreiheit bestanden.

Das SG hat Beweis erhoben und den Orthopäden Dr. W mit der Untersuchung der Klägerin und der Erstellung eines Gutachtens beauftragt hat. In seinem am 05. Mai 2009 nach einer Untersuchung der Klägerin am selben Tag erstellten Gutachten ist dieser zu dem Schluss gelangt, bei der Klägerin lägen folgende Gesundheitsstörungen vor: Osteochondrose und Bandscheibendegeneration Etagen L4 bis S1, ausgeprägtes Übergewicht, mittelgradiger Senk-Spreizfuß mit Hallux-valgus-Bildung. Der Sturz habe zu einer Distorsion der unteren LWS mit Reizung der Kreuzdarmbeinfugen, die spätestens nach 6 Wochen ausgeheilt gewesen sei, geführt. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit hätten bis zum 14. September 2007 bestanden. Die bildgebenden Befunde (Röntgen und MRT) wiesen keine Verletzungen durch den Sturz nach. Die Bandscheibenveränderungen seien nicht unfallbedingt, denn das Ereignis sei weder von seiner Biomechanik her geeignet gewesen, Bandscheibengewebe zu zerreißen, noch seien notwendige Begleitverletzungen an den Wirbelkörpern oder Weichteilen nachgewiesen.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG darüber hinaus bei dem Sachverständigen Prof. Dr. W ein fachorthopädisches Gutachten in Auftrag gegeben hat. Prof. Dr. W hat die Klägerin am 09. Dezember 2009 untersucht und sein Gutachten am 04. März 2010 fertig gestellt. Er ist hierin zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestünden auf seinem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen: Chronische Lumbalgien bei Diskopathie L5/S1 mit Zeichen der Dehydratation und einem Faserringriss. Diese Gesundheitsstörungen seien nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen; die beschriebenen morphologischen Veränderungen, d. h. der Wasserverlust der Bandscheibe und die Rückenschmerzen, seien in erster Linie als Verschleißprozess anzusehen. Der Unfall habe lediglich zu einer Stauchung der unteren LWS und des Iliosakralgelenks geführt mit lokalen Schmerzen, diese seien bis zum 14. September 2007 abgeklungen.

Die Klägerin hat das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. W kritisiert.

Das SG hat die auf die Gewährung von Entschädigungsleistungen über den 14. September 2007 hinaus gerichtete Klage durch Gerichtsbescheid vom 21. April 2010 abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem gutachten des Dr. W-Rgestützt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie insbesondere eine Pflichtverletzung des SG rügt. Dieses hätte den Sachverständigen Prof. Dr. W zu einer Nachbesserung seines Gutachtens auffordern müssen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. April 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 25. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung chronischer Lumbalgien bei Diskopathie L5/S1 mit Zeichen der Dehydratation und einem Faserringriss als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 03. August 2007 Verletztengeld ab dem 15. September 2009 unter Anrechnung der bereits erhaltenen Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. W eingeholt. In seiner Stellungnahme vom 07. Oktober 2010 ist dieser bei seiner Beurteilung verblieben. Darüber hinaus hat der Senat ein Vorerkrankungsverzeichnis der KKH/ALLIANZ vom 28. Juli 2010 eingeholt.

Durch Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2010 ist der Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung – hier: Verletztengeld – über den 14. September 2007 hinaus, da über diesen Zeitpunkt keine Gesundheitsstörungen mehr bestanden, die wesentlich ursächlich auf den anerkannten Arbeitsunfall vom 03. August 2007 zurückzuführen waren bzw. sind. Insbesondere sind die Gesundheitsstörungen „chronische Lumbalgien bei Diskopathie L5/S1 mit Zeichen der Dehydratation und einem Faserringriss“ nicht Folgen des Arbeitsunfalls.

Verletztengeld wird gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) erbracht, wenn der oder die Versicherte infolge eines Versicherungsfalls - nämlich des Arbeitsunfalls vom 03. August 2007 (§§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) - arbeitsunfähig wird und unmittelbar davor Anspruch auf Arbeitsentgelt hatte. Es ist ab dem Tag, an dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, zu zahlen (§ 46 Abs. 1 SGB VII). Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VII endet das Verletztengeld mit dem letzten Tag der - versicherungsfallbedingten - Arbeitsunfähigkeit. Arbeitsunfähigkeit besteht dann, wenn der Versicherte seiner unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls ausgeübten Tätigkeit überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, dass sich sein Gesundheitszustand verschlimmert, nachgehen oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur noch auf die Gefahr hin, ihren Zustand zu verschlimmern, verrichten kann (vgl. Schmitt, Kommentar zum SGB VII, Randnr. 6 zu § 45).

Unstreitig hat die Klägerin am 03. August 2007 einen Wegeunfall erlitten, als sie kurz vor Feierabend auf der Treppe in ihrer Arbeitsstelle stürzte. Hierbei erlitt sie ebenfalls unstreitig Prellungen der rechten Schulter, des rechten Brustkorbes, des Beckens sowie der rechten Hüfte. Wegen dieser unfallbedingten Gesundheitsstörungen und deren Behandlung hat die Klägerin bereits Leistungen der Beklagten in Form von Heilbehandlung und Verletztengeld (beides tatsächlich bis zum 02. Dezember 2007) erhalten. Diese Prellungen sind jedoch ausgeheilt, darüber hinausgehende Gesundheitserstschäden sind bei dem Unfall nicht entstanden.

Für die Anerkennung von – weiteren - Unfallfolgen ist erforderlich, dass sowohl zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und dem Unfallereignis als auch zwischen dem Unfallereignis und der Gesundheitsschädigung ein innerer ursächlicher Zusammenhang besteht. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Unfall und die Gesundheitsschädigung im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit – nicht eine Möglichkeit – ausreicht (BSG in SozR 3-2200, § 551 RVO Nr. 16 m.w.N.). Anders als nach der im Zivilrecht geltenden Adäquanztheorie, nach der jedes Ereignis, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, als Ursache des Erfolges gilt, erfolgt im Sozialrecht die Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (vgl. u. a. BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Da es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben kann, ist für die Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache allein relevant, dass das Unfallereignis wesentlich war. Ob es eine konkurrierende Ursache war, ist unerheblich. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. Ein Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei Abwägung aller Umstände, die für den Zusammenhang sprechenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Überzeugung des Gerichts gegründet werden kann (vgl. BSG in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 m. w. N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich der angefochtene Bescheid der Beklagten mit den bereits anerkannten Gesundheitsstörungen als Folge des Arbeitsunfalls vom 03. August 2007 als rechtmäßig.

Dies ergibt sich – wie schon das SG aufgezeigt hat – aus den aktenkundigen Erstbefunden sowie dem nachvollziehbaren, ausführlichen und fachgerechten Gutachten des Orthopäden Dr. W-R vom 05. Mai 2009. Danach ist es bei dem Unfall im Bereich der unteren LWS weder zu Knochenbrüchen, Weichteilschwellungen noch Verletzungen der Bänder bzw. sonstiger Weichteilstrukturen gekommen. Die MRT-Aufnahmen vom 28. November 2007 (rund dreieinhalb Monate nach dem Ereignis) stellen nach dem Befund vom selben Tag ebenfalls keine Verletzungsfolgen – weder Knochenbrüche/-risse noch Einblutungen, Ödeme oder etwa kleinste Muskel-/Bänderrisse – dar. Die einzig nachgewiesenen Veränderungen in den Segmenten L4 bis S1 – nämlich Bandscheibenvorfall L5/S1, Bandscheibenvorwölbung L4/5 sowie Spondylosteochondrose – sind keine Unfallfolgen, sondern verschleißbedingt.

Nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie sie Dr. W-R zutreffend dargelegt hat und wie sie in der unfallmedizinischen Literatur veröffentlicht sind entstehen traumatische Bandscheibenschäden meistens mit Wirbelkörperfrakturen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. A. 2010, Kap. 8.3.2.6.2). Die Bandscheibenbeteiligung ist eine häufige Begleitverletzung des Wirbelkörperbruchs. Ein Wirbelkörperbruch ist nach den vorliegenden Befunden jedoch ausgeschlossen. Nach der Unfallliteratur ist weiter zu beachten, dass traumatische Bandscheibenvorfälle aus anatomischen Gründen stets mit begleitenden minimalen knöchernen oder Bandverletzungen einhergehen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Kap. 8.3.2.6.3). Denn vor einer unfallbedingten mechanischen Schädigung der Bandscheibe müssen die die Bandscheiben sichernden, gelenkigen und ligamentären Strukturen verletzt werden. Erst beim Überschreiten der durch einen intakten Bandapparat vorgegebenen Grenzen normaler Bewegung mit Durchtrennen der Bänder treten Bandscheibenschäden ein. Diese Ausführungen gelten nicht nur für Bandscheibenvorfälle, sondern für jegliche Bandscheibenschäden. Die genannten Veränderungen sind bei der Klägerin jedoch nicht gesichert. Es sind weder Bandverletzungen noch Risse im Faserring oder eine Fraktur der Deckplatten, die bei einer Kompressionsbelastung eintritt, gesichert.

Letztlich ist auch der geschilderte Unfallhergang zur Überzeugung des Senats nicht geeignet, eine gesunde Bandscheibe zum Zerreißen zu bringen. Nach der bereits zitierten unfallmedizinischen Literatur können Bewegungen mit Scher- und Rotationswirkung, Überbeugung, Überstreckung sowie Zugbelastung eine gesunde Bandscheibe zerreißen, wobei je nach Art der Einwirkung die Begleitverletzungen ligamentärer oder knöcherner Art sein können. Ein derartiger Ablauf ist hier nicht dokumentiert und von der Klägerin auch niemals vorgetragen worden. Wie Dr. W-R zutreffend ausführt, handelte es sich bei dem Ausrutschen und Stürzen auf der Treppe zwar um einen Vorgang, der geeignet war, kurzfristig Schmerzen auszulösen, eine zusätzliche äußerlich massive Krafteinwirkung wie z. B. ein Sturz aus großer Höhe, ein Überschlagen oder eine Einklemmung haben aber nicht stattgefunden. Vom Unfallhergang ausgehende Rekonstruktionen der Unfallschwere und Unfallmechanik sind letztlich unsicher und nicht hinreichend. Vielmehr ergeben sich vor allem nach der Analyse des Schadensbildes Rückschlüsse auf die biomechanische Einwirkung durch das Unfallereignis und damit auf dessen Geeignetheit. Auch hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass ohne Begleitverletzungen die Schadensanlage wesentlich, der Unfall also als Gelegenheitsanlass anzusehen ist. Begleitende knöcherne Verletzungen im Bereich der Wirbelsäule, Schädel-Hirn-Traumen, Extremitäten- oder Rumpfverletzungen, Knochenödeme sowie Bandverletzungen, die Hinweise auf die Stärke der Krafteinwirkung geben könnten, nicht dokumentiert.

Darüber hinaus fehlt es laut den ersten DABs auch an einer sicheren unmittelbar nach dem Unfall eingetretenen mit einer Bandscheibenverletzung korrelierenden Symptomatik. Soweit die Klägerin bei Dr. W-R angegeben hat, ein bis zwei Wochen nach dem Unfall ein Taubheitsgefühl im Bereich der Rücken-/Beckenregion mit Abstrahlung in beide Leisten gehabt zu haben, spiegelt sich dies nicht in den ärztlichen Unterlagen.

Der von der Klägerin benannte Sachverständige Prof. Dr. W gelangt in seinem Gutachten vom 04. März 2010 und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 07. Oktober 2010 unter Darlegung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zu selben Ergebnis wie Dr. W-R.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.