Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 27. Senat | Entscheidungsdatum | 15.03.2011 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | L 27 P 75/10 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 115 SGB 11, § 96a SGG |
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2010 geändert.
Die Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Veröffentlichung der Ergebnisse der die Antragstellerin betreffenden Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 im Internet unter www.pflegelotse.de unverzüglich zu beseitigen.
Den Antragsgegnern wird vorläufig untersagt, die Ergebnisse der die Antragstellerin betreffenden Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 bis zum Ablauf des 15. November 2011, längstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens über die bei dem Sozialgericht Berlin am 7. September 2010 erhobene Klage weiter zu veröffentlichen.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht Berlin haben die Antragstellerin und die Antragsgegner als Gesamtschuldner je zur Hälfte zu tragen.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Landessozialgericht Berlin haben die Antragstellerin zu 1/3 und die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu 2/3 zu tragen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin auf 10.000 € und für das Verfahren vor dem Landessozialgericht Berlin auf 15.000 € festgesetzt.
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über die Veröffentlichung eines Transparenzberichtes nach § 115 Abs. 1a Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (SGB XI).
Die Antragstellerin betreibt einen Pflegedienst. Im Juni 2010 erbrachte sie ambulante Pflegeleistungen für 45 Personen, hierunter für 13 Pflegebedürftige ausschließlich nach dem SGB XI sowie für 30 Pflegebedürftige nach dem SGB XI und dem Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte bei der Antragstellerin am 7. Juni 2010 eine Qualitätsprüfung durch. Es wurden dabei die Leistungen für 5 Pflegekunden überprüft. Am 24. Juni 2010 wurde der Antragstellerin im Auftrag der Antragsgegner der auf Grundlage des Prüfberichts des MDK erstellte Transparenzbericht im Entwurf übermittelt. Dabei erhielt die Antragstellerin folgende Bewertungen:
Qualitätsbereich 1: | Pflegerische Leistungen | Note 2,0 gut | |
Qualitätsbereich 2: | Ärztlich verordnete pflegerische Leistungen | Note 1,4 sehr gut | |
Qualitätsbereich 3: | Dienstleistung und Organisation | Note 1,1 sehr gut | |
Gesamtergebnis: | Note 1,6 gut | ||
Befragung der Bewohner: | Note 1,0 sehr gut. |
Mit dem an die Antragsgegner gerichteten Schreiben vom 22. Juli 2010 erhob die Antragstellerin gegen verschiedene Prüfungskriterien Einwände und forderte die Antragsgegner auf, von der Veröffentlichung des Transparenzberichts bis zu dessen Korrektur auf der Grundlage des abzuändernden Prüfberichts anzusehen. Dies lehnten die Antragsgegner unter dem 27. August 2010 mit der Begründung ab, die Prüfung und die in diesem Zusammenhang vorgenommene Sachverhaltsbewertung seien sachgemäß. Der Antragstellerin wurde bis zum 6. September 2010 die Möglichkeit einer – zu veröffentlichenden – Kommentierung eingeräumt.
Am 7. September 2010 hat die Antragstellerin gegen die Antragsgegner Klage mit dem Hauptantrag erhoben, die Bewertung der Transparenzkriterien T 2, T 9, T 13, T 17 und T 19 auf die Note 1,0 zu ändern und dementsprechend die Zusammenfassung der Qualitätsbereiche 1 und 2 zu korrigieren.
Gleichzeitig hat die Antragstellerin das Sozialgericht Berlin um vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Veröffentlichung des Transparenzberichts und ihre Verpflichtung, ihn in ihrer Pflegeeinrichtung auszuhängen, ersucht. Das Sozialgericht hat die Anträge durch Beschluss vom 1. November 2010 mit der Begründung abgelehnt, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden. Die Gesamtnote der Klägerin liege mit 1,6 deutlich über der für die Pflegeeinrichtungen im Land Berlin im Oktober 2010 ermittelten Durchschnittsnote von 2,3. Ein Wettbewerbsnachteil, der einer sofortigen Korrektur bedürfte, sei deshalb nicht zu befürchten.
Mit ihrer Beschwerde gegen diese Entscheidung bringt die Antragstellerin vor, die von ihr angegriffenen schlechten Einzelnoten der Transparenzkriterien, die für jedem im Internet einzusehen seien, seien sehr wohl geeignet, für die Auswahl einer Pflegeeinrichtung entscheidend zu sein. Es könne deshalb nicht hingenommen werden, dass unrichtige Darstellungen ihrer Leistungen zur Veröffentlichung kämen.
Nachdem der Transparenzbericht vom 7. Juni 2010 inzwischen unter www.pflegelotse.de veröffentlicht worden war, beantragt die Antragstellerin wörtlich,
in Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2010
1. die Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache es zu unterlassen, die Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 in der Einrichtung der Antragsteller, im Internet oder in sonstiger Weise zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen,
2. festzustellen, dass sie bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet ist, die Zusammenfassung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 in der Einrichtung auszuhängen,
3. die Antragsgegner zu verpflichten, die Veröffentlichung unter www.pflegelotse.de zur Einrichtung der Antragsteller insoweit zu korrigieren, dass der Transparenzbericht der Prüfung vom 7. Juni 2010 weder einsehbar noch herunterzuladen ist.
Die Antragsgegner beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie halten die Entscheidung für zutreffend. Ein Anordnungsgrund sei schon deshalb nicht gegeben, weil mit der Veröffentlichung der Transparenzberichte gerade die Reaktions- und Entscheidungsmöglichkeiten jetziger Kunden und künftiger Interessenten beeinflusst werden sollten und hierdurch ein Wettbewerb zwischen den Pflegediensten ausgelöst werden sollte. Auch sei die Antragstellerin auf die Möglichkeiten zu verweisen, eine Kommentierung veröffentlichen zu lassen bzw. einen Antrag auf kurzfristige Wiederholungsprüfung zu stellen.
II.
Die gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2010 ist zulässig.
Angesichts des Umstands, dass die Antragsgegner nach Erlass des Beschlusses die Veröffentlichung des Transparenzberichts im Internet veranlasst haben, durfte die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ihren ursprünglich gestellten Antrag, den Antragsgegnern im Wege der Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG vorläufig zu untersagen, die Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 künftig veröffentlichen, zulässigerweise dahingehend erweitern, dass die Antragsgegner im Wege der Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG verpflichtet werden, die bestehende Veröffentlichung wieder zu beseitigen.
1. Der auf vorläufige Beseitigung der Veröffentlichung des die Antragstellerin betreffenden Transparenzberichts vom 7. Juni 2010 im Internet unter www.pflegelotse.de gerichtete Antrag ist begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist eine einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Voraussetzungen für die begehrte Anordnung liegen vor.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, da ihre Rechtsverfolgung in der Hauptsache erhebliche Aussicht auf Erfolg verspricht.
Allgemein anerkannt ist der Anspruch des Bürgers gegen die Verwaltung, der sich auf die Abwehr einer Beeinträchtigung einer geschützten Rechtsposition durch hoheitliches Handeln richtet, das der Betroffene nicht zu dulden braucht. Denn die Grundsätze des materiellen Rechtsstaats, zu denen die Grundrechte und die Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht gehören, gebieten, dass eine rechtswidrige Beeinträchtigung einer grundrechtlich oder gesetzlich geschützten Rechtsposition beseitigt und ihrer Wiederholung vorgebeugt wird. Es kann dahin stehen, ob dieser Beseitigungsanspruch aus einer Analogie zu §§ 1004 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 906 BGB, aus dem Rechtsstaatsprinzip oder aus den Freiheitsgrundrechten herzuleiten ist, da er gewohnheitsrechtlich anerkannt ist.
Vorliegend verletzt die Veröffentlichung des Transparenzberichts die Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG.
Der Schutzbereich dieses Grundrecht kann nicht nur berührt sein, wenn eine berufliche Tätigkeit unterbunden wird, sondern auch dann, wenn der Markterfolg behindert wird, da in der bestehenden Wirtschaftsordnung das Freiheitsrecht des Art. 12 Abs. 1 GG das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs umschließt (vgl. Bundesverfassungsgericht –BVerfG–, Beschluss vom 28. Juli 2004, 1 BvR 2566/95, NJW-RR 2004, 1710). Die Verbreitung von Informationen über einen Unternehmer ist, obwohl sie ihn nicht grundsätzlich daran hindert, seinen Beruf auszuüben, geeignet, dessen Erfolg der Berufsausübung beeinflussen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2004, a.a.O.). Damit ist sie jedoch nicht per se ausgeschlossen. Denn eine marktwirtschaftliche Ordnung setzt gerade voraus, dass die Markteilnehmer über ein möglichst hohes Maß an Informationen über marktrelevante Faktoren verfügen. Informationen, welche Markttransparenz verbessern und den Marktteilnehmern eine an den eigenen Interessen orientierte Entscheidung über die Bedingungen der Marktteilhabe ermöglichen, berühren den Schutzbereich der Berufsfreiheit auch dann nicht, wenn sie sich auf die Wettbewerbsposition eines einzelnen Unternehmens nachteilig auswirken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91, BVerfGE 105, 252). Da die inhaltliche Richtigkeit einer Information allerdings grundsätzlich Voraussetzung dafür ist, dass sie die Transparenz am Markt und damit dessen Funktionsfähigkeit fördert, schützt Art. 12 Abs. 1 GG Unternehmen in ihrer beruflichen Betätigung vor inhaltlich unzutreffenden Informationen oder vor Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, a.a.O.).
An diesen Maßstäben gemessen stellt die Veröffentlichung des Transparenzberichts vom 7. Juni 2010 durch die Antragsgegner einen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit der Antragstellerin dar. Denn die Vergabe der Noten, eine Wertentscheidung des MDK, die sich die Antragsgegner mit deren Veröffentlichung zu Eigen gemacht haben, beruht auf einer unzureichend ermittelten Tatsachengrundlage und damit auf sachfremden Erwägungen im genannten Sinne. Damit kann offen bleiben, ob dem MDK im Rahmen der nach § 115 Abs. 1a SGB XI vorzunehmenden Bewertungen Beurteilungsspielräume eröffnet sind, da ein derartiger Fehler im Abwägungsvorgang auch in diesem Fall gerichtlich vollständig überprüft werden darf und im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG überprüft werden muss.
Es begegnet bereits Zweifeln, ob die „Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant“ (PTVA) vom 29. Januar 2009 den gesetzlichen Vorgaben des § 115 Abs. 1a Satz 6 SGB XI gerecht wird, wonach neben den Kriterien der Veröffentlichung auch „die Bewertungssystematik“ zu vereinbaren ist, und damit als Normsetzungsvereinbarung überhaupt Bindungswirkung für die einzelne Pflegeeinrichtung entfalten kann. Derartige Zweifel ergeben sich insbesondere deswegen, weil die Vertragsparteien im Vorwort der PTVA selbst einräumen, dass derzeit keine pflegewissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über valide Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität vorliegen.
Der Träger der Staatsgewalt kann allerdings zur Verbreitung von Informationen unter besonderen Voraussetzungen auch dann berechtigt sein, wenn ihre Richtigkeit noch nicht abschließend geklärt ist. In solchen Fällen hängt die Rechtmäßigkeit der staatlichen Informationstätigkeit davon ab, ob der Sachverhalt vor seiner Verbreitung im Rahmen des Möglichen sorgsam und unter Nutzung verfügbarer Informationsquellen, gegebenenfalls auch unter Anhörung Betroffener, sowie in dem Bemühen um die nach den Umständen erreichbare Verlässlichkeit aufgeklärt worden ist. Verbleiben dennoch Unsicherheiten in tatsächlicher Hinsicht, ist der Staat an der Verbreitung der Informationen gleichwohl jedenfalls dann nicht gehindert, wenn es im öffentlichen Interesse liegt, dass die Marktteilnehmer über einen für ihr Verhalten wichtigen Umstand, etwa ein Verbraucherrisiko, aufgeklärt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, a.a.O.). Vorliegend liegen diese besonderen Voraussetzungen jedoch nicht vor. Anders als etwa bei der Veröffentlichung einer Liste diethylenglykolhaltiger Weine unter Nennung der betroffenen Abfüllbetriebe zielt die Veröffentlichung der Transparenzlisten durch die Antragsgegner nicht darauf ab, auf eine aktuelle Krise schnell und sachgerecht zu reagieren sowie den Bürgern durch rechtzeitige Informationen zu Orientierungen zu verhelfen. Vielmehr soll die Veröffentlichung der Qualitätsprüfungen die Transparenz für die Verbraucher über die Leistungen und deren Qualität von ambulanten Pflegediensten verbessern. Die Publikation von Benotungen, die auf Grundlage nicht valider Daten vorgenommen wurde, ist hierfür offensichtlich nicht geeignet (a.A. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2010, L 10 P 76/10 B ER, bei Juris).
Rechtliche Bedenken bestehen daneben auch insoweit, als nach der PTVA die verschiedenen Bewertungskriterien unterschiedslos gleich gewichtet werden und damit massive Verzerrungen der Bewertungsergebnisse, insbesondere im Hinblick auf die Ergebnisqualität, zu befürchten sind. Vorliegend hat sich beispielsweise im Qualitätsbereich 1 (pflegerische Leistungen) die fehlende bzw. unzureichende Dokumentation der individuellen Wünsche zum Essen und Trinken (Kriterium 2) in einer Bewertung mit der Note 4,1 niedergeschlagen, ohne dass eine Aufklärung dahingehend ersichtlich ist, ob und inwieweit sich der Dokumentationsmangel auf die tatsächliche Berücksichtigung der Patientenwünsche ausgewirkt hat. Im Hinblick auf das gesetzgeberische Ziel, die tatsächliche Leistungserbringung und deren Qualität zu veröffentlichen, erscheint es bedenklich, eine derart massive Schlechtbenotung vorrangig auf fehlende oder unzureichende Dokumentation zu stützen.
Ferner bestehen aus der Sicht des Senats Zweifel an der in § 115 Abs. 1a Satz 1 SGB XI vorausgesetzten Vergleichbarkeit der zu veröffentlichenden Leistungen und deren Qualität. Denn ein sachgerechter Vergleich setzt die hinreichende Aussagekraft der heranzuziehenden Daten voraus. Dementsprechend bestimmt § 2 PTVA zwar, dass die auszuwertende Patientengruppe eine bestimmte Mindestgröße haben muss, doch enthält die gemäß § 3 Abs. 2 PTVA in Verbindung mit Ziffer 2.1. der Anlage 2 anzuwendende Bewertungssystematik zugleich eine Bestimmung, wonach ein Kriterium, das für einen pflegebedürftigen Menschen nicht zutrifft, nicht in die Bewertung und Mittelwertberechnung einzubeziehen sei. Dies ermöglicht eine Bewertung von Kriterien auch bei Unterschreitung der in § 2 PTVA vorgesehenen Mindestanzahl auszuwertender Fälle und vergrößert so die Wahrscheinlichkeit nicht repräsentativer Zufallsergebnisse. Die bereits bei abstrakter Betrachtung der Regelung bestehenden Bedenken werden im konkreten Fall bestätigt. So hat der MDK von den 17 Kriterien des Qualitätsbereichs 1 nur ein einziges unter Heranziehung aller fünf ausgewählten Patientenfälle bewerten können. Bei vier Kriterien basiert die Bewertung hingegen auf nur jeweils einem Fall.
Diese Fragen können im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden. Die Entscheidung über die Gültigkeit der PTVA muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Auch die konkrete Anwendung der PTVA begegnet – neben den eben genannten Fällen – vorliegend Bedenken, soweit im Qualitätsbereich 1 das Kriterium 17 mit 5,0 bewertet wurde, demzufolge in dem (allein herangezogenen – und schon deshalb problematischen) Fall eines Pflegebedürftigen bei freiheitseinschränkenden Maßnahmen die notwendige Einwilligung oder Genehmigung nicht vorgelegen haben soll. Die qualifizierten Einwände der Antragstellerin mit dem Sachvortrag, das Abschließen der Wohnungstür der Wohngemeinschaft diene allein dem Schutz von außen, da die Bewohner auf Nachfrage bei dem ständig anwesenden Pflegepersonal jederzeit den Wohnbereich verlassen könnten, haben die Antragsgegner nicht hinreichend gewürdigt, indem sie im Schreiben vom 27. August 2010 nur auf die allgemeine Rechtslage verwiesen haben.
Mit der Feststellung der Beeinträchtigung des Schutzbereichs steht in solchen Fällen auch die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung fest (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, a.a.O.), weshalb sie von der Antragstellerin nicht zu dulden ist. Eine Rechtfertigung der Weiterverbreitung unrichtiger Informationen bzw. – wie hier – von Wertungen, die auf sachfremden Erwägungen beruhen, ist ausgeschlossen. Es ist daher für die Zulässigkeit öffentlicher Bewertungen nicht ausreichend, dass keine groben Fehler oder Bewertungsmängel bzw. keine schwerwiegenden Verstöße gegen die rechtlichen Vorgaben vorliegen (a.A. Landessozialgericht Sachsen, Beschluss vom 24. Februar 2010, L 1 P 1/10 B ER, und Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2010, L 10 P 76/10 B ER, jeweils bei Juris; vgl. auch zur „Pflege-Transparenzvereinbarung stationär“: Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2010, L 8 P 29/10 B ER, bei Juris). Zum Einen hat die Öffentlichkeit grundsätzlich Anspruch auf zutreffende Information. Dies gilt auch wegen des öffentlichen Interesses an einer fairen Marktsituation. Zum Anderen verlangt der Schutz des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit, dass die veröffentlichten Daten und Bewertungen auf zutreffender Tatsachengrundlage zustande kommen.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Eilbedürftigkeit ist hier zu bejahen, da durch die Veröffentlichung des Transparenzberichts eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit bereits eingetreten ist und durch die weiter bestehende Einsichtsmöglichkeit perpetuiert wird. Der Umstand, dass das Gesamtergebnis der Bewertung 1,6 (gut) lautet, kann auch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht dazu führen, dass sie diesen Eingriff bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren hinzunehmen hätte. Selbst ein „nicht sonderlich negatives“ Ergebnis lässt einen Wettbewerbsnachteil befürchten, der einer umgehenden Korrektur bedarf. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass mit der zunehmenden Zahl der geprüften Pflegeeinrichtungen die Durchschnittsnote in Berlin sich von 2,3 im Oktober 2010 auf 1,9 im März 2011 erhöht hat, so dass nicht mehr die Rede davon sein kann, die Benotung der Antragstellerin liege deutlich höher als der Landesdurchschnitt. Zudem ist hinsichtlich der Wettbewerbssituation nicht allein auf das gesamte Bundesland abzustellen, sondern entsprechend den Suchkriterien auf www.pflegelotse.de auf das unmittelbare Gebiet, in welchem die Pflegeeinrichtung tätig wird. Bei Eingabe der Postleitzahl 12053 werden im Bereich unter 1 km neben der Antragstellerin sechs Anbieter genannt, von denen zwei noch nicht geprüft wurden. Ein Anbieter hat die Gesamtnote 3,6 erhalten, die drei anderen die Noten 1,1 und 1,2 sowie 1,3. Sucht ein in diesem Gebiet ansässiger Pflegebedürftiger eine Pflegeeinrichtung im Nahbereich seiner Wohnung, liegt deshalb ein Wettbewerbsnachteil der Antragstellerin mit Rücksicht auf ihre Benotung von 1,6 gegen ihren Konkurrenten auf der Hand. Wesentliche Nachteile würden ihr auch dann drohen, wenn ihre Kommentare zu der Bewertung durch die Antragsgegner in die Veröffentlichung aufgenommen würden, weil solche gegen die hoheitliche Bewertung nur begrenzt Marktwirksamkeit erlangen können.
2. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts hat insoweit Erfolg, als sie die vorläufige Unerlassung der weiteren Veröffentlichung des betreffenden Transparenzberichts vom 7. Juni 2010 begehrt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG ist eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand zu treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Ihre Rechtsverfolgung in der Hauptsache hat erhebliche Erfolgsaussicht: Die Voraussetzungen des gewohnheitsrechtlich anerkannten Unterlassungsanspruch (entsprechend dem in § 1004 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, 906 BGB verkörperten Rechtsgedanken), der sich auf die Abwehr einer drohenden Beeinträchtigung einer geschützten Rechtsposition durch hoheitliches Handeln richtet, das der Betroffene nicht zu dulden braucht, sind nach dem eben Ausgeführten erfüllt. Die weitere Veröffentlichung des Transparenzberichts stellte einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Berufsfreiheit der Antragstellerin dar, den sie nicht zu dulden hätte. Hinsichtlich des Anordnungsgrundes berücksichtigt der Senat insbesondere die schwer zu korrigierenden Folgen einer Veröffentlichung der fehlerhaften Bewertungen für die Berufsausübung der Antragstellerin im Rahmen des Wettbewerbs der Pflegeeinrichtungen.
3. Soweit die Antragstellerin im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung begehrt, sie sei bis zu der Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet, die Zusammenfassung der Ergebnisse der Qualitätsprüfung vom 7. Juni 2010 in ihrer Einrichtung auszuhängen, hat ihre Beschwerde keinen Erfolg. Zwar dürfte die Klägerin tatsächlich nicht nach § 115 Abs. 1a Satz 5 SGB XI verpflichtet sein, eine Zusammenfassung der Prüfergebnisse an gut sichtbarer Stelle in der Pflegeeinrichtung auszuhängen, da diese Verpflichtung die Rechtmäßigkeit des Transparenzberichts voraussetzt, an der vorliegend erhebliche Zweifel bestehen. Einen Anordnungsgrund für die – grundsätzlich auch im Rahmen einer einstweiligen Anordnung mögliche – vorläufige Feststellung hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Antragsgegner in Konkretisierung der gesetzlichen Verpflichtung des § 115 Abs. 1a Satz 5 SGB XI die Antragstellerin aufgefordert haben, die Prüfergebnisse auszuhängen.
Bei der für die Anordnungen auf Beseitigung bzw. auf Unterlassung der Veröffentlichung festzusetzenden Frist geht der Senat davon aus, dass das Hauptsacheverfahren besonders zügig zu entscheiden ist und auch entschieden werden kann. Sollte das Verfahren in der Hauptsache bis zu dem hier gesetzten Termin noch nicht abgeschlossen sein, wäre ggf. auf entsprechenden Antrag durch das dann zuständige Gericht der Hauptsache über die weitere Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 197a SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 VwGO. Sie berücksichtigt den jeweiligen Erfolg der Rechtsverfolgung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 197a SGG, 63, 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 2 GKG. Sie berücksichtigt den ausdrücklichen Verweis des § 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG für das sozialgerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf § 52 Abs. 2 GKG, weshalb eine Reduzierung des Auffangstreitwertes für derartige Verfahren ausgeschlossen erscheint.
Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).