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Entscheidung VK 13/10


Metadaten

Gericht Vergabekammer Potsdam Entscheidungsdatum 10.10.2010
Aktenzeichen VK 13/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Nachprüfungsantrag wird verworfen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens.

3. Die Gebühr wird auf X.XXX,XX EUR festgesetzt und mit dem eingezahlten Kostenvorschuss verrechnet.

Gründe

I.

Die Auftraggeberin hatte im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom … 2008 das Vergabepaket VE 4.4 (Bodenverlege- und Bodenbelagsarbeiten) in drei Losen im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb nach der EG-Sektorenrichtlinie (VOB/A-SKR) europaweit ausgeschrieben. Nach Ziffer V.1.2) der Bekanntmachung (über vergebene Aufträge – Sektoren) vom … 2009 waren drei Angebote auf die hier streitbefangenen Lose 1 und 2 eingegangen. Den Zuschlag hatte die Antragstellerin erhalten. Tag der Auftragsvergabe war nach Ziffer V.1.1) der Bekanntmachung der … 2009.

Gemäß den Verdingungsunterlagen, Ziffer 2 a) der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes vom … 2008, hatte der Bieter mit seinem Angebot losspezifisch u.a. die Erklärungsvordrucke „Bietererklärung 1 – Angebot der Materialien“ einzureichen. In diese hatte der Bieter für die drei angebotenen Naturwerksteintypen insbesondere auch … „Name und Anschrift des Steinbruchs bzw. der Steinbrüche (Rohmaterialsicherung I)“ und „Name und Anschrift des Naturwerksteinbetriebes (Rohmaterialsicherung II)“ sowie den „Zeitraum des jährlichen Abbruchzyklus (Rohmaterialsicherung III)“ einzutragen. Die Auftraggeberin wies zugleich darauf hin, dass „die Angaben in der Bietererklärung 1 – Angebot der Materialien“ verbindlich sind und vollständig sein müssen.“ Ebenso enthielten die Vorbemerkungen und Erläuterungen zum Leistungsverzeichnis (VEL), Ziffer 3.4.2, einen Hinweis auf die vergaberechtliche Relevanz der Bietererklärungen zur Rohmaterialsicherung. Ziffer 3.3 der VEL enthielt ausführliche Erklärungen zu den drei vorgesehenen Bemusterungsstufen, je mit entsprechendem Hinweis auf die Verbindlichkeit für das Angebot.

Die Antragstellerin hatte in der mit dem ersten indikativen Angebot vom … 2009 abgegebenen Bietererklärung 1 zum Naturwerkstein (NWS) Typ 1 … die Firma … als Steinbruch/Steinbrüche (Rohmaterialsicherung I) angegeben. Die Angaben zur Rohmaterialsicherung I und II blieben im optimierten Angebot vom … 2009 unverändert. Nach dem Aufklärungsgespräch vom … 2009 hatte die Auftraggeberin der Antragstellerin Klarstellungen und die fortgeschriebenen Verdingungsunterlagen zum Zwecke der Vorlage des optimierten Angebotes übersandt. Die Auftraggeberin hatte die Angaben des Angebotes der Antragstellerin in der Bietererklärung 1 übernommen, „soweit sie den Ausschreibungsbedingungen entsprechen dürften“ und um Prüfung, gegebenenfalls Korrektur gebeten. Nachzuholen waren von der Antragstellerin allein Angaben zur Rohmaterialsicherung III bei allen drei Naturwerksteintypen sowie weitere Angaben zum NWS Typ 3. Die Bietererklärung 1 stand weiter unter dem Hinweis, dass „der Bieter für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Bietererklärung und für die Geeignetheit der Angaben mit den Anforderungen aus den Verdingungsunterlagen selbst verantwortlich ist. Mit Abgabe der Bietererklärung bestätigt der Bieter die Richtigkeit aller in der Bietererklärung eingetragenen Werte.“

Der Entwurf des abzuschließenden GU-Vertrages Ausführungsleistungen Bodensysteme Teil I, VE 4.4, enthielt in Ziffer 15.1 Regelungen zur Gestellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft und in Ziffer 18 Regelungen zur Vertragskündigung.

Nach Zuschlagserteilung vom … 2009 hatte die Antragstellerin der Auftraggeberin in der Projektbesprechung zur Qualitätssicherung vom … 2009 die Einhaltung aller in der Bietererklärung 1 enthaltenen Angaben bestätigt. In Bezug auf die zur Rohmaterialsicherung I (NWS Typ 1 …) benannte Firma … teilte sie mit, dass es sich bei dieser um eine Verkaufs- und Vermarktungsagentur, nicht um einen Steinbruch handele. Die Steinbrüche stünden noch nicht fest. Auf die Absicht, die Aufnahme eines weiteren Lieferanten (Firma …) beantragen zu wollen, hatte die Auftraggeberin auf den Aussagegehalt der Bietererklärung 1 verwiesen, die als Beschaffenheitsvereinbarung einzuhalten sei. Alle Änderungen seien Sondervereinbarungen zum Vertrag.

In der Folgezeit, insbesondere nach der Bemusterung Stufe 3 (Rohplattenvorstellung vom … 2009 und Präsentation der Musterfläche am … 2009 – NWS Typ 1 … Platten, davon ein Großteil aus dem nicht von der Firma … vermarkteten Steinbruch der Firma …) entstand zwischen den Vertragsparteien die letztlich zur Vertragskündigung führende Auseinandersetzung. Dem Geschäftsführer … der Auftraggeberin hatte vom bemusterten Plattenmaterial das der Firma … am besten gefallen.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, dass eine Belieferung des NWS Typ 1 aus dem Steinbruch … statt aus einem der von … vermarkteten Steinbrüche in vorgenanntem Bemusterungstermin vereinbart und auch rechtlich zulässig sei. Während der Vertragsdurchführung seien die Parteien des hier geschlossenen VOB/B-Vertrages zur Kooperation verpflichtet. Die nachträgliche Zulassung eines weiteren oder der Austausch eines Lieferanten stelle keine wesentliche Vertragsänderung mit vergaberechtlicher Relevanz dar. Ende November teilte sie der Auftraggeberin mit, dass die von ihr in der Bietererklärung 1 angegebene Firma … weder ihre Lieferzusage einhalten wolle, noch die zur Angebotsabgabe bemusterte Qualität in ausreichender Menge liefern könne.

Die Auftraggeberin hat den Standpunkt vertreten, die Antragstellerin verhalte sich vertragswidrig, wenn sie das Rohmaterial nicht gemäß Bietererklärung 1 von der Firma … beziehe. Im Übrigen habe die Antragstellerin die behaupteten Lieferschwierigkeiten von … nicht nachweisen können. Mit Schreiben vom … 2009 hatte die Firma … der Auftraggeberin mitgeteilt, sie sei von der Antragstellerin aufgefordert worden, von den der Antragstellerin gegebenen verbindlichen Liefergarantien zurückzutreten, weil Material aus anderen Steinbrüchen eingesetzt werden solle. Dem habe … widersprochen, da sie liefern könne und wolle.

Der vonseiten der Auftraggeberin vorgeschlagene Abschluss einer Ergänzungsvereinbarung/Sideletter, um etwaige Risiken zu minimieren, sofern Dritte erfolgreich gegen die Belieferung (auch) durch die Firma … als Rohmateriallieferanten für den NWS Typ 1 vorgingen, kam nicht zustande. Mit dem Hinweis, ihr stünde ein Zurückbehaltungsrecht zu, trat die Antragstellerin darüber hinaus der Aufforderung der Auftraggeberin entgegen, die laut GU-Vertrag binnen zwei Wochen nach Vertragsschluss vorzulegende Vertragserfüllungsbürgschaft bis zum … 2010 beizubringen. Mit Schreiben vom … 2010 verwies die Auftraggeberin erneut auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Firma … bestand auf einer vertragskonformen Leistungserbringung gemäß Bietererklärung 1 und setzte der Antragstellerin bis zum … 2010 eine letzte Nachfrist, die abgeforderte Bürgschaft beizubringen.

Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist erhielt die Auftraggeberin per Telefax am … 2010 eine der Antragstellerin am … 2010 von Sparkasse … zugeleitete Bestätigung zur Kenntnis, dass der Antragstellerin die in Rede stehende Bürgschaft zugesandt werde, sobald sie diese abfordere.

Mit Schreiben vom … 2010, der Antragstellerin am gleichen Tage per Telefax übermittelt, kündigte die Auftraggeberin den GU-Vertrag vom … 2009 aus wichtigem Grund unter Berufung auf Ziffer 15.1 des Vertrages (Nichtvorlage der Vertragserfüllungsbürgschaft). Weiterer Grund sei die Weigerung die Antragstellerin zur vertragskonformen Durchführung der geschuldeten Bauleistung, da sie nicht das vertraglich vereinbarte Material und nicht den in der Bietererklärung 1 benannten Lieferanten einsetzen wolle. Infolge dessen sei das Vertrauensverhältnis derart erschüttert, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar sei.

Die Antragstellerin erwiderte mit Schreiben vom … 2010, dass die vermeintlichen Kündigungsgründe nicht zuträfen und ersuchte die Auftraggeberin, die Kündigung zurückzunehmen. Sie äußerte sich im Weiteren dahin, dass es im Übrigen für das Projekt sicher schade und nicht dienlich wäre, „wenn ein solch wichtiges Gewerk wie die Natursteinarbeiten von einer fachfremden Firma, mit der Sie derzeit verhandeln, ausgeführt“ werde. Die Antragstellerin sei wegen der Dringlichkeit an einer Neuvergabe des GU-Vertrages ebenfalls interessiert. Das erforderliche Material werde nach wie vor vorgehalten. Mit der Neuvergabe würden alle vergaberechtlichen Risiken, die die Auftraggeberin sehe, erledigt.

Mit weiterem Schreiben vom … 2010 ersuchte die Antragstellerin die Auftraggeberin unter Fristsetzung um die schriftliche Erklärung, dass eine Neuvergabe nicht ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt werde, denn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Ziffer 4 SektVO lägen nicht vor. Gleichzeitig bat die Antragstellerin um Übersendung der Verdingungsunterlagen für die Neuvergabe.

Am … 2010 veröffentlichte die Auftraggeberin im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union die ohne vorherige Bekanntmachung im Verhandlungsverfahren erfolgte Auftragsvergabe der o.a. Leistungen, Vergabepaket VE 4.4 (Bodenverlege- und Bodenbelagsarbeiten), Los 1 und 2, an die Arbeitsgemeinschaft … GmbH. Die Begründung zur Wahl der Verfahrensart, Ziffer IV.1.1) lautet, dass „eine zwingende Dringlichkeit im Zusammenhang mit Ereignissen vorliege, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte und die den strengen Bedingungen der Richtlinie genügen. Der Auftrag für die Lose 1 und 2 sei „ursprünglich im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb an den erstplatzierten Bieter (Fa. … GmbH …) vergeben worden. Nach Zuschlag habe der Auftraggeber den Vertrag aufgrund einer schwerwiegenden Vertragsverletzung des Auftragnehmers außerordentlich kündigen müssen. Zur Einhaltung der vorgesehenen Eröffnung des …flughafens … zum … 2011 habe die Vergabestelle aufgrund äußerster Dringlichkeit gemäß SektVO § 6 Abs. 2 Nr. 4 diese Leistungen im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb und ohne Bekanntmachung vergeben müssen, da bei Durchführung eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb unter Berücksichtigung der Mindestfristen eine fristgerechte Fertigstellung des Projektes … nicht mehr möglich wäre …“

Dem Verhandlungsverfahren ging ausweislich des den streitigen Schriftverkehr zusammenfassenden ausführlichen Vergabevermerks die Überlegung der Auftraggeberin voraus, ob bzw. wie das Vertragsverhältnis zur Antragstellerin beendet werden kann. Des Weiteren wurde die Möglichkeit der Neuvergabe der Leistungen gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 SektVO geprüft. Die Dringlichkeit ergebe sich aus der Notwendigkeit, den Gesamtfertigstellungstermin des Großprojektes … zu halten. Es handele sich um ein Vorhaben mit einer Vielzahl zeitlicher und logistischer Verknüpfungen von Teilaufträgen; aus dem Geflecht der Gewerke könne nicht Eines herausgelöst und (bei Ausschreibung mit vorheriger öffentlicher Bekanntmachung) zeitlich um mindestens sieben Monate verzögert neu vergeben werden. Die Kündigungsgründe hätten in der Sphäre der Antragstellerin gelegen. Die Kündigung sei wegen der Erkenntnis, die Antragstellerin sei offenbar doch nicht leistungsfähig, zwingend und für die Auftraggeberin nicht vorhersehbar gewesen. Der Fall sei vergleichbar dringlich dem einer Neuvergabe nach Insolvenz (so: VK Bund, Beschluss vom 29. Juni 2005 – VK 3-52/05). Die Antragstellerin in ein neues Verfahren mit einzubeziehen verbiete sich, da diese weder finanziell noch technisch leistungsfähig erscheine: sie habe mehrfach Fristen verstreichen lassen, ohne die geforderte Vertragserfüllungsbürgschaft beizubringen und sei offensichtlich nicht in der Lage, das Material für das Bauvorhaben vertragsgemäß beizubringen.

Entsprechend den Überlegungen im Vergabevermerk hatte die Auftraggeberin die beiden weiteren Bieter der ursprünglichen Ausschreibung, die sich im ursprünglichen Teilnahmewettbewerb vom … 2008 als geeignet herausgestellt hatten, zur erneuten Angebotsabgabe auf der Basis ihrer ca. ein dreiviertel Jahr zuvor abgegebenen optimierten Angebote aufgefordert und ihnen die Verdingungsunterlagen übersandt. Die Verdingungsunterlagen enthielten Änderungen hinsichtlich der Terminpläne und Preisblätter. Einer der Bieter sah aus Termingründen von einer Angebotsabgabe ab, der spätere Zuschlagsbieter gab sein überarbeitetes optimiertes Angebot fristgerecht zum … 2010 ab. Die Zuschlagserteilung erfolgte am … 2010, unmittelbar nach Übermittlung der Kündigung an die Antragstellerin.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom … 2010 beantragte die Antragstellerin bei der Vergabekammer des Landes Brandenburg die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 107 ff. GWB auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages nach § 101 b Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWB.

Sie schildert den Verfahrensablauf, der letztlich zur Vertragskündigung führte, ausführlich aus ihrer Sicht und meint, dass die Auftraggeberin auch sie um die Abgabe eines Angebotes hätte ersuchen müssen, da sie jedenfalls ihr weiterhin bestehendes Interesse am Auftrag bekundet habe. Die Kündigung des GU-Vertrages sei unbegründet und beruhe auf einem Rechtsirrtum der Auftraggeberin hinsichtlich der Einbeziehung der … als weiteren Lieferanten für das Rohmaterial NWS Typ 1 … Im Ergebnis handele es sich um eine freie Auftraggeberkündigung, sodass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Ziffer 4 SektVO, speziell das Merkmal der „äußersten Dringlichkeit“, für eine Vergabe ohne vorherige öffentliche Bekanntmachung nicht vorgelegen hätten. Soweit die Kündigung aus der rechtsfehlerhaften Sicht der Auftraggeberin auf die fehlende Übergabe der Vertragserfüllungsbürgschaft gestützt werden könne, hätte die Auftraggeberin diesem Umstand bereits nach erster Abforderung mit Schreiben vom … 2009 Geltung verschaffen können und müssen.

Im Ergebnis hätte die Auftraggeberin die Bieter und Interessenten über die beabsichtigte Neuvergabe gemäß § 101 a Abs. 1 GWB informieren müssen, da die Informationspflicht nicht gemäß § 101 a Abs 2 GWB entfallen sei, denn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Ziffer 4 SektVO lägen nicht vor. Ob die Auftraggeberin die Neuvergabe ohne vorherige Bekanntmachung habe ausschreiben dürfen, könne erst nach Akteneinsicht beurteilt werden.

Die Antragstellerin beantragt,

1. festzustellen, dass der im Amtsblatt der Europäischen Union am … 2010 … bekannt gemachte Vertrag zwischen der Auftraggeberin und der Arbeitsgemeinschaft … über die Ausführung der Verlegung von Natur-, Betonwerkstein- und Terrazzobelägen einschließlich der zugehörigen Nebenleistungen wie z.B. Fugenprofile, Einfassungswinkel etc. – Az. der Auftraggeberin: … von Anfang an unwirksam ist,
2. die Auftraggeberin anzuweisen, der Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakten der Auftraggeberin zu gewähren,
3. die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin gemäß § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären,
4. der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten für die anwaltliche Vertretung der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragstellerin hat ihr Vorbringen mit Schriftsatz vom … 2010 vertieft und darauf verwiesen, dass die Verdingungsunterlagen keine Erklärungen zur „Verbindlichkeit“ der Eintragungen in der Bietererklärung 1 beinhalten. Im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ergebe sich, dass diese Erklärung keine „Beschaffenheitsvereinbarung“ des Inhaltes darstelle, dass Gegenstand der geschuldeten Leistung die Lieferantin … sei. Die Auftraggeberin habe zu Unrecht die anlässlich der Bemusterung vom … 2009 getroffenen Vereinbarungen unbeachtet gelassen und auf einer Belieferung durch … bestanden. Eine wesentliche Änderung des Vertrages könne die Hinzunahme des Lieferanten … jedenfalls nicht begründen.

Die Auftraggeberin beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,

Sie geht davon aus, dass der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig ist, da der Antragstellerin für die begehrte Feststellung unter Berücksichtigung beider rechtlichen Aspekte des § 101 b Abs. 1 GWB das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Antragstellerin habe sich nach Zuschlag als nicht geeignet herausgestellt, sodass sich ihr Ausschluss bei der Neuvergabe nicht als vergaberechtswidrig erweise. Die Antragstellerin sei nicht mehr als Bewerber mit Chancen auf Teilnahme am Wettbewerb in Betracht gekommen, sodass die Neuvergabe, sei es mit oder ohne vorherige Bekanntmachung, sie in ihren Rechten nicht verletzen kann.

Die Erwägungen, den Aussagegehalt der Bietererklärung 1 in Bezug auf die Verbindlichkeit der enthaltenen Angaben durch Auslegung zu ermitteln, seien der Auftraggeberin nicht nachvollziehbar. Im Bemusterungstermin am … 2009 habe der Geschäftsführer der Auftraggeberin zwar dem optischen Erscheinungsbild der Natursteinplatten aus dem Steinbruch der Firma … zugestimmt, nicht jedoch einer Abweichung von der Bietererklärung 1. Diese sei als Beschaffenheitsvereinbarung zu qualifizieren, sodass die strittige Abweichung durch Zulassung eines anderen als des angebotenen Materials eine vergaberechtswidrige wesentliche Vertragsänderung darstelle. Zwar werde der Natursteintyp nicht geändert, aber die Herkunft des Materials – aus einem anderen Steinbruch – und damit dessen Eigenschaften. Das hätte nach den Bestimmungen des gekündigten Vertrages ausdrücklich und schriftlich angeordnet bzw. vereinbart werden müssen.

Bei der Auftraggeberin bestehe der Eindruck, dass die Behauptungen der Antragstellerin zur fehlenden Leistungsfähigkeit oder -bereitschaft der Firma … nicht zuträfen; auch der mehrfachen Aufforderung unter Fristsetzung, die vertraglich geschuldete Bürgschaft beizubringen, sei die Antragstellerin nicht gefolgt. Hinzu trete die erst im Nachhinein getroffene Feststellung, dass die Antragstellerin in Bezug auf Los 2 ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (Angaben zum Umsatz der letzten drei Geschäftsjahre) nicht habe nachweisen können. Jedenfalls habe die Auftraggeberin die ursprüngliche Ausschreibung rechtzeitig in den Wettbewerb gestellt. Die Kündigung habe die Auftraggeberin nicht zu vertreten. Die dadurch eingetretene Situation sei der des § 3 a Nr. 6 lit. a) und b) VOB/A nach Scheitern eines Offenen oder Nichtoffenen Verfahrens vergleichbar. Die vonseiten der Auftraggeberin angenommene Dringlichkeit der Vergabe der gekündigten Leistungen folge aus der Verzahnung zum Ablaufplan der einzelnen Gewerke des Großprojektes … und den bei nennenswerten Verzögerungen drohenden erheblichen finanziellen Verlusten.

Durch Verfügung des Vorsitzenden der Kammer vom … 2010 wurde die Entscheidungsfrist nach § 113 Abs. 1 GWB bis zum … 2010 verlängert.

Mit weiteren Schriftsätzen vom … und … 2010 vertiefte die Antragstellerin ihren Vortrag. Die Antragstellerin führt im Wesentlichen zu den zur Vertragskündigung führenden Umständen aus. Diese seien vonseiten der Auftraggeberin nicht korrekt dargestellt und überdies rechtsfehlerhaft gewürdigt worden. Die zur außerordentlichen Kündigung herangezogenen Gründe hätten nicht vorgelegen. Im Ergebnis sei festzustellen, dass der Antragstellerin ein Anspruch auf Beteiligung an der Neuvergabe des in Rede stehenden Auftrages zugestanden habe. Das sei nicht geschehen.Soweit die Auftraggeberin der Auffassung sei, der Nachprüfungsantrag sei mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig, beruhe diese Einschätzung auf der rechtsirrigen Annahme, die Antragstellerin sei – im Wesentlichen aus den Gründen, die zur Vertragskündigung herangezogen worden seien – technisch und wirtschaftlich nicht leistungsfähig. Dieser Auffassung werde widersprochen. Die Antragstellerin habe gegenüber der Auftraggeberin sowohl ihre wirtschaftliche, als auch ihre technische Leistungsfähigkeit nachgewiesen. Die Sparkasse … habe die Gestelltung der Vertragserfüllungsbürgschaft (bisher vonseiten der Antragstellerin zurückbehalten) ebenso bestätigt, wie die Firma … ihre umfassende Leistungsfähigkeit nach Ausübung des endgültigen Leistungsbestimmungsrechts i.S.d. § 315 BGB nach der dritten Bemusterung … durch die Auftraggeberin.

Auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen haben, sowie die eingereichten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Dieser Umstand rechtfertigt es, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB.

Die angerufene Vergabekammer des Landes Brandenburg ist für die Entscheidung über den Nachprüfungsantrag zuständig (§ 104 Abs. 1 GWB). Aus der Belegenheit des Flughafens … im Land … und wegen der Benennung der Vergabekammer des Landes Brandenburg in der Vergabebekanntmachung ist die beabsichtigte Auftragsvergabe dem Land Brandenburg zuzurechnen.

Die Auftraggeberin zählt zu den Sektorenauftraggebern i.S.v. § 98 Nr. 4 GWB. Sie wird als Betreiberin des Flughafens … im Sinne der Luftverkehrszulassungsordnung auf dem Gebiet des Verkehrswesens tätig. Gesellschafter sind ausschließlich der … und die Länder …, die ihrerseits Auftraggeber nach § 98 Nr. 1 GWB sind und die die Mehrheit des Stammkapitals halten (vgl. Art. 1 Nr. 2 Satz 2 der Richtlinie zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, Anhang VIII). Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 8 Nr. 4 a) VgV i.V.m. § 1 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A-SKR hatte die Auftraggeberin bei der ursprünglichen Ausschreibung der streitigen Leistungen gemäß Bekanntmachung vom … 2008 den 4. Teil der VOB/A anzuwenden. Dieses Vergabeverfahren wurde mit Zuschlag vom … 2009 beendet. Das hier beanstandete Verhalten der Auftraggeberin, die nach Vertragskündigung vorgenommene Auftragsvergabe im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Öffentliche Bekanntmachung, ist ein neues, im Jahr 2010 eingeleitetes Vergabeverfahren, auf das die Vorschriften der am 29. September 2009 in Kraft getretenen Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwassserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung – SektVO vom 23. September 2009) anzuwenden sind.

Der maßgebliche Schwellenwert nach §§ 100 Abs. 1, 127 Nr. 1 GWB i.V.m. Artikel 1 EG-VO Nr. 1177/2009 vom 30. November 2009 i.V.m. § 2 Nr. 7 VgV wird für die verfahrensgegenständlichen Lose 1 und 2 des Vergabepaketes VE 4.4 (Bodenverlege- und Bodenbelagsarbeiten) jeweils überschritten.

Die Zulässigkeit des Antrages scheitert hier daran, dass die Auftraggeberin mit der Arbeitsgemeinschaft … GmbH einen wirksamen Vertrag über die streitige Leistung geschlossen hat. Diesem wirksamen Vertrag liegt der am … 2010 wirksam erteilte Zuschlag zugrunde (§ 114 Abs. 2 Satz 1 GWB), der im Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 SektVO) erteilt wurde. Damit können etwaige Verstöße gegen das Verfahren im Wege des Nachprüfungsverfahrens grundsätzlich nicht mehr überprüft und gegebenenfalls beseitigt werden.

Eine wirksame Zuschlagserteilung ist allerdings für den Fall zu verneinen, dass die Vergabestelle ihrer Pflicht zur Information der erfolglosen Bieter/Bewerber aus § 101 a Abs. 1 GWB nicht nachgekommen ist mit der Folge des § 101 b Abs. 1 Nr. 1 GWB oder wenn der Auftrag im Wege der so genannten de-facto-Vergabe vergeben wurde, nunmehr geregelt in § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB.

Zwar hat die Antragstellerin ihr Nachprüfungsbegehren, dass ein Verstoß i.S.d. § 101 b Abs. 1 GWB vorliege, innerhalb der Frist des § 101 b Abs. 2 Satz 2 GWB geltend gemacht. Die Bekanntmachung (über vergebene Aufträge – Sektoren) im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union datiert auf den … 2010, der Nachprüfungsantrag vom … 2010 ging am Folgetag, und die Ergänzung vom … 2010 ebenfalls noch unter Beachtung der 30-tägigen Frist bei der Vergabekammer ein.

Allerdings fehlt der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis, im Wege des Primärrechtsschutzes zu erreichen, erneut als Bieterin die Chance zu erhalten, für „denselben“ Auftrag ein Angebot einreichen zu können, der ihr gegenüber gekündigt worden ist. Sie ist nicht antragsbefugt.

Es wird nicht in Abrede gestellt, dass die Antragstellerin auch nach Kündigung des im vergangenen Jahr mit ihr geschlossenen GU-Vertrages zur Erbringung der nunmehr erneut vergebenen Leistungen weiterhin ein Interesse daran hat, diesen Auftrag auszuführen. Die Antragstellerin verkennt, dass hier nicht die regelmäßig zur Entscheidung der Vergabenachprüfungsinstanzen stehende Fallkonstellation vorliegt, dass ein drittes Unternehmen einen Vergabevorgang zur Überprüfung stellt, weil es an dem beanstandeten Vergabeverfahren nicht bzw. nicht ordnungsgemäß beteiligt wurde. Die Antragstellerin macht vielmehr als Zuschlagsbieter des ursprünglichen Vergabeverfahrens geltend, sie sei übergangen worden und habe gemäß § 101 a Abs. 1 GWB über die beabsichtigte Neuvergabe informiert bzw. in den Kreis der potenziellen Bieter aufgenommen werden müssen, obwohl in mehrere Monate dauernden Verhandlungen eine Einigung zwischen ihr und der Auftraggeberin nicht hat herbeigeführt werden können.

Soweit die Antragstellerin ihr Nachprüfungsbegehren auf § 101 b Abs. 1 Nr. 1 GWB stützt, gehört sie daher bereits nicht zu dem geschützten Personenkreis des § 101 a Abs. 1 GWB. Diese Vorschrift kommt zur Anwendung, wenn der Auftraggeber gegen die Informations- und Wartepflicht gegenüber Bietern bzw. Bewerbern verstoßen hat und die Informationspflicht nicht gemäß § 101 a Abs. 2 GWB entfallen ist.

Nach § 101 a Abs. 1 GWB hat der Auftraggeber die betroffenen Bieter bzw. Bewerber, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, … zu informieren. Das setzt im persönlichen Anwendungsbereich voraus, dass die Antragstellerin Bieterin bei der zur Überprüfung gestellten Vergabe ist, § 101 a Abs. 1 Satz 1 GWB. Das war die Antragstellerin unstreitig im ursprünglichen Vergabeverfahren, als ihrem Angebot der Zuschlag erteilt worden war. Der Leistungsgegenstand des daraufhin zwischen ihr und der Auftraggeberin geschlossenen GU-Vertrages wurde jedoch nach Zuschlag (nach der dritten Bemusterungsstufe … 2009) streitig mit der Folge, dass die Auftraggeberin sich gezwungen sah, den Vertrag am … 2010 außerordentlich aus wichtigem Grund zu kündigen. Daher hat die Auftraggeberin von einer Einbeziehung der Antragstellerin in das Verfahren zur erneuten Vergabe der gekündigten Leistungen abgesehen. Die Antragstellerin wurde nicht zur Angebotsabgabe aufgefordert. Sie ist keine Bieterin in dem Verhandlungsverfahren, dessen Beendigung am … 2010 bekannt gemacht wurde.

Unter Berücksichtigung auch des zeitlichen Ablaufes der gescheiterten Einigungsversuche und der Umstände, welche die Auftraggeberin letztlich zur Vertragskündigung veranlassten, kommt der Antragstellerin kein Bewerberstatus in dem Sinne zu, dass ihr über § 101 a Abs.1 Satz 2 GWB Zugang zum Nachprüfungsverfahren zu gewähren wäre. Eine insoweit relevante Bewerberstellung kommt erst für den Zeitpunkt nach Zugang der Vertragskündigung in Betracht, denn zuvor war die Antragstellerin als Zuschlagsbieter noch vertraglich gebundener Auftragnehmer. Die Auftraggeberin stützte die Kündigung u.a. darauf, dass eine Fortsetzung der Zusammenarbeit unzumutbar sei. Eine derartige Formulierung ist eine definitive Absage an die Antragstellerin, die Natursteinarbeiten der Lose 1 und 2 bei diesem Bauvorhaben mit ihr durchführen zu wollen. Einer weitergehenden Erklärung oder Klarstellung bedarf es nicht. Das mit Schreiben vom … 2010, einen Tag nach Zugang der Vertragskündigung und Zuschlagserteilung zugunsten der Arbeitsgemeinschaft … bekundete weiterhin bestehende Interesse an der Auftragsdurchführung geht im Hinblick auf § 101 a Abs.1 Satz 2 GWB daher ins Leere.

Der vorgelegte Schriftverkehr sowie die Antragsbegründung in diesem Nachprüfungsverfahren lassen nicht erkennen, dass die Antragstellerin je davon ausgegangen sein könnte, den streitigen Auftrag zum NWS Typ 1 … mit bzw. durch die Firma … auszuführen zu können oder zu wollen. Der Auftraggeberin hatte die Firma … demgegenüber ihre Lieferfähigkeit und –bereitschaft bestätigt. Dieser Aspekt bildete einen wesentlichen Grund für die vertraglichen Auseinandersetzungen zwischen Auftraggeberin und Antragstellerin. Die Meinungsverschiedenheiten führten letztlich zur Kündigung.

Einer potenziellen Bieterstellung würde im Ergebnis der Streit über die vertragskonforme Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Antragstellerin entgegen gestanden haben (vgl. zu vergleichbarer Fallkonstellation: VK Arnsberg, Beschluss vom 28. Oktober 2008 – VK 24/08). Es muss an dieser Stelle nicht entschieden werden, ob die Vertragskündigung zu Recht erfolgte, weil die Voraussetzungen nach Ziffer 18.1 des GU-Vertrages vom … 2009 vorlagen, was die Antragstellerin bestreitet. Fragen der Rechtmäßigkeit einer vorzeitigen Vertragsbeendigung durch außerordentliche Kündigung sind nicht im Verfahren vor den Vergabenachprüfungsinstanzen zu klären, auch wenn der Vortrag der Antragstellerin sich im Wesentlichen hierzu erschöpft. Für die Bewertung der Zuverlässigkeit eines Bieters im Vergabeverfahren ist aber maßgebend, inwieweit die Umstände des einzelnen Falles die Aussage rechtfertigen, er werde gerade die von ihm angebotenen Leistungen vertragsgerecht erbringen. Die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist eine Prognoseentscheidung, die regelmäßig aufgrund des in der Vergangenheit liegenden Geschäftsgebarens des Bewerbers erfolgt. Wird nun, wie hier, der Vertrag mit der Antragstellerin gekündigt, spricht nichts dafür, genau dasselbe Unternehmen bei der Neuvergabe konkret des gekündigten Auftrages zu beauftragen. Die Auftraggeberin würde sich widersprüchlich verhalten, wenn sie die Antragstellerin zur Angebotsabgabe aufgefordert und sogleich wegen mangelnder Eignung ausgeschlossen hätte.

Erforderlich bei der Bewertung der Zuverlässigkeit ist eine umfassende Abwägung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte unter angemessener Berücksichtigung des Umfanges, der Intensität, des Ausmaßes und des Grades der Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzungen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. August 2001 – Verg 27/01). Aus der Tatsache einer Vertragsverletzung kann daher nur dann der Rückschluss auf eine Unzuverlässigkeit des Bieters gezogen werden, wenn der Mangel gravierend ist, d.h. zu einer deutlichen Belastung des Auftraggebers, sei es in tatsächlicher oder finanzieller Hinsicht, führt (OLG Stuttgart, Urteil vom 29. April 2003 – 1 U 130/02, IBR 2003, 496).

Hier haben die offenen Streitpunkte in mehrere Monate dauernden Verhandlungen von den Vertragsparteien nicht einvernehmlich beigelegt werden können. Jedenfalls aber sind die aufseiten der Auftraggeberin gegen eine Beteiligung der Antragstellerin an der Neuvergabe sprechenden Gründe nachvollziehbar in dem Vergabevermerk dargestellt; die vonseiten der Auftraggeberin angeführten Zweifel an der Eignung der Antragstellerin stehen zudem in unmittelbarem Bezug zu den notwendig neu zu vergebenden, mit der Vorausschreibung identischen Leistungen.

Der Vortrag der Antragstellerin enthält keine nachvollziehbare Begründung, die Einschätzung der Auftraggeberin in Bezug auf die Eignung der Antragstellerin als willkürlich erscheinen zu lassen: die Auftraggeberin vertritt nach wie vor eine der Meinung der Antragstellerin entgegenstehende Meinung, was in Bezug auf die Eintragungen in der Bietererklärung 1 zur Rohmaterialsicherung I den Gegenstand der Leistung nach Angebotsabgabe, Zuschlag und Bemusterung angeht und wie die vergaberechtliche Relevanz einzuschätzen ist, sofern der Rechtsauffassung der Antragstellerin zu folgen gewesen wäre, eine Erweiterung des Lieferantenkreises sei zulässig und keinesfalls als wesentliche Vertragsänderung vergaberechtlich relevant. Darüber hinaus ist unstreitig, dass die Antragstellerin bis zum Zeitpunkt der Vertragskündigung Ziffer 15.1 des GU-Vertrages nicht erfüllt hat, der (grundsätzlich) die Übergabe der Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10 % der Nettoauftragssumme innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsschluss festlegt und zur Kündigung durch den Auftraggeber gemäß Ziffer 18.1 des GU-Vertrages (dritter Spiegelstrich) berechtigt. Streitig ist insoweit die Rechtmäßigkeit eines von der Antragstellerin geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts, das ihres Erachtens den Kündigungsgrund entfallen lasse.

Die Antragstellerin kann sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens im Nachhinein auch nicht auf Mängel der Verdingungsunterlagen zurückziehen, die die Auftraggeberin nunmehr gegen sich gelten lassen müsste, beispielsweise auf Wortlautauslegungen hinsichtlich des Aussagegehaltes von Bietererklärungen – den Begriff „verbindlich“ betreffend. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang zudem meint, mit der Benennung des Liefersteinbruchs bereits mit Angebotsabgabe (Bietererklärung 1 – Rohmaterialsicherung I) sei den Bietern der ursprünglichen Ausschreibung ein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet worden, ist sie darauf zu verweisen, dass vermeintliche Vergaberechtsverletzungen der mit Zuschlag am … 2009 beendeten Ausschreibung in dem ursprünglichen Vergabeverfahren hätten hinterfragt und geklärt und/oder gerügt bzw. den Nachprüfungsinstanzen vorgelegt werden müssen. Sie sind nicht Gegenstand dieses Nachprüfungsverfahrens.

Der Antragstellerin kann auch das weitere Vorbringen, die Auftraggeberin könnte gegen § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB verstoßen haben, weil die Neuvergabe des ihr entzogenen Auftrages nicht unter Berufung auf § 6 Abs. 2 Nr. 4 SektVO im Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb habe vergeben werden dürfen, nicht zum Erfolg verhelfen. Selbst wenn, wovon die Kammer nicht ausgeht, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 4 SektVO nicht zu bejahen wären, könnte der mit Zuschlag vom … 2010 geschlossene Vertrag auf der Grundlage des § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB nicht für unwirksam erklärt werden. Dem steht nach nunmehr erfolgter gesetzlicher Regelung der so genannten de-facto-Vergaben bereits der klare Wortlaut dieser Vorschrift entgegen. Die Auftraggeberin hat den Auftrag nicht „unmittelbar an ein Unternehmen“ erteilt, sondern beide geeigneten Unternehmen der Ausgangsausschreibung beteiligt. Für das Vorliegen einer Gesetzeslücke, sodass eine analoge Anwendung (auch auf den hier zur Entscheidung gestellten Fall) in Betracht gezogen werden könnte, bestehen nach der gesetzlichen Neuregelung keine Anhaltspunkte.

III.

Der Antragstellerin wurde im Rahmen des § 111 Abs. 2 GWB unter Wahrung der Geschäftsgeheimnisse mit Schreiben vom … 2010 Akteneinsicht gewährt.

Sie hat den (teilgeschwärzten) Vergabevermerk der Auftraggeberin zur Ersatzvornahme sowie deren Aktenvermerk zur Zulässigkeit einer Vergabe nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 SektVO und die Auskunft der … zu ihrem Unternehmen erhalten. Eine darüber hinausgehende Gewährung von Akteneinsicht war nicht angezeigt, da der Nachprüfungsantrag unzulässig ist. Das Akteneinsichtsrecht ist nur in dem Umfang gegeben, in dem es zur Durchsetzung der Rechte des Antragstellers aus § 97 Abs. 7 GWB erforderlich ist.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt.

Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen und personellen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens. Für die wirtschaftliche Bedeutung ist regelmäßig die geprüfte Summe (brutto) im Angebot des Bieters der maßgebliche Gesichtspunkt. Die angefochtene Auftragsneuvergabe betreffend liegt hier vonseiten der Antragstellerin kein verbindliches Angebot vor, sondern vom aktuellen Zuschlagsbieter. Bekannt ist auch das bezuschlagte Angebot der Antragstellerin aus der Vorausschreibung. Berücksichtigend, dass beide Angebote dieselbe Leistung betreffen und die Angebotsabgaben auch in zeitlicher Hinsicht noch vergleichbar sind, muss zur Bestimmung des objektiven Wertes des Auftrages nicht auf Schätzungen des Auftraggebers zurückgegriffen werden (beide Angebote „bis XX,X Mio. brutto“).

Entsprechend der Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes vom Dezember 2009, die zur Gewährleistung einer einheitlichen Handhabung und zur Sicherstellung von Transparenz anzuwenden ist und bei Abwägung des Aufwandes einerseits und der wirtschaftlichen Bedeutung des dem Vergabeverfahren zugrunde liegenden Auftrages andererseits hält die Vergabekammer die Festsetzung einer Gebühr von X.XXX,XX EUR für angemessen.

Die Gebühr wird mit dem eingezahlten Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,00 EUR verrechnet. Die Restgebühr in Höhe von X.XXX,XX EUR wird mit Bestandskraft des Beschlusses fällig und ist binnen eines Monats nach Zustellung unter Angabe des Aktenzeichens (VK 13/10) und des Verwendungszwecks … auf das Konto … zu überweisen.

V.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, beim Brandenburgischen Oberlandesgericht, Gertrud-Piter-Platz 11, 14770 Brandenburg, einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 117 Abs. 3 GWB).

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4 GWB).

Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern (§ 118 Abs. 1 GWB).

Gemäß § 6 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Vergabekammern des Landes Brandenburg vom 26. Mai 2009, Amtsblatt für Brandenburg S. 1225, ist die Unterzeichnung des Beschlusses durch den ehrenamtlichen Beisitzer nicht erforderlich.