Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 07.05.2014 | |
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Aktenzeichen | OVG 7 B 10.14 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 76 Abs 11 S 1 BG BE, § 76 Abs 11 S 2 BG BE, § 22 S 1 BhV BE, § 22 S 2 BhV BE, § 31 Abs 1 S 2 SGB 5, § 31 Abs 1 S 3 SGB 5, § 2 AMG, § 3 Nr 1 MPG, § 3 Nr 2 MPG |
1. Die dynamische Verweisung in § 22 Satz 2 LBhVO auf § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes und die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht.
2. § 22 Satz 1 LBhVO ist ohne die verfassungswidrige Regelung in § 22 Satz 2 LBhVO so zu verstehen, dass danach weiterhin auch Medizinprodukte als Arzneimittel im herkömmlichen Verständnis des Beihilferechts beihilfefähig sind.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 9. Januar 2013 geändert.
Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesverwaltungsamtes Berlin vom 14. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 7. Oktober 2010 verpflichtet, der Klägerin weitere Beihilfe in Höhe von 305,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. November 2010 zu gewähren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten streiten auf der Grundlage des Berliner Beamtenrechts über die Beihilfefähigkeit eines Medizinprodukts.
Die Klägerin, eine Ruhestandsbeamtin des Beklagten, beantragte mit Schreiben vom 5. März 2010 unter anderem eine Beihilfe für fünf „Ostenil Fertigspritzen“, die ihr in einer ärztlichen Rechnung vom 16. Februar 2010 im Rahmen der Behandlung einer beidseitigen Kniegelenksarthrose mit Hyaluronsäure im Januar und Februar 2010 in Höhe von zusammen 437,00 Euro als Auslagen berechnet wurden. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid des Landesverwaltungsamts Berlin vom 14. April 2010 mit der Begründung ab, Hyaluronsäurepräparate seien grundsätzlich nicht verschreibungspflichtig und daher nicht erstattungsfähig. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 7. Mai 2010, wobei sie insbesondere darauf hinwies, dass für frühere Injektionen mit demselben Mittel Beihilfe anstandslos bewilligt worden sei. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamts Berlin vom 7. Oktober 2010, der PIN Mail AG am 7. Oktober 2010 als Einwurf-Einschreiben übergeben, zurück. Er führte aus, bei dem Hyaluronsäurepräparat „Ostenil“ handele es sich nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein Medizinprodukt. Nach der hierfür maßgeblichen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Versorgung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung sei „Ostenil“ nicht erstattungsfähig, weil es in der abschließenden Aufzählung über verordnungsfähige Medizinprodukte in der Anlage V dieser Richtlinie nicht genannt werde. Aus früheren, anders lautenden Beihilfefestsetzungen könne sich für die Klägerin ein Anspruch nicht ergeben.
Mit der am 8. November 2010 erhobenen Klage hat die Klägerin den Beklagten auf Gewährung einer Beihilfe in Höhe von 305,90 Euro in Anspruch genommen und sich zur Begründung auf Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. März 2010 sowie des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 11. März 2010 bezogen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 9. Januar 2013 – VG 7 K 337.10 – (juris) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Gemeinsame Bundesausschuss habe „Ostenil“ nicht als verordnungsfähiges Medizinprodukt anerkannt. Das sei wegen der Verweisung in § 22 Satz 2 LBhVO für die Beihilfefähigkeit beachtlich. Das Produkt sei auch unter Zugrundelegung eines spezifischen beihilferechtlichen Verständnisses kein Arzneimittel. Der Berliner Verordnungsgeber habe das in § 22 LBhVO zwar nicht ausdrücklich geregelt. Die bisherige Rechtsprechung zu der früher angewandten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen, die Medizinprodukte für beihilfefähig erachtet habe, sei mit der Struktur des § 22 LBhVO nicht zu vereinbaren. Zudem habe der Berliner Gesetzgeber die im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Regelungen zur Erstattung von Arzneimitteln und Medizinprodukten wirkungsgleich auf die Beihilfe übertragen wollen. Mit der Anknüpfung an die Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses habe der Verordnungsgeber sich zwar seines Regelungsauftrags weitgehend begeben, er könne jedoch jederzeit etwas Abweichendes regeln. Höheres Recht stehe der Berliner Regelung nicht entgegen. Ein willkürlicher Ausschluss von Hyaluronsäurepräparaten durch den Gemeinsamen Bundesausschuss sei nicht erkennbar. Schließlich binde die frühere Beihilfebewilligung für die Verwendung derartiger Produkte den Beklagten nicht.
Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Klägerin vom 27. Februar 2013 gegen das ihr am 28. Januar 2013 zugestellte Urteil, die diese am 19. März 2013 schriftlich begründet hat. Sie meint, das Verwaltungsgericht versuche in unzulässiger Weise am Wortlaut der Regelung vorbei gesetzgeberische Mängel zu heilen. Die Landesbeihilfeverordnung schließe Medizinprodukte nicht aus. Dies könne auch nicht aus der Verweisung in § 22 Satz 2 LBhVO auf § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V gefolgert werden. Denn die Regelung im SGB V diene ausschließlich dazu, bestimmte Medizinprodukte in die Versorgung einzubeziehen, die grundsätzlich vom Leistungsumfang ausgenommen seien, weil Versicherte nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur einen Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Mittel hätten. Eine solche Wiedereinbeziehungsregelung lasse sich nicht in eine Ausschlussregelung umdeuten. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Wiedereinbeziehungsregelung im Beihilferecht ein Anwendungsbereich verbleibe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne die Klägerin ihren Anspruch über Art. 3 GG auf die Verwaltungspraxis des Beklagten stützen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin – VG 7 K 337.10 – und unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesverwaltungsamtes Berlin vom 14. April 2010 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 7. Oktober 2010 zu verpflichten, ihr weitere Beihilfe in Höhe von 305,90 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung der Klageschrift zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er bekräftigt die Auffassung des Verwaltungsgerichts und hält die Verweisung auf die Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses für unproblematisch, weil der Gesetzgeber selbst Medizinprodukte ausgeschlossen habe und deren ausnahmsweise Zulassung aufgrund der Ausschussentscheidung eine Begünstigung der Beihilfeempfänger sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang (ein Hefter) des Beklagten Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 76 des Landesbeam-tengesetzes Berlin (LBG) in der Fassung vom 19. März 2009 (GVBl. S. 70) i.V.m. der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen (Landesbeihilfeverordnung – LBhVO) vom 8. September 2009 (GVBl. S. 436) in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Landesbeihilfeverordnung vom 8. Mai 2012 (GVBl. S. 138 – im Gesetzblatt falsch: „Vom 8. Mai 2011“), soweit diese nach Artikel 2 Satz 1 der Verordnung rückwirkend ab dem 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist, was auf die Änderung von § 22 LBhVO zutrifft. Beihilferechtliche Streitigkeiten sind grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfen verlangt werden, zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 33.12 – juris Rn. 9 und Urteil vom 8. November 2012 – 5 C 4.12 – juris Rn. 12), soweit sich nicht eine später ergangene Regelung Rückwirkung für vergangene Zeiträume beimisst (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 – 2 C 36.02 – juris Rn. 28). Die rückwirkende Änderung von § 22 LBhVO als solche ist vorliegend unproblematisch.
Die Klägerin ist als Versorgungsempfängerin, die Anspruch auf Versorgungsbezüge hat, gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LBG dem Grund nach berechtigt, Beihilfe als ergänzende Fürsorgeleistung zu erhalten. Nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 LBG erhalten Beihilfeberechtigte eine Beihilfe zu den notwendigen und der Höhe nach angemessenen Aufwendungen in Krankheits- und Pflegefällen. Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit, dass auch diese Voraussetzungen dem Grunde nach erfüllt sind. Insbesondere ist der Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich der Auffassung der Klägerin nicht entgegengetreten, es handele sich dem Grund nach um notwendige und der Höhe nach angemessene Aufwendungen. Der Senat sieht daher keine Veranlassung, von sich aus den therapeutischen Nutzen einer Hyaluronsäurebehandlung zu hinterfragen (vgl. allerdings: BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 33.12 – juris Rn. 26 ff.). Die Beihilfe bemisst sich gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 LBG nach einem Prozentsatz der beihilfefähigen Aufwendungen. Der Bemessungssatz beträgt gemäß § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 LBG für Aufwendungen, die für beihilfeberechtigte Empfängerinnen von Versorgungsbezügen entstanden sind, 70 vom Hundert. Daraus ergibt sich bei den hier in Rede stehenden Aufwendungen in Höhe von zusammen 437,00 Euro der von der Klägerin verlangte Betrag.
Die Aufwendungen der Klägerin sind beihilfefähig. Dies folgt aus der Regelung in § 22 Satz 1 LBhVO, wonach Aufwendungen für die von einer Ärztin, einem Arzt, einer Zahnärztin, einem Zahnarzt, einer Heilpraktikerin oder einem Heilpraktiker aus Anlass einer Krankheit nach Art und Umfang schriftlich verordneten oder bei einer ambulanten Behandlung verbrauchten Arznei- und Verbandmittel beihilfefähig sind. Bei den fünf „Ostenil Fertigspritzen“, die ein Arzt bei der Behandlung der Klägerin wegen ihrer beidseitigen Kniegelenksarthrose im Januar und Februar 2010 anwendete, handelt es sich um Arzneimittel im Sinne dieser Regelung, auch wenn sie wegen ihrer rein physikalischen Wirkungsweise bei Gelenkerkrankungen als „Medizinprodukte“ und nicht als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes anzusehen sind (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 33.12 – juris Rn. 22).
Der Berliner Normgeber hat seine Regelung vor dem Hintergrund der früher anwendbaren Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) getroffen, die nicht an die Definition im Arzneimittelgesetz anknüpften. Dem weiteren Arzneimittelverständnis der BhV lag die Erwägung zu Grunde, dass die Begriffsbestimmung des Arzneimittels im Sinne des § 2 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) angesichts des Zweckes des Arzneimittelgesetzes, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen, nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht zu übertragen sei. Vielmehr habe der Zweck der Verwaltungsvorschrift, den Beamten umfassenden Schutz im Krankheitsfalle in einem der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbaren Ausmaß zu gewähren, für ein weites Verständnis des Arzneimittelbegriffs gesprochen (vgl. zuletzt zu einer im Bereich der Heilfürsorge der Bundespolizei anzuwendenden Verwaltungsvorschrift: BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 33.12 – juris Rn. 22).
Der Landesgesetzgeber ging mit § 76 LBG erkennbar vom weiten Arzneimittelbegriff aus, der Medizinprodukte einschließt. Denn er ermächtigte den Verordnungsgeber in Absatz 11 der Vorschrift, die Einzelheiten der Beihilfegewährung zu regeln und insbesondere Höchstbeträge, Belastungsgrenzen, den völligen oder teilweisen Ausschluss von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln und den Abzug von Pauschalbeträgen von der zu gewährenden Beihilfe für jedes Quartal, in dem Aufwendungen entstanden sind, in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch festzulegen. Angesichts des sich in der Landesbeihilfeverordnung widerspiegelnden Vorverständnisses von Heilmitteln (die nach § 23 LBhVO von Angehörigen der Gesundheits- oder Medizinalfachberufe aufgrund ärztlicher Verordnung angewendet werden) und Hilfsmitteln (siehe § 25 LBhVO) fallen ärztlich angewendete Medizinprodukte von vornherein nicht unter diese beiden Begriffe. Sie sind vielmehr (in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch ausschließbare) Arzneimittel. Wäre das Medizinprodukt hingegen von vornherein kein Arzneimittel, müsste nicht dessen Ausschlussmöglichkeit normiert werden. Stattdessen wäre umgekehrt eine Ermächtigung zu erwarten gewesen, dass der Verordnungsgeber ausnahmsweise Aufwendungen für Produkte als beihilfefähig anerkennen dürfe, obwohl diese weder Arznei- noch Heil- oder Hilfsmittel im Sinne des Landesbeamtengesetzes sind. Einer solchen Ermächtigung hätte es bei der auf Fürsorge beruhenden Beihilfe auch deswegen bedurft, weil ein im Parlamentsgesetz abschließend geregelter Leistungsumfang nicht eigenmächtig mit der Verordnung hätte ausgedehnt werden dürfen.
Die auf dieser Ermächtigungsgrundlage beruhende Landesbeihilfeverordnung ist, wie § 22 Satz 2 LBhVO erweist, darauf angelegt, Medizinprodukte von der Beihilfefähigkeit auszuschließen und nur unter besonderen Voraussetzungen, die bei „Ostenil“ nicht vorliegen, zuzulassen (dazu nachstehend 1.). § 22 Satz 2 LBhVO ist allerdings wegen eines Verstoßes gegen den Gesetzesvorbehalt und die Fürsorgepflicht nichtig (2.).
1.) Während § 22 Satz 1 LBhVO dem Grunde nach die Beihilfefähigkeit von Arzneimitteln regelt, bestimmt § 22 Satz 2 LBhVO, dass die Regelung in § 31 Absatz 1 Satz 2 und 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch entsprechend gilt. Nach Satz 2 Halbsatz 1 dieses Absatzes hat der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Die Verweisung auf diese Vorschrift gibt den Willen des Verordnungsgebers zu erkennen, die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Medizinprodukte im Anschluss an die gesetzliche Krankenversicherung von der Zulassung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss abhängig zu machen. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Existenz von § 22 Satz 2 LBhVO in systematischer Auslegung den Arzneimittelbegriff des § 22 Satz 1 LBhVO im Vergleich mit dem weiten Arzneimittelbegriff des § 76 LBG auf Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes einengt (so das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil und entsprechend zu § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V das BSG, Urteil vom 3. Juli 2012 – B 1 KR 23/11 R – juris Rn. 12) oder ob § 22 Satz 2 LBhVO als speziellere Regelung die generelle, noch dem weiten Arzneimittelbegriff verpflichtete Regelung des Satzes 1 in seinem Anwendungsbereich verdrängt (so vielleicht das BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 33.12 – juris Rn. 27 zu § 22 Abs. 1 Satz 2 der Bundesbeihilfeverordnung a.F.). Denn die Nichtigkeit von § 22 Satz 2 LBhVO hat zur Folge, dass der von § 76 LBG im Ansatz garantierte Aufwendungsersatz für Arzneimittel im weiten Sinne mangels eines gelungenen Ausschlusses unverändert zusteht. Läge dem § 22 Satz 1 LBhVO an sich der engere Arzneimittelbegriff zugrunde, müsste die Vorschrift konform mit dem höherrangigen Landesbeamtengesetz ausgelegt werden.
2.) Die Regelung in § 22 Satz 2 LBhVO ist mit dem verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes nicht vereinbar. Die Vorschrift enthält eine im Recht der Beamtenbeihilfe unzulässige dynamische Verweisung auf § 31 Absatz 1 Satz 2 und 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Zusätzlich ist auch die Vorschrift, auf die verwiesen wird, selbst nicht hinreichend bestimmt, da sie die erforderlichen Festlegungen dem dort genannten Bundesauschuss überantwortet (a.). Wäre das anders zu sehen, wäre der Ausschluss mangels einer besondere Härten abmildernden Ausnahmeregel nichtig (b.).
a.) Die mit einer Verweisung in aller Regel verbundene gesetzestechnische Vereinfachung ist namentlich dann von Verfassungs wegen unbedenklich, wenn der verweisende Gesetzgeber sich den Inhalt von Rechtsvorschriften des anderen Normgebers nur in der Fassung zu eigen macht, wie sie bei Erlass seines Gesetzesbeschlusses galt (statische Verweisung). Verweist ein Gesetzgeber hingegen auf andere Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung (dynamische Verweisung), so kann dies dazu führen, dass er den Inhalt seiner Vorschriften nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt und damit der Entscheidung Dritter überlässt (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1988 – 2 BvL 26/84 – BVerfGE 78, 32 [35 f.]). Der Rahmen, in dem eine solche Verweisung zulässig ist, kann insbesondere dann überschritten sein, wenn er durch grundrechtliche Gesetzesvorbehalte zusätzlich eingeengt ist (BVerfG, a.a.O., S. 36). Ein derartiger Gesetzesvorbehalt besteht bei der näheren Ausgestaltung der Fürsorge im Falle von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit der Beamten und ihrer Angehörigen zumindest hinsichtlich der tragenden Strukturprinzipien (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004 – 2 C 50.02 – juris Rn. 19). Der Gesetzgeber hat folglich selbst das Leistungssystem zu bestimmen, das den Berechtigten Schutz im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, festzulegen, welche "Risiken" erfasst werden, für welche Personen Leistungen beansprucht werden können, nach welchen Grundsätzen Leistungen erbracht und bemessen oder ausgeschlossen werden und welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben (BVerwG, a.a.O.). Daher begegnet eine dynamische Verweisung auf die im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Leistungseinschränkungen bei Arzneimitteln verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 – 5 C 33.12 – juris Rn. 24, Urteil vom 6. November 2009 – BVerwG 2 C 60.08 – juris Rn. 24, Urteil vom 26. August 2009 – 2 L 62.08 – juris Rn. 22 und Urteil vom 28. Mai 2008 – BVerwG 2 C 24.07 – juris Rn. 18).
Eine in diesem Sinne gegen den Vorbehalt des Gesetzes verstoßende Verweisung enthält auch § 22 Satz 2 LBhVO. Zwar fehlen dem Wortlaut Zusätze, aus denen sich unmittelbar ergibt, ob § 31 Absatz 1 Satz 2 und 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch in der jeweils geltenden Fassung oder in einer bestimmten Fassung entsprechend anwendbar sein soll. Allerdings spricht bereits der Umstand, dass die Regelung insoweit unbestimmt ist, dafür, dass es dem Verordnungsgeber nicht auf den konkreten Inhalt der Vorschrift ankam, die er in seine Regelung einbeziehen wollte. Dieser Befund wird durch die Systematik der Landesbeihilfeordnung bestätigt, die in vielen Vorschriften Verweisungen enthält und nur ausnahmsweise, z.B. in § 6 Abs. 3 Satz 3 und § 50 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 LBhVO, eine bestimmte Fassung nennt. Ein dynamische Verweisung entspricht auch dem Ziel der Regelung, die Erstattungen an die Beihilfeberechtigten an die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen anzupassen (vgl. die Begründung in der Senatsvorlage über den Erlass der Ersten Verordnung zur Änderung der LBhVO – Verordnung Nr. 17/037 vom 8. Mai 2012, Abg-Drs. 17/0332 S. 104). Zwar wird in der Begründung der Verordnung an anderer Stelle (a.a.O., S. 92 f.) ausgeführt, der Verordnungsgeber wolle eine dynamische Verweisung vermeiden. Dieses Regelungsziel wollte er jedoch dadurch erreichen, dass er durch die Regelung in § 7 Abs. 2 LBhVO bei der Rechtsanwendung die Möglichkeit eröffnen wollte, in Einzelfällen unter Fürsorgegesichtspunkten abweichend zu entscheiden.
Erst recht begegnet die über § 31 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V vermittelte Übertragung der Entscheidungskompetenz über den Ausschluss bestimmter Arzneimittel auf den nach § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V gebildeten Bundesausschuss im Wege der dynamischen Verweisung verfassungsrechtlichen Bedenken. So liegt aufgrund der grundlegenden Strukturunterschiede der beiden Sicherungssysteme nahe, die Tatbestände beihilferechtlicher Leistungsausschlüsse normativ festzulegen, anstatt ihre nähere Bestimmung einem Gremium zu überlassen, in dem der Dienstherr nicht vertreten ist und das seine Entscheidungen nach Maßgabe des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherungen unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaften trifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2009 – 2 C 62.08 – juris Rn. 22).
b.) Den Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit der sogar doppelt dynamischen Verweisung lässt sich nicht erfolgreich mit dem Argument des Beklagten begegnen, der Verordnungsgeber habe die Medizinprodukte zunächst völlig aus der Beihilfefähigkeit ausschließen dürfen und die nachträgliche teilweise Wiederzulassung infolge eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses sei eine Begünstigung, die dem Beklagten ohne Weiteres möglich sei. Denn der Ausschluss von Medizinprodukten verstößt gegen die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht, weil sie auch unter Berücksichtigung des § 7 Satz 2 LBhVO keine eindeutige Härtefallregelung enthält. Der Dienstherr ist durch die Fürsorgepflicht in ihrem von Art. 33 Abs. 5 GG erfassten Kernbereich grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Er kann daher die Kosten bestimmter Medikamente ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet (BVerwG, Urteil vom 6. November 2009 – 2 C 60.08 – juris Rn. 19). Er darf jedoch die Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Beamten ausschließen und muss unter Geltung des gegenwärtig praktizierten "Mischsystems" aus Beihilfe und darauf abgestimmter Eigenvorsorge bedenken, dass der pauschale Ausschluss bestimmter Gruppen von Arzneimitteln von der Beihilfegewährung in Einzelfällen, z.B. bei chronischen Erkrankungen, die finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen erheblich übersteigen kann. Für derartige Fallgestaltungen muss der Dienstherr normative Vorkehrungen treffen, damit nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind (BVerwG, a.a.O., Rn. 20).
Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen hatte der Verordnungsgeber erkennbar im Blick (vgl. die Begründung in der Senatsvorlage über den Erlass der Ersten Verordnung zur Änderung der LBhVO – Verordnung Nr. 17/037 vom 8. Mai 2012, Abg-Drs. 17/0332 S. 92 f.), er hat sie jedoch durch die grundsätzliche Regelung in § 7 Satz 2 LBhVO zu Verweisungen auf Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, die ihrerseits auf Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 91 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, Entscheidungen oder Vereinbarungen der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen oder Satzungsbestimmungen von gesetzlichen Krankenkassen verweisen oder Bezug nehmen, nur unzureichend erfüllt. Denn danach ist nur unbestimmt geregelt, dass sich die Rechtsanwendung unter Berücksichtigung des Fürsorgegrundsatzes nach § 45 des Beamtenstatusgesetzes an den in diesen Normen oder Entscheidungen niedergelegten Grundsätzen zu orientieren hat. Damit steht für die Beihilfeberechtigten nicht normativ fest, welche an ihrer Alimentation orientierten Belastungen ihnen noch zumutbar sind, so wie dies beispielsweise in § 50 LBhVO für die Eigenbehalte gemäß § 49 LBhVO in der Weise geregelt ist, dass die Eigenbehalte entfallen, soweit sie einen bestimmten Prozentsatz des jährlichen Einkommens überschreiten. Auch eine dem § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V entsprechende Regelung, die es Vertragsärzten in medizinisch begründeten Einzelfällen gestattet, solche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel zu verordnen, die nach den Arzneimittelrichtlinien des Bundesausschusses nicht zugelassen sind, ist nicht mit der gebotenen Normenklarheit in das andere System der Beamtenbeihilfe übertragbar. Schließlich lässt sich mit der allgemeinen Verweisung in § 7 Satz 4 LBhVO auf „die Vorschriften des Sozialgesetzbuches“, auf die diese Verordnung verweise, soweit die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Beihilfe- und Sozialversicherungsrecht dies nicht ausschlössen, keine hinreichend bestimmte Härtefallregelung finden. Insoweit ist bereits fraglich, welchen Regelungsgehalt diese Verweisung im Hinblick auf die grundlegenden Strukturunterschiede der Sicherungssysteme "gesetzliche Krankenversicherung" und "private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe" hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Verankerung, der Finanzierung, der Leistungsvoraussetzungen, des Leistungsspektrums und der Leistungsformen überhaupt haben kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2009 – 2 C 60.08 – juris Rn. 20).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, weil die Auslegung des § 22 Satz 1 und 2 LBhVO von grundsätzlicher Bedeutung ist und insoweit gemäß § 127 Nr. 2 BRRG, der nach § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG fortgilt (BVerwG, Beschluss vom 10. Oktober 2013 – 2 B 61.13, 2 B 61.13 [2 C 41.13] – juris Rn. 1), auch das Landesbeamtenrecht revisibel ist.