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Entscheidung L 1 KR 268/16 B ER


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 07.12.2016
Aktenzeichen L 1 KR 268/16 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen Art 19 Abs 4 GG, § 7a SGB 4, § 28h SGB 4

Leitsatz

Zur Zulässigkeit eines Antrags auf Anordnung des Sofortvollzugs nach § 86 b Abs. 1 Nr. 1 SGG bei einem Statusfeststellungsbescheid nach § 7 a SGB IV.

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Mai 2016 wird aufgehoben. Die sofortige Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 27. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2015 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die der Antragstellerin entstandenen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Im Übrigen erfolgt keine Kostenerstattung.

Gründe

I.

Im Streit steht die sofortige Vollziehbarkeit eines Statusfeststellungsbescheides der Antragsgegnerin nach § 7a SGB Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).

Die 1953 geborene Antragstellerin war vom 1. Dezember 2007 bis zum 30. November 2013 für die Beigeladene zu 5) als Fahrerin tätig. Die Tätigkeit bestand darin, Ärzte des B der K K zum Einsatzort zu bringen. Ursprünglich hatte die K einen eigenen Fahrdienst unterhalten.

Ein schriftlicher Vertrag wurde zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 5) nicht geschlossen. Der Antragstellerin wurde von der Beigeladenen nur eine „Anlage zum Arbeitsvertrag (Dienstwagen-Überlassung)“ überreicht, welche die Antragstellerin jedoch nicht unterschrieb.

Die Fahrer erhielten jeweils zum Monatsbeginn von der Projektleitung der Beigeladenen zu 5), welche im Haus der k in der M, B ansässig war, in einer E-Mail einen Dienstplan. Aus diesem konnten die Fahrer die Einsatztage und die Arbeitszeiten entnehmen. Die zugewiesenen Touren begannen in der Tag-Schicht montags bis freitags um 7:00 Uhr morgens und endeten um 18:00 Uhr. Die K war berechtigt, die Dienstzeit bis 19:00 Uhr auszudehnen. Die Tag-Schichten am Wochenende begannen je nach Entscheidung der Beigeladenen zu 5) entweder um 7:00 Uhr und endeten um 15:00 Uhr mit der Option der K, die Arbeitszeit bis 17:00 Uhr auszudehnen oder sie begannen um 9:00 Uhr und endeten um 17:00 Uhr mit der Option, die Arbeitszeit auf 19:00 Uhr auszudehnen. Das zu benutzende Fahrzeug wurde von der Beigeladenen bzw. der KV zugewiesen, welche auch ein Funkgerät zu Verfügung stellte. Die Fahrer mussten sich eine Stunde vor Schichtbeginn bei der KV telefonisch dienstbereit melden. Sie hatten sich vor Dienstbeginn beim Pförtner der KV zu melden. Von diesem erhielten die jeweiligen Fahrer einen Zettel, aus dem sich ergab, in welcher Region mit welchem Arzt und mit welchem Fahrzeug die Fahrer am entsprechenden Tag ihre Tour zu absolvieren hatten. Die Fahrer erhielten dann auch vom Pförtner den Autoschlüssel und die Fahrzeugpapiere. Anschließend betätigten sie die Stempeluhr zur Kontrolle der Arbeitszeit, die sich im Flur vor dem Büroraum der Beigeladenen im Haus der K befand. Ferner mussten sich die Fahrer zu Schichtbeginn bei der K über Funk anmelden. Von der K wurde den Fahrern mitgeteilt, ob der eingesetzte Arzt zum Haus der K komme oder abgeholt werden sollte. Die K gab dann über Funk eine Liste von Patienten durch, die von den Bereitschaftsärzten aufgesucht werden sollten. Sobald der letzte Patient angefahren worden war, hatte sich der Fahrer bei der K über Funk zu melden und erhielt eine Liste der weiteren Patienten. Die Fahrer konnten entscheiden, welche konkrete Route sie für die Fahrten zu den jeweiligen Patienten benutzten und in welcher Reihenfolge diese abgefahren wurden, es sei denn, die K habe Anweisungen gegeben, bestimmte Patienten zuerst anzufahren.

Den Fahrern wurde über Funk auch vorgegeben, wann sie Pause zu machen hatten. Bei Pausenbeendigung mussten sie sich nochmals über Funk melden. Die Beigeladene zu 5) zu hatte auch Zugriff auf die GPS-Daten der K und kontrollierte die Fahrer dadurch.

Nach Beendigung der Fahrtätigkeit mussten die Fahrer das benutzte Kraftfahrzeug wieder in der Garage der KV abstellen, säubern und anschließend den Schlüssel und die Fahrzeugpapiere beim Pförtner abgeben.

Die Antragstellerin führte ihre Fahrtätigkeit stets persönlich aus und setzte keine Hilfskräfte ein. Da die Kfz-Schlüssel morgens vom Pförtner der K an den jeweiligen vorgeschriebenen Fahrer herausgegeben wurden, war es nach Angabe der Antragstellerin auch unmöglich, andere für sich fahren zu lassen.

Auch die so genannten „selbstständigen Fahrer“ mussten der Projektleitung der Beigeladenen zu 5) über Abwesenheit bzw. Verhinderung unterrichten.

Ersatzfahrer wurde entweder von der Projektleitung direkt eingesetzt, oder die Fahrer konnten sich im Flur vor dem Büro im Haus der KV auf einem Zettel eintragen.

Die Fahrer mussten ihre monatlichen Abrechnungen aufgrund von Vorgaben erstellen, welche sie von der Projektleitung der Beigeladenen per E-Mail erhielten. Auch die selbständigen Fahrer gaben sich gegenüber den Bereitschaftsärzten und gegenüber der K als Mitarbeiter der Beigeladenen zu 5) aus. Der Stundenlohn von 8,50 € für die selbständigen Fahrer war nicht verhandelbar, sondern wurde von der Beigeladenen zu 5) vorgegeben.

Die Antragstellerin beantragte am 7. Juli 2014 bei der Antragsgegnerin, die Feststellung, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestehe.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 27. November 2014 fest, dass die Antragstellerin ihre Tätigkeit als Kraftfahrerin bei der Beigeladenen zu 5) in der Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 30. November 2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübte und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Gegen diesen ihr am 1. Dezember 2014 zugegangenen Bescheid erhob die Beigeladene zu 5) am 29. Dezember 2014 Widerspruch, den die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2015 – ohne die Antragstellerin am Verfahren beteiligt zu haben – zurückwies.

Hiergegen erhob die Beigeladene Klage am 6. August 2015 vor dem Sozialgericht Berlin (SG).

Am 6. April 2016 hat die Antragstellerin beim SG zudem einen Eilantrag eingereicht und beantragt, die sofortige Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 27. November 2014 anzuordnen. Zur Begründung hat sie angeführt, sie beantrage Regelaltersrente. Dass das Hauptsacheverfahren bis zum Rentenbeginn rechtskräftig abgeschlossen sei, sei unwahrscheinlich. Sie beabsichtige ferner, nach Beendigung ihrer Krankschreibung Arbeitslosengeld zu beantragen. Das Arbeitsgericht Berlin habe die Beigeladene zu 5) mittlerweile verurteilt, noch ausstehenden Arbeitslohn bezahlen.

Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, der Antrag sei bereits unzulässig. Die Antragstellerin habe kein Vorverfahren durchgeführt und sei nicht Adressatin eines Widerspruchsbescheides geworden. Ein Widerspruchsverfahren sei nur bei eigener Beschwer durch den Widerspruchsbescheid entbehrlich. Widerspruch und Klage gegen Statusentscheidungen hätten abweichend von § 86a Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufschiebende Wirkung, § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV.

Die Beigeladene zu 5) hat ausgeführt, es lägen keine besonderen herausragenden Gründe der Antragstellerin vor, weshalb von der gesetzlichen Regel der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Statusfeststellungsbescheid abzuweichen. Es handele sich in der Hauptsache um eine komplexe Angelegenheit, deren Ausgang keinesfalls summarisch aufgrund summarischer Prüfung geklärt werden könne.

Das SG hat mit Beschluss vom 12. Mai 2016 den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Dieser sei als Antrag, die sofortige Vollziehung des Bescheides nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG anzuordnen, zulässig, aber unbegründet. Es bestehe kein öffentliches Interesse an einem Sofortvollzug des im Klageverfahren befindlichen Statusfeststellungsbescheides. Ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin sei von dieser nicht glaubhaft gemacht worden. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens überwiege das Interesse der Antragstellerin nicht. Diese sei derzeit weder gehindert einen Antrag auf Arbeitslosengeld bestellen, noch sei ersichtlich, dass der zur Verfügung stehende Zeitrahmen für die Feststellung der Versicherungspflicht zu kurz sei bis zum etwaigen Beginn der Regelaltersrente. Dem Interesse der Antragstellerin stehe die rückwirkende Beitragslast der Beigeladenen zu 5) gegenüber, obwohl unsicher sei, ob und in welcher Höhe diese tatsächlich geschuldet werden werde. Im Unterliegensfalle könne sich diese der Beitragslast nicht entziehen, da die Verjährung gehemmt sei.

Gegen diesen am 19. Mai 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 27. Mai 2016.

Zur Begründung führt sie aus, sie stelle nunmehr einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, da sie seit der zweiten Septemberhälfte 2015 ununterbrochen arbeitsunfähig sei und seit dem 3. November 2015 Krankengeld beziehe. Ohne Beitragszahlung durch die Beigeladene zu 5) erfülle die Antragstellerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB Sechstes Buch (SGB VI) für eine Erwerbsminderungsrente nicht.

Sie gehe davon aus, dass die Beigeladene zu 1) als Einzugsstelle bei Anordnung des Sofortvollzuges sofort verpflichtet sei, die Beiträge einzuziehen, § 28h Abs. 1 S. 3 SGB IV. Gäbe es keine Möglichkeit der sofortigen Vollziehungsanordnung im Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV könnte der Auftraggeber/Arbeitgeber bei eigener Antragstellung das Verfahren verzögern.

Sie beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Mai 2016 aufzuheben und die sofortige Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 27. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2015 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Antragstellerin selbst habe bewusst das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV gewählt und nicht das der Beurteilung mit Feststellung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages nach § 28h SGB IV durch die Einzugsstelle, bei der regelmäßig nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG die aufschiebende Wirkung entfallen wäre.

Gegen einen Sofortvollzug spreche weiter, dass die Antragstellerin selbst über Jahre im Einvernehmen mit der Beigeladenen zu 5) von steuerrechtlicher und sozialversicherungsrechtlich selbstständiger Tätigkeit ausgegangen sei. Zudem habe sie den Antrag auf Statusfeststellung erst mehr als sieben Monate nach Beendigung der streitigen Tätigkeit gestellt

Die Beigeladene zu 2) hat ausgeführt, eine erneute versicherungsrechtliche Beurteilung mit Erlass eines Verwaltungsaktes durch sie als Einzugsstelle sei wegen des Bescheides der Antragsgegnerin nicht möglich, auch wenn dieser noch nicht rechtsverbindlich sei. Durch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage gemäß § 7a Abs. 7 SGB IV könnten die Beiträge zurzeit nicht eingezogen werden.

II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Mai 2016 hat Erfolg.

Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist zulässig:

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung anordnen.

Ein solcher Antrag auf sofortige Vollziehung ist auch möglich bei einem Statusfeststellungsbescheid nach § 7a SGB IV.

Zum einen regelt § 7a Abs. 7 S. 1 SGB IV nur die aufschiebende Wirkung der Rechtsmittel entgegen der Regel des § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG, wonach diese unter anderem bei Entscheidungen über Versicherungspflichten entfällt. § 86b SGG bleibt hiervon aber unberührt.

Zum anderen scheidet eine Anordnung auch nicht deshalb aus, weil der Statusfeststellungsbescheid nach § 7a Abs. 1 SGB IV selbst einer Vollziehung im engeren Sinne durch Vollstreckung nicht zugänglich ist.

Bereits aus der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 7a Abs. 7 SGB IV ergibt sich, dass ein Rechtsmittel gegen den Statusfeststellungsbescheid die Wirksamkeit, welche nach der Grundregel des § 37 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit der Bekanntgabe eintritt, vorläufig suspendieren soll. Träte die Rechtsgestaltung von vornherein erst mit Bestandskraft ein, wäre die ausdrückliche Regelung überflüssig. § 7a Abs.7 SGB IV stellt insgesamt die Grundregel aufschiebender Wirkung nach § 86a Abs. 1 S. 1 des SGG her, die nach der ausdrücklichen Regelung des § 86a Abs. I S. 2 SGG auch für rechtsgestaltende und feststellende Verwaltungsakte gilt. Aufschiebende Wirkung bedeutet nicht nur, dass eine Verwaltungsakt nicht vollzogen werden darf, es tritt vielmehr allgemein eine Verwirklichungs- und Ausnutzungshemmung ein (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer-Keller, SGG, 11. A. 2014 § 86a Rdnr. 5 mit weiterem Nachweis). Während des durch die aufschiebende Wirkung bedingten Schwebezustandes dürfen keine Folgerungen aus dem angefochtenen Verwaltungsakt gezogen werden (BSG, Urteil vom 11. März 2009 -B 6 KA 15/08 R- juris-Rdnr. 12 mit weiteren Nachweisen). Bei einem belastenden Verwaltungsakt mit begünstigtem Dritten -so wie sich hier die Situation aus Sicht der Beigeladenen zu 5) darstellt-, darf der Begünstigte keinen Gebrauch von der Begünstigung machen (BSG, a. a. O. Rdnr. 13 mit weiteren Nachweisen für die Statusbegründung im Vertragsarztrecht).

Anderes ergibt sich auch nicht aus § 7a Abs. 6 S. 2 SGB IV. Danach wird der Gesamtsozialversicherungsbeitrag erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar ist. Die Regelung soll nach Literaturmeinungen nicht nur für Fälle der Antragstellung innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit nach § 7a Abs. 6 S. 1 SGB IV gelten, wie dies die Systematik und der Zweck, die rechtzeitige Antragstellung zu privilegieren, nahelegen, sondern für alle Anträge (Knospe in: Hauck/Noftz, SGB, 07/08, § 7a SGB IV, Rdnr. 48 unter anderem mit Bezugnahme auf BT-Drucksache BT-Drucks. 14/1855, dort S. 8; KassKomm/Seewald SGB IV § 7a Rdnr. 24). Selbst wenn dem gefolgt wird, kann sich diese Fälligkeitsregel nur als Ergänzung des § 7 Abs. 7 SGB IV darstellen und nur vorläufig die Fälligkeit entgegen der Grundregel des § 23 SGB IV suspendieren. Ansonsten könnte die normale Fälligkeitsregel zu leicht mit einem Statusfeststellungsantrag umgangen werden.

Dem konkreten Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzinteresse, weil die Antragstellerin den Antrag auf Statusfeststellung erst nach Beendigung der Fahrdienste für die Beigeladene zu 5) gestellt hat:

An sich macht ein „echtes“ Clearingstellen-Verfahren nach § 7a SGB IV keinen Sinn mehr, wenn nicht auch für die Zukunft der Sache nach geklärt wird, ob ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegt. Das Ziel des Beschäftigten, dass sein Auftraggeber möglichst schnell als Arbeitgeber nach § 28h SGB IV verpflichtet wird, Beiträge nachzuentrichten, ist schneller durch einen Antrag bei der Einzugsstelle zu erreichen. Deren Bescheid ist nach § 86a Abs. 2 S. 1 SGG per Gesetz sofort vollziehbar.

Allerdings tritt das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV in vollem Umfang gleichwertig neben die Verfahren der Einzugsstellen und der Rentenversicherungsträger als Prüfstellen (BSG, Urteil vom 04. Juni 2009 – B 12 KR 31/07 R –, SozR 4-2400 § 7a Nr. 3, Rdnr. 13)

Das Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV ist auch möglich, wenn die Beschäftigung bereits ihr Ende gefunden hat. Für die Annahme einer zeitlichen Beschränkung des Anfrageverfahrens auf den Beginn einer Beschäftigung ergeben sich aus dem Gesetz keine Anhaltspunkte (BSG a. a. O. Rdnr. 28).

Die Antragstellerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass sich aus dem Tatbestand der Entscheidung ergibt, dass der Antrag -wie bei ihr- erst nach Beendigung der Beschäftigung gestellt wurde (vgl. BSG, a. a. O. Rdnr. 2 und 3).

Da die Antragsgegnerin den Antrag nicht mangels berechtigtem Interesse zurückgewiesen hat und einen entsprechenden Verwaltungsakt erlassen hat, gebietet jedenfalls Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, den von der Prozessordnung als Korrektiv für die aufschiebende Wirkung der Klage vorgesehene Antrag auf Anordnung des Sofortvollzuges für die vorliegende Konstellation als zulässig zu erachten.

Der Antrag ist auch begründet.

Von Bedeutung ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung nur bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung, die einen Dritten entweder begünstigen oder belasten. Der von dem Verwaltungsakt Begünstigte hat ein Interesse an seiner sofortigen Vollziehung; der von ihm Belastete hat den Rechtsbehelf eingelegt und daher ein Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Zwischen diesen Interessen ist eine Abwägung vorzunehme (Lutz Wehrhahn in: Breitkreuz/Fichte, § 86b, Rdnr. 27). Eine solche Situation liegt hier -wie bereits erwähnt- vor.

Bei der Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG handelt es sich um eine gerichtliche Interessenabwägung nach pflichtgemäßem Ermessen, bei welcher die für und gegen einen Sofortvollzug sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen sind. Maßgeblich ist dabei primär, ob das Hauptsacherechtsmittel voraussichtlich erfolglos bleiben oder zur Aufhebung des angegriffenen Bescheides führen wird, weil dieser sich als rechtswidrig darstellt und auch ein Klägerrecht verletzt. Keinesfalls besteht ein öffentliches Interesse an der Vollziehung rechtswidriger Maßnahmen.

Da jedoch nach § 7a Abs. 7 SGB IV und § 86a Abs. 1 S. 1 SGG die aufschiebende Wirkung der Regelfall auch für rechtmäßige Statusfeststellungsbescheide im Sinne des § 7a SGB IV darstellt, rechtfertigt das Ergebnis der summarischen Prüfung, dass das Hauptsacherechtsmittel voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, für sich alleine nicht den Sofortvollzug. § 86a Abs. 2 Nr. 5, 2. Alt SGG fordert für die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Sozialträger im Interesse eines Beteiligten, dass dessen Interesse überwiegen müssen.

Hier überwiegt das Interesse der Antragstellerin am Sofortvollzug dem Interesse der Beigeladenen zu 5) bis zur Bestandskraft des streitgegenständlichen Bescheides von entsprechenden Verpflichtungen verschont zu bleiben:

Durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des inzident zu Grunde liegenden Statusfeststellungsbescheides der Antragsgegnerin vom 27. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2015 sind nicht ersichtlich.

Der Eintritt von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, § 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch und § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch. Die für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung sowie der Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung danach erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV näher definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (vgl. zum Ganzen BSG Urt. v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris-Rdnr. 16).

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Antragstellerin für die Beigeladene zu 5) im Rahmen einer Beschäftigung oder als Selbständiger tätig wurde, sind die für seine Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen.

Ein schriftlicher Vertrag ist hier nicht abgeschlossen worden.

Hier ist davon auszugehen, dass beide Seiten eine Beschäftigung auf freier Basis vereinbaren wollten.

Allerdings sollte die Antragstellerin nach deren unbestrittenem Vortrag nach dem Willen der Beigeladenen zu 5) eine „Anlage zum Arbeitsvertrag (Dienstwagen-Überlassung)“ unterschreiben, der ein Arbeitsverhältnis ergänzen sollte.

Indessen ergibt sich das Entstehen von Versicherungspflicht ohnehin aus dem Gesetz. Entsprechend kann sie nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welchen gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (BSG Urt. v. 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris-Rdnr. 17; Urt. v. 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris-Rdnr. 17).

Die Fahrtätigkeit der Antragstellerin stellt sich als in den Betrieb der Beigeladenen zu 5) integriert und weisungsabhängig dar.

Die Fahrten waren nach den zeitlichen und örtlichen Vorgaben im Rahmen der erteilten Fahraufträge auszuführen. Eine gewisse Freiheit bestand lediglich – und auch nur soweit der Auftraggeber nichts anderes vorgab – im Hinblick auf die Reihenfolge, in der die Patienten angefahren wurden. Die Situation ähnelt der Tätigkeit des Paketausliefers. Die Antragstellerin wurde in die Dienstpläne der Beigeladenen zu 5) eingegliedert und hatte die vorgegebenen Schichten abzuleisten. Sie erhielt eine Liste mit den abzuarbeiten Einsätzen und hatte sich an- und abzumelden. Letzteres galt nach Aktenlage sogar für Pausen.

Im Gegensatz zu selbstständigen Taxiunternehmern bzw. Chauffeurdienstbetreibern stellte alleine die Beigeladene zu 5) alleine die erforderlichen Betriebsmittel zur Verfügung, insbesondere das Auto. Die Antragstellerin trug kein unternehmerisches Risiko.

Weitere Indizien, die für abhängige Beschäftigung sprechen sind,

dass Unterschiede zur Tätigkeit fest angestellter Fahrer nach Aktenlage nicht bestanden haben,

die Antragstellerin nach außen hin als Mitarbeiterin der Beigeladenen zu 5) aufgetreten ist

sowie die Vereinbarung eines festen Stundenlohnes.

Der Umstand, dass die Schlüssel der zu verwendenden Kraftfahrzeuge vom Pförtner der K übergeben wurden, verhinderte nach Aktenlage den Einsatz eigener Ersatzkräfte.

Die Antragstellerin hat ein berechtigtes Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit.

Sie hat eine Erwerbsminderungsrente beantragt, welche Mindestbeitragszeiten voraussetzt, § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI.

Es ergibt sich aus dem Gesetz, dass berücksichtigungsfähige Beitragszeiten als rentenrechtliche Zeit nach §§ 54, 55 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nur die Zeiten sind, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge gezahlt worden sind. Die Antragstellerin hat ein Interesse daran, dass die Beigeladene zu 5) möglichst bald ihren Pflichten als ehemaliger Arbeitgeberin nach §§ 28a und 28e SGB IV nachkommt, die streitigen Zeiten nachzumelden und die Beiträge nachzuentrichten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass allein aufgrund einer Nachmeldung kein Tatbestand eintritt, der eine Beitragszahlung gesetzlich fingiert. Insbesondere ist § 203 SGB VI nicht einschlägig:

Die Antragstellerin kann weder glaubhaft machen, dass sie in der streitgegenständlichen Zeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt und für diese Beschäftigung entsprechende Beiträge gezahlt worden seien. Sie kann auch nicht glaubhaft machen, dass der auf sie entfallende Beitragsanteil vom Arbeitsentgelt abgezogen worden ist. Unstreitig nämlich sind sie und die Beigeladene zu 5) während der Zeit als Fahrerin nicht von einem Beschäftigungsverhältnis ausgegangen, von dem Arbeitnehmerbeiträge abzuziehen gewesen sind.

Demgegenüber stellt sich das Interesse der Beigeladenen zu 5), von der Wirksamkeit des streitgegenständlichen Staates Feststellungsbescheides bis zur Rechtskraft verschont zu bleiben, also weniger schutzwürdig heraus. Dies gilt bereits deshalb, weil nach Aktenlage keine Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).