Gericht | OLG Brandenburg 5. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 25.07.2013 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 3 WF 63/13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Vermutung fehlenden Verschuldens bei der Versäumung der Beschwerdefrist infolge unzutreffender Rechtsbehelfsbelehrung wird widerlegt durch vorhandene Kenntnis über die Rechtsmittel, wie es beim anwaltlich vertretenden Beteiligten regelmäßig der Fall ist. Von einem Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass er die grundlegende Entscheidung des BGH vom 28.09.2011 - XII ZB 2/11 kennt, aus der sich eindeutig ergibt, dass isolierte Kostenent-scheidungen in Ehe- und Familienstreitsachen mit der binnen zwei Wochen ab Zustellung einzulegenden sofortigen Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO anfechtbar sind.
Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist wird zurückgewiesen.
Wiedereinsetzung gegen die versäumte Beschwerdefrist kann der Antragstellerin nicht gewährt werden. Denn sie hat die Beschwerdefrist nicht unverschuldet versäumt. Insoweit muss sie sich das Verschulden ihrer Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
1.
Die Beschwerdefrist ist versäumt.
Bei dem Unterhaltsverfahren handelt es sich um eine Familienstreitsache, §§ 231 Abs. 1 Nr. 2, 112 Nr. 1 FamFG. Rechtsmittel gegen die Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme, Erledigung oder Anerkenntnis ist daher die sofortige Beschwerde, die binnen zwei Wochen nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung einzulegen ist, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. §§ 269 Abs. 5 ZPO, 91a Abs. 2, 99 Abs. 2, 569 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, NJW 2011, 3654 = FamRZ 2011, 1933; Schael, FPR 2009, 11, 12 f.).
Der Beschluss des Amtsgerichts vom 5.4.2013 ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ausweislich des in der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses am 17.4.2013 zugestellt worden, so dass die Beschwerdefrist am 2.5.2013 abgelaufen ist. Die Beschwerde der Antragstellerin ist erst am 17.5.2013 beim Amtsgericht eingegangen und somit verspätet.
2.
Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht gegeben.
In Familienstreitsachen gelten hinsichtlich der Wiedereinsetzung die Vorschriften der §§ 233 ff. ZPO, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG (vgl. BGH, NJW 2011, 2887 Rn. 14; Hahne/Munzig/ Gutjahr, BeckOK FamFG, Edition 8, § 39 Rn. 29). Im Rahmen dieser Vorschriften muss sich ein Beteiligter das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (BGH, a.a.O., Rn. 8). So liegt es hier.
Allerdings war die Rechtsbehelfsbelehrung im angefochtenen Beschluss fehlerhaft. Obwohl das Amtsgericht nach Erledigung des Verfahrens nur noch eine Kostenentscheidung getroffen hat, die – wie ausgeführt – mit der sofortigen Beschwerde binnen zwei Wochen nach Zustellung anfechtbar ist, enthält die Rechtsmittelbelehrung den Hinweis, gegen die Entscheidung finde die Beschwerde statt, die innerhalb eines Monats beim Amtsgericht einzulegen sei. Trotz dieser fehlerhaften Belehrung war die Antragstellerin aber gehalten, die Frist von zwei Wochen gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz FamFG, 569 Abs. 1 ZPO einzuhalten. Auf fehlende Kenntnis der Frist kann sie sich nicht berufen.
Indes bestimmt § 17 Abs. 2 FamFG, dass ein fehlendes Verschuldens an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist vermutet wird, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Eine entsprechende Vorschrift ist mit Wirkung zum 1.1.2014 durch Gesetz vom 5.12.2012 (BGBl. I, S. 2418) als Satz 2 in § 233 ZPO angefügt worden. Aber auch jetzt schon ist anzunehmen, dass die gesetzliche Vermutung des § 17 Abs. 2 FamFG in Ehe- und Familienstreitsachen entsprechend gilt (BGH, NJW-RR 2012, 1025 Rn. 7).
Die Vermutung fehlenden Verschuldens wird aber widerlegt durch vorhandene Kenntnis über die Rechtsmittel, wie es beim anwaltlich vertretenden Beteiligten regelmäßig der Fall ist (vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 183). Bei anwaltlicher Vertretung ist ein durch eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung verursachter Irrtum über die Rechtsmittelfrist regelmäßig verschuldet (BGH, NJW 2011, 3240 Rn. 18; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, NJOZ 2012, 1625; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2011, 1016). Dies gilt uneingeschränkt in den Fällen einer gesetzlich vorgeschriebenen, aber fehlenden bzw. unvollständigen Rechtsbehelfsbelehrung (BGH, NJW-RR 2012, 1025 Rn. 9; OLG Oldenburg, FamRZ 2012, 1829). Ist die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung hingegen inhaltlich unrichtig, darf auch ein Rechtsanwalt grundsätzlich auf deren Richtigkeit vertrauen. Da er aber die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennen muss, kann er Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und daher verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts geführt hat, nicht jedoch, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und deshalb – ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand – nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (BGH, NJW-RR 2012, 1025, Rn. 9; Hahne/Munzig/Gutjahr, a.a.O., § 39 Rn. 28).
Vorliegend mussten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts erkennen. Denn von ihnen kann erwartet werden, dass sie die grundlegende Entscheidung des BGH vom 28.09.2011 – XII ZP 2/11 (NJW 2011, 3654 = FamRZ 2011, 1933) kennen, aus der sich eindeutig ergibt, dass isolierte Kostenentscheidungen in Ehe- und Familienstreitsachen mit der sofortigen Beschwerde nach den §§ 567 ff. ZPO anfechtbar sind. Von einem Rechtsanwalt ist nämlich zu verlangen, dass er sich anhand einschlägiger Fachliteratur (vor allem Fachzeitschriften und Kommentare) über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informiert. Dazu besteht umso mehr Veranlassung, wenn es sich um eine vor kurzem geänderte Gesetzeslage handelt, die ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit verlangt (BGH, NJW 2011, 386 Rn. 19).
3.
Auf der der Grundlage der vorstehenden Ausführungen beabsichtigt der Senat, das Rechtsmittel der Antragstellerin gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts als unzulässig zu verwerfen. Es besteht Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme, gegebenenfalls zur Rücknahme der Beschwerde, binnen zwei Wochen.