Gericht | FG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 23.06.2010 | |
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Aktenzeichen | 7 K 7212/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 9 Abs 1 EStG |
Kein Werbungskostenabzug betreffend die Weiterzahlung einer zwecks Ablösung des Versorgungsausgleichs begründeten Versicherung(-ssume) mangels Kausalität zur Scheidung bzw. damit mangels Veranlassungszusammenhangs zwischen der Auszahlung und der Sicherung ungeschmälerter Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Auch kein Werbungskostenabzug betreffend laufende Versicherungsprämien hier mangels Nachweises entsprechender Versicherungszahlungen im
Streitjahr.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Der Kläger wendet sich mit dem Ziel, die Weiterzahlung von Versicherungsleistungen an seine frühere Ehefrau bei seinen Einkünften aus nicht selbständiger Tätigkeit berücksichtigen lassen zu können, gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2005.
Der Kläger wurde im April 1983 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen, nachdem er bereits zuvor – spätestens im August 1980 – als Regierungsrat z. A. in die Dienste des Landes M getreten war. Im Streitjahr 2005 war er als Senatsdirigent tätig war und wurde allein zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger schloss im Vorfeld seiner Eheschließung am 22. September 1980 einen notariellen Ehevertrag – folgend: EV –, nach dem seine spätere Ehefrau und er selbst anstelle des gesetzlichen Güterstandes Gütertrennung vereinbarten und für den Fall ihrer Ehescheidung den Versorgungsausgleich ausschlossen (Nr. 1 und 2 EV). Zugleich sahen sie den Abschluss einer auf 35 Jahre angelegten dynamischen Ehegatten-Lebensversiche-rung vor, deren Versicherungssumme nach Fälligkeit ihnen beiden je zu gleichen Teilen zustehen sollte (Nr. 5 Abs. 1 EV). Die monatlichen Versicherungsbeiträge sollten dabei von einem Gemeinschaftskonto abgehen (Nr. 5 Abs. 2 EV), auf das die Vertragschließenden als spätere Eheleute ihre sämtliche Gehaltszahlungen und ähnliche Leistungen einzuzahlen hatten (Nr. 3 Abs. 1, 3 EV). Im Falle der Ehescheidung hatte derjenige Vertragsteil mit den werthöheren Versorgungsanwartschaften die monatlichen Versicherungsbeiträge (allein) weiter zu entrichten (Nr. 6 EV).
Unter dem 4. Dezember 1991 ließen der Kläger und seine von ihm bereits getrennt leben-de Ehefrau eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung – folgend: SV – beurkunden, nach der sie für den Fall ihrer Scheidung den Ausschluss des Versorgungsausgleichs be-stätigten und eine schuldrechtliche Verpflichtung des Klägers aufnahmen, nach Fälligkeit der dynamischen Lebensversicherung seiner Ehefrau die Hälfte des ausgezahlten Betrages unverzüglich zur Verfügung zu stellen (Nr. 9 SV).
Die Ehe des Klägers wurde schließlich am 11. September 1996 geschieden. Die Auszahlung der dynamischen Lebensversicherung geschah im Streitjahr 2005, in dem der Kläger sie auch hälftig in Höhe von 35.651,90 € an seine geschiedene Ehefrau weiterzahlte.
In seiner Einkommensteuererklärung 2005 reklamierte der Kläger diese Zahlung als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit. Anders als im Vorjahr machte der Kläger für 2005 keine Beträge zu Lebensversicherungen als Sonderausgaben geltend. Mit Einkommensteuerbescheid 2005 vom 27. Juli 2006 ließ der Beklagte die als Werbungskosten geltend gemachte Weiterleitung der Versicherungsleistung unberücksichtigt.
Zur Begründung seines dagegen eingereichten Einspruchs machte der Kläger geltend, der EV sei vornehmlich auf die Regelung des Versorgungsausgleichs im Scheidungsfalle angelegt gewesen. Insofern habe sich die hälftige Auszahlung der Versicherungssumme an seine von ihm geschiedene Ehefrau als Ausgleich für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs erklärt. Solche Vereinbarungen hätten laut neuerer Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – (Urteil vom 8. März 2006 – IX R 107/00 – Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 212, 511, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2006, 448) durchaus steuerliche Relevanz.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers in diesem Streitpunkt als unbegründet zurück. Anders als in den vom BFH entschiedenen Fallgestaltungen (Urteile vom 8. März 2006 – IX R 78/01 – BFHE 212, 514, BStBl II 2006, 511, und IX R 107/00, aaO.) habe den Kläger hier von vornherein keine Verpflichtung zum Versorgungsausgleich getroffen. Denn bereits durch den vor der Eheschließung zu Stande gekommenen EV sei der Versorgungsausgleich für den Fall der Ehescheidung ausgeschlossen gewesen. Daneben und unabhängig vom Ausschluss des Versorgungsausgleichs hätten der Kläger und seine spätere Ehefrau den Abschluss der Lebensversicherung bzw. deren spätere Auszahlung vereinbart. Dem entsprechend sei der Kläger im Rahmen der SV an diese Verpflichtung von ihm auch nur erinnert worden. Mit dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs habe für den Kläger dann auch kein Grund mehr bestanden, eine Ausgleichszahlung zu vereinbaren. Unter diesen Umständen bestehe zwischen der hälftigen Weiterzahlung der Versicherungssumme an seine geschiedene Ehefrau und seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit kein wirtschaftlicher Zusammenhang. Dies schließe ihre Berücksichtigung als Werbungskosten aber aus.
Mit seiner am 8. Juni 2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen aus dem Vorverfahren weiter. Hinsichtlich der hälftigen Weiterzahlung der Versicherungsleistungen an seine geschiedene Ehefrau hält er sich weiterhin zum Werbungskostenabzug berechtigt und sieht sich in dieser Rechtsauffassung durch die bezeichneten Entscheidungen des BFH bestätigt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
abweichend von dem Einkommensteuerbescheid 2005 vom 27. Juli 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 die Einkommensteuer 2005 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 35.651,90 € bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit festzusetzen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er stützt seine Rechtsverteidigung auf die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007, an der er festhält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten ausgetauschten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die von dem Beklagten vorgelegten Steuerakten (1 Band Einkommensteuerakten) zur St.-Nr. …
Bezug genommen.
Der Senat konnte den Finanzrechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten (der Kläger bereits mit seiner Klageschrift vom 3. Juni 2007; der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. Juli 2007) auf sie übereinstimmend verzichtet und sich mit einer schriftlichen Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom 27. Juli 2006 in Ge-stalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007, der die Weiterzahlung einer Versicherungsleistung an seine geschiedene Ehefrau vom weiteren Werbungskostenabzug ausnimmt, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO).
Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG). Über den Wortlaut von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus zählen zu Werbungskosten überhaupt alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind. Der Werbungskostenbe-griff ist insofern deckungsgleich mit dem Begriff der Betriebsausgaben des § 4 Abs. 4 EStG. Eine berufliche bzw. betriebliche Veranlassung ist bei Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bzw. bei Betriebsausgaben stets dann anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf oder dem Betrieb besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs bzw. des Betriebes gemacht werden. Stehen die Aufwendungen in einem objektiven Zusammenhang mit dem Beruf, so ist für den Begriff der Werbungskosten aber nicht von Bedeutung, ob die Vorstellungen des Steuerpflichtigen, den Beruf zu fördern, der Wirklichkeit entsprechen, d.h. geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen. Der Werbungskostenabzug ist daher nicht davon abhängig, ob der mit den Aufwendungen erstrebte Zweck eingetreten ist und ob die Aufwendungen nach objektiven Gesichtspunkten üblich, notwendig oder zweckmäßig waren (BFH, Urteil vom 28. November 1980 – VI R 193/77 – BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368).
Werbungskosten sind gegebenenfalls auch dann abziehbar, wenn mit dem Aufwand zusammen hängende Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung solcher vorab entstandener Werbungskosten aber ist ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunfts-art, der sich nach der wertenden Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments richtet (BFH, Urteil vom 8. März 2006 – IX R 78/01 – aaO. S. 448/449).
Hiernach führen Ausgleichszahlungen, die ein zum Versorgungsausgleich verpflichteter Ehegatte aufgrund einer Vereinbarung gemäß § 1587o des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) – Vereinbarungen der Ehegatten im Zusammenhang mit ihrer Scheidung über alterversorgungsrechtliche Scheidungsfolgen – an den anderen Ehegatten leistet, um Kürzungen seiner steuerpflichtige Einnahmen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) bildenden Versorgungsbezüge zu vermeiden, ebenso wie sogenannte [sog.] Wiederauffüllungszahlungen im Sinne von § 58 des Beamtenversorgungsgesetzes – BeamtVG – zu sofort abziehbaren Werbungskosten (BFH, Urteil vom 8. März 2006 – IX R 107/00 – aaO. Leitsatz [LS]). Gleiches gilt für Ausgleichszahlungen, die auf der Grundlage einer Vereinbarung nach § 1408 Abs. 2 BGB – ehevertragliche Regelungen über den Versorgungsausgleich – als Gegenleistung für einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich an den früheren Ehegatten gezahlt werden. Denn auch in solchen Fällen wendet der betreffende Ehegatte et-was auf, um die Kürzung seiner künftigen Versorgungsbezüge zu verhindern (BFH, Urteil vom 8. März 2006 – IX R 78/01 – aaO. S. 449).
Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger keine Berücksichtigung seiner Weiterzahlung von Versicherungsleistungen an seine geschiedene Ehefrau als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit beanspruchen. Dem erforderlichen Veranlassungszusammenhang zwischen der Weiterzahlung der Versicherungssumme an seine frühere Ehefrau und der Ablösung des Versorgungsausgleichs zwecks Vermeidung der Kürzung seiner späteren Versorgungsbezüge steht im Falle des Klägers entgegen, dass er auch bei Fortbestehen seiner Ehe im Zeitpunkt der Fälligkeit der Versicherung(-ssum-me) im Streitjahr 2005 zur hälftigen Weiterleitung an seine Ehegattin verpflichtet gewesen wäre. Im Falle einer nach wie vor intakten Ehe wären nach Nr. 5 Abs. 2 EV die laufenden Versicherungsprämien von demjenigen Gemeinschaftskonto zu entrichten gewesen, auf das beide Eheleute ihre sämtlichen Gehaltszahlungen und ähnliche Leistungen einzuzahlen hatten (Nr. 3 Abs. 3 EV). Alsdann hätte ihnen jeweils der halbe Versicherungsauszahlungsbetrag zugestanden (Nr. 5 Abs. 1 Satz 1 EV). Der Kläger, der ausweislich des nur an ihn gerichteten Versicherungsanschreibens vom 27. Mai 2005 betreffend die Ankündigung der Fälligkeit der Lebensversicherung alleiniger Versicherungsnehmer der streitgegenständlichen Ehegatten-Lebensversicherung war, wäre dem gemäß ungeachtet der Scheidung seiner Ehe in jedem Fall verpflichtet gewesen, seiner (geschiedenen) Ehefrau den hälftigen Versicherungsauszahlungsbetrag zukommen zu lassen. Unter diesen Umständen erklärt sich seine Weiterzahlung der Versicherungsleistungen an seine frühere Ehefrau nicht damit, dass er dadurch ihm scheidungsbedingt angefallene Versorgungsausgleichsleistungen zwecks Verhinderung der Kürzung seiner späteren Versorgungsbezüge abzulösen beabsichtigte.
Werbungskostenbegründend kann sich für den Kläger auch nicht der Verlust der Mitbeteiligung seiner geschiedenen Ehefrau an den laufenden Prämienzahlungen für die streitgegenständliche Lebensversicherung auswirken. Zwar musste der Kläger nach seiner Scheidung als der Ehevertragsteil mit den werthöheren Versorgungsanwartschaften die Versicherungsprämien allein aufbringen (Nr. 6 EV), während zuvor die jährlichen Versicherungsbeiträge von dem von seiner geschiedenen Ehefrau und ihm selbst jeweils gehaltsanteilig bestückten Gemeinschaftskonto abgingen (Nr. 5 Abs. 2 EV).
Es kann dahinstehen, ob vom Kläger geleisteten Versicherungsprämien teilweise Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit darstellen. Denn insoweit könnten im Streitjahr nach § 11 Abs. 2 EStG nur solche Prämienzahlungen berücksichtigt werden, die der Kläger im Streitjahr gezahlt hatte. Das Gericht ist jedoch überzeugt, dass der Kläger im Streitjahr keine Prämien auf die streitbefangene Lebensversicherung mehr gezahlt hat. Denn er hat mit seiner Einkommensteuererklärung 2005 keine Versicherungsprämien (mehr) in Ansatz gebracht, nachdem er noch im Vorjahr 2004 diesbezügliche Sonderausgaben in Höhe von 2.604,50 € geltend gemacht hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Es ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt und es liegen auch weder einheitliche instanzgerichtliche Entscheidungen noch übereinstimmende Kommentierungen dazu vor, ob sich die Weiterzahlung der Versicherungssumme aus einer im Zusammenhang mit dem vorehelichen Ausschluss des Versorgungsausgleichs abgeschlossenen Ehegatten-Lebensversicherung als Werbungskosten bei der Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit desjenigen Steuerpflichtigen berücksichtigt lässt, der nach der Scheidung die Versicherungsprämien allein entrichtet hat und ansonsten mit dem Versorgungsausgleich belastet gewesen wäre.