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Krankentransport; Sachleistungsanspruch; Krankentransportwagen; Ambulante Behandlung; Vorherige Genehmigung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 13.04.2011
Aktenzeichen L 9 KR 189/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 60 SGB 5

Leitsatz

Der Krankentransportunternehmer hat gegenüber der Krankenkasse keinen Anspruch auf ein Entgelt für eine durchgeführte Transportleistung, wenn der Sachleistungsanspruch des Versicherten nicht besteht (hier: bestandkräftige Ablehnung des KTW-Transports gegenüber dem Versicherten); der Entgeltanspruch des Krankentransportunternehmers ist akzessorisch zum Sachleistungsanspruch des Versicherten.

(obiter dictum:) Die materiellrechtlichen Regelungen in § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB V suspendieren nicht vom Verfahrenserfordernis der vorherigen Genehmigung aus § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2008 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu einem Fünftel, der Kläger zu vier Fünfteln.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber eines einzelkaufmännischen Krankentransportunternehmens. Er begehrt die Zahlung eines Entgelts in Höhe von 1.629,18 Euro für den Transport der 1929 geborenen, an einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz leidenden Versicherten E R (im Folgenden: R.).

Die behandelnden Ärzte im Dialysezentrum Berlin (DZB) verordneten am 24. Januar 2005 ohne nähere Begründung den Transport der R. zum DZB mit dem Krankentransportwagen (KTW). R. beantragte am selben Tag bei der Beklagten die Kostenübernahme für diese Fahrten.

Die Beklagte erließ gegenüber R. am 26. Januar 2005 einen bestandskräftig gewordenen Bescheid; danach würden die Kosten für die Fahrten zum DZB für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 übernommen, medizinisch notwendig sei jedoch nur eine Fahrt mit Taxi oder Mietwagen. Diesem Bescheid lag eine Begutachtung des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten vom 25. Januar 2005 zu Grunde, wonach die Durchführung eines Transports mit dem KTW allein aufgrund der Dialysepflichtigkeit als nicht erforderlich eingestuft wurde.

Am 28. Januar 2005, 15. Februar 2005 und 1. März 2005 kam es zu drei weiteren Verordnungen der behandelnden Ärzte des DZB für eine Beförderung zum DZB mit dem KTW im Tragestuhl, wobei nun als Begründung für das Beförderungsmittel die Infektion der R. mit Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA) angegeben wurde.

Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten hielt auch bei weiteren Begutachtungen am 5. und 20. April 2005 eine Fahrt mit dem Taxi/Mietwagen für medizinisch ausreichend.

Aufgrund der genannten Verordnungen transportierte der Kläger die Versicherte im Zeitraum von Januar bis März 2005 an 21 Tagen mit dem KTW von ihrer Wohnung DZB und wieder zurück. Für die durchgeführten 42 Fahrten stellte er der Beklagten einen Betrag von 2.075,64 Euro in Rechnung (pro Fahrt 49,42 Euro). Die dem Kläger vorliegenden und von ihm auf der Rückseite abgezeichneten ärztlichen Verordnungen enthielten auf dem dafür vorgesehenen Textfeld keine Genehmigung der Beklagten zum Transport der Versicherten im KTW.

Die Beklagte lehnte die Zahlungen gegenüber dem Kläger ab, da für R. nur ein Transport mit dem Taxi bzw. Mietwagen genehmigt worden sei; eine vom Kläger gesetzte Zahlungsfrist verstrich erfolglos.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte zunächst in Höhe von 2.075,64 Euro in Anspruch genommen. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Transport mit dem KTW sei aus Hygienegründen aufgrund der Infektion der R. mit MRSA notwendig gewesen. Die beantragte Genehmigung hätte die Beklagte nicht ablehnen dürfen.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht die Forderung in Höhe von 446,46 Euro anerkannt. Dieser Betrag entspricht den genehmigten Mietwagenkosten für 42 Fahrten (10,63 Euro pro Fahrt).

Mit Urteil vom 28. Februar 2008 hat das Sozialgericht Berlin die Beklagte zur Zahlung von 1.629,18 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2005 verurteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar bestehe gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. 6 Abs. 3 der Krankentransport-Richtlinie (KT-RL) eine Pflicht zur vorherigen Genehmigung für Fahrten zur ambulanten Behandlung, die im vorliegenden Fall für den Transport mit dem KTW fehle. Darauf könne sich die Beklagte jedoch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht berufen, da die Ablehnung des Transportes mit dem KTW rechtswidrig gewesen sei, denn aufgrund der hoch ansteckenden Infektion der R. mit MRSA sei ein solcher Transport medizinisch notwendig gewesen.

Gegen das ihr am 14. April 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. April 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor: Der Kläger könne keinen weitergehenden Anspruch geltend machen als R., die auf Grund des Bescheides vom 26. Januar 2005 nur Anspruch auf Transport mit einem Mietwagen/Taxi gehabt habe.

Darüber hinaus sei der Transport der R. im KTW trotz der Infektion mit dem MRSA nicht medizinisch erforderlich gewesen, weil für gesunde Menschen kein Übertragungsrisiko bestehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen sowie festzustellen, dass die dem Kläger außergerichtlich entstandenen Kosten in Höhe von 517,95 Euro für die Durchführung des vorliegenden Verfahrens notwendig sind.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Der am 26. Januar 2005 an R. ergangene Bescheid sei unerheblich, da er im Verhältnis zwischen ihm und der Beklagten keine Bindungswirkung entfalte. Außerdem könne die Beklagte die ärztliche Verordnung im Hinblick auf die medizinische Notwendigkeit der KTW-Beförderung aus Vertrauensgesichtspunkten nicht im Nachhinein in Frage stellen. Im Übrigen sei keine vorherige Genehmigung notwendig, da sich § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V nur auf die nicht in § 60 Abs. 2 SGB V genannten privilegierten Fahrten erstrecke.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung beurteilt den Sachverhalt unrichtig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weiter gehende Vergütung für die von ihm erbrachten Krankentransportleistungen.

Dem geltend gemachten Anspruch steht schon entgegen, dass der Entgeltanspruch des Krankentransportunternehmers aus § 133 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit der auch hier geschlossenen vertraglichen Vereinbarung akzessorisch zum Anspruch des Versicherten auf Übernahme der Fahrkosten nach § 60 SGB V ist. Denn der Krankentransportunternehmer erfüllt durch seine Leistung regelmäßig den Sachleistungsanspruch des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse auf Krankentransport. Schon daraus folgt, dass der Vergütungsanspruch des Krankentransportunternehmers grundsätzlich nicht weiter reichen kann als der Sachleistungsanspruch des Versicherten auf Krankentransport. Der Unternehmer hat daher keinen Anspruch auf ein Entgelt für eine durchgeführte Transportleistung, wenn der Sachleistungsanspruch des Versicherten nicht besteht (vgl. zur selben Situation in Bezug auf Krankenhauskosten das Urteil des Senats vom 12. November 2009, L 9 KR 11/08, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26).

So liegt es hier, denn gegenüber der Versicherten stand mit dem unangefochten gebliebenen Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2005 krankenversicherungsrechtlich verbindlich fest, dass im Hinblick auf die Fahrten zum DZB im gesamten Jahr 2005 Transportkosten nur für Taxi bzw. Mietwagen genehmigt waren. Der Krankentransportunternehmer kann von der Krankenkasse aber nicht die Vergütung für etwas verlangen, was diese gegenüber ihrer Versicherten bestandskräftig abgelehnt hat. Allein auf der Ebene Versicherter / Krankenkasse würde sich im Rahmen eines Streits um Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V gegebenenfalls die Frage stellen, ob die Leistungsablehnung rechtmäßig war; eine solche Überprüfung kann allein der Unternehmer aber nicht herbeiführen, für ihn bleibt es bei den Auswirkungen der bestandskräftigen Leistungsablehnung.

Befördert ein Unternehmer einen Versicherten, ohne dass die notwendige ärztliche Verordnung – wie hier – den Genehmigungsvermerk der Krankenkasse im dafür vorgesehenen Textfeld trägt, unterliegt er daher dem Risiko, sich Einwendungen ausgesetzt zu sehen, die aus dem Versicherungsverhältnis resultieren. Allein die ärztliche Verordnung einer Krankentransportleistung ist keine „Garantie“ für den Entgeltanspruch gegenüber der Krankenkasse; gewährleistet ist die Kostenübernahme nur, wenn der Transport vorab von der Krankenkasse genehmigt wurde oder feststeht, dass der Versicherte einen entsprechenden Sachleistungsanspruch – orientiert am Leistungsrecht des SGB V – auch tatsächlich hat.

Nichts anderes ergibt sich – entgegen der Auffassung des Klägers – aus dem Rettungsdienstgesetz (RDG) des Landes Berlin. Hierbei handelt es sich um Ordnungsrecht. Statuiert ist beispielsweise in § 3 Abs. 1 RDG die Genehmigungspflicht des Krankentransportgewerbes. § 17 RDG regelt die Leistungspflicht des Unternehmers, die nach Abs. 2 selbst dann besteht, wenn die Entrichtung des Entgelts nicht gesichert ist. Entscheidend ist aber § 21 Abs. 1 Satz 4 RDG, wonach für den Entgeltanspruch die Bestimmungen des SGB V unberührt bleiben. Gerade diese Vorschrift zeigt, dass der Entgeltanspruch des Krankentransportunternehmers nicht abgekoppelt werden kann vom Sachleistungsanspruch des Versicherten.

Nach alledem kommt es für den vorliegenden Fall nicht darauf an, inwieweit das Leistungsrecht des SGB V in § 60 den Sachleistungsanspruch des Versicherten im Falle des Krankentransports zu einer ambulanten Behandlung abhängig macht von einer vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Der Senat hält gleichwohl fest: Die Genehmigungspflicht für Fahrten zur ambulanten Behandlung gilt für den Versicherten nach dem unzweideutigen Wortlaut des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V uneingeschränkt. Nach dieser Grundregel zum Verfahren übernimmt die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (KT-RL) festgelegt hat. § 8 Abs. 1 Satz 2 der KT-RL bestimmt insoweit ebenfalls, dass Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse bedürfen. Unabhängig davon enthält § 60 Abs. 2 SGB V materielles Leistungsrecht mit konkreten Aussagen zum Sachleistungsanspruch des Versicherten; dieser besteht etwa nach Abs. 2 Nr. 4 bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung, wenn dadurch eine an sich gebotene stationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird. Die materiellen Regelungen in § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB V suspendieren aber nicht vom Erfordernis der vorherigen Genehmigung aus § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kostenquote für das erstinstanzliche Verfahren trägt dem teilweisen Nachgeben der Beklagten Rechnung. Dem Antrag des Klägers auf Feststellung, dass die ihm außergerichtlich entstandenen Kosten für die Durchführung des vorliegenden Verfahrens notwendig sind, konnte der Senat nicht entsprechen. Das Prozessrecht sieht einen solchen Ausspruch im Rahmen des Hauptsacheverfahrens nicht vor. Über Notwendigkeit und Höhe der außergerichtlichen Kosten wird bei bestehendem prozessualen Kostenerstattungsanspruch im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG, andernfalls im Rechtsstreit zwischen Rechtsanwalt und Mandant, entschieden.

Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).