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Selbständiges Beweisverfahren; Wohngebäude im Nachtschutzgebiet; Frage nach den erforderlichen Lärmschutzvorrichtungen; schalltechnische Objektbeurteilung; bereits vorhandene Begutachtungen; mangelnde Glaubhaftmachung der Beweistatsachen; keine Gefahr des Beweisverlustes; fehlendes rechtliches Interesse


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat Entscheidungsdatum 14.05.2012
Aktenzeichen OVG 12 A 1.12 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 98 VwGO, § 485 Abs 1 ZPO, § 485 Abs 2 ZPO, § 487 ZPO

Tenor

Der Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind Eigentümer eines Grundstücks in der V… in 12527 Berlin. Das Grundstück liegt in dem durch den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld vom 13. August 2004 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 20. Oktober 2009 festgesetzten Nachtschutzgebiet. Das Grundstück ist mit einem im Jahr 1980 in Holzständer-Bauweise errichteten zweigeschossigen Einfamilienhaus bebaut. Im Erdgeschoss befindet sich ein Schlafzimmer (Raum A 1), das Obergeschoss weist zwei Kinderzimmer (Räume A 2 und A 3) sowie ein Gästezimmer (Raum A 4) auf.

Im Auftrag der beigeladenen Vorhabenträgerin führte das Ingenieurbüro SchallschutzProjet V… (im Folgenden: Ingenieurbüro) am 22. August 2011 eine schalltechnische Objektbeurteilung bei den Antragstellern durch, um die Grunddaten der erforderlichen Schallschutzvorrichtungen zu ermitteln. Dabei wurde für die anspruchsberechtigten Räume A 1 bis A 4 das Bauschalldämmmaß der relevanten Außenbauteile unter anderem auf der Grundlage der DIN 4109 festgestellt und zur Einhaltung der nach dem Planfeststellungsbeschluss zu wahrenden Schutzziele der Einbau eines Schalldämmlüfters in den Räumen A 1 bis A 3 für erforderlich gehalten. Die den Antragstellern angebotene Kostenerstattungsvereinbarung der Beigeladenen sieht dementsprechend eine Erstattung von Aufwendungen für Schallschutzvorrichtungen in Höhe von insgesamt 888,93 EUR vor.

Die Antragsteller beantragten daraufhin die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens wegen möglicher fehlerhafter Berechnung der Schalldämmmaße der Fenster, des Dachaufbaus und der Wände. Sie sind der Auffassung, dass die angewandte Rechenmethode der Bauweise des zu DDR-Zeiten errichteten Gebäudes nicht gerecht werde. Das Ingenieurbüro habe weder die bestehenden Baumängel der Fenster (Undichtigkeiten) noch des Daches (Spalten und Löcher zwischen Dachbetonsteinen) berücksichtigt. Die Kehlbalkendecke sei entgegen den gutachterlichen Feststellungen nur teilweise mit einer 120mm Mineralfaser belegt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Antragsschriftsatz Bezug genommen.

Im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen wurde das Wohngebäude der Antragsteller am 5. März 2012 erneut von dem Ingenieurbüro auf seine Schalldämmmaße in Anlehnung an die DIN 4109 untersucht. Dabei wurden für die Räume A 1 bis A 4 die Schalldämmmaße der Fenster von 32 dB auf 31 bzw. 30 dB und für die Kehlbalkendecke von 45 dB auf 42 dB nach unten korrigiert. Die Belegung der Kehlbalkendecke mit Mineralfaser wurde nicht mehr berücksichtigt.

Der Aufforderung der Beigeladenen, das Ergebnis der Bestandsaufnahme vom 5. März 2012 zu bestätigen, damit auf dieser Grundlage eine Neuberechnung der erforderlichen Schallschutzmaßnahmen vorgenommen werden könne, sind die Antragsteller nicht nachgekommen (vgl. Schreiben der Beigeladenen vom 10. April 2012).

Die Antragsteller sind nach wie vor der Auffassung, dass der Baubestand nicht nach der DIN 4109 beurteilt werden könne. Darüber hätten sie sich mit der Beigeladenen in dem Ortstermin am 5. März 2012 verständigt (vgl. Schreiben der Antragsteller vom 12. April 2012). Zur weiteren Begründung ihres Antrags tragen sie vor, dass Baumängel nicht bestünden und auch nicht durch das Verfahren behoben werden sollten. Da sie nicht über die Sachkunde eines Bausachverständigen verfügten, könnten sie die von dem Ingenieurbüro vorgenommene Neuberechnung nicht bestätigen. Auch habe die Beigeladene bislang den zu erwartenden Fluglärmpegel nicht quantifiziert.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

zu folgenden Fragen Beweis zu erheben:

1.Welche tatsächlichen Schalldämmmaße werden unter Berücksichtigung der planungsrechtlichen Grundlagen des Flughafens Berlin Brandenburg International in den Schlafräumen und Kinderzimmern (Räume A 1 bis A 4) ihres in der V…, 12527 Berlin belegenen Wohngebäudes erreicht?
2.Welchen tatsächlichen Materialaufbau weisen die Fenster, die Wände, die Kehlbalkendecke und die Dachschrägen ihres Wohngebäudes auf?
3.Welche Schallschutzmaßnahmen sind nach Ermittlung der Schalldämmmaße und unter Beachtung der Flugverfahren sowie der 2. FlugLSV in den Räumen A 1 bis A 4 ihres Einfamilienhauses angezeigt?
4.Welche Kosten entstehen für die erforderlichen Schallschutzmaßnahmen?

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen jeweils,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner ist im Wesentlichen der Ansicht, dass den Antragstellern für die Beweisaufnahme kein rechtliches Interesse zur Seite stehe, da ihm gegenüber kein Anspruch auf Durchführung von Schallschutzmaßnahmen bestehe. Die Realisierung der im Planfeststellungsbeschluss angeordneten Schutzmaßnahmen obliege vielmehr dem Vorhabenträger. Seine Befugnisse seien insoweit auf ein aufsichtsrechtliches Einschreiten beschränkt.

Die Beigeladene trägt darüber hinaus vor, dass ein Verlust der Beweismittel nicht zu erkennen sei. Der Planfeststellungsbeschluss sehe nicht die Beseitigung von Baumängeln, sondern den Einbau der aus Lärmgründen erforderlichen Schutzvorrichtungen vor. Die Frage nach der Anwendbarkeit der DIN 4109 sei nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Die Antragsteller haben einen Anspruch auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens (§ 98 VwGO i.V.m. § 485 Abs. 1 und 2 ZPO) nicht glaubhaft gemacht.

Soweit die Antragsteller die Einholung eines schalltechnischen Sachverständigengutachtens für ihr Wohngebäude im Wege eines Beweissicherungsverfahrens nach § 98 VwGO i.V.m. § 485 Abs. 1 ZPO sowie eines selbständigen Beweisverfahrens nach § 98 VwGO i.V.m. § 485 Abs. 2 ZPO beantragen, ist dies unzulässig. Nach § 98 VwGO sind auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 ZPO entsprechend anzuwenden, soweit die Verwaltungsgerichtsordnung nicht abweichende Vorschriften enthält. Hieraus folgt, dass die Vorschriften über das selbständige Beweisverfahrens nach § 485 ff. ZPO grundsätzlich entsprechend gelten (vgl. Lang in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 98 Rn. 282 f.).

Gemäß § 485 Abs. 1 ZPO kann auf Antrag einer Partei unter anderem die schriftliche oder mündliche Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird. Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann die Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache, die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels oder der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels festgestellt wird (§ 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Ein rechtliches Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann (§ 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Der Senat kann offenlassen, ob das Land Brandenburg der richtige Antragsgegner für die Geltendmachung von Ansprüchen auf Schallschutzmaßnahmen ist, was aus den vom Antragsgegner dargelegten Gründen durchgreifenden Zweifeln unterliegen dürfte. Die Antragsteller haben jedenfalls nicht die Tatsachen glaubhaft gemacht, die die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens begründen sollen (§ 487 Nr. 4 i.V.m. § 294 ZPO). Hierzu gehört unter anderem die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll (§ 487 Nr. 2 ZPO). Soweit die Antragsteller die erneute Ermittlung der Schalldämmmaße in den Räumen A 1 bis A 4 begehren, fehlt es bereits an einer hinreichend konkreten Behauptung über den beweisbedürftigen Zustand der Sache (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70 Aufl., § 487 Rn. 5). Der von dem Ingenieurbüro am 5. März 2012 erstellten Bestandsaufnahme der Räume ist zu entnehmen, dass die in der Antragsschrift aufgeführten Beanstandungen der Antragsteller gegen die erste Bestandsaufnahme vom 22. August 2011 Berücksichtigung gefunden haben. So dürfte der von den Antragstellern beschriebene mangelbehaftete Zustand der Fenster dazu geführt haben, dass das Schalldämmmaß für sämtliche Fenster nach unten korrigiert worden ist. Hinsichtlich der Kehlbalkendecke ist die nach Angaben der Antragsteller nur teilweise vorhandene 120mm Mineralfaser nunmehr außer Betracht gelassen worden mit der Folge, dass auch insoweit das Schalldämmmaß herabgesetzt worden ist. Eine weitere Konkretisierung des beweisbedürftigen Zustands des Wohngebäudes enthalten weder die Antragsschrift noch die ergänzende Antragsbegründung vom 27. April 2012. Einer hinreichenden Glaubhaftmachung steht auch entgegen, dass die Antragsteller den baulichen Zustand der Fenster und des Daches widersprüchlich beschrieben haben. Ausweislich der Antragschrift sollen die Fenster und das Dach teilweise Mängel aufweisen, die aus Sicht der Antragsteller Einfluss auf die Schalldämmmaße haben könnten. In ihrem Schriftsatz vom 27. April 2012 hingegen weisen die Antragsteller darauf hin, dass Baumängel nicht bestünden und auch nicht durch das Verfahren behoben werden sollten. Soweit die Antragsteller der Auffassung sind, dass die DIN 4109 nicht geeignet sei, die Schalldämmmaße ihres zu DDR-Zeiten errichteten Wohnhauses korrekt zu ermitteln, haben sie dies nicht zum Gegenstand ihres Beweisbegehrens gemacht. Im Übrigen ist weder substantiiert dargetan noch ersichtlich, dass eine Beurteilung der Schutzbedürftigkeit der Räume anhand der DIN 4109 als Anforderungs- und Bewertungsgrundlage für baulichen Schallschutz nicht zuverlässig möglich sein soll. Vielmehr sieht der Planergänzungsbeschluss „Lärmschutzkonzept BBI“ unter Abschnitt A II 5.1.3. Nr. 4 in Verbindung mit dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm und der hierzu ergangenen Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (2. FlugLSV) die Heranziehung der DIN 4109 ausdrücklich vor (vgl. § 3 der 2. FlugLSV).

Die Antragsteller haben zudem nicht glaubhaft gemacht, dass mit der Inbetriebnahme des Flughafens der Verlust oder die erschwerte Benutzung eines Beweismittels nach § 485 Abs. 1 ZPO zu besorgen wäre. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Wohngebäude der Antragsteller bereits zweimal schalltechnisch von einem auf Schallschutz qualifizierten Ingenieurbüro untersucht worden ist. Die Antragsteller haben weder dargelegt noch ist ersichtlich, dass ein zusätzlich gerichtlich bestellter Sachverständiger umfassendere oder qualitativ für die Antragsteller vorteilhaftere Feststellungen treffen würde. Dass die bereits erfolgte Begutachtung ungenügend ist, haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, sondern lediglich pauschal behauptet (vgl. für den Fall des Vorliegens eines ausreichenden Gutachtens LG Köln, Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 38 T 7/08 – juris, Rn. 3). Soweit die Antragsteller vorgetragen haben, dass sie noch vor Inbetriebnahme des Flughafens gezwungen sein würden, das Dach und die Fenster schallschutztechnisch umzugestalten, so dass eine tatsächliche Bewertung des ursprünglichen Bauzustandes nicht mehr möglich wäre, haben sie auch dies nicht glaubhaft gemacht. Sie haben weder dargelegt, welche Umgestaltungsmaßnahmen sie im Vorfeld einer mit der Beigeladenen noch zu treffenden Kostenerstattungsvereinbarung konkret planen, noch inwieweit dies eine nachträgliche Feststellung des vorherigen Bauzustandes ausschließen würde. Im Übrigen steht dieser Vortrag im Widerspruch dazu, dass nach den eigenen Angaben der Antragsteller Baumängel nicht bestehen sollen.

Darüber hinaus haben die Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens im Sinne von § 485 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht. Insoweit hätten die Antragsteller in Auseinandersetzung mit den Bestandsaufnahmen des Ingenieurbüros vom 22. August 2011 und vom 5. März 2012 darlegen müssen, dass die Zustandsbeschreibung der Räume A 1 bis A 4 ungenügend ist. Soweit die begehrte Beweisanordnung auf die Ermittlung der für die einzelnen Räume erforderlichen Schallschutzmaßnahmen und deren Kosten gerichtet ist, steht der Annahme eines rechtlichen Interesses entgegen, dass die Antragsteller die Bestandsaufnahme vom 5. März 2012 bislang – und sei es unter Vorbehalt – gegenüber der Beigeladenen nicht bestätigt und damit eine Neuberechnung der erforderlichen Schutzmaßnahmen sowie deren Kosten durch das Ingenieurbüro verhindert haben. Dass sie dazu mangels eigener Fachkenntnis nicht in der Lage wären, vermag angesichts der in der Antragsschrift enthaltenen Ausführungen zur Bauweise des Gebäudes und den Mängeln an den Fenstern sowie dem Dach nicht zu überzeugen.

Soweit die Antragsteller geltend machen, dass die Beigeladene die für ihr Grundstück zu erwartenden Fluglärmpegel nicht quantifiziert habe, kommt es darauf angesichts der oben dargestellten Unzulässigkeit der begehrten Beweisanordnung im Übrigen nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen den Antragstellern aufzuerlegen, da sie einen Sachantrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und entspricht einem Drittel des Wertes des zu sichernden Anspruchs, der von den Antragstellern mit 30.000 EUR beziffert worden ist (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 30. Dezember 1997 – 5 S 2863/97 –, NVwZ-RR 1998, 526).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).