Gericht | VG Cottbus 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 31.07.2019 | |
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Aktenzeichen | 3 K 261/15 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2019:0731.3K261.15.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 15 Abs 1 BauNVO, § 34 Abs 1 BauGB, § 6 BauNVO, § 34 Abs 2 BauGB |
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheids vom 14. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 2. Februar 2015 verpflichtet, dem Kläger die beantragte Baugenehmigung für die Nutzung der Schankwirtschaft „B...“ in der K... in 0... unter folgenden Auflagen zu erteilen:
1. Die Beurteilungspegel aller vom Betrieb der Schankwirtschaft ausgehenden Geräusche dürfen im 1. Obergeschoss des Wohnhauses in der K... einen Immissionsrichtwert von tagsüber (6.00 bis 22.00 Uhr) 57,5 dB(A) und nachts (22.00 bis 6.00 Uhr) 42,5 dB(A) nicht überschreiten. Bei der Geräuschübertragung innerhalb der Gebäude oder Körperschallübertragung dürfen die Beurteilungspegel aller vom Betrieb der Schankwirtschaft ausgehenden Geräusche im darüber liegenden Wohnraum (1. Obergeschoss) die Immissionsrichtwerte tagsüber (6.00 bis 22.00 Uhr) maximal 35 dB(A) und nachts (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) maximal 25 dB(A) nicht überschreiten. Mess- und Beurteilungsvorschrift ist die TA Lärm.
2. Zur Einhaltung der unter Ziffer 1 festgesetzten Richtwerte sind folgende betriebliche Beschränkungen erforderlich:
2.1. Ab Beginn der Nachtruhe um 22.00 Uhr sind ins Freie führende Türen und Fenster verschlossen zu halten.
2.2. Der Betreiber hat durch organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass sich Gäste im Freien vor der Gaststätte, insbesondere nach 22.00 Uhr, ruhig verhalten.
2.3. Der Betreiber hat zuverlässig sicherzustellen, dass durch organisatorische Maßnahmen (z.B. Ausschankende 2.30 Uhr) die Betriebsstätte ab 3.00 Uhr geschlossen ist.
2.4. Es dürfen sich zu keinem Zeitpunkt mehr als 10 Gäste in der Schankwirtschaft aufhalten.
Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 1/5 und der Beklagte 4/5.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsumwandlung eines Ladenlokals in eine Schankwirtschaft.
Er beabsichtigt im Erdgeschoss eines dreigeschossigen Wohngebäudes in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Änderungsschneiderei ein Raucherlokal unter dem Namen „B...“ zu betreiben. Ausweislich der Betriebsbeschreibung ist der Ausschank von Getränken bei täglichen Öffnungszeiten von 20.00 bis 3.00 Uhr für bis zu maximal zehn Gäste vorgesehen. Der 23,78 m²-große Gastraum ist an der östlichen Gebäudewand schallgeschützt und an der Decke durch Steinwolle isoliert.
Das Lokal liegt im unbeplanten Bereich. Es befindet sich auf der nördlichen Straßenseite (Hausnummer 1...) der in Ost-West-Richtung verlaufenden K...in C.... An das Lokal grenzt jeweils ein Wohngebäude an. Zwei Grundstücke westlich des Vorhabens befindet sich ein Gewerbehof (Hausnummer 1...), in der eine Pizzeria, Brauerei und Vinothek (Öffnungszeiten bis 22.30 Uhr) sowie ein Naturkostladen, Yoga- und Nagelstudio betrieben werden und sich einzelne Wohngebäude befinden. Im rückwärtigen Bereich des Gewerbehofs befindet sich ein großer Parkplatz. Westlich des Gewerbehofs schließen sich bis zur F...viergeschossige Wohngebäude an. Auf der südlichen Straßenseite der K... erstrecken sich auf einer Länge von etwa 80 Metern Bürogebäude des Staatstheaters. Östlich des an das klägerische Vorhaben angrenzenden Wohngebäudes wird die K... von der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden L...gekreuzt. Mit Ausnahme eines Frisörs, Juweliergeschäfts sowie einer an der Ecke zur K... betriebenen Pizzeria und einem an der Ecke zur A... liegenden Bäckers zeichnet sich der nördliche Teil der L... durch drei- bis viergeschossige Wohnbebauung aus. Im nach Süden abgehenden Teil der L... befinden sich auf der westlichen Straßenseite Proberäume des Staatstheaters, während die andere Straßenseite Wohnbebauung aufweist. Im östlich von der L... liegenden Abschnitt der K...sind im Haus Nummer 3...und 3...Büros untergebracht, zwei Grundstücke weiter befindet sich ein chinesisches Restaurant. Auf dem Hof hinter dem Restaurant liegt das als „Kneipe und Club in einem“ (http://z....de/about/) firmierende Lokal „Z...“, das ausweislich der Angaben auf der Homepage „mittwochs bis samstags ab 20 Uhr“ öffnet und regelmäßig Live-Konzerte und jedenfalls samstags „ab 23:59 Uhr“ Parties veranstaltet (http://z....de/programm/). Auf dem gleichen Hof wird auch das „L...“ mit Billiard- und Dartanlagen sowie einem Fitnessstudio betrieben mit täglichen Öffnungszeiten von 19 bis 24 Uhr (vgl. erste Ergebnisseite auf Google unter dem Suchbegriff „L...“). Auf dem benachbarten Hofgrundstück befindet sich ein weiteres Restaurant mit Öffnungszeiten bis 23.30 Uhr. An der Kreuzung zur östlich liegenden S...befindet sich ein Bäcker. Im Übrigen weist dieser Abschnitt der K... im Wesentlichen Wohnbebauung auf.
Auf der Karte stellt sich die Situation wie folgt dar:
Quelle: Brandenburg Viewer
Im Frühjahr 2013 beantragte der Kläger mehrfach die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Ladengeschäfts in eine Schankwirtschaft, wobei der Beklagte ausweislich seines Schreibens vom 6. Juni 2019 den auf den 4. Juni 2013 datierten Antrag des Klägers kombiniert mit der Betriebsbeschreibung vom 20. Februar 2013 bewertete.
Im Frühjahr 2014 nahm der Kläger ungenehmigt den Betrieb auf, woraufhin eine Beschwerde von zwei Eigentümern eines Nachbargrundstücks wegen vom Lokal ausgehenden Lärms einging.
Mit Bescheid vom 14. Mai 2014 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, das Vorhaben sei nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB nicht zulässig. Zwar sei das Vorhaben als Schankwirtschaft in einem wie hier faktisch vorliegenden Mischgebiet allgemein zulässig, verstoße aber gegen das Rücksichtnahmegebot gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 BauGB. Es sei mit Störungen der Nachtruhe für die hier als sensibel einzustufende betroffene Gebäudezeile, in der das Vorhaben liegt, sowie den nördlichen Kreuzungsbereich L...Ecke K... zu rechnen.
Nachdem der Beklagte im gleichen Monat die Nutzung des Lokals untersagte, stellte der Kläger den Betrieb wieder ein.
Gegen die Versagung der Baugenehmigung erhob der Kläger Widerspruch, den der Beklagte mit Bescheid vom 2. Februar 2015 mit der Begründung zurückwies, das Vorhaben sei nicht als Schankwirtschaft, sondern als Vergnügungsstätte zu bewerten. Diese sei planungsrechtlich unzulässig, weil der mit ihr einhergehende Zu- und Abfahrtverkehr und Soziallärm geeignet sei, die Nachtruhe der Anwohner erheblich zu stören.
Am 1. März 2015 hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor, dass Vorhaben sei als Schankwirtschaft zu qualifizieren und in dem hier vorhandenen faktischen Mischgebiet zulässig. Zudem füge es sich in die nähere Umgebung ein, weil sich in der Nähe weitere Lokale befänden, die bis weit in die Nacht betrieben werden. Da er den Betrieb einer Raucherkneipe und den Ausschank alkoholischer Getränke beabsichtige, weshalb die Gäste zu Fuß kämen, seien keine Störwirkungen durch vor dem Lokal rauchende Personen bzw. Zu- und Abfahrtsverkehr zu erwarten. Zudem plane er nur Hintergrundmusik, sodass nur mit einer Geräuschkulisse von 25-30 Dezibel zu rechnen sei.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 2. Februar 2015 zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung für die Nutzung der Schankwirtschaft „B...“ in der K... in 0..., hilfsweise unter Auflagen, zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, der Verzicht des Verkaufs von Speisen und die beabsichtigten ausgedehnten Öffnungszeiten seien ein Indiz für die Einordnung des Lokals als Vergnügungsstätte. Die gewerbliche Unterhaltung stünde hier im Vordergrund. Die Unzulässigkeit des Vorhabens ergebe sich aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO. Das Vorhaben liege in einem faktischen Mischgebiet, in einem Teil, der durch Wohnnutzung geprägt sei.
Das Gericht hat über die örtlichen Verhältnisse Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme; hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Ortsterminprotokoll vom 27. Februar 2019 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer erklärt.
Das Gericht kann durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. § 87a Abs. 2, 3, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die zulässige Klage ist begründet. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung mit Bescheid vom 14. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 2. Februar 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung, entsprechend seines Hilfsantrags indes nur unter Erteilung von Auflagen, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO.
Nach § 67 Abs. 1 der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. September 2008 (GVBl. I Nr.14), diese zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. November 2010 (GVBl. I Nr. 39) i.V.m. § 89 Abs. 4 der Brandenburgischen Bauordnung in der Fassung vom 19. Mai 2016 (GVBl. I Nr. 16) ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Diese Voraussetzungen sind bei Erteilung einer Baugenehmigung unter Auflagen erfüllt.
Das Vorhaben ist genehmigungspflichtig. Die Umwandlung der Nutzung eines Ladenlokals in eine Schankwirtschaft stellt eine funktionale Nutzungsänderung dar, die gemäß §§ 54, 55 Abs. 12 Nr. 1 BbgBO einer Baugenehmigung bedarf, weil die beabsichtigte Nutzungsänderung gegenüber der genehmigten Nutzung in bodenrechtlicher Hinsicht neu zu bewerten ist (vgl. hierzu Beschluss der Kammer vom 17. November 2014 – 3 L 278/14 –, S. 5 des Entscheidungsumdrucks).
Das Vorhaben ist auch genehmigungsfähig.
Es kann dahinstehen, ob sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Innenbereich liegenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB richtet, da die beabsichtigte Nutzung mit Blick auf die hier allein strittige Frage der Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich nach beiden Vorschriften genehmigungsfähig ist. Das vom Kläger beabsichtigte Vorhaben ist sowohl bei einer hier in Betracht kommenden Einstufung des Gebietscharakters als faktisches Mischgebiet als auch bei einer Einstufung als Gemengelage bauplanungsrechtlich zulässig.
Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist (§ 34 Abs. 1 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Bauordnungsnutzung allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 BauGB).
Die nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 und 2 BauGB reicht soweit, wie sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstückes prägt oder doch beeinflusst; es darf also nicht nur diejenige Bebauung als erheblich angesehen werden, die gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks überwiegt, sondern es muss auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstückes insoweit berücksichtigt werden, als sie noch „prägend“ auf dasselbe einwirkt (ständige Rechtsprechung, statt vieler BVerwG, Beschlüsse vom 27. März 2018 – 4 B 60.17 – juris Rn. 7; vom 13. Mai 2014 – 4 B 38.13 – juris Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Juni 2015 – OVG 10 S 11.15 – juris Rn. 4). Für das – hier streitgegenständliche – Kriterium der Art der baulichen Nutzung ist das Gebiet grundsätzlich weiter zu fassen, als die nähere, prägende Umgebung betreffend das Maß der baulichen Nutzung. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die nach außen tretende, spürbare Wirkung der Nutzungsart mit den von ihr ausgehenden Emissionen grundsätzlich weiter reicht als die Wirkung, die von dem Maß der baulichen Nutzung ausgeht (Urteil der Kammer vom 20. September 2018 – 3 K 1273/16 – juris Rn. 29).
Nach den im Ortstermin gewonnenen Eindrücken und den im Brandenburg Viewer abrufbaren Kartenmaterial umfasst die hier maßgebliche Umgebung die Bebauung entlang der K..., die in westliche Richtung durch die F...und in östliche Richtung durch die S...abgegrenzt wird. Ferner ist die Bebauung in der L..., in nördliche Richtung bis zur abgrenzenden A... sowie südlich die etwa in einem Radius von 150 m liegende Bebauung einzustellen. In Ansehung des Zu- und Abfahrtverkehrs ist eine Auswirkung des Vorhabens auf diese Bereiche anzunehmen.
Die so abzugrenzende maßgebliche Umgebung ist in der K...und im südlichen Teil der L... durch ein Nebeneinander von Wohn- und gewerblichen Nutzungen und im nördlichen Teil der L... weit überwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Hervorzuheben sind der Gewerbehof in der K..., die Büro- und Proberäume des Staatstheaters sowie die in den Abend- und frühen Nachtstunden geöffneten zwei Restaurants, die Vinothek sowie insbesondere das Lokal „Z...“ und das 90 m von der Straße zurückgesetzte „L...“.
a) Es spricht viel dafür, den so abgegrenzten Bereich als faktisches Mischgebiet zu qualifizieren. Gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Unter der Maßgabe, dass die Umgebung als Mischgebiet zu behandeln ist, ist das Vorhaben des Klägers im Hinblick auf die Art der beabsichtigen Nutzung gemäß § 34 Abs. 2 BauGB zuzulassen, weil es als Schankwirtschaft einzuordnen und gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO als Regelnutzung zulässig ist.
aa) Bei der in der Betriebsbeschreibung des Klägers vom 20. Februar 2013 dargestellten Betriebsstätte handelt es sich um eine Schankwirtschaft und nicht, wie der Beklagte zuletzt meinte, um eine Vergnügungsstätte.
Schank- und Speisewirtschaften sind gewerbliche Betriebe, in denen Getränke aller Art allein oder zusammen mit Speisen an Gäste zum Zwecke des Verzehrs vor Ort verabreicht werden (OVG Sachsen, Beschluss vom 9. Dezember 2009 – 1 B 469/09; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 5. Oktober 2009 1 MB 16/09). Demgegenüber handelt es sich bei Vergnügungsstätten um Gewerbebetriebe besonderer Art, die dem „Amusement“ dienen und durch kommerzielle Freizeitgestaltung gekennzeichnet sind. Gemeint sind gewerbliche Nutzungsarten, die sich in unterschiedlicher Ausprägung (etwa als Diskotheken, Spielhallen und Tanzbars) unter Ansprache und Ausnutzung des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder des Sexualtriebs einer bestimmten, auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung widmen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. März 2007 – 8 A 10066/07 – juris Rn. 8). Für die Abgrenzung einer Schank- und Speisewirtschaft zu einer Vergnügungsstätte kommt es maßgeblich auf den Nutzungsschwerpunkt an, der sich nach wertender Gesamtbetrachtung des Gesamterscheinungsbildes und der Angebotspalette richtet (VGH Hessen, Beschlüsse vom 22. September 2016 – 4 B 863/15 – juris Rn. 7; vom 22. Februar 2012 – 3 A 1112/11.Z – juris Rn. 10; VGH Bayern, Beschluss vom 4. Oktober 2017 – juris Rn. 5). Maßgebliche Faktoren für die Bewertung sind die vorgesehene Gästezahl, Konzeption, das Raumangebot und der Einzugsbereich der Betriebsstätte (Fickert/Fiesler, Baunutzungsverordnung, 12. Auflage 2014, § 4a Rn. 23.31.), unabhängig von ihrer gewählten Bezeichnung (ebd., § 4a Rn. 23.31 und § 6 Rn. 6), wie hier etwa als „S...“ oder „M...“. Eine Schankwirtschaft verliert nicht dadurch ihren planungsrechtlichen Charakter, weil gelegentlich in ihr Tanzveranstaltungen stattfinden oder Unterhaltungsmusik geboten wird (VGH Hessen, Beschlüsse vom 22. September 2016 – 4 B 863/15 – juris Rn. 7; vom 22. Februar 2012 – 3 A 1112/11.Z – juris Rn. 10; Wahlhäuser in: Bönker/Bischopink (Hrsg.), Baunutzungsverordnung, 2013, § 6 Rn. 67). Wird der Betrieb hingegen durch regelmäßige Musikdarbietungen und überörtlichem Einzugsbereich geprägt, ist er als Vergnügungsstätte einzuordnen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 9. März 2007 – 8 A 10066/07 – juris Rn. 8; und Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 A 10196/11 – juris).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das beabsichtigte Vorhaben des Klägers als Schankwirtschaft einzuordnen. Der Schwerpunkt des Betriebs liegt bei der Bewirtung der Gäste mit Getränken bei Hintergrundmusik und ist auf ein geselliges Beisammensein ausgerichtet. Gegen die Einordnung als Vergnügungsstätte spricht das Raumkonzept (zentrale Sitzgruppe in der Mitte des Raums), die geringe Größe des Gastraums (23,78 m²), die vorgesehene Gästezahl (maximal zehn) und der nur örtliche Einzugsbereich. Zwar wird das Lokal im Internet als „einzige M...in C...“ beworben (vgl. unter anderem h...) und vom Kläger selbst auch so dargestellt, sodass das Musikangebot eine wesentliche Rolle spielt. Indes verleiht dies der Betriebsstätte in Ansehung der übrigen Faktoren und des Umstands, dass nur das Spielen von Hintergrundmusik beabsichtigt ist, nicht das Gepräge einer Vergnügungsstätte. Bei wertender Gesamtbetrachtung steht der Verzehr von Getränken und das gesellige Beisammensein im Vordergrund. Die beabsichtigten Öffnungszeiten von 20.00 bis 3.00 Uhr, auch wochentags, sind für eine Schankwirtschaft spät, in der Innenstadt einer mittelgroßen Stadt aber nicht unüblich.
bb) Das Vorhaben des Klägers ist gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO als Regelnutzung zulässig. Es ist bei Anordnung von Auflagen auch nicht wegen eines Verstoßes des nachbarrechtlichen Rücksichtnahmegebots gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO unzulässig. Nach dieser Vorschrift ist eine bauliche Anlage unzulässig, wenn von ihr Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Welche Anforderungen das Rücksichtnahmegebot begründet, hängt im Wesentlichen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Dabei gilt jedoch allgemein, dass umso mehr an Rücksichtnahme verlangt werden kann, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt. Andererseits braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es danach im Wesentlichen auf eine Abwägung an zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1993 – 4 C 5.93 – juris Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 5. Juni 2015 – OVG 10 S 11.15 – juris Rn. 10). Geht es – wie hier – um die Bewertung von Lärmimmissionen, d. h. um die Feststellung, ob die konkret zu würdigenden Immissionen billigerweise zuzumuten sind, sind insbesondere solche Geräusche in den Blick zu nehmen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb von Schankwirtschaften zu erwarten sind, wie etwa der An- und Abfahrtsverkehr sowie Unterhaltungen von kommenden, gehenden und sich vor der Schankwirtschaft aufhaltenden Personen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zwar nicht ausgeschlossen, dass der Betrieb der Schankwirtschaft bei Erteilung einer unbeschränkten Baugenehmigung unzumutbare Belastungen für die Nachbarschaft hervorruft. Allerdings rechtfertigt dies nicht die Versagung der Baugenehmigung.
So ist in Anbetracht der niedrigen Gästezahl kein besonderes, durch den Betrieb der Schankwirtschaft ausgelöstes Verkehrsaufkommen zu erwarten. Insoweit ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass der überwiegende Teil der an sich schon geringen Zahl an Gästen angesichts des schwerpunktmäßigen Ausschanks alkoholischer Getränke und des nur örtlichen Einzugsbereichs vorrangig zu Fuß oder per Fahrrad die Schankwirtschaft aufsuchen bzw. verlassen werden. Mit Blick auf die Gästezahl ist ebenso anzunehmen, dass sich Gespräche, Gelächter und sonstige Geräusche der (kommenden, gehenden und sich vor dem Lokal aufhaltenden) Gäste noch im zumutbarem Rahmen halten, zumal der Betrieb einer Raucherkneipe beabsichtigt ist und Gäste zum Rauchen nicht vor die Tür gehen müssen (aber natürlich können). Unter Berücksichtigung der sich aus § 6 Abs. 1 BauNVO ergebenden Zweckbestimmung eines Mischgebiets, wonach Gewerbebetriebe das Wohnen nicht wesentlich stören dürfen, ist andererseits zu beachten, dass – obwohl das Wohnen im Mischgebiet ein höheres Maß an Störungen dulden muss als in Wohngebieten – sich doch eine relativ weitgehende Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Wohnen ergibt. Für die Wohnnutzung sind Störungen und Belästigungen insbesondere dann nicht mischgebietsverträglich, wenn sie sich – wie hier – bis in die Freizeit, vor allem in die Zeit der Nachtruhe hinein erstrecken (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 12. Juli 2007 – 2 L 176/02 – juris Rn. 58; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 2. Mai 2013 – 1 A 11021/12 – juris Rn. 33). Daher ist zulasten des Klägers einzustellen, dass ausweislich der Betriebsbeschreibung tägliche Öffnungszeiten von 20.00 Uhr bis 3.00 Uhr beabsichtigt sind, der Betrieb der Schankwirtschaft also zu besonders ruhebedürftigen Zeiten stattfindet. Dies gilt auch in Ansehung der hier gegebenen straßenrechtlichen Situation. Zwar handelt es sich bei der K... um eine besonders verkehrsintensive Straße. Es ist allerdings davon auszugehen, dass der Verkehr deutlich weniger zu den Zeiten auftritt, in denen der Kläger die Schankwirtschaft betreiben möchte, also in den Abend- und Nachtstunden. Dass unzumutbare Störeinwirkungen indes nicht völlig auszuschließen sind, belegt schon die im Jahr 2014 eingegangene und im Verwaltungsvorgang enthaltene Lärmbeschwerde eines benachbarten Ehepaars. Im Übrigen lässt auch das Abspielen von „Hintergrundmusik“ keine Prognose über die zu erwartenden Störungen für die Nachbarschaft zu, da mit dem Begriff kein in Dezibel definierbarer Lärmpegel verbunden ist, der die Regulierung der Musiklautstärke ausreichend ermöglicht (vgl. VG München, Urteil vom 16. März 2015 – M 8 K 14.120 – juris Rn. 76). Die Angabe des Klägers, es sei mit einer Geräuschkulisse von nur 25-30 Dezibel zu rechnen (S. 2 der Klagebegründung) ist insoweit nicht ausreichend belastbar. Der Begriff „Hintergrundmusik“ ist dahingehend zu verstehen, dass die Musik so leise sein muss, dass sie eine normale Unterhaltung der Gäste zulässt.
Die nach alledem nicht auszuschließenden Lärmimmissionen rechtfertigen die Versagung der Baugenehmigung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten indes nicht, weil der Konflikt zwischen der Schankwirtschaft des Klägers und der vorhandenen Wohnbebauung in der Nachbarschaft auch durch Auflagen ausreichend bewältigt werden kann (vgl. zur Erforderlichkeit von Auflagen in Konstellation wie hier VGH Bayern, Beschluss vom 15. November 2011 – 14 AS 11.2305 – juris Rn. 31). Unter Einhaltung der im Tenor festgesetzten Auflagen ist bei bestimmungsgemäßer Nutzung nicht von unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen für die Nachbarschaft auszugehen. Die in der Auflage unter Ziffer 1 festgesetzten Immissionsrichtwerte entsprechen dem Mittelwert, der für eine Gemengelage mit Wohnnutzung und mischgebietstypischer Nutzung (siehe hierzu unten unter b)) üblich ist. Die maßgeblichen Immissionsorte befinden sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der über der Schankwirtschaft liegenden Wohnung im 1. Obergeschoss, da dort eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte am ehesten zu erwarten ist, vgl. Ziffer 2.3 der TA Lärm. Die unter Ziffer 2 aufgeführten Auflagen sind geeignet, die Einhaltung der festgesetzten Immissionsrichtwerte sicherzustellen. Es ist zu erwarten, dass die von der Schankwirtschaft ausgehenden Belastungen hierdurch auf ein für die Nachbarschaft zumutbares bzw. zulässiges Maß beschränkt werden, zumal sich der Schutz der Nachbarschaft gegebenenfalls auch mittels Verwaltungszwang durchsetzen lässt (vgl. VG München, Beschluss vom 19. Februar 2018 – M 16 SN 17.5512 – juris Rn. 40).
b) Auch sofern sich die nähere Umgebung nicht eindeutig einem der Baugebietstypen der Baunutzungsverordnung zuordnen lässt, sondern in Ansehung der überwiegenden Wohnbebauung in der L... als Gemengelage aus Wohnnutzung bis zu mischgebietstypischer Nutzung anzusehen ist, ist das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig. Nach § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Dies ist hier der Fall.
In die Eigenart der näheren Umgebung fügt sich ein Vorhaben ein, wenn es bezogen auf die in der Vorschrift genannten Kriterien den seiner Umgebung ableitbaren Rahmen einhält, in dem es dort ein Vorbild oder eine Entsprechung findet (Urteile der Kammer vom 6. März 2019 – 3 K 413/17 – juris Rn. 21; und vom 20. September 2018 – 3 K 1273/16 – juris Rn. 27), es sei denn, es lässt die gebotene Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung vermissen (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 26. Mai 1978 – 4 C 9.77 – juris Rn. 44 ff.; vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 17; vom 23. Mai 1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 12). Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben richtet sich im Bereich des § 34 Abs. 1 BauGB nach den aus der vorhandenen Bebauung ergebenen Maßstab (BVerwG, Urteile vom 26. Mai 1978 – 4 C 9.77 – juris Rn. 44 ff.; vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 17; vom 23. Mai 1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 12).
Seiner Art nach hält sich die geplante Schankwirtschaft des Klägers innerhalb des durch die Umgebungsbebauung vorgegebenen Rahmens. Nach den Ermittlungen der Berichterstatterin befinden sich in der näheren Umgebung noch andere Schank- und Speisewirtschaften, die ebenfalls bis mindestens in die frühen Nachtstunden geöffnet haben. Zu nennen sind die östlich in der K... betriebenen zwei Restaurants, die auf dem Gewerbehof liegende Vinothek, welche – soweit bekannt – um 22.30 und 23.30 Uhr schließen sowie das bis 24 Uhr geöffnete „L...“. Jedenfalls aber findet das klägerische Vorhaben im Lokal „Z...“ mit Blick auf die Öffnungszeiten „ab 20 Uhr“ eine Entsprechung. Der Umstand, dass genaue Schließzeiten nicht genannt sind und das Lokal selbst als „Kneipe und Club in einem“ firmiert, legt den Schluss langer Öffnungszeiten nahe, jedenfalls für die Nächte von Samstag auf Sonntag feststeht, in denen „ab 23:59 Uhr“ eine Party stattfindet. Im Übrigen drängt sich die Annahme auf, dass es sich beim „L...“ und dem Lokal „Z...“ bauplanungsrechtlich um Vergnügungsstätten handelt, die nach typisierender Betrachtung stärkere Belastungen für die Nachbarschaft hervorrufen als die Schankwirtschaft des Klägers.
Es sind keine durchgreifenden Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb sich das Vorhaben trotz Entsprechung nicht einfügt. Zwar kann auch eine den Rahmen wahrende Nutzung sich nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB einfügen, nämlich wenn sie die gebotene Rücksichtnahme auf die sonstige, vor allem auf die in der unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung vermissen lässt (VGH Bayern, Beschluss vom 10. Juni 2010 – 1 ZB 09.1971 – juris Rn. 25). Dies ist hier indes – wie oben ausgeführt – nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Im Rahmen der Kostenverteilung ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nur mit seinem hilfsweise gestellten Antrag Erfolg hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.