Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 01.08.2012 | |
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Aktenzeichen | L 7 KA 151/09 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 85 SGB 5, § 45 Abs 2 S 1 BMV-Ä, § 34 Abs 4 S 1 EKV-Ä, § 34 Abs 4 S 2 EKV-Ä, § 50 Abs 1 S 1 SGB 10 |
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. September 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der vertragsärztlichen Vergütung des Klägers in den Quartalen III/02 bis III/04.
Der Kläger nimmt seit dem 1. Februar 1996 als Facharzt für Nervenheilkunde an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die Beklagte fügte seinen Honorarbescheiden für die Quartale III/02 bis II/04 jeweils eine Nebenbestimmung bei, die auszugsweise wie folgt lautete:
„Wichtig! Nebenbestimmung zum Honorarbescheid des Quartals (…)
Dieser Honorarbescheid ist teilweise vorläufig. Die den nachfolgenden Leistungen zugrunde gelegten Punktwerte sind nur vorläufig, so dass insofern gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä bzw. § 34 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EKV-Ä im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung eine nachträgliche Neufestsetzung des Honoraranspruchs zu Ihren Gunsten oder zu Ihren Ungunsten erfolgen kann (BSG-Urteile vom 31. Oktober 2001, B 6 KA 14ff/00 R). Dies gilt für nachfolgende Bereiche:
Pauschalierte Gesamtvergütung, Einzelleistung und Präventionen (…)
Die Höhe des vom Bewertungsausschuss definierten Mindestpunktwerts (ab III/02 3,1547 Cent, d. h. 6,17 Pfennige) für die zeitgebundene und genehmigungspflichtige Psychotherapie ist nach wie vor umstritten. Die hierzu bei diversen Sozialgerichten und Landessozialgerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten könnten dazu führen, dass dieser Leistungsbereich zu zusätzlichen Lasten der übrigen fachärztlichen Versorgung gestützt werden muss. Dies würde zu einer weiteren Absenkung der Punktwerte des fachärztlichen Versorgungsbereichs führen.“
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 hob die Beklagte die Honorarbescheide des Klägers für die Quartale III/02 bis II/04 teilweise auf und nahm eine Neuberechnung des Honorars des Klägers unter Neufestsetzung der fachärztlichen Punktwerte vor. Aufgrund der Nachvergütungsverpflichtung für antrags- und genehmigungspflichtige Psychotherapie seien die Punktwerte des fachärztlichen Versorgungsbereichs für die Quartale III/02 bis II/04 neu zu berechnen. Das zurückzufordernde Honorar belaufe sich auf 5.790,61 Euro.
Hiergegen legte der Kläger am 9. November 2005 Widerspruch ein.
Am 22. März 2005 legte der Kläger außerdem gegen den Honorarbescheid für das Quartal III/04 Widerspruch ein. Sein Honorar sei gegenüber dem Jahr 2003 nachhaltig gesunken. Der Widerspruch richte sich gegen die Absenkung des Punktwerts in Folge der Anhebung des Mindestpunktwerts für die genehmigungspflichtige Psychotherapie zu Lasten des fachärztlichen Versorgungsanteils. Die genehmigungspflichtige Psychotherapie müsse ausschließlich von den Krankenkassen gezahlt werden, die diese Leistung genehmigt hätten. Die Verantwortung dürfe nicht auf die an einer fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte abgeschoben werden.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2007 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die Honorarrückforderung für die Quartale III/02 bis II/04 sei rechtlich nicht zu beanstanden, weil die betreffenden Honorarbescheide mit einer Nebenbestimmung zur Vorläufigkeit versehen gewesen seien. Die Nachvergütung der psychotherapeutischen Leistungen sei aufgrund der Entscheidung des Landesschiedsamts je zur Hälfte von den fachärztlichen Leistungserbringern und den Krankenkassen aufzubringen. Für das Quartal III/04 habe der Kläger das Honorar erhalten, das ihm nach den geltenden Honorarverteilungsregelungen zugestanden habe. Der für die Leistungen der Psychotherapie ab dem 1. Januar 2004 zu zahlende Mindestpunktwert von 4,4230 Cent reduziere die Geldmenge, die für die fachärztliche Vergütung zur Verfügung stehe. Die Psychotherapeuten gehörten zum fachärztlichen und nicht etwa zum hausärztlichen Versorgungsbereich und seien daher aus dem Vergütungsanteil der Fachärzte zu honorieren. Im Übrigen sei im Vergleich zum Quartal II/04 die trennungsrelevante Gesamtvergütung gesunken.
Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgebracht, der den Honorarbescheiden seit dem Quartal III/02 beigefügte Korrekturvorbehalt sei unwirksam, denn er habe keine Angaben über den Umfang der in Betracht kommenden nachträglichen Korrektur der Honorarfestsetzung aufgezeigt. Es dürfe nicht zu seinen Lasten gehen, wenn die Beklagte sich irrig an eine rechtswidrige Entscheidung des Schiedsamtes gebunden fühle. Die Vergütung der Psychotherapeuten sei nicht aus dem Honorarkontingent für die fachärztliche Versorgung zu entnehmen, sondern aus dem hausärztlichen Honorarkontingent.
Mit Gerichtsbescheid vom 16. September 2009 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die den Honorarbescheiden der Quartale III/02 bis II/04 von der Beklagten beigefügten Korrekturvorbehalte seien rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger habe unschwer erkennen können, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang die Beklagte eine Neufestsetzung seines Honorars beabsichtigt habe. Zudem habe die Neufestsetzung der Punktwerte nur zu einer Honorarreduzierung von rund 1,17 Prozent geführt. Dies habe auch Auswirkungen auf den dem Kläger zukommenden Vertrauensschutz. Zudem habe die Beklagte sich um einen Finanzierungsbeitrag der Krankenkassen bemüht und hierzu sogar das Landesschiedsamt angerufen und dort Teilerfolge erzielt. Eine Heranziehung der Hausärzte zur Finanzierung der Nachzahlungen an die Psychotherapeuten komme nicht in Betracht, denn die Psychotherapeuten seien der fachärztlichen Versorgung zuzurechnen (§ 73 Abs. 1a Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - i. V. m. § 72 Abs. 1 SGB V). Auch könne der Kläger für das Quartal III/04 keine höhere Vergütung verlangen. Die erhöhten Honorare der überwiegend psychotherapeutischen Ärzte und der psychologischen Psychotherapeuten seien aus dem Vergütungsanteil der fachärztlichen Versorgung zu zahlen, was zu der niedrigeren Fachgruppenquote der übrigen Fachärzte und damit auch zu den niedrigeren Auszahlpunktwerten des Klägers führe. Eine Vergütung in bestimmter Höhe könne der Kläger nicht beanspruchen.
Gegen den ihm am 22. September 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Oktober 2009 Berufung eingelegt. Mit ihr verfolgt er sein Begehren weiter und trägt vertiefend vor: Die in den Honorarbescheiden seit dem Quartal III/02 enthaltenen Berichtigungsvorbehalte seien rechtswidrig und damit unwirksam. Mit ihnen werde den Honorarbescheiden nahezu vollständig der Regelungscharakter genommen. Vertrauensschutz sei nicht gewährleistet. Zudem habe sich sein Honoraranspruch pro Quartal nicht nur geringfügig vermindert. Die Vergütung der Psychotherapeuten sei nicht aus dem Honorarkontingent für die fachärztliche Versorgung zu entnehmen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. September 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2007 aufzuheben sowie die Beklagte unter Änderung des Honorarbescheides für das Quartal III/04 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2007 zu verpflichten, über seinen Honoraranspruch für das Quartal III/04 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die mit der Berufung angegriffene Entscheidung für zutreffend. Die Auffassung, die psychotherapeutischen Leistungen der psychologischen Psychotherapeuten seien dem hausärztlichen Vergütungsanteil zuzuordnen, sei abwegig.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Die Berufung ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Die mit Bescheid vom 25. Oktober 2005 vorgenommene sachlich-rechnerische Richtigstellung ist rechtlich nicht zu beanstanden (unten 1). Für das Quartal III/04 hat der Kläger keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Honoraranspruchs (unten 2).
1. Der Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a) Rechtsgrundlage des angefochtenen Änderungs- und Rückforderungsbescheides der Beklagten ist § 45 Abs. 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Abs. 4 Sätze 1 und 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) sowie § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach diesen Vorschriften der Bundesmantelverträge obliegt es der Beklagten, die vom Vertragsarzt vorgelegten Honorarabrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu überprüfen und im Falle ihrer Fehlerhaftigkeit richtig zu stellen. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten, auf § 82 Abs. 1 SGB V beruhenden bundesmantelvertraglichen Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB X verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der Grundnorm des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für den gesamten Bereich des Sozialrechts, eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (vgl. zu alledem Bundessozialgericht, Urteile vom 31. Oktober 2001, B 6 KA 16/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17, 22 sowie vom 14. Dezember 2005, B 6 KA 17/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11).
Die auf der Grundlage der genannten Regelungen bestehende Befugnis der Beklagten zur Berichtigung, d.h. zur Rücknahme rechtswidriger Honorarbescheide ist nicht auf Konstellationen beschränkt, in denen die Rechtswidrigkeit der Bescheide auf Fehlern aus der Sphäre des Vertragsarztes beruht, auch wenn diese Fallgestaltungen deren vorrangiges Anwendungsfeld darstellen. Die Vorschriften berechtigen die Beklagte vielmehr generell zur Rücknahme unrichtiger und rechtswidriger Honorarbescheide; denn einzige tatbestandliche Voraussetzung für das Berichtigungsrecht der Beklagten gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä, § 34 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EKV-Ä ist schon nach dem Wortlaut der Vorschriften die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit des Honorarbescheides. Die Vorschriften differenzieren nicht danach, in wessen Verantwortungsbereich die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit fällt. Sie erfassen alle Unrichtigkeiten der Honorarbescheide und berechtigen zur Rücknahme von Honorarbescheiden, soweit diese dadurch rechtswidrig waren. Ein Fehler der sachlich-rechnerischen Richtigkeit des Honorarbescheides und damit seine Unrichtigkeit im Sinne der Vorschriften ist daher auch gegeben, wenn diese auf Gründen beruht, die – wie hier – nicht dem Verantwortungsbereich des Vertragsarztes zuzurechnen sind. Diese umfassende Berichtigungsbefugnis ist allerdings im Hinblick auf den gebotenen Vertrauensschutz der Vertragsärzte zu begrenzen. Das gilt insbesondere, wenn die Beklagte Honorarbescheide erlässt, obwohl bekannt ist, dass gegen die Rechtmäßigkeit des angewendeten Regelwerks über die Honorarverteilung Bedenken angemeldet worden sind (hierzu und zum Folgenden: Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Oktober 2001, a.a.O., Rdnr. 23ff.).
b) Grundsätzlich kann ein Vertragsarzt aufgrund der Besonderheiten der Honorarverteilung auf den Bestand eines vor einer endgültigen Prüfung auf Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit erteilten Honorarbescheides nicht vertrauen. Die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die Beklagte im Wege der Honorarverteilung (§ 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V) ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen ihrer Vertragsärzte hin Bescheide zu erlassen hat, ohne dass sie - aus rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen - die Rechtmäßigkeit der Honoraranforderungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit oder der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung bereits umfassend überprüfen konnte. Hinzu kommt, dass Fehler der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (z.B. Abrechnung von Leistungen, obwohl der jeweilige Leistungsinhalt nicht bzw. nicht vollständig erbracht worden ist) nicht der systematischen Überprüfung durch die Beklagte zugänglich sind, sondern regelmäßig erst aufgrund besonderer Umstände, oftmals zufällig, aufgedeckt werden (können). Der auf dieser Grundlage ergehende vertragsärztliche Honorarbescheid weist insoweit deutliche Bezüge zum Rechtsinstitut des vorläufigen Verwaltungsaktes auf. Für den Leistungsempfänger bietet eine vorläufige Bewilligung eine Verbesserung seiner Rechtsposition gegenüber der Gewährung lediglich eines Vorschusses auf der Grundlage des § 42 SGB I. Der Beklagten bleibt die Möglichkeit erhalten, nach endgültiger Klärung der Sach-und Rechtslage die vorläufige Entscheidung zu korrigieren und durch eine endgültige zu ersetzen, ohne an die Regelungen über die Rücknahme von Verwaltungsakten nach § 45 SGB X gebunden und ohne durch einen Vertrauensschutz daran gehindert zu sein. In dieser Weise aufgrund der genannten Regelungen der Bundesmantelverträge auch bei Unsicherheiten hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlagen den Erlass vergleichbar vorläufiger Honorarbewilligungen zuzulassen, unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.
Eine schnelle und möglichst umfassende Auskehrung der für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge entspricht nämlich vor allem auch der Interessenlage der Vertragsärzte; sie sind zum einen - insbesondere wegen der Bestreitung der Praxiskosten - regelmäßig auf eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Leistungserbringung und Leistungshonorierung angewiesen. Zum anderen widerspräche die Zahlung lediglich von Abschlägen auf das voraussichtliche Quartalshonorar über einen längeren Zeitraum hinweg dem berechtigten Interesse der Ärzte an einer Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen. Der Zeitpunkt, zu dem die Beklagte nach Abschluss des jeweiligen Quartals die Abrechnung vorzunehmen und den Vertragsärzten einen Honorarbescheid zu erteilen hat, ist bundesrechtlich zwar nicht vorgegeben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind jedoch gehalten, die ihnen von den Krankenkassen gezahlten Gesamtvergütungen (§ 85 Abs. 1 SGB V) umgehend an die Vertragsärzte zu verteilen (§ 85 Abs. 4 SGB V). Demgemäß sind sie verpflichtet, den Vertragsärzten für jedes Quartal Honorarbescheide zu erteilen.
Entschließt sich eine Kassenärztliche Vereinigung in einer Situation der Ungewissheit über generelle (Rechts-)Grundlagen der Honorarverteilung dazu, im Interesse der Vertragsärzte die zur Verfügung stehende Gesamtvergütung voll auszuzahlen und hierüber Bescheide zu erteilen, handelt es sich um eine Situation, der durch die Vorläufigkeit von Honorarbescheiden Rechnung zu tragen ist. Ergibt sich später, dass die der Honorarverteilung zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen fehlerhaft und rechtswidrig waren, so folgt daraus die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit i.S. der § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä, § 34 Abs. 4 Satz 2 EKV-Ä und damit im Regelfall auch die Rechtswidrigkeit der auf ihnen beruhenden Honorarbescheide.
c) Die Fehlerhaftigkeit der Honorarbescheide des Klägers für die Quartale III/02 bis II/04 lag in der Zugrundelegung eines zu hohen Punktwerts. Mit den Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 28. Januar 2004 (B 6 KA 25/03 R und B 6 KA 52/03 R) stand fest, dass die ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte und psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendtherapeuten rückwirkend ab dem Jahr 2000 Anspruch auf einen höheren Punktwert für antrags- und genehmigungsbedürftige Leistungen des EBM-Kapitels G IV hatten, was für den Bezirk der Beklagten einen Anspruch auf Nachvergütung für die Quartale I/00 bis II/04 nach sich zog. Das Landesschiedsamt hat insoweit festgelegt, dass die für die Nachvergütung notwendigen Mittel hälftig von Krankenkassen und den Fachärzten (vgl. hierzu unten 2.) zu tragen ist.
d) Im Hinblick auf den Punktwert aber sind die Honorarbescheide des Klägers aufgrund der in ihnen jeweils enthaltenen, im Tatbestand wiedergegebenen Nebenbestimmungen im fraglichen Zeitraum nicht bindend geworden. Es stand der Beklagten daher offen, das Honorar zu berichtigen und eine Rückforderung zu erheben. Grundsätzlich muss nämlich, soweit Nachzahlungen in mehr als nur geringfügigem Umfang in einzelnen Fällen zu leisten sind, der dafür erforderliche Geldbetrag aus dem für das betroffene Quartal geleisteten Gesamtvergütungsbetrag aufgebracht werden. Das erfordert zwangsläufig die Berechtigung einer Kassenärztlichen Vereinigung, auf die Gesamtvergütungsanteile zurückgreifen zu können, die bereits an die Vertragsärzte ausgezahlt worden sind, die von der ursprünglichen, nunmehr als rechtswidrig erkannten Honorarverteilung begünstigt wurden.
Die Befugnis der Beklagten, auf der Rechtsgrundlage der § 45 Abs. 2 BMV-Ä, § 34 Abs. 4 EKV-Ä unrichtige Honorarbescheide, soweit sie rechtswidrig sind, auch bei in ihren Verantwortungsbereich fallenden Fehlern zurückzunehmen, besteht allerdings nicht uneingeschränkt. Die Interessen des einzelnen Vertragsarztes an der Kalkulierbarkeit seiner Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit einerseits und die Angewiesenheit der Beklagten auf die Weitergabe von nachträglichen Änderungen der rechtlichen Grundlagen der Honorarverteilung an alle Vertragsärzte andererseits müssen zu einem Ausgleich gebracht werden. Das schließt zunächst aus, dass die Beklagte ohne konkreten Anlass generell Honorarbescheide unter einen pauschalen Berichtigungsvorbehalt für den Fall stellt, dass die insgesamt in einem Quartal zu honorierende Punktemenge sich gegenüber den Annahmen, die der ursprünglichen Honorarverteilung zugrunde liegen, nachträglich z.B. infolge gerichtlicher Entscheidungen ändert. Ein solcher genereller Berichtigungsvorbehalt nähme dem Honorarbescheid nahezu vollständig den Regelungscharakter. Um einen sachgerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu erreichen, ist zunächst in formeller Hinsicht erforderlich, dass aufgrund entsprechender Hinweise der Beklagten hinreichend deutlich ist oder sich zumindest aus den dem Vertragsarzt bekannten Gesamtumständen hinreichend deutlich ergibt, unter welchen konkreten Voraussetzungen und in welchem ungefähren Umfang sie sich auf eine Vorläufigkeit des Bescheides berufen und ihn gegebenenfalls nachträglich korrigieren will. Weiterhin darf sich die Vorläufigkeit des Honorarbescheides ihrem Gegenstand nach nur auf begrenzte Teile des Honorarbescheides bzw. - wirtschaftlich betrachtet - kleinere Anteile der Honorarforderung des Vertragsarztes beziehen. Eine Vorläufigkeit, die es ermöglichen würde, das vertragsärztliche Honorar für ein bestimmtes Quartal auf die Hälfte des Betrages zu reduzieren, der sich aus dem Honorarbescheid zunächst ergibt, nähme diesem Bescheid den Charakter als Regelung des Honoraranspruchs des Vertragsarztes für ein Kalendervierteljahr, weil dem Arzt in der Sache lediglich eine Abschlagszahlung zugebilligt würde.
Der von der Beklagten den ursprünglichen Honorarbescheiden beigefügte Vorläufigkeitshinweis beschreibt seinen Gegenstand - nämlich die Vorläufigkeit der zugrunde gelegten Punktwerte aufgrund des bestehenden Streits um die Höhe des vom Bewertungsausschuss definierten Mindestpunktwerts für die zeitgebundene und genehmigungspflichtige Psychotherapie - präzise und für den Adressaten verständlich. Der Umfang der Vorläufigkeit hat dem Kläger im Übrigen kein unzumutbares wirtschaftliches Risiko aufgebürdet. Er betrug 1,17 Prozent seiner Honorarforderung für die Quartale III/02 bis II/04, nämlich 5.790,61 Euro im Verhältnis zu einem Gesamthonorar von 495.396,04 Euro. Bei Erlass des Honoraränderungs- und rückforderungsbescheides waren zudem noch keine vier Jahre seit Erlass des ältesten zu korrigierenden Honorarbescheides ergangen (Quartal III/02; vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2005, a. a. O.
e) Vor diesem Hintergrund war die Beklagte verpflichtet, die Honorarbescheide des fraglichen Zeitraumes sachlich-rechnerisch zu berichtigen; sie war wegen ihrer Bindung an die gesetzlichen Vorgaben der Honorarverteilung und im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung aller Vertragsärzte nicht frei, nach eigenem Ermessen generell von rechtmäßig möglichen Bescheidkorrekturen abzusehen. Danach ist der angefochtene Korrekturbescheid der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden. Die Verpflichtung des Klägers, der Beklagten den nach diesem Bescheid zuviel erhaltenen Honorarbetrag zu erstatten, beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X.
2. Ein Anspruch auf Neubescheidung des Honoraranspruchs für das Quartal III/04 besteht ebenso wenig.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars ist § 85 Abs. 4 SGB V. Danach steht jedem Vertragsarzt ein Anspruch auf Teilhabe an den von den Krankenkassen an seine Kassenärztliche Vereinigung entrichteten Gesamtvergütungen entsprechend Art und Umfang der von ihm erbrachten und abrechnungsfähigen Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) zu. Gemäß dem durch das GKVRefG 2000 mit Wirkung vom 1. Januar 2000 eingefügten zweiten Halbsatz des § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB V hat die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung im Sinne von § 73 Abs. 1 bis 1c SGB V zu verteilen. Dies bedeutet, dass zur Vergütung hausärztlicher Leistungen nur das Honorarkontingent für den hausärztlichen Versorgungsbereich zur Verfügung steht und fachärztliche Leistungen ausschließlich aus dem strikt getrennten Honorarkontingent für die fachärztliche Versorgung finanziert werden dürfen. Punktwertausgleichende Stützungsmaßnahmen zwischen beiden Versorgungsbereichen sind nicht zulässig. Vertragsärzte, die - wie der Kläger als Facharzt für Nervenheilkunde - an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen, können mithin nur die leistungsproportionale Teilhabe am Honorarkontingent der Fachärzte beanspruchen(vgl. zu alldem Bundessozialgericht, Urteil vom 29. August 2007, B 6 KA 36/06 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13).
Zu Recht hat das Sozialgericht in seinem mit der Berufung angegriffenen Gerichtsbescheid entschieden, dass die Beklagte die Vergütung der Leistungen der psychologischen Psychotherapeuten dem fachärztlichen Honorarkontingent entnehmen durfte. Weil die Ausführungen des Sozialgerichts auf Bl. 6 und 7 des Gerichtsbescheides hierzu erschöpfend und zutreffend sind, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit Bezug auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Im Übrigen hat der Senat auch schon in seinem rechtskräftigen Urteil vom 14. September 2011 (L 7 KA 86/08, zitiert nach juris, dort Rdnr. 40) vorausgesetzt, dass aufgrund der eindeutigen Regelungen in § 73 SGB V die Vergütung der psychologischen Psychotherapeuten aus dem Honorarkontingent der Fachärzte zu entnehmen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision, § 160 Abs. 2 SGG, liegen nicht vor.