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Industrie- und Handelskammer; IHK; Pflichtmitgliedschaft; Beitragspflicht; Beiträge; Gewerbesteuer; Veranlagung; strafrechtliche Untreue; Erlös aus Straftat; Regelungslücke; Analogie (verneint)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 08.02.2017
Aktenzeichen OVG 1 N 4.15 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 2 Abs 1 IHKG, § 15 Abs 2 EStG, § 40 AO

Leitsatz

Die Heranziehung zu Beitragszahlungen einer Industrie- und Handelskammer folgt nach § 2 Abs. 1 IHKG im Wesentlichen der Veranlagung des Betroffenen zur Gewerbesteuer. Ob der zur steuerlichen Veranlagung führende Gewinn rechtmäßig erlangt wurde, ist insoweit ohne Belang.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. Dezember 2014 wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 336,85 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Mitgliedsbeiträgen der Industrie- und Handelskammer. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass die Kammerzugehörigkeit und damit auch die Beitragspflicht des Klägers gemäß § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (IHKG) in Verbindung mit § 15 Einkommensteuergesetz (EStG) zwingend an seine mit entsprechenden Steuerbescheiden erfolgte Gewerbesteuerveranlagung gebunden sei. Dass der Kläger mit seiner gewerblichen Tätigkeit nach seinem Vorbringen Straftatbestände verwirklicht habe, ändere daran nichts. Auch Einkünfte aus Straftaten könnten gewerbesteuerpflichtig sein. Die Kammermitgliedschaft knüpfe nicht an den strafrechtlichen Qualifizierungstatbestand der Gewerbsmäßigkeit an. Deshalb gehe der Hinweis des Klägers fehl, dass sämtliche gewerbsmäßigen Straftäter ebenfalls Mitglieder der Beklagten sein müssten. Schließlich sei nicht erkennbar, inwiefern die Wahrnehmung der sich aus § 2 Abs. 1 der Satzung der Beklagten ergebenden Aufgabe, „für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken“, durch die Mitgliedschaft des Klägers beeinträchtigt werden solle. Diese im Gesamtinteresse ihrer Mitglieder und unabhängig von möglichen Verfehlungen Einzelner wahrzunehmende Aufgabe sei für die Frage der Kammermitgliedschaft des Klägers ebenso unerheblich wie der sich aus dieser Zugehörigkeit für ihn ergebende individuelle Nutzen.

1. Der im Wesentlichen geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist auf der Grundlage des wegen des Darlegungserfordernisses (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) für die Prüfung des Senats maßgeblichen Zulassungsvorbringens nicht gegeben. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder nur einzelne Elemente dieser Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt. Daran fehlt es hier.

Der Kläger wendet zunächst ein, die steuerrechtliche Behandlung von „strafrechtlich bemakelten Einkünften“ könne nicht uneingeschränkt auf die Frage der Mitgliedschaft in der Beklagten übertragen werden. Insoweit sei bei der Art des gewerbesteuerlichen Erlöses zu differenzieren, weil Finanzverwaltung und Industrie- und Handelskammer unterschiedlichen Zwecken dienten.

Dieser Einwand ist ohne Substanz und vermag die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Argumentation nicht ernstlich in Zweifel ziehen.

Das Verwaltungsgericht hat begründet, dass und warum die Kammerzugehörigkeit ohne weiteres kraft Gesetzes eintritt, sofern der Betroffene zur Gewerbesteuer veranlagt wird und - was hier nicht umstritten ist - im Bezirk der Industrie- und Handelskammer eine Betriebsstätte unterhält (§ 2 Abs. 1 IHKG). Das Gericht hat ebenso zutreffend ausgeführt, dass sich das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der gewerbesteuerrechtlichen Veranlagung allein aus den Feststellungen der Steuerbehörden ergibt, deren Entscheidungen insoweit Tatbestandswirkung haben, an die sowohl die Industrie- und Handelskammern als auch die Verwaltungsgerichte im Streitfall gebunden sind (stRspr., vgl. BVerwG Urteil vom 27. Oktober 1998 - 1 C 19.97 - juris Rn. 13 und Beschluss vom 11. Juli 2011 - 8 C 23.10 - juris Rn. 4; Senatsurteil vom 17. März 2011 - OVG 1 B 7.10 - juris Rn. 16). Eine zusätzliche Einschränkung der - neben den räumlichen Voraussetzungen - allein an den formalen Umstand der Gewerbesteuerveranlagung anknüpfenden Kammerzugehörigkeit ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (vgl. zur Frage der gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit auch Jahn, in: Frentzel/Jäckel/Junge, IHKG, 7. Auflage 2009, § 2 Rn. 56 ff. <63 und 94 f.>). Gegen diese gesetzliche Verknüpfung der Kammerzugehörigkeit mit der Gewerbesteuerveranlagung bringt die Zulassungsbegründung nichts vor.

Soweit der Kläger meint, es überzeuge „nicht vollständig“, dass das Verwaltungsgericht abgelehnt habe, die Kammerzugehörigkeit des Klägers im Wege richterlicher Rechtsfortbildung zu beschränken, so enthält die Zulassungsbegründung selbst keine ansatzweise durchgreifenden Ausführungen dazu, weshalb die nach Überzeugung des Gerichts nicht bestehende planwidrige Regelungslücke, die eine Rechtsfortbildung im Wege des Analogieschlusses - wie angeregt - erst möglich und erforderlich machen könnte, gegeben sei.

Die Ausführungen des Klägers über die historische Diskussion einer Notwendigkeit und Bedeutung berufsständischer Zwangszusammenschlüsse sowie die Definition des Berufs geben dafür ebenso wenig etwas Substantielles her wie die allgemeinen Ausführungen zur richterlichen Rechtsfortbildung im Wege der Analogie und zur Ermittlung einer planwidrigen Regelungslücke. Diese sich nicht auf die inmitten stehende Regelung in § 2 Abs. 1 IHKG beziehenden pauschalen Aussagen verdeutlichen daher keineswegs, „dass der Gesetz- bzw. Verfassungsgeber (selbstverständlich) davon ausging, dass Maßstab für die Mitgliedschaft bei der Beklagten der Beruf und nicht irgendeine steuerliche Veranlagungsart ist“.

Der weitere Einwand, dass „die steuerrechtliche Einkommensart zur Einordnung der zugrundeliegenden beruflichen Tätigkeit“ wenig tauglich sei, wie „sich auch aus der bis vor kurzem gleichen steuerlichen Behandlung von Abgeordneten und Prostituierten“ ergebe, stellt die verwaltungsgerichtliche Argumentation, wonach nicht der Beruf des Betroffenen, sondern dessen Veranlagung zur Gewerbesteuer nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes maßgeblich sei, ebenfalls nicht in Frage. Die Ansicht der Zulassungsbegründung, dass die Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer und die „kriminelle Erlösgenerierung (…) unpassende Pärchen“ seien, reicht zum Beleg einer planwidrigen Regelungslücke ebenso wenig aus wie die noch aufgeworfene Frage, aus welchen Gründen nicht von dem Maßstab des Gesetzes, wonach die Kammermitgliedschaft von der steuerlichen Einkünften abhängig ist, abgewichen werden dürfe. Denn diese Frage wird bereits durch Art. 20 Abs. 3 Halbs. 2 GG beantwortet, wonach die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden sind. Dass das Argument des Verwaltungsgerichts, wonach es für die Rechtmäßigkeit der Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten unerheblich sei, welchen individuellen Nutzungen er daraus ziehe, den Kläger nicht überzeugt, kann dahinstehen, denn die Richtigkeit des Arguments wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Beratungs- und Fortbildungsangebot der Beklagten die Branche des Klägers nicht erwähne. Die Zulassungsbegründung verkennt grundsätzlich, dass der Kläger nicht wegen krimineller Machenschaften, sondern wegen der Einnahmen von Veräußerungsprovisionen zur Gewerbesteuer veranlagt wurde und dieser Umstand seine Heranziehung zu Mitgliedsbeiträgen der Industrie- und Handelskammer rechtfertigt.

Soweit sich die Zulassungsbegründung pauschal auf das erstinstanzliche Vorbringen des Klägers bezieht, genügt dies bereits nicht dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Danach muss sich der Rechtsmittelführer im Hinblick auf den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung substantiiert auseinandersetzen und konkret dartun, weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- oder Tatsachenfragen unrichtig entschieden habe. Mit der pauschalen Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen ist keine substanzielle Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angegriffenen Entscheidung zu leisten. Der Senat prüft nicht von Amts wegen, welche ggf. weiteren Argumente das Vorliegen ernstlicher Richtigkeitszweifel stützen könnten.

2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen. Der Zulassungsgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten setzt eine solche qualifizierte Schwierigkeit der Rechtssache mit Auswirkung auf die Einschätzung der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung voraus, dass sie sich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht signifikant von dem Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfälle unterscheidet. Diese Anforderungen sind erfüllt, wenn aufgrund des Zulassungsvorbringens keine Prognose über den Erfolg des Rechtsmittels getroffen werden kann, dieser vielmehr als offen bezeichnet werden muss. Dies ist vorliegend nicht der Fall, wie sich aus den Ausführungen zu 1. ergibt. Der Kläger hat zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes auch nichts vorgetragen.

3. Der Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist ebenfalls nicht gegeben. Wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, so ist erforderlich, dass eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht. Der Kläger unterlässt es bereits, eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren, die seiner Auffassung nach im Berufungsverfahren zu klären wäre. Allein die Behauptung, dass die vorliegende Konstellation ohne Präjudiz und in gewissem Maße auch von öffentlichem Interesse sei, erfüllt die Anforderungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).