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Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG)


Metadaten

Gericht VG Potsdam 9. Kammer Entscheidungsdatum 03.09.2014
Aktenzeichen 9 K 1334/14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gemäß § 166 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO), dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, wobei von einer mutwilligen Rechtsverfolgung dann auszugehen ist, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Hieran fehlt es.

Die Untätigkeitsklage des Klägers auf Zugang zu der in Rede stehenden Diensttelefonliste mit Durchwahlnummern von Mitarbeitern des Beklagten bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger – der ansonsten offenbar in keinerlei rechtlichem Kontakt zu dem Beklagten steht, der in Rede stehenden Durchwahlnummern daher nicht zur Wahrung seiner Rechte bedarf – stützt sich auf die Anspruchsgrundlage des § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (IFG), die für jedermann und voraussetzungslos gilt. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei der Telefonliste überhaupt um eine amtliche Information im Sinne dieser Bestimmung handelt (dagegen VG Ansbach, Urteil vom 27. Mai 2014 – AN 4 K 13.01194 – Juris Rn. 29 ff.; VG Augsburg, Beschluss vom 6. August 2014 – Au 4 K 14.983 –, Juris Rn. 18; vgl. auch Seifert, in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. 2014, § 32 Rn. 124), ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Herausgabe einer Diensttelefonliste mit Durchwahlnummern von Mitarbeitern an jedermann ablehnt und dem Kläger entgegenhält, dass er seine Erreichbarkeit über ein sogenanntes Service-Center sicherstelle. Diese organisatorische Regelung des Beklagten zur telefonischen Kommunikation und der damit ganz offensichtlich bezweckte Schutz der Arbeit der einzelnen Sachbearbeiter würde nämlich gestört, wenn der Beklagte dennoch – wie von dem Kläger gewünscht – an jedermann Listen mit Durchwahlnummern herausgeben müsste. Insoweit greift der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 2 IFG, der mit dem Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Sicherheit nicht nur die Rechtsordnung und Individualrechtsgüter der Bürger schützt, sondern – wie in der Gesetzesbegründung bestätigt (BT-Drs. 15/4493, S. 10) – auch die grundlegenden Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates, mithin insbesondere auch die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 1986, S. 233 f.). Geschützt ist damit auch die Befugnis (und die Verpflichtung) staatlicher Stellen, im Rahmen der rechtlichen Vorgaben durch Organisation sicherzustellen, dass die ihnen zugewiesenen Aufgaben mit den zur Verfügung stehenden (begrenzten) personellen und sächlichen Mitteln sachgerecht und effektiv erledigt werden können; hierzu gehört grundsätzlich auch, Regelungen zur telefonischen Kommunikation zu treffen. Dabei steht den staatlichen Stellen Ermessen zu. Um eine solche organisatorische Maßnahme handelt es sich bei der Regelung, die telefonische Durchwahl zu einzelnen Sachbearbeitern nicht für jedermann zu veröffentlichen, sondern den telefonischen Kontakt im Allgemeinen über eine Zentrale oder ein Service-Center zu steuern. Die Regelung dient ersichtlich (zumindest auch) dazu, dass die Arbeit der einzelnen Sachbearbeiter nicht ungeregelt durch Anrufe unterbrochen wird (vgl. Beschluss der Kammer vom 16. Juli 2014 – 9 K 1333/14 –). Dass der Beklagte hiermit das ihm eingeräumte Organisationsermessen fehlerhaft ausgeübt hätte, kann die Kammer nicht erkennen. Weder sind der Regelung entgegenstehende rechtliche Vorgaben vorgetragen oder ersichtlich, noch ist die Regelung sachwidrig oder vom Verwaltungsgericht sonst zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht ist nicht berufen, dem Beklagten im Rahmen seines Organisationsermessens Vorgaben zu machen. Der von dem Kläger angeführten Auffassung, wonach es „Ausdruck modernen staatlichen Selbstverständnisses“ sei, die telefonische Erreichbarkeit in beiden Richtungen unmittelbar sicherzustellen, und zwar auch in sogenannten Masseverfahren und auch und gerade in Bereichen, wo es um die soziale Existenz gehen könne, und nur der Rest eine Frage der Organisation sei (so VG Leipzig, Urteil vom 10. Januar 2013 - 5 K 981/11 -, Juris Rn. 32; VG Gießen, Urteil vom 24. Februar 2014 – 4 K 2911/13.GI –, Juris Rn. 27), kann sich die Kammer daher nicht anschließen. Auch der Umstand, dass andere Jobcenter (§ 6d Sozialgesetzbuch II) Durchwahlnummern ihrer Mitarbeiter allgemein abrufbar in ihren Internetauftritt einstellen, führt nicht weiter; vielmehr ist auch dies lediglich Ausdruck des – insoweit anders ausgeübten – Organisationsermessens jener Stellen (siehe zum Ganzen im Wesentlichen ebenso VG Augsburg, a.a.O., Rn. 19).

Die Organisationsentscheidung des Beklagten gegen die Veröffentlichung der Durchwahlnummern und der damit bezweckte Schutz der Arbeit der einzelnen Sachbearbeiter würde konterkariert, wenn der Beklagte auf der Grundlage von § 1 IFG dennoch an jedermann Durchwahlnummern herausgeben müsste. Ob hierdurch die Funktionsfähigkeit des Beklagten insgesamt in Frage gestellt bzw. die Arbeit insgesamt lahmgelegt würde (vgl. hierzu VG Leipzig und VG Gießen, jeweils a.a.O.), ist unerheblich. Denn der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 2 IFG setzt nicht erst dann ein, wenn zu befürchten ist, dass staatliche Stellen gar nicht mehr arbeiten können, sondern bereits dann, wenn ihre organisatorischen Vorkehrungen zur effektiven Aufgabenerledigung gestört werden und die Gefahr besteht, dass die Arbeit der Sachbearbeiter beeinträchtigt wird.

Soweit der Kläger anführt, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der Ausschlusstatbestände die Frage der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung gesehen habe, führt auch dies zu keiner anderen Bewertung (anders VG Leipzig, a.a.O., Rn. 41). Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber zum Schutz behördlicher Beratungen und Entscheidungsprozesse konkrete Versagungsgründe geregelt hat, namentlich die Versagungsgründe der § 3 Nr. 3 lit. b und § 4 IFG, ist nicht zu schließen, dass er anderweitige Aspekte der Funktionsfähigkeit staatlicher Stellen, insbesondere Regelungen zum telefonischen Außenkontakt, nicht schützen bzw. aus dem hier in Rede stehende Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 2 IFG ausklammern wollte. Soweit er mit der Eröffnung des allgemeinen Informationszugangsanspruchs im Übrigen eine zusätzliche Belastung der informationspflichtigen Stellen in Kauf genommen hat, betrifft dies die Belastung durch den Aufwand, den die Bearbeitung entsprechender Anträge auf Informationszugang mit sich bringt. Keinesfalls folgt hieraus aber, dass der Gesetzgeber den Aspekt der zusätzlichen Belastung staatlicher Stellen auch als Folge der Herausgabe bestimmter Informationen pauschal in Kauf genommen hätte bzw. dass er interne Informationen staatlicher Stellen auch dann für jedermann hätte zugänglich machen wollen, wenn deren Veröffentlichung ihrer betrieblichen Organisation zuwiderläuft und ihre Arbeit stören kann.

Ungeachtet dessen lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe selbst dann nicht vor, wenn man zu dem Ergebnis käme, dass der Klage vor dem Hintergrund der von dem Kläger angeführten erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gewisse Erfolgsaussichten beizumessen wären. Gemessen an § 114 Abs. 2 ZPO ist die Rechtsverfolgung nämlich mutwillig. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Kläger, der für sich keine staatliche Hilfe beansprucht, sondern seine Rechtsverfolgung aus eigenen Mitteln bestreiten muss, in gleichem Umfang wie der Kläger den Rechtsweg beschreiten würde, nämlich durch Erhebung mehrerer jeweils auf Herausgabe entsprechender Telefonlisten gerichteter, nicht fristgebundener Untätigkeitsklagen (§ 75 VwGO) gegen verschiedene Jobcenter, welche für ihn in ihrem eigentlichen Aufgabenfeld, der Grundsicherung für Arbeitssuchende, örtlich gar nicht zuständig sind, und dies obwohl er wissen muss, dass es hierzu noch keine ober- und höchstgerichtliche Entscheidung gibt, auf die er sich stützen kann, er also durchaus damit rechnen muss, in allen Fällen zu unterliegen. Dass sich ein die Prozessführung selbst finanzierender Kläger dem damit verbundenen Prozesskostenrisiko aussetzen und nicht zunächst den Ausgang des ersten Verfahrens abwarten würde, ist bei verständiger Würdigung nicht anzunehmen.